Runde #235: Eine Verteidigung des Eskapismus

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Phazonis
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Re: Runde 235: Eskapismus

Beitrag von Phazonis »

Axel hat geschrieben: 6. Okt 2019, 17:39 Gedankenexperiment: Wie sähe ANNO mit Sklaverei aus?

- Die wuseligen Figuren, wären nicht mehr süß. Sie wären grausam. Denn sie würden andere Figuren schikanieren, schlagen und sexuell missbrauchen.
- Die Sklaven würden garnicht wuseln. Sie wären an einem Haus oder einem Feld gebunden. Sie würden sterben, etwa wegen Überarbeitung auf einem Feld. Sie würden ein sehr schlechtes Leben in der bunten Anno-Welt leben.
- Als Spieler müsstest Du Dir angucken, wie diese wuseligen Figuren Sklavenbazare abhalten.
- Du müsstest mit ansehen, wie Sklaven hingerichtet werden.
- Du müsstest entscheiden, ob Deine Bewohner Kleinkinder von den Eltern trennen dürfen. Und auch das müsstest Du Dir anschauen.
- Du müsstest entscheiden wie weit Sklaven ausgebeutet werden. Sie werden nie Widerstand leisten, denn sie sind Sklaven.

Und noch ganz viele Grausamkeiten mehr, möchte man wirklich Sklaverei in solch einem Spiel darstellen wollen. Wenn, dann konsequent - sonst wäre es ja wieder ein Skandal Marke „Sklaverei wird verharmlost.“ Wenn man es aber nicht verharmlost, wäre es auch kein ANNO mehr. Sondern das widerwärtigste, menschenfeindlichste Spiel, was ich mir vorstellen kann. Auf einer moralischen Ebene vom KZ Manager. Solch ein Spiel würde schlicht nicht veröffentlicht werden, es würde richtigerweise sofort beschlagnahmt werden.

Ich höre seit Jahren immer wieder diese Kritik am Aussparen von Sklaverei in solch einem Spiel. Aber wie soll in einem Spiel, welches auf Mechanik basiert und keine Geschichte erzählen will. Wie soll in solch einem Spiel Sklaverei dargestellt werden, ohne das es zwangsweise verharmlosend wird?
Auch da wieder falscher Gedanke. Klar gibt es keinen richtigen Weg Sklaverei einzubauen: Entweder so wie es gerade ist, dann wird er übergangen und es dafür kritisiert oder man baut ihn ein und die Unbeschwertheit geht flöten oder man verharmlost ihn, mit dem entsprechenden Backlash. Kurz ja wenn man sich für das Szenario der Industrialisierung entscheidet muss man mit einer der Varianten leben.
ABER das erst kommt ja nachdem man sich für ein Szenario mit Realweltbezug entschieden hat. Wenn das einen stört kann man auch einfach ein fiktionaleres Szenario wählen. Deshalb wird hier wieder erst die Büchse der Pandora geöffnet und sich dann über deren Inhalt aufgeregt. Das kann man einfach vermeiden in dem man die Büchse nicht öffnet.
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Axel
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Re: Runde 235: Eskapismus

Beitrag von Axel »

Phazonis hat geschrieben: 6. Okt 2019, 17:49 Aber damit wird der Schrei nach "lasst meinen Eskapismus in Ruhe!" nicht weniger als "Lasst mich Kind bleiben!" und damit wird er ja noch problematischer.
Nein, das ist alles andere als problematisch! Schau mal, hätte ich mein inneres Kind nicht, wäre ich bei meiner Vergangenheit schon lange durchgedreht. Mein inneres Kind schützt mich davor, diese ganzen Grausamkeiten zu nah an mich heranzulassen. Ich verleugne mein inneres Kind nicht, ich umarme es und bin dankbar, dass es da ist. Das ich mich genauso wie ein 5-Jähriger an Dinge erfreuen kann! Ich muss schlechte Dinge rein psychologisch ausblenden, weil ich in meinem Leben eben schon viel grausame Dinge erfahren habe. Für einen Menschen mit einer dauerhaften posttraumatischen Belastungsstörung und daraus resultierender Schwerbehinderung ist das innere Kind überlebenswichtig. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Jede Konfrontation an negativen Dingen könnte mich triggern (sofern es mit eigenem Erleben zu tun hat) und dazu führen, dass ich mich selbst verletze. Insofern ist auch rigoroser Eskapismus in meinem alltäglichen Leben wichtig! Das können Spiele sein, Musik, Natur, Gespräche mit meinem Kater.

