Mist, jetzt hab ich zu lange am Eröffnungspost geschrieben und mir ist jemand zuvorgekommen.

Ich stimme dem Ausgangspost größtenteils zu und kopiere meinen einfach mal hier rein:
Da ist sie endlich, die Folge, auf die ich mich seit der Ankündigung gefreut habe. Und ich wurde nicht enttäuscht. Danke für das Format, es war toll zu hören und ich bin schon gespannt auf die nächsten Folgen!
Der Ansatz, erst die dargestellte psychische Erkrankung zu erklären und mit dem Hintergrundwissen dann auf das Spiel zu schauen, ist ja aus anderen Nachgeforscht-Formaten schon bekannt und auch hier genau richtig. (Und ja, auch eine Inhaltswiedergabe des Spiels macht Sinn

sag ich dazu, weil Andre dabei etwas zögerlich wirkte).
Ich bin deshalb so begeistert, weil ihr mit dem Format auch Aufklärung betreibt. Nicht allen ist bewusst, was das Leben mit einer bestimmten psychischen Krankheit oder Störung bedeutet, und selbst Betroffene können immer nur für sich sprechen. Also Kudos, dass sowohl Ines Hausmann als auch Andre immer wieder betont haben, wie groß das Spektrum selbst innerhalb einer Diagnose ist, dass es schwierig ist, allgemeingültige Aussagen zu treffen, und auch dass die Zustände, in die man dort gerät, sehr schwer greifbar und von außen kaum vorstellbar sind. Letzteres ist gleichzeitig der Reiz und die Problematik, wenn solche Dinge in Videospielen erfahrbar gemacht werden sollen. Und vor dem Hintergrund finde ich es auch mutig, die Spielinhalte auf ihre Repräsentation der Wirklichkeit hin zu prüfen. Das habt ihr gut hinbekommen, die verschiedenen Aspekte abzugleichen und trotzdem keinen Anspruch auf eine in Stein gemeißelte Bewertung zu stellen - an dieser Stelle noch ein kleines Dankeschön an Ines, dass sie die Mitarbeit der Betroffenen am Spiel und deren Beurteilung respektiert hat.
Jetzt möchte ich noch was zu meinem persönlichen Spielerlebnis sagen, ich bin nämlich eine dieser zumindest teilweise betroffenen Personen: Vor 4 Jahren hatte ich eine psychotische Episode in Kombination mit einer Traumafolgestörung, mit der ich noch zu kämpfen habe. Die psychotischen Symptome sind mittlerweile (wenn man Dissoziationen nicht zählt) in den Hintergrund gerückt, können aber in Trigger-Situationen vereinzelt wiederkehren. Deshalb hab ich lang überlegt, ob ich das Spiel überhaupt spielen kann, mich aber letztendlich doch getraut. Obwohl es eine ziemlich belastende Spielerfahrung war, hab ich es nicht bereut - im Gegenteil. Und das mag sich jetzt blöd anhören, aber ich bin irgendwie stolz, Hellblade durchgespielt zu haben, weshalb auch das etwas zu rosige Ende für mich persönlich an der Stelle passend war, weil es mir erlaubt hat, diese "Bewältigung" zu genießen.
Ich musste es mir über mehrere Wochen aufteilen, weil insbesondere die auditive Gestaltung mich gestresst hat. Vor allem die Kämpfe hatten dadurch für mich eine völlig andere (schwierigere) Qualität als in anderen Spielen, während mein Partner sie locker flockig weggespielt hat und fast zu leicht fand. Er hat die Stimmen und die Atmosphäre dabei aber auch größtenteils ausblenden können, während ich den Spagat zwischen Verarbeitung dessen, was ich da wahrnehme und meiner emotionalen Reaktion darauf, und dem eigentlichen Kampf schaffen musste. Allein das ist ein Beispiel dafür, weshalb ich mich von dem Spiel verstanden fühle, weil es zumindest in meiner Spielerfahrung das abbildet, was oft mein Alltag ist: Einerseits einordnen und damit klarkommen, was die Psyche gerade wieder hochspült, und andererseits den Kampf weiterkämpfen, auch wenn es im wirklichen Leben nur bedeutet, ein Gespräch zu führen oder eine Bahnfahrt hinter sich zu bringen.
