Rund um den Terroranschlag in Halle

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Raptor 2101
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Re: Rund um den Terroranschlag in Halle

Beitrag von Raptor 2101 »

Andre Peschke hat geschrieben: 13. Okt 2019, 11:49 So denkt der Horst Seehofer bestimmt auch. ;)
Durch dein bewusst verkürzstes Zitat fühle ich mich jetzt "emotional aufgewühlt" und verlasse das Interview :ugly:
Andre Peschke hat geschrieben: 13. Okt 2019, 11:49 Ich glaube, die Rechtsextremen werden sich einfach neue trojanische Pferde suchen, wenn man ihnen welche wegnimmt. Wenn du nur meinst, man soll rechtsextrem unterwanderte Organisationen aufdecken und nötigenfalls zerschlagen - ok. Ist auch ein wenig Symptombekämpfung, aber sicher nicht sinnlos. Das las sich nur nicht auf den Einzelfall beschränkt.

Andre
Ich weigere mich ein bisschen sehr das als Symptombekämpfung abzutun. Ich komme aus dem Osten. Dort gelten mittlerweile als "rechtsextrem unterwanderte Organisationen":
* Verfassungsschutz
* Polizei
* Gerichte
* Schulen
* (Sport)vereine

Die Wurzel des Problems ist die Durchdringung und Akzeptanz rechten Gedankenguts. Das muss man ändern und das beginnt man halt damit, das man diese Leute isoliert. Ich bin froh aktuell in einer Gegend zu leben wo Rechte eher die Minderheit stellen und die Firma in der Arbeite, "rechtes Gedankengut" zur Kündigung führt.
Raptor 2101
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Re: Rund um den Terroranschlag in Halle

Beitrag von Raptor 2101 »

Axel hat geschrieben: 13. Okt 2019, 11:56
Raptor 2101 hat geschrieben: 13. Okt 2019, 11:43 Wenn in der "dritten Liga" in der Pause, offen einem NeoNazi gedacht wird, ist dass auch ein Problem der Vereine.
Du beziehst Dich, glaube ich, auf Thomas Haller hier beim CFC letztes Jahr? Da ist die Lage leider noch ein wenig komplexer als es transportiert wurde. Haller hat nicht nur die HooNaRa in den 90ern gegründet und war innerhalb des Unterstützerkreis des NSU aktiv (die damals ja hier in Chemnitz gelebt haben), sondern vor allem: Haller hatte auch seine eigene Security-Firma, die Haller Security. Und die hat über viele Jahre sämtliche städtischen Veranstaltungen „abgesichert“: Stadtfest, Pressefest der Freien Presse oder eben auch die Spiele des CFC. Haller war extrem gut in der Stadtgesellschaft vernetzt, was ihn auch erst so gefährlich gemacht hat. Daher war es kein Ding, dass ihm nach seinem Tod bei einem CFC Spiel gedacht und es von der Vereinsführung durchgewunken wurde. Haller war leider kein normaler Nazihool und ein „schönes“ anschauliches Beispiel, wie sehr sich Nazigrößen in den Stadtgesellschaften hier im Osten festsetzen konnten.
In der Verlinkten Quelle wurde das genau so transportiert...
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IpsilonZ
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Re: Rund um den Terroranschlag in Halle

Beitrag von IpsilonZ »

Stuttgarter hat geschrieben: 13. Okt 2019, 11:42
IpsilonZ hat geschrieben: 13. Okt 2019, 11:33 Vor ~20 Jahren gings mir durchaus auch so, dass ich mich angegriffen gefühlt habe. Ich war n introvertierter Junge der gerne Videospiele gespielt hat und Freunde haben wollte. Und dann lese ich überall, dass mein Hobby als Gefahr für meine Mitmenschen angesehen wird. Dass mein Hobby mich angeblich zum Mörder machen könnte. Das ist kein wirklich schönes Gefühl, wenn man wenig Selbstbewusstsein hat und einfach akzeptiert werden will.
Okay, das kann ich im Einzelfall wie bei Dir dann nachvollziehen. Allerdings hab ich schon damals nicht geglaubt, dass alle Spielenden so sind (lag ich da falsch?). Ich kann mir einfach nur sehr schwer vorstellen, dass alle, die damals sich so aufgeregt haben, Probleme mit dem Selbstwertgefühl hatten.

