Technische Unzulänglichkeiten
Die gab es schon immer, ja. Aber lange nicht in dem Maßen wie heute! Dass der Analogstick des N64 irgendwann ausleierte gehört sicherlich zu den Kinderkrankheiten wenn man irgendwas als erstes macht. Dass die Bewegungssteuerung der ersten Wii Fernbedienung sehr clunky war wurde kurze Zeit später mit einer Revision namens Wii Motion Plus bereinigt. Dann funktionierte die Steuerung wie von Anfang an geplant und fühlte sich richtig gut an.
Und die Joy Cons der Switch? Die sind auch im Jahr 2020 ne Vollkatastrophe. Dass das Drift Problem immer noch nicht gelöst wurde ist zwei Jahre nach den ersten Aufkommen des Problems gelinde gesagt eine Frechheit. Mehr noch, hat man sich Anfangs ewig quergestellt dieses Problem überhaupt anzuerkennen. Aber nicht nur das Drifting ist ein Problem, sondern auch die Bewegungssteuerung der Joy Cons. Es ist schon absurd wie eine Wii Motion Plus aus den 2000ern besser funktioniert, als eine neuere Entwicklung. Die Bewegungssteuerung fühlt sich sehr unruhig an. Häufig muss man die Joy Cons neu Kalibrieren, und so weiter.
Und dafür kosten diese Dinger 80€. Nintendo hätte schon längst eine Revision der Joy Cons veröffentlichen müssen, welche das Drifting behebt und die Bewegungssteuerung verbessert. Warum geschieht das nicht?
Miserable Online-Anbindung
„Nintendo hat online doch schon immer verschlafen“ höre ich jetzt alle sagen.
Aber das stimmt nicht. Der Nintendo DS (2004) kam mit einer stilechten Messaging System-App, dem Pictochat, daher. Zwar hatte der DS selbst kein Internetanschluss, aber man konnte mit anderen DS Systemen in der Nähe kommunizieren. Das war dann auch die Grundlage für die Letterbox auf dem 3DS, welche 2013 leider eingestellt wurde!
Die Letterbox auf dem 3DS
Das geile an der Letterbox war, dass man nicht nur klassische Nachrichten an Menschen aus der Freundesliste schicken konnte, sondern auch Zeichnungen. Das war damals wirklich ein geiles Tool um mit Freunden spielerisch in Kontakt zu bleiben, sich für Online-Games zu verabreden usw.
Auf der Wii gab es das Message Board, mit den man nicht nur mit Freunden schreiben konnte, sondern auch Nachrichten per Mail und sogar auf Handys schicken konnte. 2008 erschien sogar Wii Speak. Eine Voice-Chat-Erweiterung mit der man in spielen wie Animal Crossing oder Monster Hunter mit anderen Online-Spielern per Sprache kommunizieren konnte. Nintendo waren da schon nicht die ersten, die da rumexperimentiert haben. Aber sie HABEN es. Genauso wie Jahre später auf der Wii U mit einem Video Chat. Während am am TV gespielt hatte konnte man auf dem Bildschirm am Controller Video Chat betreiben.
Oh, und ich will nicht das Miiverse vergessen! Das war damals Nintendos eigene Social Media Plattform die großartig war! Dort haben Menschen viel gezeichnet, Screenshots ausgetauscht, sich über Spiele unterhalten und so weiter. JEDES erdenkliche Spiel hatte da seinen eigenen Channel und so war es bspw. möglich andere Spieler um Hilfe bei einem Spiel zu bitten und in der Regel gab es 15-30 Minuten später schon Antworten. Es wurden seitens Nintendo Painting Contests veranstaltet und zahlreiche weitere Community Aktivitäten. Was war das für eine geile Plattform! So viel besser und freundlicher als Facebook oder Twitter, weil es wirklich ausschließlich um Spiele ging. Ach! Und Dark Souls Spieler kennen doch das Feature, dass während des Spielens Nachrichten von anderen Spielern eingeblendet wurden. Auch das war in etlichen Spielen auf der Wii U möglich durch Miiverse. Beispielsweise in New Super Mario Bros. auf der Weltkarte.
Die Spiele sind so... gewöhnlich geworden!
Müsste ich wählen, so würde ich die 2000er und frühe 2010er als stärkstes Spielejahrzehnt von Nintendo bezeichnen! Was habe ich mir Nächte mit Advance Wars um die Ohren geschlagen. Was habe ich mit Spannung die Kriminalgeschichten rund um Kyle Hyde in den beiden Hotel Dusk Spielen verfolgt. Ich habe mit Art Academy die grundlegenden Zeichentechniken geübt. Ich habe mit Pushmo eines der besten Puzzle-Reihe ever mein Kopf weggeblaßen. Ich habe in Super Mario Galaxy die Grenzen der Schwerkraft überwunden. Ich habe mit Kirby Power Paintbrush und Kirby Mass Attack die besten Touchscreen-Spiele gesuchtet, die es je gegeben hat und auch später auf Smartphones nicht mehr erreicht wurden. Ich habe in den Mario & Luigi RPGs Tränen gelacht und spannende Kämpfe bestritten. Ich habe in der Mario vs. Donkey Kong Reihe alte wohlige Lemming-Gefühle wiederbekommen. Und dann gab es noch WarioWare, bis heute meine liebste Hass-Reihe. Diese Dinger wurden irgendwann so absurd schwer...
