Runde #312: Tell me why

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Heretic
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Re: Tell Me Why

Beitrag von Heretic »

Jochen Gebauer hat geschrieben: 28. Mär 2021, 22:07 Ich halte diese Trennung in diesem Fall für argumentativ nicht haltbar, da dass Transsein der Figur im Mittelpunkt dieses zentralen Fokus steht.
Das habe ich nicht so empfunden. Falls das so sein sollte, trifft das imo nur auf die erste Folge zu. Danach ist das Thema vom Tisch, weil es für die Handlungen der Mutter nicht von Belang war.
Jochen Gebauer hat geschrieben: 28. Mär 2021, 22:07 Der Plot dreht sich darum, dass eine Mutter ihren Sohn ermorden wollte, weil dieser nicht mehr ihre Tochter sein wollte. Wenn man die Transgender-Thematik so zentral in den Mittelpunkt stellt, kann man nicht mehr bloß als Mystery-Thriller gelesen werden. Im Gegenteil: Es wäre verfehlt, Tell me Why als Mystery Thriller zu lesen, weil es eben nicht den Mystery-Aspekt zum Kernthema macht, sondern den Transgender-Aspekt.
Die Transgender-Thematik dient als Aufhänger und soll den Spieler auf eine falsche Fährte locken. Das kann man machen, ohne Trans-Menschen gegenüber respektlos zu sein. Im Gegenteil, es impliziert Normalität. Tyler ist einfach ein Teil der Geschichte, er ist nur ein normaler Mensch mit einem nicht ganz alltäglichen Hintergrund. Deswegen fremdeln manche Leute anfangs mit ihm, was sich aber im Laufe der Zeit legt. Natürlich sollte einem bewusst sein, dass das in der Realität sehr oft nicht so reibungslos läuft, aber die Message ist doch eine gute.
Jochen Gebauer hat geschrieben: 28. Mär 2021, 22:07 Dass es letzteren dann irgendwann mit einem "ätschi bätschi" fallen lässt, macht es nicht mehr zu einer Mystery-Erzählung, sondern nur zu einer schlechteren Transgender-Erzählung.
Aber nur dann, wenn man das Transgender-Thema als Kernthema erwartet. Man bekommt aber "nur" einen Thriller mit Mystery-Touch und einem Trans-Menschen als Protagonisten. Der sich die Hauptrolle noch dazu mit seiner Schwester teilt. Dass die erzählte Geschichte gespickt ist mit Logiklöchern und Ungereimtheiten - da stimme ich voll und ganz zu. Ich fühlte mich zwar einigermaßen unterhalten, aber qualitativ ist da noch sehr viel Luft nach oben. Harmlos ausgedrückt. :D
Jochen Gebauer hat geschrieben: 28. Mär 2021, 22:07 Aber ich sehe schon, was du meinst. Ich glaube nur nicht, dass das hier funktioniert. Es ist eben kein Spiel über irgendwas anderes, und der Protagonist ist zufällig auch Transgender. Es ist ein Spiel über das Transsein (cool!) und traut sich gleichzeitig nicht, ein Spiel übers Transsein zu sein (shit!).
Dazu können wohl nur die Entwickler selbst Auskunft geben. Ich befürchte zwar, dass du recht hast, sehe das Spiel aber trotzdem als ersten Schritt in die richtige Richtung an.
Zuletzt geändert von Heretic am 29. Mär 2021, 12:35, insgesamt 2-mal geändert.
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Andre Peschke
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Re: Tell Me Why

Beitrag von Andre Peschke »

Mastertronic hat geschrieben: 29. Mär 2021, 11:02 Also ich kenne nicht so viel AAA Spiele, die, wenn auch wählbare, Homosexualität in der Deutlichkeit wie AC zeigen. Hast Du da mal weitere Beispiele für mich auf die Du hier verweist ?
Dragon Age 1-3, Mass Effect (ich glaube, männliche Homosexualität erst ab Teil 3?), Cyberpunk... denke, da gibt's noch einige andere.

Mastertronic hat geschrieben: 29. Mär 2021, 11:02Es ist zwar schon sehr lange her, dass ich Max Payne gespielt habe , aber meines Erachtens wurde die Sexualität da gar nicht thematisiert
Es werden Frau & Kind ermordet, nicht sein Ehemann + Adoptivkind.
Gonas hat geschrieben: 29. Mär 2021, 10:33
Andre Peschke hat geschrieben: 29. Mär 2021, 10:21
Wir wissen es nicht zu 100%, aber der Entwickler hat ein Video über die Repräsentanz im Spiel produziert. Das ist besetzt mit den beiden Beratern von GLAAD, dem Sprecher von Tyler - alle Trans, aber auch alle extern. Man möchte stark vermuten: Gäbe es einen Trans-Mann (oder auch eine Frau) im Studio in einer relevanten Position, er wäre 100% in dem Video aufgetaucht.

Andre
Also das könnte natürlich gut sein, aber möchte ich mich als Trans-Person vor Millionen von Menschen im Internet 'outen'?
Ja, fair enough. Ich stelle mir vor: Wenn du als Trans-Person bei DEM Studio an DEM Spiel mitarbeitest, dann bist du nicht mehr "in the closet" und würdest an der Botschaft mitwirken. Aber klar, kann sein.

Andre
Sensei
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Re: Tell Me Why

Beitrag von Sensei »

Kleine OT-Frage: Was war an dem Film LA-Crash eigentlich so mies?

Etwas stark auf die Tränendrüse gedrückt und stark konstruierte Zufälle und damit nicht immer 100% glaubwürdig ... okay, den Punkt gebe ich euch.