Das heißt ja nicht, dass man sich nicht über bewusst falsche Aussagen aufregen soll - ich hab hart aber fair damals auch ne lange Mail geschrieben, als sie so taten, als könne man das unzensierte CS problemlos in Deutschland als 16jähriger kaufen. Aber dieses grundsätzliche "wir werden alle beleidigt und verurteilt" habe ich nie verstanden...
Oh, ich persönlich bin auch nur bei wenigen auf solche extremen Vorurteile gestoßen. Wahrscheinlich war ich dafür doch zu kommunikativ und "lieb" und die Menschen in meinem Umfeld doch zu skeptisch solchen Nachrichten gegenüber. ^^
Manche haben drüber gewitzelt ("also wenn hier mal einer um sich schießt, dann bist das glaub ich du.. höhö") aber es scheint mir nicht so als hätten Menschen WIRKLICH Angst vor mir gehabt.
Aber wenn man eh schon Probleme mit dem Selbstbewusstsein hat und dann das Gefühl bekommt, dass in den Medien jetzt eine Angst vor dem geschürt wird was einem Spaß macht, dann kann glaube ich durchaus schnell ein negativer Effekt eintreten. Man fühlt sich als müsse man was verheimlichen, zieht sich noch mehr zurück weil Leute immer wissen wollen was man eigentlich in seiner Freizeit so macht, wird noch defensiver und "sonderlicher" usw.

Und doch, ich glaub das Selbstwertgefühl spietl da schon ne große Rolle. Grundsätzlich sich als "Gamer" zu identifizieren scheint mir damit zu tun zu haben, ohne dass ich jetzt wirklich n Psychologiestudium abgeschlossen (oder auch nur angefangen) habe. :D

edit: übrigens war mein Umgang damit auch ziemlich genau der gleiche wie die die man heute oft sieht. Auf die dummen ahnungslosen Medien schimpfen und sich lustig machen.
Andreas29

Re: Rund um den Terroranschlag in Halle

Beitrag von Andreas29 »

Raptor 2101 hat geschrieben: 13. Okt 2019, 10:08 Ich denke bei dieser Debatte dürfen "wir" (Gamer) nicht sofort einen Beißreflex haben.
Ich wehre mich gegen den Begriff "Beißreflex". Wie Du hier zu Beginn des Threads lesen kannst, habe ich eine durchaus differenzierte Meinung. Dennoch fühle ich mich verpflichtet gegen Pauschalisierungen und Vereinfachungen vorzugehen und das auch lautstark zu äußern, wenn es um mein Hobby geht.

Wenn es zu viel verlangt ist, dass sich ein Politiker zu einem gesellschaftlich so relevanten und vielschichtigen Thema differenziert äußert, dann weiß ich auch nicht weiter...

Die Attitüde "mit Games kann man es ja machen" scheint bei bestimmten Politikern immer noch vorherrschend zu sein. Desto schneller wir da einen Riegel vorschieben und dabei als "Gamer-Community" (bei "Szene" fängt das Framing nämlich auch schon an; man spricht ja auch von "rechter Szene") geschlossen, aber sachlich auftreten, desto besser und desto zielführender können auch die Debatten werden.

Die aller meisten "Gamer" sind sich der Probleme in Foren etc.. bewusst und wären sicher dort auch zu unangenehmen Debatten bereit. Aber solange man von der Politikseite immer noch Ursachen in Videospielen sucht, pauschalisiert und vereinfacht gesagt "dumme" Aussagen trifft, die von Ignoranz dem Thema gegenüber zeugen , ist dieser Kommunikationsweg versperrt.
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Andre Peschke
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Re: Rund um den Terroranschlag in Halle

Beitrag von Andre Peschke »

Raptor 2101 hat geschrieben: 13. Okt 2019, 12:01 Die Wurzel des Problems ist die Durchdringung und Akzeptanz rechten Gedankenguts.
Ich würde halt immer sagen: Das Problem ist, dass rechtes Gedankengut tatsächlich verfangen kann. Damit man eine menschenverachtenden Ideologie annehmen kann, muss bei einem Menschen schon was schief gelaufen sein. Wenn eine Organisation durchdrungen ist von Menschen mit solcher Ideologie ist das ein Problem und man muss da was tun, ganz klar. Aber solange die Rahmenbedingungen fortexistieren, die diese ganzen Nazis produziert haben, ist es imo Symptombekämpfung.

Ob man am Ende gar nicht anders kann, weil sich die Ursachen nicht beseitigen lassen... Möglich, aber würde da halt glauben, der Fokus ist zu stark auf den Symptomen.