Um Dir mal eine andere Seite aufzuzeigen. Ja, Eskapismus kann eben auch Leben retten!
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Re: Runde 235: Eskapismus

Beitrag von Phazonis »

Weapi hat geschrieben: 6. Okt 2019, 18:04 Also ist es politisch inkorrekt Anno zu spielen?
Nö ist es nicht. Nur weil der Inhalt problematisch ist heißt das noch nicht, dass es das konsumieren (im selben Maße) auch ist.
Weapi hat geschrieben: 6. Okt 2019, 18:04 Und damit kein kein von der Gesellschaft akzeptierter Eskapsimus in Videospielform?
Für mich ist das durchaus ein gesellschatlich akzeptierter Eskapismus, weiß aber nicht wie die Gesellschaft das sieht.
Weapi hat geschrieben: 6. Okt 2019, 18:04 Was wäre denn denn ein, von der Gesellschaft akzeptierter und politisch korrekter, Eskapsimus in Videospielform?
Wie ich schrieb: Mach einfach weiter, aber sei dir halt bewusst, dass es bei jedem Eskapismus auch problematische Bereiche gibt.
Voigt
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Re: Runde 235: Eskapismus

Beitrag von Voigt »

Stuttgarter hat geschrieben: 6. Okt 2019, 16:43 [...]Und mag es bei einem KC:D noch diskutabel sein, welche Hautfarben in Böhmen 1403 zu sehen waren, so ist es absolut unstrittig, dass ein wesentlicher Teil des europäischen Wirtschaftserfolgs im 19. Jahrhundert auf Imperialismus und Kolonialisierung beruht hat. Das ist auch keine linke Sichtweise, würde ich sagen - sondern einfach eine Tatsache.
Würde ich bestreiten.

Der Wirtschaftserfolg im 19. Jahrhundert hat den Imperialismus und Kolonialismus stark beschleunigt. Weder gibt es eine Bedingung (siehe Deutschland, Spanien noch stimmt die Reihenfolge (USA)
Schlagerfreund hat geschrieben: 6. Okt 2019, 17:35 [...] Gerade Brettspiele sind doch sehr systematisch und ich kenne niemanden der bei Siedler "schön" baut oder den so oft zitierten Wusel Faktor genießt (weil nicht da). [...]
Ich baue in Siedler IV sehr gerne schön, und der Wuselfaktor ist schon nett.
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Schlagerfreund
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Re: Runde 235: Eskapismus

Beitrag von Schlagerfreund »

Voigt hat geschrieben: 6. Okt 2019, 18:12
Stuttgarter hat geschrieben: 6. Okt 2019, 16:43 [...]Und mag es bei einem KC:D noch diskutabel sein, welche Hautfarben in Böhmen 1403 zu sehen waren, so ist es absolut unstrittig, dass ein wesentlicher Teil des europäischen Wirtschaftserfolgs im 19. Jahrhundert auf Imperialismus und Kolonialisierung beruht hat. Das ist auch keine linke Sichtweise, würde ich sagen - sondern einfach eine Tatsache.
Würde ich bestreiten.

Der Wirtschaftserfolg im 19. Jahrhundert hat den Imperialismus und Kolonialismus stark beschleunigt. Weder gibt es eine Bedingung (siehe Deutschland, Spanien noch stimmt die Reihenfolge (USA)
Schlagerfreund hat geschrieben: 6. Okt 2019, 17:35 [...] Gerade Brettspiele sind doch sehr systematisch und ich kenne niemanden der bei Siedler "schön" baut oder den so oft zitierten Wusel Faktor genießt (weil nicht da). [...]
Ich baue in Siedler IV sehr gerne schön, und der Wuselfaktor ist schon nett.
Ich hab mich da auf Siedler von Cathan und Brettspiele bezogen.
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Axel
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Re: Runde 235: Eskapismus

Beitrag von Axel »

Schlagerfreund hat geschrieben: 6. Okt 2019, 17:43 Die Aussage dieses Disclaimers ist ja kurz gesagt: Wir bedienen uns zwar historischen Ereignissen und Figuren, es ist aber letztendlich ein fiktives Werk und sollte entsprechend eingeordnet werden.
Deswegen braucht es einen Disclaimer? Für eine Selbstverständlichkeit? Schonmal einen Film oder eine Serie gesehen, die das macht? Chernobyl beispielsweise: Basiert auf den Vorfall und hat einige historische Figuren. Ist aber trotzdem in seiner Story und Inszenierung fiktiv. Da gibt es solch einen Disclaimer ja auch nicht. Oder bei Titanic. Oder irgendeinen anderen Film/Serie mit historischem Bezug.

Wir sind doch von Kleinauf so sozialisiert: Serie / Film = Fiktion. Doku / Dokudrama = Recherchierte Nacherzählung.
Demzufolge kann man ja auch sagen: Game = Fiktion. Doku / Serious Game = keine Fiktion.