Aber soo einseitig oder schlecht mit dem Thema Diskriminierung und Schubladendenken ging der Film doch gar nicht um? Sondern regte (IMO) schon zum überlegen an und ließ es eben nicht bei den einfachen, simplen Erklärungsmustern bewenden. Es ist halt nicht so einfach wie: Der weiße CIS-Mann entscheidet sich dazu nicht mehr Rassistisch zu sein und dann ist auf einmal alles gut. Die Sache ist komplexer und das bringt der Film gut rüber

[^ sorry fürs Kryptisch halten. Wollte Spoiler vermeiden.]
-----
Imo eine gute Folge.

Klar, sie war dominiert von Jochens Abneigung und der daraus folgenden Fragestellungen.
ABER gerade wegen dieser Subjektivität mögen wir doch diesen Podcast! ;)
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Terranigma
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Re: Tell Me Why

Beitrag von Terranigma »

Mastertronic hat geschrieben: 29. Mär 2021, 11:02Es ist zwar schon sehr lange her, dass ich Max Payne gespielt habe , aber meines Erachtens wurde die Sexualität da gar nicht thematisiert - somit könnte er ja auch schwul sein, mag mich aber täuschen, da mein letzter Kontakt mit MP schon 20 Jahre her ist...aber ich verstehe natürlich was Du meinst - ihr bezieht Euch auf jmd der offen schwul angelegt ist.
Er ist Familienvater mit (toter) Ehefrau und (totem) Kind und begibt sich wegen ihnen auf seinen Rachefeldzug. Man könnte sagen, dass die Heterosexualität von Max Payne quasi der Aufhänger der eigentlichen Handlung ist. Auf jeden Fall wird seine Sexualität explizit kommuniziert. Wenn man so darauf blickt, ist die Sexualität von Max Payne essentiell für die Handlung. Man nimmt's gemeinhin wohl nicht so wahr, weil wir selten in der Dimension von "Heterosexualität" denken, da dies als Normalfall angenommen wird. Dabei könne man Max Payne von der Struktur her ebenso als Geschichte von seinem (toten) Ehemann und seinem (totem) Adoptivkind erzählen. Tut man nicht. Zumindest ein Grund wird mit Sicherheit sein, dass es die ungeschriebene Regel gibt: "Wenn du ein AAA-Produkt an ein männliches Zielpublikum verkaufen willst, dann darfst du keinen schwulen Protagonisten haben." Zugegeben wird der naheliegendere Grund sein, dass es vielen Autoren auch nicht in den Sinn kommen dürfte, eine Geschichte überhaupt derart anzulegen.

Aus dem Stehgreif fällt mir eigentlich nur eine Figur ein, welche so'n klassisches (Action-)Bild von Maskulinität und Homosexualität verbindet. Und das wäre Ian Gallagher - gespielt von Cameron Monaghan - in "Shameless." Eine Serie, die ich mit Entsetzen und trashiger Faszination aus der Entfernung beobachte, aber seine Figur ist quasi Anti-Stereotyp. Es ist nicht gebildet, nicht Kunst-affin, nicht verunsichert, o.Ä. was solchen Figuren oft an Eigenschaften zugeschrieben wird, sondern kehrt allerlei Stereotype ins Gegenteil um. Ich mag mir gut vorstellen, dass es insb. im Serien- und Filmbereich noch mehr gibt, das ich nicht kenne. Bei Videospielen kommt mir allerdings keine einzige Figur in Sinn. Wobei mir überhaupt nur ein einziger schwuler Protagonisten im weiteren Sinne einfällt, nämlich Dorian in Dragon Age: Inqusition. Und der wiederum ist, ja, ... ein schwuler Magier mittleren Alters und hoher Bildung aus adligem Haus, der von seinen Vater nicht geliebt wird. Ufz.
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Inkognito
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Re: Tell Me Why

Beitrag von Inkognito »

Finde die Spielidee und den Podcast super.

Leider hat mich das Spiel ansich aber nicht gepackt und ich habe es genau an dem beschriebenen Tür-Tier-Rätsel aufgehört.

Stimme nicht mit Jochens Meinungen überein, da ich auch eine der Realität entkoppelte Erzählung akzeptiere (v.a. wenn spirituelle Verbindungen vorkommen), fand sie aber sehr gut ausgearbeitet.
Mastertronic
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Re: Tell Me Why

Beitrag von Mastertronic »

Terranigma hat geschrieben: 29. Mär 2021, 12:29
Mastertronic hat geschrieben: 29. Mär 2021, 11:02Es ist zwar schon sehr lange her, dass ich Max Payne gespielt habe , aber meines Erachtens wurde die Sexualität da gar nicht thematisiert - somit könnte er ja auch schwul sein, mag mich aber täuschen, da mein letzter Kontakt mit MP schon 20 Jahre her ist...aber ich verstehe natürlich was Du meinst - ihr bezieht Euch auf jmd der offen schwul angelegt ist.
Er ist Familienvater mit (toter) Ehefrau und (totem) Kind und begibt sich wegen ihnen auf seinen Rachefeldzug. Man könnte sagen, dass die Heterosexualität von Max Payne quasi der Aufhänger der eigentlichen Handlung ist. Auf jeden Fall wird seine Sexualität explizit kommuniziert. Wenn man so darauf blickt, ist die Sexualität von Max Payne essentiell für die Handlung. Man nimmt's gemeinhin wohl nicht so wahr, weil wir selten in der Dimension von "Heterosexualität" denken, da dies als Normalfall angenommen wird. Dabei könne man Max Payne von der Struktur her ebenso als Geschichte von seinem (toten) Ehemann und seinem (totem) Adoptivkind erzählen. Tut man nicht. Zumindest ein Grund wird mit Sicherheit sein, dass es die ungeschriebene Regel gibt: "Wenn du ein AAA-Produkt an ein männliches Zielpublikum verkaufen willst, dann darfst du keinen schwulen Protagonisten haben." Zugegeben wird der naheliegendere Grund sein, dass es vielen Autoren auch nicht in den Sinn kommen dürfte, eine Geschichte überhaupt derart anzulegen.