Andre
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Re: Rund um den Terroranschlag in Halle

Beitrag von Raptor 2101 »

Andreas29 hat geschrieben: 13. Okt 2019, 12:15 Ich wehre mich gegen den Begriff "Beißreflex". Wie Du hier zu Beginn des Threads lesen kannst, habe ich eine durchaus differenzierte Meinung. Dennoch fühle ich mich verpflichtet gegen Pauschalisierungen und Vereinfachungen vorzugehen und das auch lautstark zu äußern, wenn es um mein Hobby geht.
Das meinte ich. Ich glaube nicht, dass es ihnen aktuell um unser "Hobby" selber geht, sondern um das Umfeld. Die werfen 4Chann/8Chann/SteamCommunity und co alles in einen Sack.
Andreas29 hat geschrieben: 13. Okt 2019, 12:15 Wenn es zu viel verlangt ist, dass sich ein Politiker zu einem gesellschaftlich so relevanten und vielschichtigen Thema differenziert äußert, dann weiß ich auch nicht weiter...
Was erwartest du von Horst Seehofer?
Andreas29 hat geschrieben: 13. Okt 2019, 12:15 Die Attitüde "mit Games kann man es ja machen" scheint bei bestimmten Politikern immer noch vorherrschend zu sein. Desto schneller wir da einen Riegel vorschieben und dabei als "Gamer-Community" (bei "Szene" fängt das Framing nämlich auch schon an; man spricht ja auch von "rechter Szene") geschlossen, aber sachlich auftreten, desto besser und desto zielführender können auch die Debatten werden.

Die aller meisten "Gamer" sind sich der Probleme in Foren etc.. bewusst und wären sicher dort auch zu unangenehmen Debatten bereit. Aber solange man von der Politikseite immer noch Ursachen in Videospielen sucht, pauschalisiert und vereinfacht gesagt "dumme" Aussagen trifft, die von Ignoranz dem Thema gegenüber zeugen , ist dieser Kommunikationsweg versperrt.
Alles andere würde bedeuten, man müsste seine eigene Klientel angehen.
Andre Peschke hat geschrieben: 13. Okt 2019, 12:18 Ich würde halt immer sagen: Das Problem ist, dass rechtes Gedankengut tatsächlich verfangen kann. Damit man eine menschenverachtenden Ideologie annehmen kann, muss bei einem Menschen schon was schief gelaufen sein. Wenn eine Organisation durchdrungen ist von Menschen mit solcher Ideologie ist das ein Problem und man muss da was tun, ganz klar. Aber solange die Rahmenbedingungen fortexistieren, die diese ganzen Nazis produziert haben, ist es imo Symptombekämpfung.

Ob man am Ende gar nicht anders kann, weil sich die Ursachen nicht beseitigen lassen... Möglich, aber würde da halt glauben, der Fokus ist zu stark auf den Symptomen.

Andre
Es gibt einige Wissenschaftler die Rassismus als "Trieb" und "Evolutionären Vorteil" beschreiben. Ursachenbekämpfung wird hier halt echt schwierig. Wir können nicht jedes "männliche" Baby schreddern (rassistische Gewallt geht statisch hauptsächlich von männlichen Tätern aus). Wenn du verhindern willst, dass jemand Rassistisch Sozialisiert wird, musst du an die Organisationen rann.
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Re: Rund um den Terroranschlag in Halle

Beitrag von Wolfgang Walk »

philoponus hat geschrieben: 13. Okt 2019, 10:57 game-Verband kritisiert Generalverdacht gegen Games-Community

https://www.game.de/game-verband-kritis ... community/
Mein Kommentar dazu auf Facebook:
"Darf ich kurz anmerken, Felix, dass ich den Text unglücklich formuliert finde?

Ihr sprecht hier von Fremdenfeindlichkeit, und natürlich ist die ein gewaltiges Problem. Aber die Menschen in der Synagoge wurden nicht als Fremde attackiert, sondern als Juden - und die allermeisten dürften Deutsche sein.

Ihr wollt sicher nicht das alte rechte Meme weiterverbreiten, Juden könnten keine Deutschen sein.

Ich würde Euch deshalb bitten, den Text noch entsprechend zu erweitern."
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philoponus
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Re: Rund um den Terroranschlag in Halle

Beitrag von philoponus »

Wolfgang Walk hat geschrieben: 13. Okt 2019, 12:38
philoponus hat geschrieben: 13. Okt 2019, 10:57 game-Verband kritisiert Generalverdacht gegen Games-Community

https://www.game.de/game-verband-kritis ... community/
Mein Kommentar dazu auf Facebook:
"Darf ich kurz anmerken, Felix, dass ich den Text unglücklich formuliert finde?