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Re: Runde 235: Eskapismus

Beitrag von Phazonis »

Axel hat geschrieben: 6. Okt 2019, 18:06 Nein, das ist alles andere als problematisch!
Oh doch dieser Ruf nach Unschuld und das Niederschreien von dennen die die Probleme des eigenen Eskapismus aufzeigen sehe ich als großen Problem, aber genauer wird es gleich:
Axel hat geschrieben: 6. Okt 2019, 18:06 Schau mal, hätte ich mein inneres Kind nicht, wäre ich bei meiner Vergangenheit schon lange durchgedreht. Mein inneres Kind schützt mich davor, diese ganzen Grausamkeiten zu nah an mich heranzulassen. Ich verleugne mein inneres Kind nicht, ich umarme es und bin dankbar, dass es da ist. Das ich mich genauso wie ein 5-Jähriger an Dinge erfreuen kann! Ich muss schlechte Dinge rein psychologisch ausblenden, weil ich in meinem Leben eben schon viel grausame Dinge erfahren habe. Für einen Menschen mit einer dauerhaften posttraumatischen Belastungsstörung und daraus resultierender Schwerbehinderung ist das innere Kind überlebenswichtig. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Auch da diese Funktion des Eskapismus will ich dir nicht nehmen, noch wird sie dir genommen. Ich finde den Status Quo hier eben relativ ok. Man darf weiterhin seinen Eskapismus ausleben, aber gleichzeitig dürfen die Kritiker frei weiterhin die Probleme in ihm aufzeigen. Und dort bäumt sich ja heute mehr das Problem auf, dass alle die eben mal aufzeigen, dass die Fasade Risse hat niedergeschrien werden (Battlefield V), weil sie eben den Eskapismus kritisieren oder seine Fantasie ändern.
Und diese Reaktion halte ich für problematisch. Da geht es aber nicht darum den Eskapismus zu verbieten, sondern die Leute regen sich darüber auf, dass man einfach nur zeigt, dass er problematisch sein kann oder vielleicht sich ändern müsste. Und das hat wie ich schrieb was mit Unschuld zu tun.
Axel hat geschrieben: 6. Okt 2019, 18:06 Jede Konfrontation an negativen Dingen könnte mich triggern (sofern es mit eigenem Erleben zu tun hat) und dazu führen, dass ich mich selbst verletze. Insofern ist auch rigoroser Eskapismus in meinem alltäglichen Leben wichtig! Das können Spiele sein, Musik, Natur, Gespräche mit meinem Kater.

Um Dir mal eine andere Seite aufzuzeigen. Ja, Eskapismus kann eben auch Leben retten!
Auch da nutze weiterhin jeden Eskapismus der dich vor solchen Erfahrungen schützt, aber die wenigsten wollen ja deshalb den Eskapismus gleich verbieten. Nur sei dir halt immer bewusst, dass dieser Eskapismus auch problematisch ist/sein kann und dann kannst du doch super damit leben, denn du scheinst ja jemand zu sein, der weiß, dass es da Probleme gibt, aber sie halt gerade ignoriert.
Edit: Oder kurz: Es ist ein Unterschied zwischen: Ich nutze diesen, durchaus problematischen, Eskapismus, weil ich mich genau von den in ihm ignorierten Problemen entfernen will und es gibt diese Probleme in meinen Eskapismus nicht und ich werde sogar wütend, wenn man auch nur erwähnt, dass sie existieren.
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Re: Runde 235: Eskapismus

Beitrag von Numfuddle »

Ich fand den Podcast leider genau ab der Sllaverei in Anno Diskussion unerträglich zu hören.

Erstens weil es in einen ich glaube halbstündigen Rant von Jochen abgeglitten ist in dem André kaum noch zu Wort kam. Zweitens weil das Thema durch Jochen immer wieder auf diesen Detailaspekt zurückgesteuert wurde sobald André versucht hat das Thema zu wechseln oder wenigstens den Fokus zu verbreitern. Drittens weil es vornehmlich um einen Artikel ging den nur Jochen gelesen hatte weswegen André Mühe hatte eine eigene Perspektive zum Thema beizutragen. Letztens weil sich der Autor des Textes natürlich weder rechtfertigen noch eine eigene Perspektive einbringen konnte. Dom wurde ja nicht gefragt.

Dieser Teil des Podcasts wäre vermutlich als Kolumne besser gewesen.

So war es halt ein langer, sehr dogmatisch angelegter Rant in dem Jochen jeden seiner Argumente mindestens dreimal wiederholt hat zu einem winzigen Detailaspekt des Themas Eskapismus ohne die Chance das André oder Dom eine andere Perspektive einbringen konnten.
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Axel
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Re: Runde 235: Eskapismus

Beitrag von Axel »

Phazonis hat geschrieben: 6. Okt 2019, 18:35 Nur sei dir halt immer bewusst, dass dieser Eskapismus auch problematisch ist/sein kann und dann kannst du doch super damit leben, denn du scheinst ja jemand zu sein, der weiß, dass es da Probleme gibt, aber sie halt gerade ignoriert.
Aber gerade diese Ignoranz kritisiert ihr ja, siehe ANNO. Wo kritisiert wird, dass es in diesem Eskapismus nicht stattfindet, dass Menschen unterdrückt und ausgebeutet werden. Aber genau dieser Aspekt ist wichtig, dass er in ANNO eben nicht vorkommt. Denn: Viele ANNO Spieler sind einfache Arbeiter. Sie werden in unserem System jeden Tag ausgebeutet und das wissen sie - bewusst oder unterbewusst. Und sie fühlen sich ausgebeutet. Tag für Tag für Tag. Da hilft so eine Eskapismusfantasie eben sich zu entspannen. Auch wenn man intellektuell ja weiß, dass es im 19. Jahrhundert Probleme gab. Aber der ist eben nicht wichtig in diesem Moment. Man möchte für 2-3 Stunden nicht daran erinnert werden, wie die Welt eigentlich funktioniert. Und natürlich könnte man das auch in einer surrealen Sci-Fi-Welt. Aber da fehlt es dann manchen Menschen an Abstraktion.

