Hallo zusammen,
schön, dass euch die Folge gefallen hat und wir euch hier einen tieferen Einblick in Tencent geben konnten.
Tencent ist auch Thema gewesen, das mir schon länger am Herzen lag, da ich in vielen westlichen Spielemedien meist nicht ausreichend recherchierte Informationen zum Konzern gelesen habe. Ich hatte aus meiner Perspektive das Gefühl, dass Tencent mit westlichen großen Spielepublishern gleichgesetzt wurde, was meinem Verständnis nach kein zutreffender Vergleich ist. Tencent ist in meinen Augen ein Internet-Konglomerat, ein IT-Mischkonzern, in dem ein Business-Arm das Entwickeln, Veröffentlichen und Vertreiben von Spielen ist. Ein bisschen wie Sony oder Microsoft - nur ohne eigene Spielehardware.
Zu euren Kommentaren:
Floki hat geschrieben: ↑22. Mai 2020, 09:42
Aber: Zum einen habe ich einen - nennen wir es journalistischen - Anspruch vermisst, so wie es bei dem tollen Format rund um Atari der Fall war.
Mir wurde viel zu viel abgefeiert (warum auch immer), wie groß Tencent mittlerweile ist und wo sie die Finger überall drin haben. DA würde auch ein Blick in Wikepdia reichen für die Info. Leider waren das aber hier 60 % des Beitrags. Nicht falsch verstehen, ich finde das auch aus einer reinen Businesssicht sehr interessant, wie sie expandieren. Aber da drehten man sich zu sehr im Kreis.
Fair Point, dass wir diesen Teil etwas kondensierter hätten darstellen können. Mir war es jedoch wichtig, jeden Hörer am Anfang abzuholen und niemanden zurückzulassen. Das Ziel war, ein grundsätzliches Verständnis zu vermitteln, wer und was Tencent eigentlich ist und wie sich der Konzern zusammensetzt.
Sollte meine Faszination für die vielfältigen, weitverzweigten und clever ineinander verwobenen Geschäftsfeldern als einseitiges "abfeiern" rübergekommen sein, war das zumindest nicht meine Absicht, eine zunächst neutrale bis positive Darstellung aber durchaus gewünscht. Ich finde faszinierend, wo und wie Tencent überall seine Finger im Spiel hat, das beschreibt aber noch nicht meine Wertung des Geschäftsgebarens. Abfällige Bemerkungen zu chinesischen Unternehmen sind mir in der Regel auch zu billig. Positive Äußerungen können aber leicht aus dem gewohnten Rahmen fallen.
Ich muss hier außerdem anführen, dass die Welt aus der ich komme nicht die des Journalismus, sondern der ökonomischen Analyse ist. Idee war, vor allem aus den jeweiligen Jahresberichten einen etwas anderen Blick auf die Firma zu erhalten, der deutlich datengetriebener ist, als das die chronologische, anekdotische (und großartige) Aufarbeitung bei Atari war. Vielleicht hätten wir hier ein etwas anderes Erwartungsmanagement betreiben können? Bin mir da nicht sicher, da muss ich noch einmal drüber nachdenken. In jedem Fall vielen Dank für deine Anmerkungen, die nehme ich zur Aufarbeitung gerne mit.
Floki hat geschrieben: ↑22. Mai 2020, 09:42
Was mich aber wirklich ein bisschen enttäuscht hat, war der Umstand des Gehorsams von Tencent gegenüber des Regimes. Hier wurde das einfach nickend zur Kenntnis genommen und gesagt, dass das bei US Firmen ja nicht anders ist.
Regierungsnähe bedeutet nicht automatisch Gehorsam. Lobbyismus bedeutet aber immer Nähe zur Politik. Diese Nähe materialisiert sich in den USA oder Europa nur anders als in China. Mag vielleicht an der Regierungsform liegen...
Floki hat geschrieben: ↑22. Mai 2020, 09:42
Meines Wissen nach leitet Tencent die Nutzerdaten bspw. von WeChat anlasslos an die chinesische Regierung weiter.
Hier stößt du bei mir auf enrsthaftes Interesse: Gibt es hier eine Quelle dazu, die das belegt? Ich habe hierzu bisher nämlich außer Spekulationen noch nichts handfestes gefunden. Falls ja, bitte posten, das interessiert mich sehr!
Zum Social Credit Point System könnte sich vielleicht eine eigenen Folge eignen, da hier Game Design in die Realität des Alltags übersetzt wird. Da muss ich mal mit den Herren Podcastern Rücksprache halten, ob wir da nicht was zu machen könnten. Sagt mal Bescheid, ob euch das interessiert
Floki hat geschrieben: ↑22. Mai 2020, 09:42
Und: Mich hat interessiert, wieso Tencent sich so breit aufstellt. Ist es wirklich die Aussicht auf plumpe Rendite durch Dividende? Kann ich mir fast gar nicht vorstellen - noch mehr Geld zu viel Geld? Wozu?
