Da gibt es viel zu sagen.
Anmerkungen:
a) Also uneingeschränkt ist der Geist hinter "Alles erlaubt, was nicht verboten ist." in unserem Regime nicht gültig. Es gibt auch das
Vorsorgeprinzip, wo alles erstmal begrenzt werden kann, bis es sich als unschädlich erwiesen hat.
b) Bei der Gewalt, wo sich Petra und Wolfgang tendenziell einig gewesen sind, wurde meines Erachtens die Grenzverschiebung für das Zulassbare mit einer anteiligen Zunnahme von Inhalten, die an die neue Grenze gehen, verwechselt. Aus dem einen folgt nicht zwingend das andere.
c) Die USK-Diskussion schien mir an der Struktur der Organisation vorbei zu gehen. Letztlich ermöglicht die USK doch nur, dass die eigentliche "Meßvorrichtung", die Gremien, arbeiten können. Und diese Gremien sind soweit ich das verstehe sozusagen wir, sprich Repräsentanten aus Gesellschaft und Wissenschaft. Wir haben unsere Haltung verändert und die Entscheidungen reflektieren das. Oder ist die Behauptung, dass die USK über die Rahmenbedingungen, die Sichter oder ihre Stimme die Gremien zu industriefreundlichen Einscheidungen hinsteuert?
d) Ein tief ansetzendes Argument hätte ich für Petra noch gehabt: Die strafrechtliche Reglung ist im Prinzip von 1968. (Gab es in anderer Form auch schon davor.) Etwas, dass sich seitdem stark geändert hat, ist die Präsenz von Medien in der Gesellschaft. Wenn man damals zum Beispiel darüber nachdachte, dass es für einen Kinofilm, der ein verbotenes Symbol zeigt, eine Ausnahme als Kunstwerk geben sollte, dann im Kontext davon, dass die Leute mit gewissem Aufwand mal einen Film geschaut haben. Woran niemand gedacht hat, dass sie den Kinofilm jederzeit, so oft sie wollen sehen können auf einem Gerät, das die meisten mit sich herumtragen.
Und mehr am Kern der Debatte. Zur deutschen Spielperspektive:
These 1:
Man sollte Computerspielen grundsätzlich nicht verwehren eine Täterperspektive zu inszenieren, sprich den Spieler in diese Perspektive zu stellen. Eine wichtige Unterscheidung: Zu trennen ist das von der interaktiven Bereitstellung, oder allgemeiner der Darstellung, der Tathandlung. Nun kommt die interessante Frage, wenn man einen Wehrmachtssoldaten bei legalen Kriegshandlungen im Zweiten Weltkrieg spielt, spielt man dann zwingend einen Täter (Soldat des nationalsozialistischen Staates) bei der Ausführung seiner Tat (Teilnahme an einem verbrecherischen Angriffskrieg bzw. Abwehr der Niederlage). Ist es also im größeren Kontext die spielerische Wiederholung (eines Aspekts) der NS-Taten. Wenn man das bejaht, würde mich übrigens noch die Bewertung für die Spielfigur des gleichen Soldaten einige Jahre später als Fremdenlegionär im Indochinakrieg interessieren.
These 2: Ich hole mal kurz aus und setze bei der von Wolfgang hier vermiedenen AFD-alles-Nazis-Setzung an. Ich verstehe das als Schimpfwort, als Übertreibung, vielleicht als so eine Art Bürger-Gefährderansprache. Im engeren Sinne stimmt es natürlich nicht. Weder ist die AFD die Neugründung der NSDAP, noch eine Nachfolgeorganisation, noch eine andere nationalsozialistische Organisation und damit ist von der Präsenz von Nationalsozialisten in der AFD der Rückschluss unzulässig, dass es nur solche dort gibt. Nun hält sich mein Mitleid mit den Mitgliedern der Partei in Grenzen, schließlich werfen die selbst mit unzutreffenden Zuschreibungen nur so um sich. Die Kritik an der Zuschreibung "Nazi" in dem Kontext führt aber zur These:
Beim nationalsozialistischen Staat und seinen Akteuren wird der Bereich des Singulären zu schlecht verstanden, also genauer zu weit vermutet. Mit dieser Auffassung ist vielleicht klar, ich würde das Szenario aus These 1 negativ bescheiden. Ich kann mir zum Beispiel einen 19jährigen Wehrmachtssoldaten vorstellen, der 1943 irgendwo an einer Front in Europa verheizt wird. Er ist also 1924 geboren, so ab 1934 vom zehnten Lebensjahr an vom NS-Staat indoktriniert worden. Natürlich steht er auf der falschen Seite, aber darf ich diese Figur in keinem Fall einem Spieler in die Hand drücken, der sie dann Gewalt gegen die richtige Seite üben lässt?