Na dann habe ich ja wohl ziemlichen Bullshit bezüglich Max Payne geschrieben. Dachte man drischt da am Anfang einfach stumpf mit der Crowbar auf irgendwelche Mobster ein - aber scheinbar verwechsle ich das mit einem anderen Spiel aus der Zeit.
Ja, stimme Dir voll zu - es würde für die Geschichte sicher keinen Unterschied machen, wenn Max Payne homosexuell angelegt worden wäre, aber das Spiel ist eben auch 20 Jahre alt und da war der Umgang mit gleichgeschlechtlichen Partnerschaften noch mit viel mehr Tabu behaftet.
Generell glaube ich ändert sich da ja gerade die Gesellschaft insgesamt sehr und die Spielebranche braucht da wohl etwas länger, auch wegen den langen Produktionszeiten und hohen Kosten und der damit verbundenen Risikominimierung.

Für mich ist immer ein guter Gradmesser für die Gesellschaftsentwicklung die Fernsehwerbung.. Noch vor 30 Jahren wurde die Hausfrau mit "Mühe allein lohnt nicht Frau Sommer" gemaßregelt, als ihre Kaffeekochkunst leider den Gästen nicht zugesagt hat und heute bestellt die multi-kulti, inklusions, open gender Family gerne bei Amazon.
Denke es ist auch nur noch eine Frage der Zeit bis auch die Computerspiele die ganz Partitur der Lebenskonzepte abbildet - die User sind da glaube ich schon lange so weit. Es gibt ja auch keinen Konsumierzwang - wenn ich mich mit etwas nicht wohl fühle, muss man es ja auch nicht spielen.

Habe gerade gelesen, dass der neue James Bond wohl weiblich, schwarz und lesbisch werden soll.. Obwohl bin mir bei der Quelle da auch nicht so ganz sicher - meine das war die Blöd Zeitung. Sofern dies aber doch stimmen sollte, frage ich mich dann nur wieso man dass noch James Bond nennt und nicht einfach eine neue Serie mit einer schwarzen, lesbischen Actionheldin etabliert.
Wäre irgendwie so wenn z.B. Pipi Langstrumpf neu verfilmt wird und man als Protagonisten einen älteren asiatisch aussehenden Mann nehmen würde, der keinen Affen sondern z.B. ein Murmeltier als Haustier hat und in die Villa Kunterbunt einzieht. Klar wäre das auch was neues , aber bricht eben auch sehr mit dem Original. Bei James Bond will ich persönlich immer noch den dauernd Frauen flach legenden Sunny Boy sehen, der mit einem Martini in der Hand die Welt rettet. Wenn ich was anderes haben will, gucke ich eben was anderes.
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Fährmann
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Re: Tell Me Why

Beitrag von Fährmann »

Wenn ich die Handlung von Tell Me Why beschreiben müsste, würde ich bei sowas landen wie:

Mystery Thriller meets Trans-Erzählung meets Dreiecksbeziehung zwischen Bruder, Schwester und Mutter.

Thematisch empfinde ich das als einen typischen Netflix-Serien-Stoff.

Dafür würden auch andere Kriterien sprechen, die das Spiel erfüllt: Es hat mehrere Twists, eine hohe Produktionsqualität und die emotionale Entwicklung der Figuren macht einen großen Teil des Plots aus. Man kann die Story großartig mit Freund*innen zusammen auf der Couch erleben. Und genauso wie bei guten Netflix-Serien hatte ich einen Punkt im Spiel, ab dem ich vollkommen drin war und den Rest in einem Rutsch runtergebinged hab:
SpoilerShow
Nämlich den Reveal am Ende der ersten Episode, dass eigentlich die Schwester die Mutter umgebracht hat.
Gleichzeitig habe ich bei Tell Me Why gemerkt: Das Medium Videospiel kann diesen typischen Netflix-Stoff viel besser abbilden, als das Medium Film (oder Serie). Indem ich die Handlungsorte selbst erkundet habe, die Dialoge selbst geführt habe und an mehreren Stellen Entscheidungen treffen konnte, die sich wirklich maßgeblich auf die Handlung ausgewirkt haben, war ich viel intensiver in die Charaktere involviert.

Am Ende des Spiels hatte ich also zwei Fazits: Erstens war Tell Me Why für mich eine offensichtliche 10/10, wie damals schon Before The Storm. Und wie damals Before The Storm war es für mich frustrierend, mir anschließend die Rezeption der Fachpresse durchzulesen. Ich kann Kritikpunkte an Rätseln nachvollziehen, aber nicht an der Handlung. Vielleicht ist das aber eine Sache, bei der Spielekritik an ihre Grenzen stößt. Ob man Handlungen, Konflikte und Figuren nachvollziehen kann, ist schließlich eine sehr subjektive Sache.

