Runde #312: Tell me why

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Rigolax
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Re: Runde #312: Tell me why

Beitrag von Rigolax »

Fährmann hat geschrieben: 8. Apr 2021, 17:25 Der Satz "tatsächlich gibt es wissenschaftliche Evidenz, dass Kindheitstrauma in machen, seltenen (!) Fällen Einfluss auf eine dann erfolgte Transgender-Identität haben könnte (...)" enthält eine Menge Konjunktiv. Ich persönlich habe noch kein wissenschaftliches Ergebnis gelesen, dass so eine These imo wirklich unterstützen könnte. Der zitierte Singal selbst ist ja auch nur Journalist und hat keine eigenen Studien geleitet. Er ist in die Kritik gekommen, weil er für seine Reportagen über transsexuelle Frauen und Männer bevorzugt Psychologen zitiert, die keine mehrheitsfähigen Positionen beziehen. Sein Argument für "Trauma kann zu Transgender führen" geht zum Beispiel auf die Psychologin Ehrensaft zurück, die von einem Fall schreibt, in dem ein dreijähriger Junge den Tod seiner Mutter damit kompensieren wollte, selbst zur Frau zur werden.
Die offenbar renommierte und nicht unter Transphobieverdacht stehende Diane Ehrensaft wird da ja so zitiert, laut ihrem Buch: "Studies have shown that children have been known to insist on a change in gender or become gender-confused after a trauma or major disruption in their attachments." Ich kenne die Studien da nicht genauer (hätte vielleicht noch einen Konjunktiv einfügen sollen), ich halte das aber auch nicht für fernliegend. Das ist die Debatte um Nature vs. Nurture. Siehe auch das Video bei funk mit der einen Frau, die detrans ist und ihr Transgenderwunsch auf psychische Probleme zurückführt. Also frühkindliche Traumata könnten da schon eine Rolle spielen, denke ich. Die Frage ist dann halt, ob diese Kinder nicht irgendwann "desisten", also von ihrer Transgenderidentität abkehren, und was passiert, wenn man sie in ihrer Transgenderidentität dagegen bestärkt. Das Problem ist dann weiter, dass bei einer Transgenderidentität potentiell viel mehr dranhängt als nur an eine "abweichende" sexuelle Orientierung: Zwar kann man Transgender sein, ohne nicht (einfach) reversible Eingriffe vorzunehmen (also nur soziales Transitioning), aber medizinische Eingriffe kommen oftmals dazu, werden teils (selten?) schon bei Minderjährigen vorgenommen (ich meine nicht (nur) Hormontherapie). Also das sind halt schwierige Fragen, die man da klären muss, die aber aktuell kaum diskutiert werden.
Fährmann hat geschrieben: 8. Apr 2021, 17:25Ich finde es außerdem merkwürdig, das Glaad hier in die Rolle einer dogmatischen Lobbyvereinigung gestellt wird. In dem Artikel wird ja erstmal geäußert, wie sich transsexuelle Männer und Frauen wünschen, in Medien repräsentiert zu werden. Dass dazu gehört, dass Deadnaming ausgesprochen problematisch gesehen wird, ist keine Überraschung. Der Geburtsname wurde einem selbst übergestülpt und repräsentiert eine Identität, die man in einem zeit- und kraftaufwändigen Prozess ablegen möchte.
Ich kenne die Arbeit von GLAAD nicht genau, halte die aber für ziemlich dogmatisch in ihrem Auftreten. Das ist natürlich aber eine große Organisation, wer weiß welche Personen da mitarbeiten und was die im Detail vertreten.

Deadnaming ist auch Mist. Sollte man imho grundsätzlich nicht machen.
Fährmann hat geschrieben: 8. Apr 2021, 17:25Wenn dann Cis-Menschen kommen und sagen: "Ne, ich wünsche mir mehr Deadnaming, man kann das ja alles gut kontextualisieren", lässt mich das irritiert zurück. Für mich ist das auf demselben Niveau von: "Ich möchte gerne wieder Zigeunersoße sagen, ich mein das ja nicht böse." Klar macht das einen moralischen Unterschied, ob man Deadnaming in einem journalistischen oder fiktionalen Text betreibt. Aber auch in zweiterem Fall kann ich den Wunsch nach mehr Deadnaming nicht verstehen, weil es genug Filme und Spiele gibt, die das machen. Im selben Jahr, in dem Tell Me Why rauskam, kam auch Deadly Premonition 2 raus. Dieses Spiel kann ich allen Leute empfehlen, die sich mehr Deadnaming bei der Darstellung von transsexuellen Menschen wünschen.
In Deadly Premonition 2 gibt's/gab's (wurde irgendwann ja teilweise geupdatet, glaub ich) das Deadnaming wohl eher aus Doofheit, denke ich mal, und ist denkbar unsensibel. Ich meine halt, man kann das auch sensibel thematisieren, was dann wirklich progressiv wäre, weil es solche Themen eben angeht, statt sie nur (recht ungelenk) ausblendet. Aber ja, danke für die, eh, "Empfehlung".