Und nun kommst Du und kritisierst ja genau das. Natürlich geht man dann in Abwehrhaltung. Denn durch Deine Kritik fühlt sich der Andere in die Enge getrieben. Er fühlt sich, als müsste er sich für etwas profanes wie Medienkonsum rechtfertigen.

Drehen wir den Spieß mal um! Du spielst einen Shooter. Hast da richtig Spaß im Multiplayer und allem drum und dran. Und nun komme ich alter Grinch daher und sage Dir: Findest Du das eigentlich geil die ganze Zeit Menschen brutalst möglich abzuknallen? Natürlich würdest Du mir sagen, dass Du ja nicht wirklich Menschen tötest. Sondern der Multiplayer-Shooter gerade eine Metapher für das zusammenspielen mit Deinen Kumpels ist. Dennoch würde ich dir sagen, dass Du ja dennoch auf dem Bildschirm Menschen tötest - kann es keine andere Metapher geben, zum Beispiel Tetris im Online-Multiplayer? Und spätestens dann würdest Du Dich auch in der Rechtfertigung befinden. Worauf Du eigentlich keinen Bock hast. Denn Du willst mit Deinen Kumpels in dem Multiplayer-Shooter einfach nur gerade eben Spaß haben...
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Heretic
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Re: Runde 235: Eskapismus

Beitrag von Heretic »

Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, warum gerade auf "Anno 1800" so rumgehackt wird. Würde es als historisch korrektes Lernspiel angepriesen, könnte ich die Aufregung verstehen und nachvollziehen. Es ist aber lediglich ein an die reale Welt vor ca. 200 Jahren angelehntes Aufbauspiel. Es ist weder Geschichtslehrstunde noch hundertprozentig authentische Lebens- und Wirtschaftssimulation der damaligen Zeit. Das würde man überhaupt nicht hinkriegen. Zudem ist es ein Spiel für Leute, die spielerisch in einem an die Realität angelehnten, überwiegend friedlichem Szenario unterwegs sein wollen. Nicht jeder steht auf Zwerge, Elben, Orks und Kampfkolosse.
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Axel
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Re: Runde 235: Eskapismus

Beitrag von Axel »

Wenn ich das alles richtig verstehe, dann wird sich ja im Endeffekt nur über die Werbung zu Anno aufgeregt.
Regt ihr euch auch darüber auf, dass sich nicht alle 11 Minuten ein Single über Parship verliebt? Und wenn wir das weiterdenken: Müsstet ihr da nicht in ständiger Dauerempörung leben, weil der ganze öffentliche Raum mit Bullshit und Werbebotschaft zu plakatiert ist? Seit wann sagt die Werbung denn die Wahrheit? Und wo macht ihr eine Grenze um nicht dauerempört zu sein?
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Schlagerfreund
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Re: Runde 235: Eskapismus

Beitrag von Schlagerfreund »

So, Folge fertig gehört und ich schließe mich da durchaus der Kritik von Numfuddle an. Allgemein war mir das "zu viel" Jochen und es war schon ziemlich rantig. Dabei wurde sich dann auch sehr stark auf Anno versteift und letztendlich ging es dann auch ehrlich gesagt weniger um Eskapismus, sondern darum das Spiele offensichtlich auch inhaltlich stärker und anders kritisiert werden. Wenn man sich schon so auf Anno versteift, dann doch bitte auch mit Dom, der ja den Artikel geschrieben hat um dem es in den weiten Teilen der Folge ging.

Ansonsten sehe ich da wieder den Beißreflex und finde es oft befremdlich wie argumentiert wird. Wie gesagt wird Kritik wie z.B. bei Anno meiner Erfahrung nach nur extrem selten so geäußert das man anderen Leuten etwas verbieten will. Weder dem Spieler, noch den Herstellern. Es ist einfach erstmal nur eine Kritik. Wenn ich z.B. den USA! USA! USA! Patriotismus in einem CoD kritisiere, oder das zweifelhaften Gesellschaftsbild und den seltsamen moralischen Kompass eines Division 2, dann ist das auch erstmal nur eine reine Meinungsäußerung. Dann bin ich halt der Meinung das ich diese Spiele, oder Aspekte dieser Spiele zweifelhaft finde, oder sie deswegen ablehne. Wenn jemand dann meint "andere würden ihm etwas madig machen", dann ist das ehrlich gesagt deren Problem und sagt wahrscheinlich auch mehr über diese Personen aus, als die Kritik an solchen Spielen und Inhalten.