Zweitens finde ich, dass Tell Me Why die Blaupause für eine Zukunft des Videospiels abgibt. Es ist eine Netflix-Serie in Spielform, die aus dem Medium Videospiel nur Vorteile mitnimmt. Möglicherweise ist das der Grund, weswegen sich Microsoft das Spiel exklusiv für den Gamepass gesichert hat.
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IpsilonZ
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Re: Tell Me Why

Beitrag von IpsilonZ »

Andre Peschke hat geschrieben: 29. Mär 2021, 10:21
IpsilonZ hat geschrieben: 29. Mär 2021, 01:02 Und warum gehen Menschen ausgerechnet bei genau diesem Thema immer davon aus, dass das Thema ja eigentlich nur aus Profitgeilheit gewählt wurde? Warum kommt der Vorwurf nicht z.B. bei nem Hellblade, What Remains of Edith Finch oder Journey auf?
Zumindest bei DontNod ist es ja inzwischen deren DNA sich in ihren Titeln mit Randgruppen zu befassen. Ich finde es da auch sinnbefreit, ihnen deswegen direkt mal reine Kommerzmotive zu unterstellen. Aber im konkreten Fall, bei diesem Studio, kann ich das zumindest eher nachvollziehen. So ein bisschen wird das denke ich schon reinspielen, dass sie da einfach ihre Nische gefunden haben, die dann auch zB bei Awardshows gut funktioniert. Das bedeutet aber eben nicht, dass das ihr ALLEINIGES Motiv wäre und ich würde sehr stark vermuten, dass das alles nach wie vor von Herzen kommt. Die haben da einfach ihr "Hobby zum Beruf gemacht", sozusagen. :D
(...)
Ich würde hier auch denken, dass das Studio durch seine Offenheit zu diesen Themen einfach mehr Leute anzieht, die Interesse an diesen Themen haben. Also auch Menschen aus der LGBTQIA Ecke anzieht, welche dann wiederum die Kultur in der Firma beeinflussen.
Dass es hier dann natürlich auch Allies gibt, die diese Themen gezielt pushen wollen um aktiv für nen Wandel zu sorgen, keine Frage. Und dass es hier dann auch sicher Menschen gibt, die sich mit den Themen nur sehr oberflächlich auseinandersetzen und das auch machen, weil sie sich so wohler fühlen ist auch gut möglich. Keine Ahnung.
Ich finds halt nur merkwürdig, dass grad bei diesen Themen Leute so oft vom "schlimmsten" ausgehen.

Und nicht falsch verstehen, ich hab nie ein Dontnod Spiel gespielt und habe auch keine große Motivation das zu verändern. Irgendwann mal Life Is Strange bestimmt aber sonst interessieren mich die Spiele nicht besonders. Auch der Trailer zum neuen Spiel hat mich eher mit den Schultern zucken lassen.
Ich finde es nur immer komisch, wenn da so oft diese Vorwurf der "fake wokeness" mitschwingt. Mir ist klar, dass es das gibt aber wenn der Vorwurf aufkommt dann reicht mir "das sind ja selbst nur cis Menschen, warum sonst sollten die sowas machen??" als Argument nicht wirklich.
Andre Peschke hat geschrieben: 29. Mär 2021, 12:01 (...)
Ja, fair enough. Ich stelle mir vor: Wenn du als Trans-Person bei DEM Studio an DEM Spiel mitarbeitest, dann bist du nicht mehr "in the closet" und würdest an der Botschaft mitwirken. Aber klar, kann sein.

Andre
Viele Transmenschen wollen ja aber auch nicht als Transmensch bekannt sein. Sie sind Frau/Mann und haben sonst wenig Interesse daran für ihr Transsein herausgestellt zu werden. Hat ja auch nicht jeder die Kraft für eine Öffentlichkeit eine Botschaft vertreten zu wollen, also abgesehen davon am Spiel selbst mitzuarbeiten.
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Andre Peschke
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Re: Tell Me Why

Beitrag von Andre Peschke »

IpsilonZ hat geschrieben: 29. Mär 2021, 13:36 Viele Transmenschen wollen ja aber auch nicht als Transmensch bekannt sein. Sie sind Frau/Mann und haben sonst wenig Interesse daran für ihr Transsein herausgestellt zu werden. Hat ja auch nicht jeder die Kraft für eine Öffentlichkeit eine Botschaft vertreten zu wollen, also abgesehen davon am Spiel selbst mitzuarbeiten.
Absolut. Das Studio hat da eine Anmutung von der ich irgendwie erwarten würde, dass die Leute dort eben eher offen damit umgehen - auch um die Botschaften des Studios zu unterstützen und weil man erwarten würde, dass dieser Arbeitsplatz in der Hinsicht "safe" ist etc. Aber wie schon gesagt: Da bleiben echt viele Variablen unbekannt, deswegen hast du recht.
Mastertronic hat geschrieben: 29. Mär 2021, 13:21 Habe gerade gelesen, dass der neue James Bond wohl weiblich, schwarz und lesbisch werden soll..
In die Falle bin ich auch schon getappt. :D Stimmt aber wohl nicht. Das ist nur ein Gerücht aufgrund der Tatsache, dass Bond im neuen Streifen im Grunde schon in Rente ist oder dergleichen und durch eine schwarze Frau ersetzt wurde. Die ist nun wohl der neue 007 - aber nicht der neue Bond (den spielt ja weiter Daniel Craig). Daraus wurde dann in der Presse extrapoliert, dass sie ihn auch in zukünftigen Serienteilen ersetzen soll, was aber gerade nicht bestätigt ist.
Fährmann hat geschrieben: 29. Mär 2021, 13:25 Gleichzeitig habe ich bei Tell Me Why gemerkt: Das Medium Videospiel kann diesen typischen Netflix-Stoff viel besser abbilden, als das Medium Film (oder Serie). Indem ich die Handlungsorte selbst erkundet habe, die Dialoge selbst geführt habe und an mehreren Stellen Entscheidungen treffen konnte, die sich wirklich maßgeblich auf die Handlung ausgewirkt haben, war ich viel intensiver in die Charaktere involviert.
Krass unterschiedliche Erlebniswelten, mal wieder. :D Aber auch super-faszinierend zu sehen, wie der gleiche Titel bei dir so super landen kann und bei mir genau umgekehrt! Die Beispiele sind Legion: Das gamifizierte Flirten mit Michael via Püppchenwerfen-Minispiel fand ich kreuzerbärmlich. Vorher drei Stufen Inventur im Lager ablaufen: Öde. Im Supermarkt mal in den Unterlagen wühlen, während Tess 1m daneben steht und von uns vorher schon durch Befragung sensibilisiert wurde: Albern, auch wenn Ally da arbeitet und wieder völlig jeder Spannung beraubt.