Ihr sprecht hier von Fremdenfeindlichkeit, und natürlich ist die ein gewaltiges Problem. Aber die Menschen in der Synagoge wurden nicht als Fremde attackiert, sondern als Juden - und die allermeisten dürften Deutsche sein.
Ein Klassiker. Hier in Österreich unterscheiden die Medien ja gerne zwischen Österreichern und Moslems, so als könnte ein Moslem kein Österreicher sein.
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Re: Rund um den Terroranschlag in Halle

Beitrag von Raptor 2101 »

philoponus hat geschrieben: 13. Okt 2019, 12:48 Ein Klassiker. Hier in Österreich unterscheiden die Medien ja gerne zwischen Österreichern und Moslems, so als könnte ein Moslem kein Österreicher sein.
So wie Juden, rechter Ideologie folgend, keine Deutschen sein können. Es ist immer das gleiche Denk-Muster: "Wir gegen die"
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Re: Rund um den Terroranschlag in Halle

Beitrag von Wolfgang Walk »

philoponus hat geschrieben: 13. Okt 2019, 12:48
Wolfgang Walk hat geschrieben: 13. Okt 2019, 12:38
philoponus hat geschrieben: 13. Okt 2019, 10:57 game-Verband kritisiert Generalverdacht gegen Games-Community

https://www.game.de/game-verband-kritis ... community/
Mein Kommentar dazu auf Facebook:
"Darf ich kurz anmerken, Felix, dass ich den Text unglücklich formuliert finde?

Ihr sprecht hier von Fremdenfeindlichkeit, und natürlich ist die ein gewaltiges Problem. Aber die Menschen in der Synagoge wurden nicht als Fremde attackiert, sondern als Juden - und die allermeisten dürften Deutsche sein.
Ein Klassiker. Hier in Österreich unterscheiden die Medien ja gerne zwischen Österreichern und Moslems, so als könnte ein Moslem kein Österreicher sein.
Juden gibt's bei Euch nicht mehr? Oder halt nur noch so wenige, dass sich da nicht drüber reden lohnt?
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philoponus
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Re: Rund um den Terroranschlag in Halle

Beitrag von philoponus »

Doch, da ist es ähnlich. Man schreibt aber viel lieber über Moslems dieser Jahre.
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Re: Rund um den Terroranschlag in Halle

Beitrag von Peninsula »

Andre Peschke hat geschrieben: 13. Okt 2019, 10:45
Vinter hat geschrieben: 13. Okt 2019, 10:12 Das war kein "radikaler Gamer", das war ein Rechtsextremist, der auch Videospiele gespielt hat.
Genau das.

Bei dem Christchurch-Täter gab's ja auch Kommentare, sein Live-Stream hätte eine "Videospielästhetik" gehabt. Was natürlich in gewisser Weise stimmt. Aber er hatte eben auch eine Go-Pro-Helmkamera-Ästhetik und keiner wollte sich die Wingsuit-Community näher ansehen.
Seehofer ist ein Horst, das steht außer Frage. Und dass ausgerechnet ein Innen- und Heimatminister von der CSU in angemessener Weise auf rechtsextremen Terror reagiert, halte auch ich für unwahrscheinlich.

Trotzdem ist es 2019 fahrlässig, Bezüge zur Gaming-Community pauschal abzuwiegeln und die Beobachtung, dass das Christchurch-Video eine First-Person-Shooter-Ästhetik (so exakt, ein konkretes Genre zu nennen, sind viele Kritiken dann mittlerweile doch) gehabt habe, derart ins Lächerliche zu ziehen. Zumal die Videospielreferenzen des Christchurch-Attentäters sich ja nicht auf diese Ästhetik beschränkt haben. Ebenso referiert die Achievement-Liste des Hallenser Terroristen explizit auf Videospiele. Solange nicht die dummen Argumente aus der Killerspiel-Debatte hervorgekramt werden, sollte man imo als Gaming-Community auch nicht in die Schublade mit den plumpen Gegenantworten greifen.
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Andre Peschke
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Re: Rund um den Terroranschlag in Halle

Beitrag von Andre Peschke »

