Runde #269: Wie ein Spiel entsteht

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Ralf C. Adam
Beiträge: 51
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Re: Runde #269: Wie ein Spiel entsteht

Beitrag von Ralf C. Adam »

Ist es möglich, dass es zumindest ein erwünschter Nebeneffekt der ganzen Inhouse-Engines ist, dass dein Personal auf eine Technik spezialisiert wird, die nur in deinem eigenen Firmenverbund zum Einsatz kommt und sie daher nicht so leicht zur Konkurrenz wechseln können
Hm, sehr interessante Frage :D Von der Seite habe ich es noch nie gesehen. Der Hauptgrund dafür, dass z.B. Ubi oder EA auf ihre eigenen Engines setzen, ist sicherlich, dass sie nicht von Epic, Unity und Co abhängig sein wollen. Es gab ja in den 90er/Anfang 2000er z.B. den Fall mit Renderware, einer damaligen Standard-3D-Engine von Criterion, die von vielen Studios genutzt wurde. Bis dann halt EA Criterion kaufte und den Support gestoppt hat - und die Studios in die Röhre geschaut haben und teilweise von vorne anfangen mussten. Ich habe später auch gehört (aber "take it with a grain of salt", keine Ahnung ob es stimmt - aber es klingt zumindest plausibel), dass große Studios wie Activision die Cry-Engine evaluiert haben, aber u.a. aus diesem Grund davor zurückgeschreckt sind, nach dem Motto "Aber was passiert, wenn Crytek von der Konkurrenz gekauft wird und wir sind mitten in der Produktion eines AAA Spiels mit deren Engine?".

Der von Dir angesprochene Effekt ist dann auf jeden Fall in der Tat ein netter Zusatznutzen, der aber alleine nicht stark genug sein dürfte, nur darauf die Entscheidung zu treffen. Ich habe es häufig, dass in Teams neue Mitarbeiter/Engineers dazukommen, die zuvor eher auf der jeweils anderen Engine (wenn man mal Unreal und Unity als die zwei gängigen Standards nimmt) unterwegs waren. Das bedarf dann zwar immer ein bisschen Einarbeitung, aber da reden wir eher von 1 - 2 Wochen und nicht von Monaten. Denke, das wird ähnlich sein, wenn man von Frostbite auf Unreal geht... Btw wie heißt eigentlich die Ubisoft Engine? :lol: Ich glaube, ich weiß deren Bezeichnung gar nicht...
Merbatur
Beiträge: 113
Registriert: 10. Jun 2016, 01:08

Re: Runde #269: Wie ein Spiel entsteht

Beitrag von Merbatur »

Ist es möglich, dass es zumindest ein erwünschter Nebeneffekt der ganzen Inhouse-Engines ist, dass dein Personal auf eine Technik spezialisiert wird, die nur in deinem eigenen Firmenverbund zum Einsatz kommt und sie daher nicht so leicht zur Konkurrenz wechseln können
Das Argument fand ich noch nie überzeugend. :D
Wenn man die erhaltenden Frostbite-Engine-Kompetenzen nur mit hohem Aufwand wo anders anwendbar sind, würde daraus folgen, dass auch neue Mitarbeiter sehr lange bei EA eingearbeitet werden müssten. EA könnte also selbst kaum Expertise sinnvoll einkaufen. Dazu wird EA als Arbeitgeber für potentielle neue Mitarbeiter sehr uninteressant. Warum sollte ich als Programmierer für EA arbeiten, wenn ich mich zukünftig aufgrund meines speziellen Wissens in einer Lock-In-Situation bei EA befinden werde.
Ralf C. Adam hat geschrieben: 1. Jun 2020, 11:20 Btw wie heißt eigentlich die Ubisoft Engine? :lol: Ich glaube, ich weiß deren Bezeichnung gar nicht...
Interessanterweise hat Ubisoft (laut Wikipedia) aktuell drei Inhouse-Engines: Anvi (Prince of Persia, AC), Dunia Engine (Far Cry) und Snowdrop Engine (Tom Clancy’s The Division, South Park 2 und Mario + Rabbids: Kingdom Battle)


BTW: Ihr habt im Podcast kurz über das Debriefing geredet. Wahrscheinlich wird es eher bei den Entwicklern durchgeführt, da in der IT-Entwicklung des Knowledge-Management extrem in der Philosophie verankert ist. Vergleichbares wird in den betriebswirtschaftlichen Disziplinen (abgesehen von HR und ggf. im strategischen Management) kaum gelehrt.
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lolaldanee
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Re: Runde #269: Wie ein Spiel entsteht

Beitrag von lolaldanee »