Kurz: Nintendo zu Zeiten des GBA, DS, 3DS, Wii und Wii U hatte einen großartigen Lauf! Es gab nicht nur alte Marken wie Advance Wars oder Mario, sondern man hat auch viele neue Reihen gestartet, etwa Golden Sun. Mit Kirby hat man viel außerhalb des Jump & Runs gemacht. Mario Spiele fühlten sich extrem wertig an. Und es gab immer wieder diese kleinen genialen Spiele für zwischendurch.
Kirby Power Paintbrush (2005) revolutionierte das Spielen per Touchscreen
Heute auf der Switch sieht das leider anders aus. Könnt ihr mehr als 5 First Party Spiele seit 2017 aufzählen? Wii U Ports nicht mitgerechnet? Irgendwelche erinnerungswürdigen Spiele die Third Party Studios mit Nintendo Marken entwickelten?
Ich habe einfach den Eindruck, dass man seitens Nintendo eben nicht mehr so viel Mühe in die Spiele steckt bzw. absurde Designentscheidungen trifft. Etwa zerstörbare Waffen in Zelda oder fehlende Erfahrungspunkte in Paper Mario. Das Remaster von Links Awakening hat immer noch diese Performance-Probleme, wurde nie gepatcht! Genauso wie die Schrifterkennung in Dr. Kawashima für viele Menschen immer noch nicht funktioniert. Das hatten vor 15 Jahren die DS Spiele teils besser hinbekommen. Auch hier: Nie gepatcht. 51 Worldwide Games ist nicht der große Partyspaß wie erhofft - weil nur sehr wenige Spiele mehr als 2 menschliche Spieler zulassen. Die Xenoblade-Spiele sehen im Handheld-Modus im Vergleich zu Dragon Quest XI oder YS VIII schrecklich aus was Auflösung betrifft.
Dazu kommen öde Leveldesigns, etwa im letzten Kirby und im letzten Yoshi. Auch Super Mario Odyssey habe ich nur noch sehr langweilig in Erinnerung mit all den überproportionierten Welten wo man ewig läuft. Luigis Mansion 3 hat sich dann auch nur noch wiederholt und besonders zu den Vorgängern kaum neue Ideen.
Nintendo Spiele werden heute nach meinem Gefühl nicht mehr über das Leveldesign verkauft, sondern über Gimmicks. Etwa das Papier-Thema in Paper Mario. Waren die ersten beiden Paper Mario Spiele noch wunderschöne RPGs mit tollen Geschichten aus dem Mario Universum, ist Paper Mario seit dem 3DS Teil nur noch eine Art sich ständig wiederholendes Meme. Ohne dem Mario Universum selbst was neues abzuluchsen oder zu erweitern. Auch Odyssey hat sich eher durch seine Aufmachung verkauft als durch das was drin ist. Der 3D Platform-Gameplay von Odyssey wurde in den vorherigen 3D Teilen weit besser ausformuliert. Und so kann ich das mit jedem Spiel durchgehen: Ich finde immer irgendwas, was man früher mal besser gemacht hat. Spiele von Nintendo wirken auf mich heute sehr viel uniformierter und weniger kreativ. Man ertränkt sich in ständige Selbstreferenzen ohne irgendetwas zu erweitern oder mal was neues zu wagen. Es gibt auch lange nicht mehr so viele neue Nintendo-Spiele außerhalb der Kernmarken wie noch in den vorherigen Generationen.
Die Spiele sind einfach gewöhnlich geworden. Nein, nicht scheiße. Aber eben auch nicht mehr so hervorragend wie in den 1-2 Generationen zuvor.
Liegt es am Tod von Satoru Iwata? Der damalige Nintendo-Präsident war selbst Gamer und kam ursprünglich auch aus der Spieleentwicklung, er hatte seine Karriere bei Kirby-Erfinder HAL begonnen. Unter Iwatas Führung wirkte Nintendo immer sehr verspielt. Und wenn es auch „nur“ die Menüoberflächen der Konsolen waren. Er hatte damals viel auf den Spielspaß gesetzt und gleichzeitig auch immer Raum für neue Ideen und Konzepte gelassen.
Nachdem Iwata 2015 an den Folgen einer Tumorerkrankung starb, übernahm übergangsweise Tatsumi Kimishima die Geschäfte und seit 2018 Shuntarō Furukawa. Beide kommen, anders als Iwata, nicht aus der Spieleentwicklung sondern aus dem Finanzsektor. Wir in Deutschland würden despektierlich BWLer sagen. Und das merkt man Nintendo, finde ich, in den letzten Jahren immer mehr an. Man konzentriert sich fast nur noch auf Kernmarken, man setzt auf Nummer sicher. Dazu kommen solche Dinge Mobile Apps, Vergnügungsparks und ähnliches.
Nintendo wirkt auf mich heute sehr kalt und unnahbar. Ich habe den Eindruck, Nintendo versucht eine Mischung aus Apple und Disney zu sein. Und vergisst dabei die Wurzeln des Erfolges: Nämlich einfach nur ein verdammt guter Spielehersteller zu sein.