Peninsula hat geschrieben: 13. Okt 2019, 14:29 Trotzdem ist es 2019 fahrlässig, Bezüge zur Gaming-Community pauschal abzuwiegeln und die Beobachtung, dass das Christchurch-Video eine First-Person-Shooter-Ästhetik (so exakt, ein konkretes Genre zu nennen, sind viele Kritiken dann mittlerweile doch) gehabt habe, derart ins Lächerliche zu ziehen. Zumal die Videospielreferenzen des Christchurch-Attentäters sich ja nicht auf diese Ästhetik beschränkt haben. Ebenso referiert die Achievement-Liste des Hallenser Terroristen explizit auf Videospiele.
Warum ist das fahrlässig? Fahrlässig ist es doch eher die Verbindung zu Games aufgrund dieser haardünnen Bezugspunkte herzustellen. Der Christchurch - Typ refernziert sich in seinem dummen Manifest quer durch das halbe Internet. Das Pamphlet aus Halle habe ich bisher nicht finden können, leider. Aber das eigentlich gefährliche Gedankengut wird er nicht aus Games haben. Wo ist der Bezugspunkt? Weil von Achievements die Rede ist? Das ist doch nur ein Beleg, dass Games Teil seines Referenzrahmens sind. So wie ein Fussballfan lauter Fussballvergleiche bringt etc. Wenn ein Manager bei Lehmann Bros. gesagt hätte, am Ende war "Game Over", müssen wir dann auch die Rolle von Games bei der Weltfinanzkrise hinterfragen?

Sehr viele junge Männer spielen Games. Entsprechend dominieren sie Foren zum Thema games. Und einige von ihnen sind psychotisch genug am Ende schlimme Dinge zu tun. Und diejenigen, die ein paar Schrauben locker haben gehen natürlich zu den komplett anonymen Imageboards wie den Chans und werden dort in den Sektionen wie Games, aber eben auch weiteren aktiv sein.

Wenn man also sagt: Wir sollten vielleicht uberall dort besser hinschauen, wo junge Männer sich im Internet unterhalten und insbesondere dort wo null Moderation und max Anonymität gewährleistet sind, weil diese Orte natürlich Leute mit extremen Positionen anziehen - ok. Kann ich logisch verstehen.

Aber darüber hinaus über Games zu reden, finde ich wieder völlig verfehlt. Bevor ein Spiel irgendeinen Einfluss ausübt, von dem wir nicht wissen, ob er uberhaupt existiert, muss:

- Die Erziehung gescheitert sein
- Die Bildung gescheitert sein
- Eventuell psychologische Betreuung gescheitert sein
- Die Person sich insgesamt von der Gesellschaft ausgeschlossen fühlen, damit sein "Wir gegen die" ein der Gesellschaft außenstehendes "wir" kennt.

Die Beobachtung, dass das Christchurch-Video eine FPS - Ästhetik hat IST lächerlich, denn die Ästhetik ist der Aufnahmetechnik einer Hands-Free-Gopro immanent. Das ist die Ästhetik dieses Kamerasetups. Und wir interpretieren dann im Nachgang "das sieht aus wie etwas, dass ich auch kenne, nämlich...". Das hat der Killer ja nicht aus mehreren Optionen frei ausgewählt. Anders als zB die Attentäter von Columbine, die sich nach einem Film gestyled haben (der eben auch nur für diese eine Ausprägung verantwortlich war).

Explizit NICHT idiotisch ist es zu sagen: Ein möglicher Kontaktpunkt mit radikalem Gedankengut findet sich u.a. auch im Umfeld von Games. Genauso wie zB allgemein auf Youtube etc. Aber eine Ursächlichkeit von Games daran anzuknüpfen, braucht Argumente die ich bislang nicht sehe. Wo machen Games jemanden zum antisemitischen Mörder? Allein die Tatsache, dass die Juden seit Jahrhunderten quer durch X Kulturkreise hinweg verfolgt wurden sollte doch aufzeigen, dass es keine Videospiele dafür braucht.

TLDR: Wenn sich die Nazis regelmäßig bei der alten Eiche im Park treffen, ist nicht die Eiche zu hinterfragen. Aber man kann gerne rund um die Eiche nach Nazis suchen.