Soulaire hat geschrieben: 31. Mai 2020, 15:22 bei der Spiele zu der IT-Branche zugerechnet werden und es damit noch weniger Freiheiten gibt als wenn man einen interaktiven Film pitcht.
Das erklärt einiges und ist ziemlich ernüchternd.
Aber wird scheinbar als Normalität angesehen und von Herr Adam seit Jahrzehnten praktiziert.
Ja, natürlich ist das so, möchte ich da fast sagen.
Spiele sind extrem komplexe It-Produkte. Wenn man sie nicht mit größter Sorgfalt managed, kommt fast immer gar nix, oder im besten Fall was grottiges dabei raus.
Ich bin selbst Programmierer in der Spieleindustrie, lass dir gesagt sein: Der Scheiß ist kompliziert, RICHTIG kompliziert. Selbst einen Klon von einem bekannten Spiel in einem wohl etablierten Genre zu machen, ist eine große technische Herausforderung, die öfter scheitert, als gelingt.
Das gilt natürlich für manche Spiele mehr als für andere. Ein RPG Maker Spiel ist natürlich leichter gemacht als ein neues RTS. Aber RTS sind ein gutes Beispiel: Es gibt kaum ein dutzend Studios die überhaupt das technische Know-How hätten, jetzt aus dem Stand ein neues RTS zu machen, das nicht komplett mittelmäßig ist, selbst wenn sie das nötige Geld bekämen. Weil es schwierig ist.

Wenn man dann auch ncoh was WIRKLICH neues probiert, dann explodiert die Komplexität nochmal zusätzlich. Glaub mir, es ist wirklich nicht so, dass niemand etwas innovatives versucht, es geht nur meistens schief, weil es halt echt übel schwierig ist.

Ich verstehe deine Sehnsucht nach was neuem, wirklich, aber die Kombination aus 1) der Markt will es EINDEUTIG nicht, und 2) es ist sau schwierig, macht es einfach unwahrscheinlich öfters wirklich innovative Titel zu sehen

Aber eins lass dir gesagt sein: Auch die wirklich innovativen Titel werden 90% von Ralfs Liste ganz genau beachten, sonst werden sie Scheiße ;) (Ausnahmen und Wunderkinder sind immer möglich, aber ein Minecraft gibt es halt nicht jedes Jahr)
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Soulaire
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Re: Runde #269: Wie ein Spiel entsteht

Beitrag von Soulaire »

lolaldanee hat geschrieben: 2. Jun 2020, 13:15
Soulaire hat geschrieben: 31. Mai 2020, 15:22 bei der Spiele zu der IT-Branche zugerechnet werden und es damit noch weniger Freiheiten gibt als wenn man einen interaktiven Film pitcht.
Das erklärt einiges und ist ziemlich ernüchternd.
Aber wird scheinbar als Normalität angesehen und von Herr Adam seit Jahrzehnten praktiziert.
Ja, natürlich ist das so, möchte ich da fast sagen.
Spiele sind extrem komplexe It-Produkte. Wenn man sie nicht mit größter Sorgfalt managed, kommt fast immer gar nix, oder im besten Fall was grottiges dabei raus.
Ich bin selbst Programmierer in der Spieleindustrie, lass dir gesagt sein: Der Scheiß ist kompliziert, RICHTIG kompliziert. Selbst einen Klon von einem bekannten Spiel in einem wohl etablierten Genre zu machen, ist eine große technische Herausforderung, die öfter scheitert, als gelingt.
Das gilt natürlich für manche Spiele mehr als für andere. Ein RPG Maker Spiel ist natürlich leichter gemacht als ein neues RTS. Aber RTS sind ein gutes Beispiel: Es gibt kaum ein dutzend Studios die überhaupt das technische Know-How hätten, jetzt aus dem Stand ein neues RTS zu machen, das nicht komplett mittelmäßig ist, selbst wenn sie das nötige Geld bekämen. Weil es schwierig ist.

Wenn man dann auch ncoh was WIRKLICH neues probiert, dann explodiert die Komplexität nochmal zusätzlich. Glaub mir, es ist wirklich nicht so, dass niemand etwas innovatives versucht, es geht nur meistens schief, weil es halt echt übel schwierig ist.

