Phazonis hat geschrieben: ↑10. Nov 2019, 17:50
Dann leg doch los. Hier wird dich niemand aufhalten wenn du höflich bleibst.
Ich denke das verrennt sich zu sehr in Detaildiskussionen
. Ich stimme mit der Gesamtrezeption schon nicht ganz überein. Vielleicht ist das der Grund für mein Unbehagen bei diesem Podcast.
Phazonis hat geschrieben: ↑10. Nov 2019, 17:50
Wenn du da mehrere beleuchtest kommst du halt vielleicht auch davon wenn die einzelne Betrachtung etwas oberflächlich ist und bleibt, wenn du aber wie offensichtlich TOW dir ein Witschaftssytem mit entsprechender Ideologie nimmst, dann muss halt deine Darstellung/Kritik um einiges besser sein.
Da würde ich schon Zweifel anführen, ob das tatsächlich weiter ausdefiniert werden muss. Gerade die Kritik am Kapitalismus ist auf filmischer Seite so ausgetreten, dass ich über die oberflächliche Behandlung des Themas sehr froh war. Ich möchte hier nicht zum wiederholten Male den Konflikt von einer Frau und ihrem Kind erleben, dass sich keine Medikamente leisten kann und dann gezwungen ist Tag und Nacht zu arbeiten. Auf der anderen Seite dann der Manager, der davon profitiert und feiert und so weiter und so fort... Man darf mMn also als genau so gegeben ansehen, wie das Vorwissen eines Marvel-Filmzuschauers bei dem letzten Avengers-Film, ohne alles künstlich breitzutreten.
Gerade das wird in dem Spiel doch ganz clever gemacht. Man bekommt mit wenigen Pinselstrichen und Charakteren doch recht schnell ein Bild davon, wie die Gesellschaft und das System dort funktioniert. Damit gibt sich das Spiel dankenswerter Weise nicht ab, sondern konzentriert sich eher auf die Ambivalenz des Systems. So ist z.B. der Manager der "Thunfisch"-Fabrik, auf der ersten Welt, selbst ein armer Wurm der nur Anweisungen befolgt, dabei selbst jedoch ernsthaft an die Vorteilhaftigkeit dieses Systems glaubt (Hinweis: Der Mann hat auch ein verschlossenes Büro!). Das ist keine Utopie und in den Dialogen wird schnell klar, dass er sich durchaus der Nachteile dieses Systems bewusst ist.
Man bedenke: Seine Kolonie ist weitestgehend sich selbst überlassen, die Vorräte reichen selbst wenn alle mit anpacken, nicht für alle aus. Darüber hinaus sind Spezialisten für die Nahrungsmittelversorgung, die das Problem beheben könnten, aus der Gemeinschaft ausgetreten und machen nun wer weiß was hinter einem aktiven Vulkan. Welch eine Verschwendung und ich an seiner Stelle, wäre auch angefressen, wenn das Überleben der Kolonie, der dortigen intellektuellen Elite so egal wäre. Jochen beobachtete bereits richtig, die Einwohner sind Idioten und die wenigen, welche tatsächlich über überdurchschnittliche intellektuelle Fähigkeiten verfügen (den Manager meine ich damit nicht), stehen nicht für die Gesellschaft ein. Man darf hinzufügen, der Spieler als Teil dieser Elite, steht für die Gesellschaft dieser kleinen Kolonie ebenso wenig ein.