Meine These hierzu ist, dass jedes öffentlich gehandelte Unternehmen nach den Regeln des Marktes spielen muss. Es muss also immer weitere gewachsen und mehr Gewinn gemacht werden. Es gibt zwar theoretische Überlegungen zu einer Wirtschaft der Zukunft, die nicht auf ewiges Wachstum ausgelegt ist. Das ist aber bis zur Börse noch nicht vorgedrungen. Solange sich da nichts bewegt, geht es in der Tat in erster Linie ums Geld.
Darüber hinaus fährt Tencent finde ich eine ganz clevere Strategie, die auch im Westen immer mehr Großkonzerne verfolgen: Man wird zum Systemanbieter. Man bietet den Nutzern eine Plattform (WeChat, WeGame, etc.), auf der eigene (und fremde) Produkte angeboten werden. Zum vollständigen Systemangebot, an dem man selbst als Unternehmer in allen Phasen der Transaktion mitverdient, fehlt nur noch dass man auch über die Transaktion selbst gebietet (durch WeChat Pay). Egal was die Nutzer kaufen: Solange Geld fließt, wird automatisch mitverdient. Davon kann man halten was man will, aber clever ist das durchaus...
Dr. Zoidberg [np] hat geschrieben: ↑22. Mai 2020, 11:22
Dazu kam, dass jedes abgelegene Bergdorf (und die sind wirklich abgelegen) besseres Internet hatte, als man hierzulande bisweilen in der Großstadt bekommt - ganz davon zu schweigen, dass du in jedem noch so ranzigen Kiosk "Free Wi-Fi" bekommst. Dazu kam, dass ich in einem besagten Bergdorf auf knapp 3000m Höhe eine Werbung für League of Legends gesehen habe
Die Werbung verweist auf ein Internet-Café im 3. Stock. Daher wahrscheinlich die League of Legends-Werbung. Aber das beweist nur: Auch im hinterletzten Bergdorf wird in China noch gezockt. Tencent ist auch da überall...
BlackSun84 hat geschrieben: ↑22. Mai 2020, 11:59
Ebenso beängstigend ist es, wie China sich auch durch den Spielesektor in eine Vormachtstellung bringen will, egal, was es kostet - Partnerschaften auf Augenhöhe mit z.B. Nachbarn ist ja nicht gerade Chinas Stärke.
Hier liegen zwei Themen am Herzen, die mir immer mal wieder begegnen.
Zum Einen ist China meines Erachtens an einer Vormachtstellung im Spielesektor nicht im Mindesten interessiert. Dafür spricht bspw. der neunmonatige Spielebann in 2018, währenddessen kein einziges neues Spiel offiziell zugelassen wurde, oder die nach wie vor sehr kleine Indie- und Entwicklerszene, die mit vielseitigen Einschränkungen leben muss. Darüber hinaus gibt es sehr strenge Auflagen, v.a. wenn es um minderjährige Spielende geht. Nach meiner Lesart sieht die chinesische Regierung Spiele als Verführung, die Kinder und Teens in ihrer Entwicklung behindert und beeinträchtigt. Spiele machen abhängig und halten die junge Generation davon ab, ihr volles Potenzial zu entfalten. Es bleibt also weniger Zeit fürs Lernen und für die Schule, die in China einen vielfach höheren Stellenwert hat als in Deutschland.
Das Zweite ist die Sache mit China und Partnerschaften auf Augenhöhe. Historisch betrachtet gab es in Fernost (zumindest auf dem Festland) nie eine Augenhöhe. Vom chinesischen Verständnis nach gab es immer das "Reich der Mitte" und Tributstaaten rundherum, die aber nach chinesischem Verständnis nicht ernsthaft auf einer Höhe konkurrierten. Partnerschaften beruhen in der Regel darauf, dass beide Seiten entweder das Gleiche wollen oder jeweils dem Gegenüber etwas attraktives anbieten können. China war sich aber oft bereits selbst genug. Partnerschaften werden deswegen auch vorrangig im Ausland eingegangen; der Zugang zum chinesischen Markt ist seit jeher schwierig.
Im Falle von Tencent heißt das, dass deren Geschäftsmodell innerhalb Chinas wunderbar funktioniert, sie aber bei Unternehmungen im Ausland festgestellt haben, dass der chinesische Weg dort nicht funktioniert. Ich habe das Gefühl, dass Tencent das sehr gut verstanden hat und den ausländischen Partnern daher eine lange Leine lässt.
Ich habe mich bewusst mit politischen Einordnungen zurückgehalten, da dies nicht Ziel des Podacsts war. Es soll ja immer noch um Spiele gehen
Pawuun hat geschrieben: ↑22. Mai 2020, 07:52
Das heißt, ich würde mir wünschen, dass ihr den einzelnen Spielekonzernen gerne etwas stärker über die Schultern schaut und ihre Historie, Vorgehen am Markt etc. etwas genauer vorstellt.
Vielleicht geht da ja was. Ich hätte schon ein paar Ideen, die ich bei Gelegenheit "Sebastian Eins" mal unterbreiten werde.
Ich hoffe auf jeden Fall, dass Tencent für euch nun nicht mehr die große, undurchdringliche Blackbox aus China ist, in den man nur schwer hineinsehen kann.
Einen aufrichtigen Dank für Euer Zuhören!
"Sebastian Zwei"