Missile Command - Gedanken zum ersten Antikriegsspiel

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Axel
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Missile Command - Gedanken zum ersten Antikriegsspiel

Beitrag von Axel »

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Eigentlich wollte ich nur einen kleinen Text für den „Was spielt ihr?“ Thread schreiben. Doch dann kreisten meine Gedanken um dieses Spiel. Sie kreisten und kreisten und ich kam auf den Schluss: Wow, haben wir es hier wirklich mit dem ersten Antiekriegsspiel der Spielegesxhichte zu tun?

Letzte Woche veröffentlichte Atari Missile Command Recharged für die Nintendo Switch, eine Umsetzung eines Mobile Spiels welches vor einigen Wochen erschien. Es ist dabei recht nah an der Vorlage von 1980: In einem Nuklearkrieg gilt es mit drei Raketensilos sechs Städte zu schützen. Anders als beim Original gibt es hier keine Levels, sondern es ist ein Endlosspiel. Und es gibt ein paar Power-Ups, das war es im wesentlichen mit den Unterschieden. Was das Spiel mit dem Original jedoch gemeinsam hat: Man kann es nicht gewinnen. In der Neufassung wie im Spielhallenspiel von 1980 endet Missile Command immer mit der Zerstörung der eigenen sechs Städte.

Anfangs fallen noch wenige Atombomben vom Himmel, die man mit den Raketen aus den drei Silos rechts links und in der Mitte abfangen und zerstören muss. Doch schon bald werden diese Bomben zahlreicher, sodass es zu einem wahren Bombenhagel kommt. Ist die erste Stadt gefallen, bleibt man noch ruhig. Aber jede Partie endet irgendwann mit dem verzweifelten Kampf um die letzte Stadt und den Gedanken, dass es gleich zu ende ist. Am Ende jeder Partie fühle ich mich nicht befriedigt, sondern niedergeschlagen.

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Diese Erfahrung der Niedergeschlagenheit finde ich für ein Spielhallenspiel von 1980 sehr interessant. Also dachte ich mir, dass es doch interessant wäre, was die Entwickler damals hinter dem Spiel beabsichtigten. Ist das Gefühl der Niedergeschlagenheit Zufall oder von den Designern genau so beabsichtigt? Zum Glück hat Polygon 2013 von der Entstehungsgeschichte berichtet: https://www.polygon.com/features/2013/8 ... ve-theurer

Eigentlich kam die Grundidee Ende der 70er von Atari selbst. Wir befinden uns in der kritischen Phase des Kalten Kriegs zwischen den USA und Russland. Die Angst vor einem Aromkrieg war allgegenwärtig. Also dachte man sich wohl bei Atari, daraus ein Spiel zu machen wie Russland Kalifornien mit Atombomben angreift. Dave Theurer bekam den Auftrag für dieses Spiel, zum Glück jedoch hat er sich durchgesetzt, dass der Spieler nicht in die Rolle des Aggressors schlüpft, sondern es ein Spiel um die Verteidigung werden sollte. Hintergrund ist, dass Dave davor schon, wie aber auch in den folgenden Jahren, an Alpträumen vor einem Aromkrieg litt. Dass er in seinen Träumen miterleben musste, wie seine Angehörigen bei einem Bombenangriff sterben. Tatsächlich litten damals viele Menschen unter solchen Alpträumen, immerhin war die Angst vor einem Atomkrieg über viele Jahre in der westlichen Bevölkerung.

Theurer entschied sich also ein Spiel rund um die Verteidigung zu designen. Es war nicht vorgesehen, dass der Spieler selbst Angriffe auf den Aggressor erwidert. Und man konnte das Spiel auch nicht gewinnen. Die Levels wurden immer schwieriger, am Ende steht die Zerstörung der eigenen Städte. Es gibt auch kein klassisches „Game Over“ sondern stattdessen den Schriftzug „The End“ welches Aussagen soll, dass es am Ende bei einem Krieg keinerlei Gewinner gibt. Dass Krieg nie ein Spiel sein kann.

Missile Command ist, wie ich finde, auch ein heute noch herausragendes Beispiel für ein Antikriegsspiel. Vor allem weil Missile Command diese Message nicht durch Texteinblendung oder einer aufgedrückten Geschichte vermittelt. Es wird im Spiel nicht mal erwähnt welche Städte man dan gerade verteidigt und wer der Aggressor ist. Das bleibt der Fantasie des Spielers überlassen. Theurers Message wird allein durch den Spielablauf vermittelt, also durch emergent storytelling.

Dadurch bekommt Missile Command eine sehr starke und wichtige Bedeutung. Nicht nur als Spiel für sich, sondern auch in der Geschichte der Videospiele. Waren damals Spiele vor allem von Sci-Fi-Kämpfen geprägt, wagte man sich mit Missile Command an ein realweltliches Szenario heran ohne Propaganda zu betreiben. Missile Command zeigt aber auch, dass man auch mit sehr einfachen Mitteln eine beeindruckende Message transportieren kann.
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