Passend dazu die Szene im Archiv, die ja ein absolut klassisches Film-Trope ist: Akten suchen unter dem ständigen Druck einer möglichen Entdeckung. Sowas kennt man aus 1000 Filmen und es ist fast immer echt spannend. Weil der Film hier mit Gegenschnitten etc. arbeitet um diesen Druck konstant weiter aufzubauen. Das wird hier (vermutlich aus Kostengründen) allein auf die Tonebene verlagert. Hätte auch noch funktionieren können. Aber dann will das Spiel eben so niedrigschwellig sein, dass es keinen "echten" Zeitdruck gibt. Dann ist es in den Folgen einer Entdeckung auch noch fast völlig konsequenzbefreit, außer vielleicht "XY ist nicht wütend, aber enttäuscht". Und dann funktioniert das gar nicht mehr, sondern ist nur noch Arbeitsbeschaffung.

Das sind für mich dann auch die großen Probleme des Spiels: Es ist so glattgeschliffen, dass es am Ende alles irgendwie egal ist. "Mildes Interesse"-Territorium.

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Mastertronic
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Re: Tell Me Why

Beitrag von Mastertronic »

Mastertronic hat geschrieben: 29. Mär 2021, 13:21
Terranigma hat geschrieben: 29. Mär 2021, 12:29
Mastertronic hat geschrieben: 29. Mär 2021, 11:02Es ist zwar schon sehr lange her, dass ich Max Payne gespielt habe , aber meines Erachtens wurde die Sexualität da gar nicht thematisiert - somit könnte er ja auch schwul sein, mag mich aber täuschen, da mein letzter Kontakt mit MP schon 20 Jahre her ist...aber ich verstehe natürlich was Du meinst - ihr bezieht Euch auf jmd der offen schwul angelegt ist.
Er ist Familienvater mit (toter) Ehefrau und (totem) Kind und begibt sich wegen ihnen auf seinen Rachefeldzug. Man könnte sagen, dass die Heterosexualität von Max Payne quasi der Aufhänger der eigentlichen Handlung ist. Auf jeden Fall wird seine Sexualität explizit kommuniziert. Wenn man so darauf blickt, ist die Sexualität von Max Payne essentiell für die Handlung. Man nimmt's gemeinhin wohl nicht so wahr, weil wir selten in der Dimension von "Heterosexualität" denken, da dies als Normalfall angenommen wird. Dabei könne man Max Payne von der Struktur her ebenso als Geschichte von seinem (toten) Ehemann und seinem (totem) Adoptivkind erzählen. Tut man nicht. Zumindest ein Grund wird mit Sicherheit sein, dass es die ungeschriebene Regel gibt: "Wenn du ein AAA-Produkt an ein männliches Zielpublikum verkaufen willst, dann darfst du keinen schwulen Protagonisten haben." Zugegeben wird der naheliegendere Grund sein, dass es vielen Autoren auch nicht in den Sinn kommen dürfte, eine Geschichte überhaupt derart anzulegen.

Na dann habe ich ja wohl ziemlichen Bullshit bezüglich Max Payne geschrieben. Dachte man drischt da am Anfang einfach stumpf mit der Crowbar auf irgendwelche Mobster ein - aber scheinbar verwechsle ich das mit einem anderen Spiel aus der Zeit.
Jetzt habe ich es gefunden - ich habe das mit Kingpin: life of crime verwechselt... wäre eigentlich auch mal ein Altbier wert oder ist das irgendwie indiziert/verboten oder so ?
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Andre Peschke
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Re: Tell Me Why

Beitrag von Andre Peschke »

Mastertronic hat geschrieben: 29. Mär 2021, 14:36 Jetzt habe ich es gefunden - ich habe das mit Kingpin: life of crime verwechselt... wäre eigentlich auch mal ein Altbier wert oder ist das irgendwie indiziert/verboten oder so ?
Jopp, ist indiziert. Dieses Jahr soll ein Remaster kommen, das würde ich in jedem Fall abwarten. Vermutlich wird es dann auch vom Index gestrichen... denke ich... war zwar schon recht "deftig", aber inzwischen geht ja fast alles als USK 18 durch (und das ist auch gut so).

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Jochen Gebauer
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Re: Tell Me Why

Beitrag von Jochen Gebauer »

kami hat geschrieben: 29. Mär 2021, 08:28War für mich eine eher enttäuschende Folge, insbesondere, weil sie mich zwang, gedanklich ein Spiel zu verteidigen, das ich eigentlich gar nicht sonderlich gelungen fand. Gerade Jochen war mal wieder im völlig überzogenen Rant-Modus, was ihm offenbar selbst auch bewusst war, sonst hätte er nämlich nicht in der Folge schon über mögliche kommende Kritik an seinen Aussagen spekuliert und sich Entgegnungen für diese zurecht gelegt. Formulierungen wie "dümmstes Rätsel ever" provozieren geradezu Einspruch, das muss ihm bewusst gewesen sein.
Nun, dann sprech doch ein. Gerne. Los. Aber das tust du ja nicht. Stattdessen tust auch du exakt das, was du mir vorwirfst, aber mir bei lustwerweise gar nicht stimmt: Du rantest unsubstanziell und noch dazu auf persönlicher, statt sachlicher Ebene. Natürlich ist die Formulierung zugespitzt. Was du aber geflissentlich verschweigst ist der Umstand, dass sie ausführlich begründet habe. Du posaunst bloß.

