Wolfgang, hast du eigentlich Planescape Torment gespielt?
Da du gefragt hast: Eine Sache würde mir einfallen, die auf einem derartigem erzählerishem Niveau agiert, dass ich sie der Geschichte wegen nur in den allerhöchsten Tönen loben kann. Das währen die letzen 2/3 von Mask of the Betrayer, dem 1. Addon zu Neverwinter Nights 2.
Das besondere ist, dass man im Spiel die fundamentalen Regeln der Welt von DnD selbst zum Feind hat. Die Kernfrage des Spiels ist, ob der Glaube an sich einen Wert hat (da in DnD Atheisten grundsätzlich IMMER verdammt sind).
Je weiter das Spiel selbst fortschreitet, desto mehr WILL man sein Ziel erreichen, bis man ganz am Ende sogar glaubt, dass man es wirklich erreichen kann, obwohl man natürlich innerlich weiß, dass es hoffnunglos ist. Aber man kann in dem Moment als SPIELER nicht mehr anders als das jetzt bis zum unausweichlichen Ende durchziehen. Das Spiel ist derart voll von Characteren, die von ihrem eigenen Schicksal und ihren inneren Dämonen vor sich her getrieben werden, das geht auf keine Kuhhaut. Und das überträgt sich derart gut auf den Spieler, sowas hab ich seitdem nicht mehr gesehen.
Es gibt neben dem angesprochenen Torment wohl auch kein anderes Rollenspiel in dem die Begleiter SO extrem gut in die Haupthandlung eingebunden sind. Jeder einzelne Begleiter ist fantastisch, und sein Schicksal auf untrennbare Weise mit dem Hauptcharacter verbunden. Der eigene Character wiederum hat keine andere Wahl als vom Schicksal getrieben in den Fußstapfen eines Mannes zu wandeln, der vor ihm schon diesen schier unmöglichen Weg gegangen ist.
Leider muss man das ganze Spiel spielen um zu verstehen, warum das alles so großartig ist, aber wenn im letzten Kapitel alles kulminiert, dann kommen einem die Geschichten und Einflussmöglichkeiten in anderen Spielen nur noch wie ein trauriger Abklatsch vor.
George Ziets, der primäre Autor des Spiels hat in einem Blog sogar geschrieben, dass er denkt, dass es ein großer Vorteil war, das er als ein einzelner Autor sowohl die Hauptstory als auch alle wichtigen Dialoge geschrieben hat. Sehr lesenswerte Retrospektive eines Autors auf sein Magnus Opus im generellen:
https://gziets.tumblr.com/post/16915797 ... n-the-mask
DIESE Stellen find ich besonders amüsant und bemerkenswert:
Also, because Mask was expected to be a simple hack-and-slasher, the publisher paid little attention to what we were doing. Effectively, we operated under most people’s radar. This was great because we were able to pursue a vision that was shared among the team and didn’t suffer from interference from outside.
Everybody on the team knew the vision, it never changed (apart from minor improvements along the way), and our schedule played out as expected.
We were able to focus on quests and narrative… not new game systems.
Es ist genau DAS, was man dem Spiel so krass anmerkt, die gemeinsame Vision die ALLES im Spiel durchzieht, da ist NICHTS drin, was nicht der Narrative dient. Lustigerweise das genaue Gegenteil vom Hauptspiel. Genau wie bei Planescape, das Spiel wurde so gut geschrieben, weil es keiner bemerkt hatte was für eine tiefgreifende Erzählung da entsteht. Da hatte ausnahmsweise ein Narrative Designer (der auch noch richtig was auf dem Kasten hat!) die Zeit und die Freiheit fast alles zu schreiben was er wollte.
Hier noch ein schönes Zitat aus disem ebenfalls extrem hörenswerten Interview:
https://www.youtube.com/watch?v=Sm32Gpkww8o
Every quest in that game, I was adamant, had to support the main narrative, or support characters who where critical to the main narrative. [...] We cut everything that was not critical to tell that story. We don't have filler quests. Every Sidequest in there is somehow involved in telling that central Story.
Sowas sagen viele Writer, aber in Mask of the Betrayer stimmt es! Für mich ist es eines der großen Meisterwerke der Kunstgeschichte, nichts weniger. Ganz ehrlich, ich würde es am ehesten mit der Illias vergleichen. Ein klassisches Epos, der Kampf der Menschen gegen ihre eigenen inneren Dämonen und externalisierte Götter, für die die Menschen nur ein Spielball sind. Mask ist im besten möglichen Sinne klassisch episch!
Alpha Protocol und Pillars of Eternity haben mich auch weggeblasen, in beiden Fällen war es aber eher erst ganz am Ende.
Witcher 3 hab ich nie gespielt, mich hat die Serie am Anfang des ersten Teils schon 2 mal verloren, einentlich mag ich den Stil, aber irgendwie reizt es mich einfach nicht genug.