Nehmen wir Six Days in Fallujah. Da gab's ja große Kritik, eine im Wortlaut sehr merkwürdige Petition, die von Teilen der AAA-Industrie unterstützt wurde (z.B. Jennifer Hale) und das Spiel verdammen will. Aktuell schlägt in diese Kerbe auch eine muslimische Bürgerrechtsorganisation in den USA. Die Kritik kann ich teilweise verstehen, wenn das Spiel Kriegsverbrechen ausblendet und den Irakkrieg tendenziell etwas verharmlost bzw. nebenbei legitimiert. Das Spiel wäre imho besser, wenn es so etwas, also Kriegsverbrechen durch die USA, thematisiert. Wäre halt imho progressiv, so etwas zu thematisieren. Also ist man dann für mehr Kriegsverbrechen, Gewalt gegen Zivilisten, wenn man das will?
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Fährmann
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Re: Runde #312: Tell me why

Beitrag von Fährmann »

Rigolax hat geschrieben: 8. Apr 2021, 19:02 Nehmen wir Six Days in Fallujah. Da gab's ja große Kritik, eine im Wortlaut sehr merkwürdige Petition, die von Teilen der AAA-Industrie unterstützt wurde (z.B. Jennifer Hale) und das Spiel verdammen will. Aktuell schlägt in diese Kerbe auch eine muslimische Bürgerrechtsorganisation in den USA. Die Kritik kann ich teilweise verstehen, wenn das Spiel Kriegsverbrechen ausblendet und den Irakkrieg tendenziell etwas verharmlost bzw. nebenbei legitimiert. Das Spiel wäre imho besser, wenn es so etwas, also Kriegsverbrechen durch die USA, thematisiert. Wäre halt imho progressiv, so etwas zu thematisieren. Also ist man dann für mehr Kriegsverbrechen, Gewalt gegen Zivilisten, wenn man das will?
Puh, also Six Days in Fallujah ist nochmal eine ganz andere Baustelle. :D Aber ich verstehe dein Argument so, dass du ausdrücken willst, dass man in einem fiktionalen Werk schwierige Themen transportieren kann, ohne als ein Befürworter derselben Themen zu wirken. Und klar, dagegen argumentiere ich nicht. Ob man jetzt will, dass Tyler in Tell Me Why mehr Probleme mit Deadnaming hat oder nicht, ist für mich keine moralische Kategorie sondern erstmal eine Geschmacksfrage.

Mein Punkt war, dass es bereits eine Menge Spiele und Filme gibt, die das (teils bewusst und teils unbewusst) machen. Dieses Stereotyp "guck dir 90 Minuten lang an, wie schlecht ein transsexueller Mensch in der Gesellschaft behandelt wird" ist in meinen Augen sehr gängig. Und ich verstehe, dass Transsexuelle keine Lust mehr auf diese Art Geschichten haben, die sich Cis-Leute seit Jahrzehnten über sie ausdenken.

Wenn also Tell Me Why kommt, habe ich endlich mal ein Spiel gefunden, dass ich mit meinen transsexuellen Freund*innen spielen kann, ohne dass sie mich anschließend bedrückt und genervt zum Teufel wünschen. Wenn dann argumentiert wird: "Ich hätte gerne mehr Diskriminierung gegenüber der trans Person dieser Geschichte", verstehe ich das nicht, weil damit Tell Me Why eine Sache genommen wird, die es unter größeren Videospielen quasi exklusiv hat. Zumal das Spiel diesen Story Arc nicht braucht. Es entscheidet sich dafür, in seiner Geschichte einen anderen Weg einzuschlagen, der genauso 10 Stunden füllen kann.
Rince81
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Re: Runde #312: Tell me why

Beitrag von Rince81 »

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