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Re: Rund um den Terroranschlag in Halle

Beitrag von Peninsula »

Andre Peschke hat geschrieben: 13. Okt 2019, 15:39
Warum ist das fahrlässig? Fahrlässig ist es doch eher die Verbindung zu Games aufgrund dieser haardünnen Bezugspunkte herzustellen.
Weil der Diskussionsstand ein anderer ist, wie du ja auch weiter oben angemerkt hast. Selbst Seehofer spricht in dem Schnipsel, der mir zu Halle bekannt ist, nicht von "Killerspielen" oder "Spielen", sondern von "der Gaming-Szene". Mag sein, dass bei einem Populisten wie Seehofer ein Teil seiner Zielgruppe trotzdem hört oder liest "Videospiele sind Killerspille sind der Teufel". Mag sein, dass ihm diese Interpretation sogar ganz lieb ist.
Aber als jemand, der gern Computerspiele spielt und sich vielleicht sogar noch etwas mit dem "Drumrum" dazu beschäftigt (also bspw. Spielemedien verfolgt, in Foren etc. aktiv ist), kann man imo spätestens seit Gamergate nicht völlig abstreiten, dass es in der "Gaming-Szene" ein Problem mit der Abgrenzung nach rechts gibt. Ganz konkret fällt mir da bspw. dieser Thread hier aus dem Forum zum Thema "Nazi-Profile bei Steam" ein. Nur weil es solche Probleme nicht "nur" hier gibt, wird das doch nicht weniger zum Problem.
Die Beobachtung, dass das Christchurch-Video eine FPS - Ästhetik hat IST lächerlich, denn die Ästhetik ist der Aufnahmetechnik einer Hands-Free-Gopro immanent. Das ist die Ästhetik dieses Kamerasetups. Und wir interpretieren dann im Nachgang "das sieht aus wie etwas, dass ich auch kenne, nämlich...".
Ich sehe jetzt nicht, wieso die Tatsache, dass mit dieser Kamera gefilmte Videso so aussehen, ausschließt, dass diese Kamera ganz bewusst eingesetzt wurde, weil die Videos so aussehen. Und unabhängig von der Absicht des Täters beschreibst du ja selbst, dass die Rezeption trotzdem so funktionieren kann. Wir könnten jetzt spekulieren, ob nur die Seehoferianer dieser Welt, die von Videospielen keine Ahnung haben und nicht wissen, was eine GoPro ist, bei diesem Video eher an FPS als an Wingsuits denken.

Aber ich zitiere mal aus einem sehr hörenswerten DLF-Gespräch mit einem Freund des Podcasts:
Dass die Ego-Shooter-Perspektive gewählt werde, sei kein Zufall, sagt Christian Schiffer, Chefredakteur des Magazins für Games-Kultur WASD. Sie zeige vielmehr, dass die Computerspiele-Kultur ein Problem mit Rechtsextremismus habe. Gleichzeitig dürfe man bei diesem Thema aber auch nicht pauschalisieren:

„Wenn wir uns diese Taten anschauen, sind Computerspiele zwar als Referenz mit dabei, aber immer auch als Teil eines viel größeren Patchworks an popkulturellen Referenzen. Da geht es dann etwa um Memes und um Anime-Kultur. Was aber stimmt ist, dass Computerspiele als Rekrutierungswerkzeug für eine rechtsextreme Szene nicht uninteressant sind, weil sei von vielen jungen Männern gespielt werden.“
Dem würde ich noch hinzufügen, dass Computerspiele nicht nur für junge Männer, sondern vermutlich auch für die Untergruppe, auf die die vier von dir beschriebenen Kriterien zutreffen, besonders attraktiv sein dürften. Wie du schreibst, und auch Christian in dem Gespräch sagt, sind anonyme Imageboards da sicher noch viel gefährlicher. Aber die Videospielszene bietet sich dennoch eher an als viele andere Subkulturen - möglicherweise hat das auch was mit dem stark verbreiteten Eskapismus zu tun.
Auch im Fazit, bin ich nah genug an Christian Schiffer, um hier einfach nochmal das Gespräch zu zitieren:
Dass die Ästhetik von Computerspielen von Attentätern missbraucht werde, führe nicht dazu, dass man sich als Spieler von solchen Taten distanzieren müsse, meint Schiffer. Denn in der Regel habe man mit solchen Leuten nichts zu tun. Aber Schiffer betont auch: „Man muss sich nicht distanzieren – aber man kann sich distanzieren. So wie man sich als Deutscher von Neonazis distanzieren kann, obwohl man mit denen meist nicht mehr teilt als die Staatsbürgerschaft. Trotzdem tut man es, weil es wichtig ist, sich zu positionieren. Wer sich distanziert, sendet ein klares Signal an die eigene Community, dass man so etwas nicht duldet.“
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Re: Rund um den Terroranschlag in Halle

Beitrag von Stuttgarter »

Wolfgang Walk hat geschrieben: 13. Okt 2019, 12:38 Mein Kommentar dazu auf Facebook:
"Darf ich kurz anmerken, Felix, dass ich den Text unglücklich formuliert finde?