Man muss meine Kritik nicht teilen, natürlich nicht, aber wenn man sie kritisieren will, dann könnte man das wenigstens auf argumentativer und nicht auf ad hominem Basis tun. Zumindest hier im Forum, wo ich auch mitlese und -diskutiere. Da ist das nämlich schlechter Stil.
Andre Peschke hat geschrieben: 29. Mär 2021, 10:21Unsere Frage drehte sich um einen alternativlos schwulen Hauptcharakter. Wo also jeder, der das Spiel spielen will, einen schwulen Protagonisten spielen muss. Quasi: "Max Payne", aber Max Payne ist schwul. Sowas
Jein. Das war gewissermaßen "dein" Teil der Frage. "Meiner" war ja, ob es irgendwo einen prominenten schwulen Jungen im Sinne von "Jugendlich" gibt. Ich wüsste nicht ein Spiel, das sich je mit dieser Gruppe beschäftigt hat. Bully minimal am Rande (aber eigentlich nur um zu provozieren), Persona 4 minimal am Rande (aber eigentlich nur um zu queerbaiten). Ein schwuler Max Payne oder Commander Shepard in naher Zukunft würde mich nicht überraschen. Aber ein schwuler 16jähriger Protagonist, der mit seinem 17jährigen Freund rummacht? Davon ist das Medium gefühlt Lichtjahre entfernt.
Reinhard
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Re: Tell Me Why

Beitrag von Reinhard »

Jochen Gebauer hat geschrieben: 29. Mär 2021, 15:01 . Aber ein schwuler 16jähriger Protagonist, der mit seinem 17jährigen Freund rummacht? Davon ist das Medium gefühlt Lichtjahre entfernt.
Genauso wie seine Rezipienten halt. Ich möchte gar nicht wissen wie die Entwickler, die sich so etwas trauen würden, aufgeknüpft werden. Das ist bei dem Zielpublikum wie ein rotes Tuch, an 2 Mädels kann man sich ja noch aufgeilen, aber bei 2 Jungs wär bestimmt die Grenze überschritten.
rammmses
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Re: Tell Me Why

Beitrag von rammmses »

Habe das auch gespielt dank Gamepass. Bin jetzt nicht übermäßig interessiert an der Transgender-Thematik, das ist mir alles wurscht, ich will gute Charaktere und eine tolle Geschichte. Die Figuren fand ich hier auch ganz ok, dazu eine nette Atmosphäre, Dontnod fangen ihre unverbrauchten Settings immer sehr detailverliebt ein. Aber herrje, was war das denn für eine Geschichte? Andre hat es am besten auf den Punkt gemacht mit seinem "no stakes", genau das war auch mein Problem. Nach dem spannenden Einstieg ging es irgendwie um nichts, alle Konflikte lösen sich viel zu schnell auf. Bin bis zum Schluss dran geblieben, weil ich irgendwie noch ein Action-Finale, eine schockierende Wendung oder IRGENDWAS erwartet habe, aber da kommt nichts. Was war das denn? Die Erklärung mit dem Feel-Good-Spiel für die eigene Filterblase finde ich ganz unterhaltsam, vielleicht ist da was dran.
Das neue Dontnod-Spiel Twin Mirror hat mir aber wieder wesentlich besser gefallen, das ist jetzt zwar auch nicht der ganz große Wurf, hat aber eine angenehme Spannung in der Handlung. Das verzichtet übrigens auch komplett auf irgendwelche "progressiven" Themen (oder es ist mir entgangen).
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Fährmann
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Re: Tell Me Why

Beitrag von Fährmann »

rammmses hat geschrieben: 29. Mär 2021, 15:54 Andre hat es am besten auf den Punkt gemacht mit seinem "no stakes", genau das war auch mein Problem. Nach dem spannenden Einstieg ging es irgendwie um nichts, alle Konflikte lösen sich viel zu schnell auf. Bin bis zum Schluss dran geblieben, weil ich irgendwie noch ein Action-Finale, eine schockierende Wendung oder IRGENDWAS erwartet habe, aber da kommt nichts. Was war das denn? Die Erklärung mit dem Feel-Good-Spiel für die eigene Filterblase finde ich ganz unterhaltsam, vielleicht ist da was dran.
Ich glaube, bei meinem Versuch herauszufinden, warum anderen Leuten diese Spiele nicht gefallen, hilft mir dieser Post sehr. Denn auch hier blicke ich verwirrt drauf und kann mir auf ner ehrlichen Art und Weise die Argumentation dahinter nicht begreifbar machen.