Bei der Gewaltdebatte, musste ich mich übrigens auch durchaus mal rechtfertigen. Zum Beispiel damals vor den Eltern. Hätte ich gerne meine Zeit anders verbracht? Gewiss. Rückblickend war es jetzt aber auch kein Drama,meinen Eltern zu erklären warum man gewisse Spiele spielt und was den Reiz für mich ausmacht.
Stuttgarter
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Re: Runde 235: Eskapismus

Beitrag von Stuttgarter »

Ohne jetzt auf jeden einzelnen Punkt einzugehen, meine flapsige Bemerkung von vorhin doch etwas genauer ausgeführt: Leute, Spiele werden mittlerweile tatsächlich als ganz normale Kulturprodukte angesehen. Das ist das, was wir alle immer gewollt haben. Dazu gehört dann aber auch, dass sie genau wie andere Kulturprodukte behandelt werden. Und da geht eine Kritik dann halt meilenweit über den normalen "Spielspaß" und die Supergrafik raus. Ob Literatur, Bühne, Film, Musik - es ist überall ganz normal, dass Kritik sich auch mit der gesellschaftlichen Bedeutung und Auswirkung beschäftigt. Das ist bei Spiele jetzt halt neu - aber der Preis dafür, dass sie eben "in der Mitte der Gesellschaft" angekommen sind.

Und keine geäußerte Kritik bedeutet an und für sich, "das ist ein böses Spiel" oder "es ist böse, es zu spielen". Blödsinn. Man ist auch nicht böse, wenn man gerne "Rambo 3" schaut - mach ich selbst ab und zu gern. Dadurch wird aber das, was man an dem Flm kritisieren kann ("menschenverachtender Gewaltporno"), nicht weniger richtig.

Spieler müssen glaub einfach lernen, dass man an jedem einzelnen Spiel auch moralische, ethische oder andere die Aussage des Spiels betreffende Aspekte kritisieren kann, darf und sogar muss. Und deshalb ein Spiel nicht böse wird. Man kann, darf und soll mit "Anno" eine Menge Spaß haben. Aber eine Kritik muss trotzdem auch den Finger in die Wunden legen, die es gibt. Dadurch entwickeln sich Medien nämlich weiter.

Wer "keine Politik in den Spielen" will, wird in den Spielen letztlich nicht drumrumkommen (da - wie ebenfalls schon mehrfach ausgeführt - alles letztlich eine politische Aussage ist, das Weglassen wie das Einbauen). Aber er muss nicht die entsprechenden Kritiken dazu lesen, wenn er keine Lust drauf hat.
akill0816
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Re: Runde 235: Eskapismus

Beitrag von akill0816 »

Was die Anno-Diskussion angeht, bin ich bei den Podcastern: Anno ist so deutlich fiktional, dass ich keinerlei Probleme darin sehen, wenn bestimmte problematische Aspekte eines Zeitalters ausgelassen wird. Die Anno-Spiele waren immer angelehnt an bestimmte Zeitalter ohne den geringsten Simulationsanspruch und mit Wohlfühlfaktor. Solche Spiele sind für mich völlig unproblematisch. Wenn man bei jedem Spiel mit Realweltbezug auf sämtliche negativen Aspekte einer Epoche oder eines Konfliktfeldes eingehen müsste, wäre die Spielelandschaft anders. Je enger sich ein Spiel an reale historische Gegebenheiten anlehnt, desto eher kann man ihm aus dem Auslassen bestimmter Aspekte einen Vorwurf machen.
Den Vorwurf Sklavenhaltung nicht angemessen zu thematisieren kann man sehr vielen historischen Spielen machen und man kann außerdem stark darüber diskutieren, ob es besser ist den Aspekt spielmechanisch einzubinden und trotzdem einen fröhlichen Grundtton beizubehalten. Die Möglichkeit Indianer in einem Colonization zu versklaven finde ich persönlich eher problematischer als die Auslassung des Aspekts, weil der Grundton des Spiels nicht auf ernsthafte Auseinandersetzung angelegt ist und der Spieler den Aspekt rein spielmechanisch betrachtet.

Genauso wie ich es für unsinnig halte, von Spielen zu erwarten unpolitisch zu sein, finde ich es auch falsch von jedem Spiel einen politischen Anspruch zu erwarten. Nicht jedes Spiel muss sozialkritisch sein. Empfindlich bin ich bei eindeutiger Geschichtskittung mit politischem Bezug. Eine heroische Geschichte im Vietnamkrieg auf Seiten der Amerikaner gegen die abgrundtief bösen Vietcong könnte ich nicht spielen. Ebenso möchte ich kein Spiel spielen, dass die Sklaverei verharmlost indem glücklichen Sklaven auf meinen Plantagen fröhlich vor sich hin wirtschaften ohne dass die dunklen Seiten der Sklaverei beleuchtet werden. Aber ein nur leicht historisch angelehntes Spiel ohne reale Länder und Persönlichkeiten muss nicht jeden Aspekt seiner Epoche ausleuchten, der nicht zum eigenen Spielkonzept passt.
Wo war eigentlich all die ganzen Jahre die Kritik an Tropico? Der zynische Umgang dieser Spielereihe mit seinem Subjekt wäre viel eher kritikwürdig, wenn man es dann drauf anlegen wollte. Für mich geht auch Tropico in Ordnung aber dort könnte ich die Kritik viel eher nachvollziehen...
Phazonis
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Re: Runde 235: Eskapismus