These 3:
Das eigentliche Problem beim "Nazi spielen" insbesondere im Shooter-Genre, liegt im Spielspaß. Ich greife mal auf die
Diskussion in Magazin #56: DICE und historische Glaubwürdigkeit zurück, da meinte ich, man kann aus dem Zweiten Weltkrieg einen Spielplatz machen. Das stellt einen freilich vor ein Dilemma. Wenn man da einen deutschen Soldaten spielen kann (der genauso hier im engeren Sinne kein Nazi sein muss, aber ich nehme an das ist mit "Nazi spielen" gemeint), dann soll der Spieler auch in dieser Rolle Spaß haben. Für mich ist an diesem Schlaglicht dann noch interessant, dass wenn es in einem Konflikt, wo wir zielsicher die falsche und die richtige Seite zuordnen können, Unbehagen bereitet für die Falschen Siege einzufahren, was ist dann die Konsequenz für die Konflikte, wo wir das nicht können?
Ich sage mal, womit ich leben kann: In Spielen, die sich um die Nachstellung historischer Kriegssituationen bemühen, muss man für den Fall des Zweiten Weltkriegs nicht die deutsche Perspektive aussparen. Das gilt für Strategiespiele wie für Shooter. Wird das dann missbraucht werden? Sicherlich. Allerdings gehe ich davon aus, dass diejenigen, die das tun, sich schon jetzt an ausländischen Versionen oder Modifikationen von Spielen bedienen. Ich gönne es ihnen nicht. Aber ich gönne auch der riesigen Zahl von Menschen die Kommunikationsdienste zum Nachteil anderer Teilnehmer für ihre affektive Stabilisierung missbrauchen genau das nicht und muss dennoch damit leben. Kleiner Trost, wenn die Spielerfolge aus dem Bereich des nazi reenactment gamer-mäßig abgefeiert werden, ist man schnell im Bereich der Volksverhetzung (insbesondere § 130 StGB Absatz 3 und 4). Da sollte man dann zuschlagen.
Ironisch finde ich aber doch Folgendes: Die schlimmste Konsequenz aus der Aufhebung des Hakenkreuz-"Verbots", worauf sich Petra und Wolfgang ebenfalls einigen konnten, wäre ein Multiplayermodus, in dem man Nazis spielt - wiederum ich gehe davon aus, gemeint ist jede Form deutscher Soldaten zu spielen. Also übersehe ich da irgendetwas? In den vielen Jahren, wo das Hakenkreuz in Spielen mit Verwaltungsmitteln ausgeschlossen wurde, hätte das bei genau diesem Szenario nicht geholfen. Die Wehrmacht ist keine verbotene Organisation, die Uniform demnach kein verbotenes Symbol. Lediglich die an der Uniform angebrachten Hoheitszeichen des Deutschen Reiches wären relevant. Vor Jahren wären die durch die Qualität der Charaktermodelle sozusagen technisch eliminiert worden oder in jedem Fall als kleines Detail, das im Gegensatz zu einer Hakenkreuzflagge wenig auffällt, hätten sie weglassen oder unauffällig ersetzt werden können. Der Verweis auf verbotene Symbole hätte also den Multiplayer-Shooter, wo man Wehrmachtssoldaten spielen kann, überhaupt nicht gestoppt.