Ihr sprecht hier von Fremdenfeindlichkeit, und natürlich ist die ein gewaltiges Problem. Aber die Menschen in der Synagoge wurden nicht als Fremde attackiert, sondern als Juden - und die allermeisten dürften Deutsche sein.

Ihr wollt sicher nicht das alte rechte Meme weiterverbreiten, Juden könnten keine Deutschen sein.

Ich würde Euch deshalb bitten, den Text noch entsprechend zu erweitern."
Manchmal will ich Dir die Füße küssen.
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Re: Rund um den Terroranschlag in Halle

Beitrag von Wolfgang Walk »

Stuttgarter hat geschrieben: 13. Okt 2019, 17:20
Manchmal will ich Dir die Füße küssen.
Das ist eher nicht so lohnend...

Aber zur Diskussion: Ich glaube Ihr zielt ein wenig an der eigentlichen Problematik vorbei, die eher darin besteht, welchen Beitrag die gesamte Games-Industrie und -Kultur zur Erhöhung der Wahrscheinlichkeit von Anschlägen leistet. Dieser Beitrag liegt nicht so sehr in eizelnen Games, als in der Art und Weise, wie wir als Industrie mit Extremisten umgehen. Ich sage nur Naziprofile auf Steam etc. Wenn wir sowas sogar in betreuten Communities durchlassen, dann sind Sachen wie Halle kein Wunder, sondern erwartbare Realität.
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Re: Rund um den Terroranschlag in Halle

Beitrag von Stuttgarter »

Wolfgang Walk hat geschrieben: 13. Okt 2019, 17:34
Stuttgarter hat geschrieben: 13. Okt 2019, 17:20
Manchmal will ich Dir die Füße küssen.
Das ist eher nicht so lohnend...

Aber zur Diskussion: Ich glaube Ihr zielt ein wenig an der eigentlichen Problematik vorbei, die eher darin besteht, welchen Beitrag die gesamte Games-Industrie und -Kultur zur Erhöhung der Wahrscheinlichkeit von Anschlägen leistet. Dieser Beitrag liegt nicht so sehr in eizelnen Games, als in der Art und Weise, wie wir als Industrie mit Extremisten umgehen. Ich sage nur Naziprofile auf Steam etc. Wenn wir sowas sogar in betreuten Communities durchlassen, dann sind Sachen wie Halle kein Wunder, sondern erwartbare Realität.
Ok, dann unterschreib ich Deine Postings halt statt Füße küssen.
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Re: Rund um den Terroranschlag in Halle

Beitrag von Andre Peschke »

Peninsula hat geschrieben: 13. Okt 2019, 17:03 Weil der Diskussionsstand ein anderer ist, wie du ja auch weiter oben angemerkt hast. Selbst Seehofer spricht in dem Schnipsel, der mir zu Halle bekannt ist, nicht von "Killerspielen" oder "Spielen", sondern von "der Gaming-Szene".
Möglich, dass das durch den Threadkontext bei mir anders angekommen ist. Eine differenziertere Ausdrucksweise wäre mir da lieber, aber wenn es schlussendlich darum geht zu sagen: "Es gibt Orte, an denen wir vielleicht vorbeugend solche Menschen identifizieren können" - ok. Das Netz sollte man aber weiter spannen, als bzgl. der Games-Szene.

Peninsula hat geschrieben: 13. Okt 2019, 17:03 Ich sehe jetzt nicht, wieso die Tatsache, dass mit dieser Kamera gefilmte Videso so aussehen, ausschließt, dass diese Kamera ganz bewusst eingesetzt wurde, weil die Videos so aussehen.
Möglich. Aber Spekulation. Wenn du mit dieser Art Kamera-Setup gar nicht anders kannst, als FPS-Ästhetik zu produzieren, dann ist ein Rückschluss allein aus der Perspektive auf das Gaming einfach nicht möglich.