Beitrag von Phazonis »

Axel hat geschrieben: 6. Okt 2019, 19:07 Aber gerade diese Ignoranz kritisiert ihr ja, siehe ANNO. Wo kritisiert wird, dass es in diesem Eskapismus nicht stattfindet, dass Menschen unterdrückt und ausgebeutet werden. Aber genau dieser Aspekt ist wichtig, dass er in ANNO eben nicht vorkommt. Denn: Viele ANNO Spieler sind einfache Arbeiter. Sie werden in unserem System jeden Tag ausgebeutet und das wissen sie - bewusst oder unterbewusst. Und sie fühlen sich ausgebeutet. Tag für Tag für Tag. Da hilft so eine Eskapismusfantasie eben sich zu entspannen. Auch wenn man intellektuell ja weiß, dass es im 19. Jahrhundert Probleme gab. Aber der ist eben nicht wichtig in diesem Moment. Man möchte für 2-3 Stunden nicht daran erinnert werden, wie die Welt eigentlich funktioniert. Und natürlich könnte man das auch in einer surrealen Sci-Fi-Welt. Aber da fehlt es dann manchen Menschen an Abstraktion.
Nun da muss man differenzieren. Ja ich finde es wichtig, dass man bei Anno die fehlende Sklaverei erwähnt und auch gerne es öffentlich kommuniziert, dass dort ein Mangel in der beworbenen akuraten Abbildung der Realität stattfindet. Wo ich (auch schon im Thread beschrieben) nicht mehr mitgehe ist, dass deswegen das Werk geändert oder verboten gehört.
Axel hat geschrieben: 6. Okt 2019, 19:07 Drehen wir den Spieß mal um! Du spielst einen Shooter. Hast da richtig Spaß im Multiplayer und allem drum und dran. Und nun komme ich alter Grinch daher und sage Dir: Findest Du das eigentlich geil die ganze Zeit Menschen brutalst möglich abzuknallen? Natürlich würdest Du mir sagen, dass Du ja nicht wirklich Menschen tötest. Sondern der Multiplayer-Shooter gerade eine Metapher für das zusammenspielen mit Deinen Kumpels ist. Dennoch würde ich dir sagen, dass Du ja dennoch auf dem Bildschirm Menschen tötest - kann es keine andere Metapher geben, zum Beispiel Tetris im Online-Multiplayer? Und spätestens dann würdest Du Dich auch in der Rechtfertigung befinden. Worauf Du eigentlich keinen Bock hast. Denn Du willst mit Deinen Kumpels in dem Multiplayer-Shooter einfach nur gerade eben Spaß haben...
Ja da hast du recht. Ich würde das erstmal entschärfen mit dem Einwand, dass ich da immer noch auf Pixel schiesse. Aber wenn dann der Einwand käme, ob es da nicht auch andere Metaphern gäbe, dann ja durchaus hat das Genre sogar bewiesen (Splatoon) und ja das da dieser Shooter durchaus problematisch zu sehen ist. So und was dann? Vielen der Krtiker geht es ja nur darum das mal offen zu legen und zu zeigen, dass ist geschehen, ich habe es zur Kenntnis genommen und spiele trotzdem weiter. Jetzt eben in dem klaren Bewusstsein, dass ich die Probleme dieser Welt kenne. Wo ist da das Problem? Wenn sie das als Basis zum Verbot des Mediums nehmen würde, dann würde ich einschreiten und weiter argumentieren,eben vorzugsweise damit, dass sie mir problemloses/-n Hobby/ Eskapismus und ich selbiges wahrscheinlich genauso auseinander nehmen kann.
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derFuchsi
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Re: Runde 235: Eskapismus

Beitrag von derFuchsi »

