Wieder volle Zustimmung und kein Widerspruch zu dem, was ich gesagt habe?derblaueClaus hat geschrieben: ↑29. Aug 2019, 17:22Klar war das vereinfacht, ich wollte mir genau diesen Absatz sparen. Aber der stimmt bei dir leider auch nicht ganz bzw. ist ungenau. (...) Es kommt alleine auf die Überzeugung des Gerichts an. Das darf natürlich nicht einfach aus der Luft gegriffen entscheiden. Aber " wenn die Urteilsgründe erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und sich nicht als bloße Vermutung erweist" (a.a.O.) ist die Beweiswürdigung in Ordnung. Letztlich scheint da auch das hohe Gut der richterlichen Unabhängigkeit durch.Guthwulf hat geschrieben: ↑29. Aug 2019, 13:15(...) Es gilt auch im deutschen Rechtssystem die Unschuldsvermutung. Deshalb muss nicht der Beschuldigte seine Unschuld sondern die Strafverfolgungsbehörde seine Schuld beweisen. Das Gericht hat im Falle einer Anklage die Aufgabe, einerseits die Rechte des Opfers zu schützen, aber andererseits die vorgelegten Beweise daraufhin zu prüfen, ob die Vorwürfe zutreffend sind. Da gibts dann aussagepsychologisches Gutachten und sehr detaillierte Untersuchungen ob und inwiefern die verschiedenen Aussagen plausibel sind bzw. Beweiskraft haben. Ist das Gericht – nach abgeschlossener Gesamtwürdigung aller Tatsachen und Beweisergebnisse – nicht von der Schuld des Angeklagten überzeugt, hat es also Zweifel daran, muss es "im Zweifel für den Angeklagten" freisprechen.derblaueClaus hat geschrieben: ↑29. Aug 2019, 12:48(...) Letztlich kommt es darauf an, was und wem das Gericht größeren Glauben schenkt.
Wie du selber vom BGH zitierst, reicht ein einfaches "ich glaube dem Opfer" durch das Gericht eben gerade nicht aus (siehe: "Die zur richterlichen Überzeugung erforderliche persönliche Gewissheit des Richters setzt allerdings objektive Grundlagen voraus, die aus rationalen Gründen den Schluss erlauben, dass das festgestellte Geschehen mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Wirklichkeit übereinstimmt"). Ich wollte einfach einer möglichen irreführenden Interpretation deines sehr kurzen Satzes entgegenwirken.
Es ist nicht so, das man sich die beiden Aussagen anhört und wem auch immer der Richter "glaubt", der gewinnt. Es gibt eine Beweisführung (mit Unschuldsvermutung als Grundlage und Ansprüchen, wie eine Beweisführung zu erfolgen hat). Wenn das Gericht im Ergebnis dieser Beweisführung noch Zweifel hat, dann muss es auch "im Zweifel für den Angeklagten stimmen." Umgedreht gilt natürlich, dass das Gericht den Angeklagten trotz "Aussage gegen Aussage" verurteilen kann, wenn es nach genannten Maßstäben im Ergebnis der Beweisführung zur festen Überzeugung kommt, dass der Angeklagte schuldig ist. Es ist richterliche Unabhängigkeit und nicht Willkür
Vielleicht ist das Mißverständnis hier: Du weist zu Recht auf die Probleme hin, die durch die Öffentlichkeit von Beschuldigungen und daraus entstehende Vorverurteilungen entstehen. Die bestreite ich nicht. Allerdings ist mir die Reduzierung auf dieses Problem zu einseitig. Das eigentliche Problem ist der strafrechtlich relevante Mißbrauch und das die Opfer oft nicht das Vertrauen haben, von der Gesellschaft und dem Rechtssystem ernst genommen oder fair behandelt zu werden bzw. das sie durch die bei diesen Verbrechen vorliegende Machtdynamik sich erst gar nicht trauen die Verbrechen überhaupt zur Anzeige zu bringen (z.B. Missbrauch durch Boss oder höhergestellten Kollegen zur Anzeige bringen gefährdet die eigene Karriere und Lebensgrundlage). So fällt es der Gesellschaft natürlich leichter das Problem zu ignorieren und Täter werden in Ihrem Verhalten bestätigt (da keine negativen Konsequenzen).derblaueClaus hat geschrieben: ↑29. Aug 2019, 17:22Mir auch nicht mehr. Ich habe deinen Beitrag wohl einfach falsch verstanden.Guthwulf hat geschrieben: ↑29. Aug 2019, 12:44Volle Zustimmung. Mir is noch nich ganz klar, wo wir auseinanderliegen?derblaueClaus hat geschrieben: ↑29. Aug 2019, 12:42Jedem Vorwurf nachzugehen ist richtig, jeden Vorfall vorzuverurteilen, (...) ist selbstgerecht, schädigt potentiell andere erheblich und wird der komplexen Situation in keinem Fall gerecht.
Insofern muss ich trotz der von dir zu Recht genannten Probleme mit öffentlichen Beschuldigungen auch anerkennen, dass ich die Verzweiflung von Opfern auf einer menschlichen Ebene nachvollziehen kann, wenn Ihnen der Weg an die Öffentlichkeit wie der gefühlt "einzige" Weg sich noch zu wehren vorkommt. Ich muss auch anerkennen, dass viele Opfer erst durch zunehmende öffentliche Beispiele von Anschuldigungen den Mut gefasst haben, endlich selber zu handeln bzw. das erst durch diese Öffentlichkeit überhaupt Aufmerksamkeit auf die Mißstände entstanden und erste Schritte zur Verbesserung unternommen wurden. Damit leugne ich nicht die Probleme durch Mißbrauch dieser Öffentlichkeit für falsche Beschuldigungen und ich leugne auch nicht, dass der richtige und beste Weg eigentlich wäre, die Übergriffe rechtzeitig zur Anzeige zu bringen und dann alles weitere dem Ermittlungs- und Gerichtsverfahren zu überlassen.