In diesem Spiel werden die folgenden Themen behandelt und entwickelt:
SpoilerShow
- Zwei Geschwister versuchen nach zehnjähriger Trennung wieder zusammenzufinden, nachdem sie unfreiwillig und hart auseinander gerissen wurden
- Sie versuchen Frieden mit ihrer Mutter zu finden, von der sie annehmen, dass sie den Bruder umbringen wollte
- Tyler kommt an den Ort zurück, der ihn noch als "Mädchen" kennt und muss sich mit der Geschichte der Mutter und ihrer möglichen Transphobie ihm gegenüber auseinandersetzen
- Sie erfahren die Geschichte der Mutter, die als Kind aus ihrem eigenen Elternhaus geflohen ist und zwischenzeitlich ein Kind verloren hat, von dem sie nie etwas erzählt hat
- Sie erfahren außerdem, dass die Mutter depressiv war und sich am Schluss möglicherweise versucht hat umzubringen.
- Im Kontext dessen spielt eine Rolle, dass ihre beste Freundin zuvor das Jugendamt informiert hat und die Gefahr bestand, dass der Mutter die Kinder weggenommen werden. Das spiegelt für sie den Verlust ihres ersten Kindes wieder, was ihre Depression erst dramatisch verschlimmert hat
- Alison findet im Laufe des Spiels heraus, dass sie die Depression ihrer Mutter geerbt hat und je nach Spielerentscheidungen arbeitet sie das auf mehr oder weniger konstruktive Arten und Weisen auf
Ich kann mir nicht erklären, wie man hier argumentieren kann, dass keine Stakes vorhanden sind. Das hier ist ein Level an Dramatik und emotionaler Intensität, die weit über das hinausgeht, was Menschen normalerweise in ihrem Leben durchmachen müssen. Ein einziger Plotpoint meiner Liste im Spoiler-Tag reicht, um Stakes zu schaffen, die ein komplettes Spiel tragen könnten. Und genauso ist mein Spielerlebnis verlaufen:
SpoilerShow
Als mir das Spiel am Anfang erklärt hat, dass es um Geschwister handelt, sie sich voneinander unfreiwillig entfremdet haben, wurden die Stakes aufgebaut, dass sie vielleicht nicht mehr zusammen finden werden und feststellen müssen, dass sie sich auseinander gelebt haben. Recht früh gibt es die Szene, in der Alison Tyler einen Ring geben will, den sie von ihrem Ziehvater bekommen hat, der damals aber dafür gesorgt hat, dass Tyler die Heimatstadt verlassen musste. Ich habe zehn Minuten überlegt, was ich mit diesem Ring machen soll. Nimmt Tyler ihn an, verdrängt er seine unaufgearbeitete emotionale Frustration gegenüber dem Ziehvater. Nimmt er ihn nicht an, stößt er Alison vor den Kopf, für die ihr Ziehvater ein liebevoller Teil ihrer neuen Familie ist, die Tyler nicht mehr unmittelbar miterlebt hat. Diese Szene ist großartig, weil sie deutlich macht, dass sich beide in diesen 10 Jahren in eine neue Richtung entwickelt haben, die nicht mehr direkt kompatibel für die andere Person ist.

Dass die Stakes, die Geschwister könnten nicht mehr zusammenfinden, sehr groß sind, merkt man auch daran, dass dieses Szenario eines der möglichen Enden ist. Und das Ende, in dem sie sich am Ende entfremdet haben und ein sehr unangenehmes Telefongespräch miteinander führen, ist in meinen Augen wirklich sehr deprimierend.
In diesem Kontext finde ich es auch super befremdlich, dass man Tell Me Why ein "Feel-Good-Spiel" nennt. Es ist eines der Spiele der letzten Jahre, das die emotional intensivsten Themen behandelt. Es ist an einigen Stellen auf die bestmögliche Art und Weise anstrengend und furchtbar deprimierend. Und das liegt auch daran, dass es sich Zeit nimmt, die Charaktere intensiv auszuarbeiten.

Was erwartet ihr denn als Finale für so ein Spiel? Eine Motorradverfolgungsjagd? Eine überraschende Zombieapokalypse am Ende? Das letzte Spiel mit dieser emotionalen Intensität war in meinen Augen "What Remains Of Edith Finch". Aber auch dieses Spiel hat sehr bewusst das Stilmittel der Übertreibung genutzt, um emotionale Konflikte auf eine eher metaphorische Art und Weise darzustellen. Tell Me Why hat weniger Metapher, aber in meinen Augen deutlich mehr Konflikt (siehe ersten Spoilertag). Aber anscheinend hat der Verlust der Metapher dafür gesorgt, dass Spieler*innen auf z.B. die super komplizierte Beziehung der Geschwister blicken und sich trotzdem denken: "Die haben ja gar keine Probleme! Warum hat man denn hier so ein Feel-Good-Spiel gebaut?"
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Heretic
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Re: Tell Me Why

Beitrag von Heretic »

Ich hab' ein interessantes Interview gefunden, das zwar nichts mit dem Spiel zu tun hat, aber gut zum Thema passt. Vielleicht interessiert's den ein oder anderen:
https://www.youtube.com/watch?v=P01zAFxrP7A
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Tengri Lethos
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Re: Tell Me Why

Beitrag von Tengri Lethos »

Jochen Gebauer hat geschrieben: 28. Mär 2021, 22:07

Ich halte diese Trennung in diesem Fall für argumentativ nicht haltbar, da dass Transsein der Figur im Mittelpunkt dieses zentralen Fokus steht. Der Plot dreht sich darum, dass eine Mutter ihren Sohn ermorden wollte, weil dieser nicht mehr ihre Tochter sein wollte. Wenn man die Transgender-Thematik so zentral in den Mittelpunkt stellt, kann man nicht mehr bloß als Mystery-Thriller gelesen werden. Im Gegenteil: Es wäre verfehlt, Tell me Why als Mystery Thriller zu lesen, weil es eben nicht den Mystery-Aspekt zum Kernthema macht, sondern den Transgender-Aspekt.
Ich muss vorweg schicken, dass ich den Podcast noch nicht gehört habe und mich daher nur auf deine Aussagen hier beziehen kann.
Das vorweg geschickt: Ich habe es ganz und gar nicht so empfunden, dass das Transsein der Figur im Mittelpunkt stehen sollte. Im Mittelpunkt der Erzählung steht u.a., dass Tyler DENKT, dass seine Mutter ihn wegen seiner "Andersartigkeit" abgelehnt hat. Mit dieser für ihn bitteren Wahrheit hat er 10 Jahre gelebt, aber relativ schnell in der ersten Episode kommt raus, dass Teile seiner Annahmen falsch waren / nicht so einfach sind, wie er es glaubte.