Und das der Schiffer auch mal Unfug erzählt wissen wir ja, seit er unfassbare Dummheiten über "Journey" gesagt hat!111
Peninsula hat geschrieben: 13. Okt 2019, 17:03„Wenn wir uns diese Taten anschauen, sind Computerspiele zwar als Referenz mit dabei, aber immer auch als Teil eines viel größeren Patchworks an popkulturellen Referenzen. Da geht es dann etwa um Memes und um Anime-Kultur. Was aber stimmt ist, dass Computerspiele als Rekrutierungswerkzeug für eine rechtsextreme Szene nicht uninteressant sind, weil sei von vielen jungen Männern gespielt werden.“
Das ist ja, was ich sagte.
Peninsula hat geschrieben: 13. Okt 2019, 17:03Dem würde ich noch hinzufügen, dass Computerspiele nicht nur für junge Männer, sondern vermutlich auch für die Untergruppe, auf die die vier von dir beschriebenen Kriterien zutreffen, besonders attraktiv sein dürften. Wie du schreibst, und auch Christian in dem Gespräch sagt, sind anonyme Imageboards da sicher noch viel gefährlicher. Aber die Videospielszene bietet sich dennoch eher an als viele andere Subkulturen - möglicherweise hat das auch was mit dem stark verbreiteten Eskapismus zu tun.
Und auch hier stimme ich zu.

Aber: das bedeutet eben nicht, das Games irgendeine Teilschuld tragen. Nichtmal das "die Gamer-Szene" daran Anteil hat. Es bedeutet nur, dass Games (genauso wie zB Sport - insbesondere Kampfsport) ein Treffpunkt sind, an dem entsprechende Akteure gehäuft auf Opfer für ihre Ideologie treffen können. Wenn in einem Teich mehr Karpfen sind, dann fängt man natürlich mehr Karpfen. Dann sind da auch mehr Angler unterwegs. Aber das bedeutet nicht, dass diese Karpfen leichter an den Haken springen, weil mit dem See was nicht stimmt. Da sind einfach mehr Karpfen.
Aber Schiffer betont auch: „Man muss sich nicht distanzieren – aber man kann sich distanzieren. So wie man sich als Deutscher von Neonazis distanzieren kann, obwohl man mit denen meist nicht mehr teilt als die Staatsbürgerschaft. Trotzdem tut man es, weil es wichtig ist, sich zu positionieren. Wer sich distanziert, sendet ein klares Signal an die eigene Community, dass man so etwas nicht duldet.“
Wenn wir darüber sprechen, ob die Gamer-Szene (wenn es sowas als homogenes Gebilde überhaupt gäbe) mehr tun könnte, um in sich radikalen Tendenzen vorzubeugen: Ja. Wird vermutlich für alle Szenen gelten, weil Radikalität ja die "normalen" Menschen meist abstößt. Da geht man lieber weg, da wendet man sich lieber ab. Das finde ich logisch. Und wenn die Foderung von Christian lautet: "Wenn man sowas sieht, sollte man eben nicht einfach still den Kopf schütteln, sondern dagegen an posten" - dann sind wir da auch einer Meinung.
Wolfgang Walk hat geschrieben: 13. Okt 2019, 17:34 Ich sage nur Naziprofile auf Steam etc. Wenn wir sowas sogar in betreuten Communities durchlassen, dann sind Sachen wie Halle kein Wunder, sondern erwartbare Realität.
Ich finde, dass ist wie "Immunisierung" vs. "Quarantäne". Von mir aus reden wir über Quarantäne als kurzfristige Schutzmaßnahme. Aber die Immunisierung sollte doch viel wichtiger sein. Und wenn Quarantäne, dann doch richtige Isolation. Ich habe das Gefühl, wir reden ständig nur darüber, wie man die vom Nazivirus befallenen in die nächste Stadt vertreiben kann, damit sie wenigstens hier keinen mehr anstecken. Ich verstehe, dass Leute den Dreck aus dem eigenen Vorgarten kehren wollen - sei es die Games-Community, ihre Facebook-Blase etc. Aber wenns ringsum weiter schmutzig bleibt, was hilft es? Wir leben ja noch nichtmal wirklich hier.

Andre
Wolf
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Re: Rund um den Terroranschlag in Halle

Beitrag von Wolf »

Ich gebe den Medien die Schuld. Sie setzten den Täter tagelang auf die Titelseiten beleuchten alle Winkel seines Lebens usw.... So sehen die Trittbrettfaher wie sie mehr als 15 Sekunden Ruhm erhalten können.
Wo sind die Titelseiten der Opfer? Wo ist die Reportage über die Synagoge? Hat jemand dem Hersteller der Tür zu seiner guten Konstruktion gratuliert?

Die Regierung sollte Eskapismus mittels MMO-Abos fördern, was da an Zeit versenkt wird. Es hilft sicher nicht einen Anschlag zu planen wenn man ein Mager Stufe 80 wird.
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Soulaire
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Re: Rund um den Terroranschlag in Halle

Beitrag von Soulaire »

Killerspiel-Debatte 2.0- wer hätte es gedacht :hand:
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