Nach ca. 38 Stunden bin ich nun auch mit dem Spiel durch. Wer wirklich jeden Text liest und nicht die Nebenquests manchmal überfliegt, braucht auf diese Weise eher 45 Stunden. Dabei habe ich alle Quests erledigt, die ich finden konnte, bzw. ich auch schaffen konnte (Questlog, Minispoiler: Name und Dienstgrad wird angezeigt):
Außerdem bin ich etwas glücklich, das seltene Cuno Archievement bekommen zu haben (1,3% besitzen es), indem ich eine über 90% Probe vergeigt hatte.
Danach habe ich mir die Wertschätzung von Sebastian angehört, die mir sehr gut gefallen hat!
Dennoch hat er das Skillsystem, sein Hauptkritikpunkt nicht richtig erklärt, weil das tatsächliche Skillsystem seine Kritik bereits meistens umsetzt.
Im Folgenden werde ich das System aufschlüsseln und zeigen, warum es genial ist.
Es gibt 4 Grundattribute mit je 6 zugeordneten Skills, wie richtig gesagt worden ist:
Die Grundattribute bestimmen die Grundwerte der Skills und daraus den doppelten den Maximalwert, den man via Levelups skillen kann. Diese 4 Attribute lassen sich nur via Gedanken und temporär über Drogen steigern. Für jedes Attribut gibt es eine Droge, die das Attribut um einen Punkt für eine Stunde erhöht, aber auch den Maximalwert. So kann man, obwohl man z.B. nur 1 Motorics hat, Composure auf 3 skillen.
Der tatsächliche Konsum von Drogen hatte bei mir keine Auswirkung auf die Geschichte, nur scheint es sinnvoll zu sein, den Anti-Alkoholiker Gedanken zu skillen (wenn man nicht den Discocop spielen möchte
).
Die anderen 24 Skills bestimmen, was
du siehts, was
du tun kannst und was
du denkst.
Alle Skills sind somit eine Stimme in deinem Kopf, sichtbar werden sie aber nur in Dialogen mit Menschen oder Gegenständen.
Dass diese aber erst erscheinen, benötigt eine verdeckte Skillprobe. Bei was, wann und welche Skillprobe durchgeführt wird bleibt dem Spieler verborgen, bestimmt aber dessen Spielstil.
Ich vermute diese Proben sind feste Werte, genau so wie es sich Sebastian und Jochen in der Wertschätzung wünschten. Erhöht man z.B. seinen Perception Skill (=Wahrnehmung), sieht man neue Dinge in der Welt, z.B. Geheimgänge oder man findet neue Spuren.
Das sind auch neuen Dialogoptionen, welche in ausgegrauten Dialogen neu erscheinen, die Sebastian meinte. Es scheint aber, dass diese ganz bewusst ausgegraut seien, weil man eben diese Dialoge schon geführt hat und das Spiel keinen Anreiz geben möchte, dass man jeden Dialog mehrmals führen sollte. Bei wichtigen Dialogen wird nämlich die Dialogoption "ich hätte noch fragen zu..." weiß angezeigt, was darauf hindeutet, dass man hier noch mehr fragen kann, wenn man mehr herausgefunden hat.
Im Gegensatz zu klassischen Rollenspielen bestimmst man weniger über Dialogen, wie sich die Geschichte weiterentwickelt, sondern über das Skillsystem.
In Dialogen kann man vor allem seine politische Sichtweise (Kommunist, Faschist, Ultraliberal, Moralist), seine Copart (Superstar Cop, Apocalypse Cop, Sorry Cop und Boring Cop) und seine Handlungsweise (God/Bad Cop, Honour) bestimmen (siehe 1. Screenshot).
Zu den verdeckten Proben (die wohl über 90% ausmachen), kommen die weißen und die roten Checks, welche in Dialogen mit Menschen und Gegenstände auftreten.
Rote Checks gibt es nur sehr wenige (vlt. 20), sie bestimmen fast immer wichtige Pfade in der Story, wobei auch ein Verlieren der Probe interessante Pfade offenbaren. Dennoch kann ich es verstehen und habe auch manchmal neugeladen, um zumindest mit besserer Ausrüstung den Check zu machen, oder erst etwas später.
Die weißen Proben geben dem Spieler die Chance, diese zu wiederholen, sobald man einen weiteren Punkt in diesem Skill setzt, oder durch bestimmte Gedanken. Deswegen kann ich nur abraten, am Anfang eines oder mehrere Attribute auf 1 zu setzen - so kann man den Wert nur um zwei Punkte (inklusive Drogen erhöhen) und somit (ohne zusätzliche Gedanken) diese Skillprobe nur zweimal wiederholen. Über 8 Punkte auf einen Punkt zu setzen bringt meiner Erfahrung nach zu selten etwas und wenn man das tun möchte, sollte man diese Skillpunkte erst dann investieren, wenn sie gebraucht werden für White oder Redchecks.
Hier ist es fast immer besser diese zu bestehen, aber häufig schafft man das noch nicht im ersten Versuch.
Ein Scheitern der Probe hat aber keine negative Auswirkungen.
Das Spiel möchte dem Spieler die Informationen nicht vorenthalten (aber vielleicht im Moment des Dialogs), deswegen macht die Proben sichtbar für ihn und er kann sie erst später ausprobieren. Es gibt kein Anti-Savescum Systen wie z.B. in XCOM, vor jedem Versuch wird neu gewürfelt.
Durch weitere Erkenntnisse, Hinweise und co. kann man diese Proben wahrscheinlicher machen und das Spiel "schubst" einen etwas an, in diese Skills Punkte zu investieren. Sie sind quasi der Ork im Minental aus Gothic 2 - natürliche Levelbegrenzer. Sollte man sich tatsächlich verskillt haben und diese Proben nicht mehr wiederholen, kann man sich entweder entscheiden neuzuladen, oder man lässt sich die Probe für einen neuen Playthrough übrig, wo man das Grundattribut höher skillt (ich habe mir z.B. den Propagandabunker und den Geheimgang noch offen gelassen).
Das elegante an diesem System ist, dass es einerseits perfekt ins Krimalgenre passt und anderseits ein sehr viel realistischeres System abbildet.
In Rollenspielen wird klassischerweise gesagt: Du hast 12 Intelligenz, du möchtest diesen Plan dir ausgedacht haben, also musst du darauf würfel, ob du das überhaupt kannst.
Der Detective in Disco Elysium hat diesen Gedanken aber erst, wenn er den erforderlichen Skill erreicht hat und dann schafft er ihn auch.
Ein Fährtenleser in der echten Welt nimmt die Welt vollkommen anders war, als z.B. ein Politikprofessor.
Das schafft Disco Elysium abzubilden. Die Spieler bestimmt über das Skillsystem, wie die Hauptperson die Welt wahrnimmt, was sie denkt und was sie sagen kann.
Es lässt den Spieler die Person spielen, für die er sich entschieden hat, zu sein.
Ich werde das Spiel nochmal mit Motorics und Physique auf 4 starten, um zu sehen, was man dann erlebt.