Das Ganze wird noch unterstrichen, durch das zugegebenermaßen extrem schwache Writing der Anführerin der Rebellen. Es wird nicht ganz klar was Sie dort überhaupt vorhat und was Ihr Problem mit der Gesellschaft ist. Klar sind die Arbeitsschutzbedingungen in der Kolonie karikatisiert und unzureichend. Sie selbst sagt im späteren Verlauf jedoch auch, dass Sie die Kolonie nicht versorgen könnte und ggf. Flüchtlinge aus der Stadt abweisen wird. Der "Thunfisch-Fabrik"-Manager andererseits ist bereit Verantwortung für seine Vergangenheit zu übernehmen und die Rebellen ohne weitere Repressionen wieder bei sich aufzunehmen. Man könnte auch aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht sagen, er versucht den Gesamtnutzen seiner Kolonie (wozu auch das Überleben der Gemeinschaft zählt) zu maximieren, während die Rebellen auf der anderen Seite, entgegen Ihres blumigen Peace-Geblubbers, vorzugsweise ihren persönlichen Nutzen erhöhen wollen. Gefrei dem Motto: Hauptsache mein eigenes Gewächshaus hat Strom. Diese Kontroverse entspricht in Ihrem Kern Diskussionen die auch in der Realität geführt werden. Die Macht des Marktes (Neo-Liberalismus nach John Maynard Keynes), d.h. die Maximierung des Gesamtnutzens der Gesellschaft durch die maximale egozentrische Sichtweise jedes einzelnen Marktteilnehmers gegen Friedrich Hayek, welcher eine starke Rolle des Staates (Staat = Kapitalgesellschaft in diesem Spiel) in bestimmten Situationen präferierte.
Wenn ich dem Spiel in diesem Story-Akt etwas vorwerfen will, dann jedoch genau hier: Die Antagonistin des Managers zeigt außer ihrem persönlichen Groll absolut nichts, was Ihre Denkweise überzeugend rechtfertigen würde. Klar, soll jeder so leben können wir er will, aber wenn es um Leben und Tod geht, sind solche Bedürfnisse reiner Luxus. Das sind ähnliche Diskussionen wie sie momentan ja auch von der AFD und den klassischeren Parteien geführt werden. Die einen möchten gerne Ihre eigene Familie / Haut schützen und selbst eine verschwindend geringe Chance von Gewalttaten durch Flüchtlinge nicht riskieren. Die klassischeren Parteien verfolgen ein eher globalisiertes / europäisches Weltbild und begreifen die Probleme der Flüchtlinge, als Ihre eigenen. Dass das Spiel trotz der geringen Dialogtiefe solche Überlegungen hergibt, zeigt doch ganz wunderbar dass die Darstellung des Kapitalismus dort ganz gut funktioniert hat und sich nicht verstecken braucht. Fallout traut sich hier durchweg nur sehr selten in diese politischen Gefilde und verbleibt vielerorts in Detaildiskussionen stecken. TOW versucht sich eher an einer deutlich schwieriger nachvollziehbaren, aber auch einfach schwerer zu vermittelnden Meta-Diskussion.
Ich gebe gerne zu dass das Spiel hier einen nicht bei der Hand nimmt und man muss schon aktiv über die Problematiken dort nachdenken, um erstens Probleme überhaupt identifizieren zu können und zweitens informierte Entscheidungen treffen zu können. Das mag an dem geringen Budget liegen oder einer absichtlichen Reduktion auf das Wesentliche durch Obsidian. Das Spiel jedoch auf einer rein humoristischen Ebene zu beurteilen ("zünden die Witze in den Dialogen?") oder zu überprüfen, ob die Dialoge unmittelbar einen starken Grundkonflikt entwickeln ist hier mMn zu kurz gegriffen. Das Spiel gibt genau wie Fallout NV einen wunderbaren Grundrahmen her, eine Art Tapete her, auf dessen Nährboden sich spannende Entscheidungen ergeben können. Möchte man das Spiel als Kapitalismuskritik begreifen, so wird das Spannungsfeld zwischen verschiedenen ökonomischen Glaubensrichtungen deutlich, dem Verhältnis von Einzelpersonen zum Staat und zu Unternehmen, sowie der Bedeutung / Legitimation des persönlichen Eigentums in diesen Welten. Das Spiel gibt je nach Fokussierung des Spielers / Charakterausgestaltung und Entscheidung so viel Interpretationsstoff, dass er mir schwer fällt dies als schlechtes Darstellungsobjekt des Kapitalismus anzusehen. Andere Spiele schaffen das mMn längst nicht auf diesem Niveau und gerade ein Horizon Zero Dawn, rückt diese Probleme deutlich weiter in den Hintergrund (auch zeitlich gesehen). Das Problem was ich hier zugestehen würde ist eher: man kann das als reines Freizeitvergnügen auch vollkommen ignorieren / verpassen, wenn man durch die Dialoge einfach durchreitet.
