Re: Runde 235: Eskapismus
Verfasst: 7. Okt 2019, 20:36
Die Gegenseite hat - Stand jetzt - halt nur wenig anzubieten. Es wird etwas kritisert auf der Basis, dass es negative Auswirkungen auf die Wahrnehmung sensitiver Themen (z.B. Sklaverei, Kolonialisierung - ich beziehe mich hier mal explizit auf das Anno-Thema und den angesprochenen Artikel) hat. Dieser Behauptung werden keinerlei Beweise in Form z.B. von Studien beigelegt, wodurch es in meinen Augen einer haltlosen Anschuldigung gleichkommt. Es sollte aber für Spiele genauso gelten: Im Zweifel für den Angeklagten. Der Einwand, dass es ja nur eine Kritik sei, ist für mich schwierig nachzuvollziehen, da zumindest bei von mir geäußerten (negativen) Kritiken immer eine Aufforderung zur Änderung mitschwingt. Je nach Wirkmacht meinerseits ist das manchmal nur implizit der Fall, aber es ändert nichts an meinem prinzipiellen Wunsch der Abänderung (Es liegt beispielsweise aussserhalb meiner Macht, Blizzard dazu zu zwingen WoW meinen Wünschen gemäß anzupassen, daher macht es keinen Sinn meiner Kritik am Spiel ein "Bitte passt das an" beizufügen. Nichtsdestotrotz ist das genau das, was ich mit der Kritik zum Ausdruck bringen will.). Vielleicht ist das bei Kulturkritik anders, allerdings fällt es mir schwer zu sehen, wie jemand, der seinen Unmut über den Ist-Zustand eines Werkes zum Ausdruck bringt, damit nicht gleichzeitig einen Änderungswunsch transportiert. zumal es ja hier laut dem Experten potentiell um die Umdeutung eines der schrecklichsten Verbrechen der Menschheitsgeschichte geht.Peninsula hat geschrieben: ↑7. Okt 2019, 18:23 Feedback zur Folge
Ich fand die Folge insgesamt auch sehr unglücklich. Mag ja sein, dass eine Verteidigung des Eskapismus nicht ausgewogen sein muss, aber mir fehlte völlig eine auch nur ansatzweise "wohlwollende" Interpretation der Gegenseite. Stattdessen wurde permanent unterstellt, Eskapismuskritiker*innen wollten sich bloß elitär vorkommen und hätten Eskapismus nicht verstanden.
Zusätzlich missfällt mir noch der Fakt, dass ein Experte auf dem Gebiet des Kolonialismus hier eigentlich völlig fehl am Platz ist. Es wird der Aussage durch die Assoziation mit wissenschaftlicher Arbeit Kredibilität verliehen ohne, dass derjenige auf dem passenden Gebiet (z.B. Medienwirkung, Psychologie) forscht oder zumindest durch wissenschaftliche Methodik erlangte Erkenntnisse zur Thematik beisteuert. Ehrlicher wäre es gewesen zu schreiben "Es existiert die Meinung, dass ..., aber es gibt keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse, die das stützen." (Edit: Das ist überall Praxis und sollte flächendeckend eingedämmt werden. Die Meinung eines Professors der Physik ist z.B. im Kontext von autonomen Fahren auch nicht relevanter als die eines Postboten, falls er seine Ansichten nicht durch Fakten unterfüttern kann). Und ich finde - um den Bogen wieder zurück zum Anfang zu spannen -, dass die Gegenseite auch nicht mehr zu bieten hat und deswegen bereits ausreichend und wohlwollend genug im Podcast dargestellt wurde. Um den Anspruch auf intensiveren Auseinandersetzung erheben zu können, muss sich meiner Meinung nach zuerst auf Seite der Kritiker etwas tun und zwar in Form von wissenschaftlicher Arbeit und gesicherten Erkenntnissen.