Ich verstehe deine Sehnsucht nach was neuem, wirklich, aber die Kombination aus 1) der Markt will es EINDEUTIG nicht, und 2) es ist sau schwierig, macht es einfach unwahrscheinlich öfters wirklich innovative Titel zu sehen

Aber eins lass dir gesagt sein: Auch die wirklich innovativen Titel werden 90% von Ralfs Liste ganz genau beachten, sonst werden sie Scheiße ;) (Ausnahmen und Wunderkinder sind immer möglich, aber ein Minecraft gibt es halt nicht jedes Jahr)
habe nirgendwo gesagt dass das nicht komplex ist. ganz im Gegenteil, ich weiß dass ich selber nichtmal Pong entwickeln könnte. hab es schon woanders geschrieben, aber die technische Umsetzung von Spielen ist das geringste Problem momentan, es mangelt viel mehr an anderen Stellen.
Für die Beurteilung eines Spieles ist es völlig unerheblich ob es aufwendig zu entwickeln war oder nicht. Am Ende zählt nur das finale Spiel.
Und der Markt weiß nie was er will. Mit dieser Haltung gäbe es übrigens gar keine Video-Spiele ;) .
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Ralf C. Adam
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Re: Runde #269: Wie ein Spiel entsteht

Beitrag von Ralf C. Adam »

1. Wie sehen Verträge mit Studios aus, jenseits der Miletstones, Beträgen und Dingen, die man vermutlich erwartet. Gibt es hier besondere Klauseln? Ich frage mich, ob es nicht auch Klauseln gibt, die eine Rückzahlung von Beträgen bei Event XY auslösen. Würde doch Sinn machen
Wie immer: ein weites Feld :D Ich habe hier nochmal die Links zu drei Vorträgen von mir, in denen es teilweise (oder hauptsächlich) um Verträge geht. Gerade der erste beschäfigt sich auch mit typischen wichtigen Klauseln, die oft vergessen werden:

https://www.slideshare.net/RalfCAdam/wa ... nt-handout
https://www.slideshare.net/RalfCAdam/wh ... eed-a-plan
https://www.slideshare.net/RalfCAdam/20 ... -your-game

In diesem Zusammenhang auch sehr interessant, ich hatte es an irgendeiner Stelle schon mal erwähnt - hier ist der komplette Vertrag von "Call of Duty: Finest Hour" auf Gamasutra, durchkommentiert von drei Anwälten (man muss sich wahrscheinlich erst bei Gamasutra anmelden, kostet aber nix):

https://www.gamasutra.com/view/feature/ ... __the_.php

Zu Deiner konkreten Frage: in der Regel sind Rückzahlungen von (Milestone)Zahlungen eher schwierig und eigentlich nicht vorgesehen. Das könnte der Publisher eigentlich nur bei nachweisbaren schweren Vertstößen gegen den Vertrag (sogenannte Contract Breaches) einfordern. Und auch dann wird es schwierig. Dazu musst Du erstmal vor Gericht, und dort dauert es dann ein paar Jahre (!) bis so ein Verfahren durch ist. Bis dahin ist der Entwickler wahrscheinlich eh pleite, wenn der Publisher vorher Zahlungen gestoppt hat. Deshalb: wenn ein Publisher eine Zahlung an einen Entwickler geleistet hat, hat er das Geld erstmal gedanklich abgehakt - zurückfordern ist eine fast unmögliche Option. Ein größerer Hebel sind da schon die Royalty-Zahlungen (also das Geld, dass der Entwickler dann hintenraus nach Release bekommt, wenn sich das Spiel gut verkauft). Da setzt der Publisher dann oft an und kürzt z.B. bei verspäteter Lieferung von Milestones gerne mal die Gewinnauszahlungen. Das gefährdet die aktuelle Produktion dann nicht, ist für den Entwickler aber trotzdem natürlich extrem schmerzhaft (und ggfs. auch existenzgefährdend auf lange Sicht).
2. Kannst Du Dokus (auf englisch vermutlich) empfehlen, die einen guten Eindruck in die Arbeit eines Studios vermitteln?
Hm, wenn dann am ehesten Bücher, z.B. diese hier:

https://www.amazon.de/Game-Producers-Ha ... 225&sr=8-1

https://www.amazon.de/Production-Handbo ... 161&sr=8-1

https://www.amazon.de/Indie-Games-Dream ... 304&sr=8-1
Ist es möglich hier mal eine Folge mit einem Fokus auf die Publisher Seite aufzunehmen?
Von meiner Seite aus sehr gerne :-) Ich werde es André mal vorschlagen (bzw er liest ja ohnehin mit :D )
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bluttrinker13
Beiträge: 4844
Registriert: 4. Jun 2016, 22:44

Re: Runde #269: Wie ein Spiel entsteht

Beitrag von bluttrinker13 »

Schöne Folge. Toll auch, Ralf und Wolfgang zusammen zu hören. Bitte gerne öfter!
:clap:

Edit: Sry, ich habe mich vertan. Dieses Feedback bezog sich eigentlich auf Folge 268.
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