Hui hier ist was los nach nicht mal einem Tag.
Wollte nur schreiben dass ich das die seit langem schwächste Folge finde. Ich kam aus dem kopfschütteln quasi garnicht mehr raus. Das beste an der Folge fand ich tatsächlich den Challanger Witz (Kannte ich schon, fand ich damals auch witzig).
Schon die Fragestellung finde ich falsch, wer behauptet denn heute noch dass Eskapismus was schlechtes ist? In Zeiten in denen man unverfroren damit prahlen kann ein Wochenende eine komplette Serie durchzubingen (oder wie man das auch immer schreibt ;)) oder wo erwachsene Menschen Comics lesen (Sie nennen sie nur anders) wofür man früher noch ausgelacht worden wäre. Die aktuelle Generation hat den Begriff Work-Life-Balance erfunden und hat keinen Bock mehr zu schuften bis zum umfallen. Und hier wird behauptet Eskapismus wäre verpönt. Sorry das mag an meiner Filterblase liegen aber das kann ich nicht nachvollziehen.
Einem Anno das "im 19 Jahrhundert" spielt und in dem Eingeborene kein Problem mit den Kolonisten haben darf man nicht vorwerfen die Sklaverei und andere unschöne Dinge dieser Zeit nicht zu behandeln während man einem Wolfenstein das deutlich erkennbar eine parallele Realität abbildet Geschichtsfälschung vorwirft. Also bitte!
Btw ich denke niemand verlangt ernsthaft dass man Sklaverei in Anno braucht, im Gegenteil sie sollten sie es deutlicher in eine Fantasiewelt verorten.
Auf der anderen Seite haben sie die Sache mit der Propaganda und "Fake News" ganz cool eingebaut wie ich das mitbekommen habe.
Bei Kingdom Come hat man riesen Diskussionen geführt weil das Mittelalter angeblich nicht divers genug dargestellt wurde. Die popkulturelle Darstellung des Mittelalters hat aber für die Sichtweise gesorgt dass das Mittelalter "weiß" war. Dann wurde im Podcast sogar das D-Day Beispiel gebracht. Dann wird jedoch behauptet bei Anno 1800 wäre das alles Quatsch.
Dann schön Küchenpsychologie etwas gewürzt mit einer Prise Religion wovon beide keine Ahnung haben und der merkwürdige Eintopf ist perfekt.
Ich habe schon wieder ein paar meiner Einwände vergessen aber auch keine Lust diese Folge nochmal zu hören.
Das Gute hieran ist es wird das nächste mal sicher wieder besser ;)
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Re: Runde 235: Eskapismus

Beitrag von Phazonis »

akill0816 hat geschrieben: 6. Okt 2019, 19:52 Was die Anno-Diskussion angeht, bin ich bei den Podcastern: Anno ist so deutlich fiktional, dass ich keinerlei Probleme darin sehen, wenn bestimmte problematische Aspekte eines Zeitalters ausgelassen wird. Die Anno-Spiele waren immer angelehnt an bestimmte Zeitalter ohne den geringsten Simulationsanspruch und mit Wohlfühlfaktor. Solche Spiele sind für mich völlig unproblematisch. Wenn man bei jedem Spiel mit Realweltbezug auf sämtliche negativen Aspekte einer Epoche oder eines Konfliktfeldes eingehen müsste, wäre die Spielelandschaft anders. Je enger sich ein Spiel an reale historische Gegebenheiten anlehnt, desto eher kann man ihm aus dem Auslassen bestimmter Aspekte einen Vorwurf machen.
a.) Woher nimmst du das deutlich fiktionale? Die Werbung wirbt mit Akuratesse und auch im Spiel ist die Fiktionalität mal abgesehen von Ländern und Figuren nicht sehr deutlich. b.) Gab es ja sogar in der Reihe Besipiele dafür, dass dunkle Kapitel der Geschichte angesprochen wurden. Man erinnere sich an Anno 1404 mit seiner Darstellung des Kardinal Lucius und damit Kirchenkritik ins Spiel brachte.
akill0816 hat geschrieben: 6. Okt 2019, 19:52 Genauso wie ich es für unsinnig halte, von Spielen zu erwarten unpolitisch zu sein, finde ich es auch falsch von jedem Spiel einen politischen Anspruch zu erwarten. Nicht jedes Spiel muss sozialkritisch sein. Empfindlich bin ich bei eindeutiger Geschichtskittung mit politischem Bezug. Eine heroische Geschichte im Vietnamkrieg auf Seiten der Amerikaner gegen die abgrundtief bösen Vietcong könnte ich nicht spielen. Ebenso möchte ich kein Spiel spielen, dass die Sklaverei verharmlost indem glücklichen Sklaven auf meinen Plantagen fröhlich vor sich hin wirtschaften ohne dass die dunklen Seiten der Sklaverei beleuchtet werden. Aber ein nur leicht historisch angelehntes Spiel ohne reale Länder und Persönlichkeiten muss nicht jeden Aspekt seiner Epoche ausleuchten, der nicht zum eigenen Spielkonzept passt.
Wo war eigentlich all die ganzen Jahre die Kritik an Tropico? Der zynische Umgang dieser Spielereihe mit seinem Subjekt wäre viel eher kritikwürdig, wenn man es dann drauf anlegen wollte. Für mich geht auch Tropico in Ordnung aber dort könnte ich die Kritik viel eher nachvollziehen...
Nun im Gegensatz zu Anno finde ich, dass Tropico zumindest in den letzten Teilen seinen satirischen Anstrich deutlich offen trägt. Sowohl in Werbung als auch im Spiel, dadurch zeigt es sehr klar was du spielst ist eine Abstraktion/Überspitzung/... Zumindest ist es da deutlicher als jedes Anno.
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Re: Runde 235: Eskapismus

Beitrag von echtschlecht165 »