Es ist nun mal kein Fallout, da es von seiner Thematik vielerorts sehr viel komplexer ist (und unangenehm nah an aktuellen politischen Begebenheiten) und auch kein Horizon Zero Dawn (das thematisch vor allem technologische Kritik äußert und den Menschen eher als zwangsläufiges Opfer sieht). Aber alle Puzzle-Teile sind an seinen Platz und ich persönlich haderte mit sehr vielen der Entscheidungen, die ich dort getroffen habe und war dementsprechend emotional involviert, als dessen Auflösung am Ende des Spiels eintraf.
Das nur als kleiner Einwand bezüglich der vorgeworfenen schwachen idiologischen Darstellung des Spiels. Mit weiteren Beispielen die z.B. die mMn sehr fantastische Rolle des "Mond"-Mannes betreffen, möchte ich an der Stelle aber nicht weiter langweilen.
(Update: Ach Mist, vllt. doch ganz kurz ): Dieser stellt ganz wundervoll die derzeitige Arbeitssituation vieler Mitzwanziger in Konzernen auf dieser Welt dar. Wenn auch etwas überzogen, empfinde ich den Charakter und seine Beweggründe als herausragend ausgearbeitet. Das Argument, dass das Spiel sich rein über diesen Mann lustig macht, greift auch hier zu kurz. Etwas abseits von dem Mann lässt sich ein Terminal finden, in dem er seiner Mutter schreibt bzw. schreiben will, was er gerade tut.
Ein Spannungsfeld zwischen den eigenen Ambitionen, der Corporate Identity und dem schlichten Bedürfnis nach Bedeutung in seinem Leben ist hier sicherlich reinzulesen. Erneut: Ich finde mich oder viele meiner Bekannten durchaus in diesen Dialogen wieder. Der Humor ist da und oberflächlich gesehen, dass entscheidende Merkmal dieses Charakters. Das ist jedoch wie so oft in diesem Spiel nur der Versuch ein Übertragungsmedium zu schaffen und tiefer greifende Konzepte erfahrbar zu machen. Der Charakter wird ernst genommen und das Lachen bleibt einem bei näherer Betrachtung eher im Halse stecken. Nicht weil das Spiel sich lustig macht, sondern weil man ernsthaft eine Art intrinsisches Mitleid für die Lebenssituation der armen Seele bekommen kann. In dem Sinne empfand ich ähnliches tiefes Mitleid mit dieser Gestalt, wie z.B. auch mit einer Cass aus FO:NV.
Inwiefern das beim Spieler ankommt, scheint jedoch stark von der persönlichen Vita abzuhängen und wer die Kapitalismuskritik lieber ausdifferenziert, auserklärt bekommen möchte, erscheint mir tatsächlich besser mit einem Film bedient. Das die Charaktere nicht durchgängig ihre Motivation auf der Zunge tragen, empfinde ich als angenehm realistisch. Der Staplerfahrer im Amazon-Lager ist mit unter auch nicht in der Lage, mir sein Leben innerhalb von 3 Sätzen auf den Punkt zu bringen bzw. das überhaupt zu wollen. Warum dann immer eloquente Dialoge von Spielcharakteren gefordert werden, wundert mich sehr.
Das alles ändert aber auch nix daran, dass der Horizon Zero Dawn Podcast, eine meiner Lieblingsfolgen ist und die Bewertung der Beiden von TOW völlig legitim. Mich ärgerte nur diesmal der Verriss ohne ein stärkeres Gegengewicht etwas (mag Sebastian das Spiel vielleicht? Sonst iwer? Hallo? Hilfe? Echo. Echo!
). Von dem Gameplay, dass auf höheren Schwierigkeitsstufen ( von Anfang an ) durchaus herausfordernde Passagen bereithielt, fange ich gar nicht erst an. Ebenso das Crafting, welches durch entsprechende Skillung mit den Wissenschaftswaffen erst ihr volles Potential entfaltet. Die Doktorin als Begleiterin, bekommt im späteren Verlauf eine ebenso interessante Backstory verpasst. Das hier insgesamt mehr Dialogzeilen nötig gewesen wären, um eine engere Bindung zum Spieler herzustellen ist klar, aber auch kein völliger Beinbruch. Da gab's schon schlimmere *hust* z.B. in Kotor 1 *husthust*.
Liebe Grüße