Andre hatte an einer Stelle den Disclaimer gebracht, dass die Vorkommnisse in Hellblade nicht unbedingt als tatsächliche Handlung gemeint sein müssen, sie es aber trotzdem mal so lesen. Das ist aus oben genannten Gründen (Aufklärung etc.) auch wichtig, aber überhaupt nicht, wie ich das Spiel verstanden habe. Für mich hat vieles eher symbolischen Charakter, ähnlich wie auch Ines die graphische Gestaltung eher als Ausdruck der Ich-Störungen und Verschmelzen mit der Welt gedeutet hat, anstatt als tatsächliche visuelle Wahrnehmung. Das Spiel bildet nicht 1:1 ab, sondern vermittelt eher das Gefühl. Ich hatte an anderer Stelle im Forum schon mal erwähnt, dass ich das Fantasy-Setting aus dem Grund auch ziemlich genial finde: weil es die Situation, nicht zu wissen, was real ist, simuliert. Und vielleicht liegt es daran, dass bei mir die entsprechenden Hintergründe vorhanden sind, aber ich finde, es schafft es allgemein ziemlich gut, das zu transportieren - der vorgegaukelte Permadeath geht ja auch in die Richtung.
Ich kann mir bei heutigem Stand der Technik eigentlich keine 1:1 Simulation vorstellen, die abbilden könnte, wie ein Alltag mit psychotischen Symptomen wirklich ist. Auch wenn ein Projekt, das die Negativsymptome miteinbezieht, sicherlich spannend wäre. Das würde dann aber wahrscheinlich eher in Richtung "The Graveyard" (Tale of Tales) gehen und wiederum in Sachen Vermarktung, Verbreitung und somit letztlich auch Themenplatzierung in einer breiteren Spielerschaft Abstriche machen müssen.
Ich bin ja gespannt auf den zweiten Teil. Denn bisher wirkt es auf mich so, als hätten wir es da nicht nur mit einer gestärkten, sondern geradezu geheilten Senua zu tun, die plötzlich als selbstbewusste Kriegerin Armeen anführt. Da stellt sich für mich dann viel mehr die Frage danach, was da diegetisch wirklich passiert. So sehr ich das Ende in einer symbolischen Lesart mag (wer jemals feststellen musste, dass sich selbst fertigmachen für psychische Probleme und "nicht normal sein" absolut hinderlich ist, wird wissen, was ich meine), würde es für mich einiges kaputt machen, wenn es in der Fortsetzung als "reale Heilung" bestätigt wird. Denn eigentlich fängt die Heilungsreise da ja erst richtig an, und eine posttraumatische Störung wird man leider auch nicht einfach los, indem man endlich begreift, dass die eigenen Schuldzuweisungen Blödsinn sind und man nicht aus sich selbst heraus verdorben ist, sondern es Täter gibt, die das ausgelöst oder zumindest dazu beigetragen haben. Zumal man diese Erkenntnis meiner Erfahrung nach auch gern wieder vergisst.
So. Keine Ahnung, ob sich das irgendwer durchliest, aber ich musste es mal loswerden. Ich denke, man merkt, dass Senuas Geschichte mir viel bedeutet und dass ich froh bin, dass dieses Spiel existiert. Wenn es nach mir geht, könnten sich gern mehr Spiele an dieses Thema trauen, denn allein für Betroffene und ihr Umfeld hat es einen unglaublich wichtigen Effekt,
gesehen zu werden. Wer mag, kann sich ja mal den Hellblade Accolades Trailer ansehen, in dem Resonanz von Betroffenen ausschnitthaft wiedergegeben wird. Klar kann man das als schamlose Selfpromotion von Ninja Theory sehen, aber hier sitzt mindestens ein Mensch, der die im Trailer geschilderten Erfahrungen unterschreiben kann. :')