Stuttgarter hat geschrieben: 6. Okt 2019, 19:51 Ohne jetzt auf jeden einzelnen Punkt einzugehen, meine flapsige Bemerkung von vorhin doch etwas genauer ausgeführt: Leute, Spiele werden mittlerweile tatsächlich als ganz normale Kulturprodukte angesehen. Das ist das, was wir alle immer gewollt haben. Dazu gehört dann aber auch, dass sie genau wie andere Kulturprodukte behandelt werden. Und da geht eine Kritik dann halt meilenweit über den normalen "Spielspaß" und die Supergrafik raus. Ob Literatur, Bühne, Film, Musik - es ist überall ganz normal, dass Kritik sich auch mit der gesellschaftlichen Bedeutung und Auswirkung beschäftigt. Das ist bei Spiele jetzt halt neu - aber der Preis dafür, dass sie eben "in der Mitte der Gesellschaft" angekommen sind.

Und keine geäußerte Kritik bedeutet an und für sich, "das ist ein böses Spiel" oder "es ist böse, es zu spielen". Blödsinn. Man ist auch nicht böse, wenn man gerne "Rambo 3" schaut - mach ich selbst ab und zu gern. Dadurch wird aber das, was man an dem Flm kritisieren kann ("menschenverachtender Gewaltporno"), nicht weniger richtig.

Spieler müssen glaub einfach lernen, dass man an jedem einzelnen Spiel auch moralische, ethische oder andere die Aussage des Spiels betreffende Aspekte kritisieren kann, darf und sogar muss. Und deshalb ein Spiel nicht böse wird. Man kann, darf und soll mit "Anno" eine Menge Spaß haben. Aber eine Kritik muss trotzdem auch den Finger in die Wunden legen, die es gibt. Dadurch entwickeln sich Medien nämlich weiter.

Wer "keine Politik in den Spielen" will, wird in den Spielen letztlich nicht drumrumkommen (da - wie ebenfalls schon mehrfach ausgeführt - alles letztlich eine politische Aussage ist, das Weglassen wie das Einbauen). Aber er muss nicht die entsprechenden Kritiken dazu lesen, wenn er keine Lust drauf hat.
Bitte hör auf , deine selbstgerechte Meinung als die "von uns allen" darzustellen.
Ich persönlich brauche jedenfalls keinen schwammigen kunst oder kulturbegriff, um mir selbst meine computerspielsucht schönzureden.
Und ich muss in einem Spiel garnix lernen
Zuletzt geändert von echtschlecht165 am 6. Okt 2019, 20:59, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Runde 235: Eskapismus

Beitrag von Stuttgarter »

Ich verstehe das Tropico-Gegenbeispiel nicht wirklich. Wenn ich mir meinen Lieblingsteil (das vierte) anschaue - das strotzt nur so vor lauter realen Anspielungen. Verharmlost aber nix - denn alle Entscheidungen, die ich als Diktator treffe, werden auch so ausgeführt. Wenn ich ein grausamer Herrscher bin, der politische Gegner ermordet und foltern lässt, seine Bevölkerung ausbeutet und nicht gescheit versorgt, dann lässt mich das Spiel auch genau davon die Konsequenzen spüren. Was hat das damit zu tun, dass Anno zwar die "guten" Seiten des 19. Jahrhunderts zeigt, die problematischen aber einfach unter den Tisch fallen lässt?

Ich kann mir das Gegenbeispiel nur so erklären, dass tatsächlich der Irrglaube vorherrscht, dass "political correctness" gefordert werden würde. Das ist aber gar nicht der Fall. Es geht nur darum, dass es problematisch ist, bestimmte historische Gegebenheiten zu verschweigen.

Nochmal die Frage (und nein, die "Railway"-Spiele greifen da nicht wirklich): Würden wir ernsthaft diskutieren, wäre "Anno 1800" ein US-amerikanisches "In the year 1800" - und wir würden uns auf einem zwar nicht so benannten aber trotzdem eindeutig nordamerikanischen Kontinent wirtschaftlich immer weiter von Ost nach West ausbreiten, ohne dass dabei Sklaverei, Indianerkriege etc. thematisiert werden würde? Würden wir wirklich drüber diskutieren, ob das okay ist oder sehr kritikwürdig?
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Re: Runde 235: Eskapismus

Beitrag von Stuttgarter »

echtschlecht165 hat geschrieben: 6. Okt 2019, 20:56

Bitte hör auf , deine Meinung als die "von uns allen" darzustellen.
Ich persönlich brauche jedenfalls keinen schwammigen kunst oder kulturbegriff, um mir selbst meine computerspielsucht schönzureden.
Und ich muss in einem Spiel garnix lernen
Sorry, aber irgendwie erinnere ich mich dunkel, dass die letzten 30 Jahre oder so Spieler sich ständig beschwert haben, dass sie nicht als ganz normaler kultureller Teil wahrgenommen werden wie Leser, Musikhörer oder Filmschauer. Und dass ihr Hobby nicht als gleichwertig zum Lesen, Musikhören, Filmschauen akzeptiert wurde. Habe ich das irgendwie falsch in Erinnerung?
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