Andre Peschke hat geschrieben: ↑13. Okt 2019, 15:39
Warum ist das fahrlässig? Fahrlässig ist es doch eher die Verbindung zu Games aufgrund dieser haardünnen Bezugspunkte herzustellen.
Weil der Diskussionsstand ein anderer ist, wie du ja auch weiter oben angemerkt hast. Selbst Seehofer spricht in dem Schnipsel, der mir zu Halle bekannt ist, nicht von "Killerspielen" oder "Spielen", sondern von "der Gaming-Szene". Mag sein, dass bei einem Populisten wie Seehofer ein Teil seiner Zielgruppe trotzdem hört oder liest "Videospiele sind Killerspille sind der Teufel". Mag sein, dass ihm diese Interpretation sogar ganz lieb ist.
Aber als jemand, der gern Computerspiele spielt und sich vielleicht sogar noch etwas mit dem "Drumrum" dazu beschäftigt (also bspw. Spielemedien verfolgt, in Foren etc. aktiv ist), kann man imo spätestens seit Gamergate nicht völlig abstreiten, dass es in der "Gaming-Szene" ein Problem mit der Abgrenzung nach rechts gibt. Ganz konkret fällt mir da bspw.
dieser Thread hier aus dem Forum zum Thema "Nazi-Profile bei Steam" ein. Nur weil es solche Probleme nicht "nur" hier gibt, wird das doch nicht weniger zum Problem.
Die Beobachtung, dass das Christchurch-Video eine FPS - Ästhetik hat IST lächerlich, denn die Ästhetik ist der Aufnahmetechnik einer Hands-Free-Gopro immanent. Das ist die Ästhetik dieses Kamerasetups. Und wir interpretieren dann im Nachgang "das sieht aus wie etwas, dass ich auch kenne, nämlich...".
Ich sehe jetzt nicht, wieso die Tatsache, dass mit dieser Kamera gefilmte Videso so aussehen, ausschließt, dass diese Kamera ganz bewusst eingesetzt wurde,
weil die Videos so aussehen. Und unabhängig von der Absicht des Täters beschreibst du ja selbst, dass die Rezeption trotzdem so funktionieren kann. Wir könnten jetzt spekulieren, ob nur die Seehoferianer dieser Welt, die von Videospielen keine Ahnung haben und nicht wissen, was eine GoPro ist, bei diesem Video eher an FPS als an Wingsuits denken.
Aber ich zitiere mal aus
einem sehr hörenswerten DLF-Gespräch mit einem Freund des Podcasts:
Dass die Ego-Shooter-Perspektive gewählt werde, sei kein Zufall, sagt Christian Schiffer, Chefredakteur des Magazins für Games-Kultur WASD. Sie zeige vielmehr, dass die Computerspiele-Kultur ein Problem mit Rechtsextremismus habe. Gleichzeitig dürfe man bei diesem Thema aber auch nicht pauschalisieren:
„Wenn wir uns diese Taten anschauen, sind Computerspiele zwar als Referenz mit dabei, aber immer auch als Teil eines viel größeren Patchworks an popkulturellen Referenzen. Da geht es dann etwa um Memes und um Anime-Kultur. Was aber stimmt ist, dass Computerspiele als Rekrutierungswerkzeug für eine rechtsextreme Szene nicht uninteressant sind, weil sei von vielen jungen Männern gespielt werden.“
Dem würde ich noch hinzufügen, dass Computerspiele nicht nur für junge Männer, sondern vermutlich auch für die Untergruppe, auf die die vier von dir beschriebenen Kriterien zutreffen, besonders attraktiv sein dürften. Wie du schreibst, und auch Christian in dem Gespräch sagt, sind anonyme Imageboards da sicher noch viel gefährlicher. Aber die Videospielszene bietet sich dennoch eher an als viele andere Subkulturen - möglicherweise hat das auch was mit dem stark verbreiteten Eskapismus zu tun.
Auch im Fazit, bin ich nah genug an Christian Schiffer, um hier einfach nochmal das Gespräch zu zitieren:
Dass die Ästhetik von Computerspielen von Attentätern missbraucht werde, führe nicht dazu, dass man sich als Spieler von solchen Taten distanzieren müsse, meint Schiffer. Denn in der Regel habe man mit solchen Leuten nichts zu tun. Aber Schiffer betont auch: „Man muss sich nicht distanzieren – aber man kann sich distanzieren. So wie man sich als Deutscher von Neonazis distanzieren kann, obwohl man mit denen meist nicht mehr teilt als die Staatsbürgerschaft. Trotzdem tut man es, weil es wichtig ist, sich zu positionieren. Wer sich distanziert, sendet ein klares Signal an die eigene Community, dass man so etwas nicht duldet.“