Ich habe das Spiel gestern beendet und mich gefragt, ob das Spiel auch ohne die Transgender Thematik funktioniert hätte. Hätte sie schon, man hätte nur eine andere "offensichtliche" Möglichkeit finden müssen, warum man auf den ersten Blick denken könnte, dass Tyler abgelehnt wird. Homosexualität z.B. Ich vermute (!), dass den Entwicklern dieses Klischee zu nahe liegend war und sie daher einen anderen scheinbaren(im Kontext der Spielwelt) Konflikt aufmachen wollten. Für mich hat das Spiel aber relativ schnell klar gemacht, dass es hier nicht im Kern um die Transgender Identität von Tyler geht (auch wenn das immer mal wieder anklingt), sondern darum, warum seine Mutter getan hat, was sie getan hat und wie ihr Weg dahin war.
Den Vorwurf, dass aus dem Transgenderthema nicht so viel gemacht wird kann ich mitgehen, aber für mich stand er keinesfalls im Mittelpunkt der Geschichte. Ich habe vorher aber auch außer einem Trailer nichts davon gesehen, so dass ich nicht sagen kann, ob Dontnod diese Erwartungshaltung geweckt haben (z.B. auch durch Bewerbung).

Für mich ist das Kernthema des Spiels: Warum haben Personen in der Vergangenheit so gehandelt, wie subjektiv sind Erinnerungen und wie lebt man weiter mit diesen verschiedenen Erinnerungen.
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DickHorner
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Re: Tell Me Why

Beitrag von DickHorner »

@Terranigma:
Essenziell für Max Payne ist der Verlust geliebter Menschen als maximal glaubwürdiger Trigger für einen existenziellen Breakdown und entsprechende von Rachegelüsten getriebenene Mordlust.
Die Sexualität des Max wird dabei nur implizit thematisiert. Sie ist für die Prämisse nachrangig und steht an dieser Stelle nur stellvertretend für den logischen Sinnzusammenhang der Projektion der intrasubjektiven Gefühlswelt des Max Payne. Bei Mr. Burns wär's Bobo, bei Max Payne halt Ehefrau und Kind.

@Jochen:
vielleicht beziehst Du Dich ja im Podcast auf mein Thema hier im Forum "Missing: Diversity", oder wie es hieß, bin jetzt zu faul zum Suchen, was ich Dir auch per Mail geschickt hatte jedenfalls.
Vielleicht hast Du da etwas missverstanden. Ich habe Dich da nicht angesprochen als Vertreter und Verteidiger des heteronormativen Status Quo. Eben gerade nicht! Ich wünsche mir für den Podcast eine größere Vielfalt. Dass Du durch Deine Erfahrungs- und Wahrnehmungswelt Dinge auf eine Dir eigene Art und Weise bewertest und sich das in Deinen Äußerungen implizit niederschlägt, klar, natürlich - nur, wenn man seinem Gegenüber einen Perspektivwechsel ermöglichen möchte, ist man da halt dann zunächst auf dessen Wahrnehmungsfähigkeit und dann auch noch auf dessen Reflexionsbereitschaft und -fähigkeit angewiesen, und das kann dann funktionieren, oder eben sehr wahrscheinlich auch nicht. Und da ich gerne andere Perspektiven als meine eigene kennenlerne, entgeht mir da vermutlich viel. Und das finde ich schade, und ich habe das Gefühl, mir entgeht ein großer Teil der Vielfalt und des Reichtums, den die menschliche Existenz mit sich bringt. Wenn einem das zu intim ist, sich da selbst als Botschafter zur Verfügung zu stellen, ist doch total legitim. Gibt für jedes erdenkliche Thema auf dieser Welt viele Menschen, die sich wünschen, jemand würde ihnen eine Plattform bieten, auf der sie darüber sprechen können.

@Spiel:
Für mich ist diese thematische Ausrichtung der Firma dontnot einfach nur deren USP, das ist alles so furchtbar oberflächlich, da hat Dr. Sommer mehr zum Thema zu sagen.
ElFabio
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Re: Tell Me Why

Beitrag von ElFabio »

Sehr guter Podcast.
Bei mir hat Tell me why überhaupt nicht gezündet. Nach dem Spielen hatte ich das Gefühl meine Zeit verschwendet zu haben.
Ich konnte aber nicht sagen, woran das lag.
Nach dem hören weiß ich es jetzt: Die ganze Geschichte hat einfach keinen Sinn ergeben.
Mastertronic hat geschrieben: 29. Mär 2021, 11:02Es ist zwar schon sehr lange her, dass ich Max Payne gespielt habe , aber meines Erachtens wurde die Sexualität da gar nicht thematisiert
Es werden Frau & Kind ermordet, nicht sein Ehemann + Adoptivkind. - Zitat André

+1 :ugly: :lol:
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Heretic
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Re: Tell Me Why

Beitrag von Heretic »

DickHorner hat geschrieben: 29. Mär 2021, 19:28 @Spiel:
Für mich ist diese thematische Ausrichtung der Firma dontnot einfach nur deren USP, das ist alles so furchtbar oberflächlich, da hat Dr. Sommer mehr zum Thema zu sagen.
Echt? Ich spiele gerade "Vampyr", und da ist mir noch nichts dergleichen begegnet. Dr. Sommer auch nicht, obwohl ich in 'nem Krankenhaus zugange bin. ;)
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