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Feedback Folge #36: Open World

Verfasst: 14. Dez 2015, 11:30
von Dostoyesque
Servus!

Im Großen und Ganzen hab ich dem Podcast relativ wenig hinzuzufügen, jedoch gab es 2 Dinge, zu denen ich noch meinen Senf bzw Bier dazugeben könnte.

1.) Das Einbinden von passendem Gameplay in eine Open World
Ich stimme zu, dass die meisten Spiele hier wirklich mehr oder weniger scheitern, jedoch fällt mir spontan ein Spiel ein, das tatsächlich eine sehr schöne (wenn auch limitierte) Spielwiese ist, die sehr stark vom Open World Design und den zugehörigen Mechaniken profitiert: Crysis. Ja, seriously. Ich war etwas überrascht, dass ihr es in einem Podcast als overrated bezeichnet. Das Spiel erlaubt einem einen stealth run wie man ihn selten machen kann. Und damit mein ich nicht unsichtbar machen und an allem vorbeilaufen, sondern das methodische Auseinandernehmen einer kompletten Militärbasis ohne dass irgendjemand irgendwas merkt. Ist auch - muss ich ehrlich zugeben - nicht auf meinem Mist gewachsen, sondern ich bin auch erst auf viele Feinheiten des Nanosuits gekommen, nachdem ich NanoSuitNinja auf Youtube gesehen habe. Habs dann nochmal gespielt, mit Warhead zusammen, und es is wohl nach wie vor eine meiner besten Open World Erfahrungen. Der Verbrauch der Nanosuit Energie ist nämlich überraschend vielfältig gestaltet, man kann wirklich unheimlich viel kontrollieren. Letztendlich gehts bei einem perfekten Assassinenrun um gutes Energiemanagement, Timing und perfekter Planung. Und jeder einzelne Modus des Nanosuits ist in diesen Runs nützlich. Die KI ist auch sehr gut, da sie sich 2 Dinge auf einmal merken kann, d.h. wenn eine Granate irgendwo explodiert und in einem anderen Eck ein Fass rumfliegt, checkt die Wache zwar zuerst das Fass, merkt sich aber die Granatenexplosion für später und prüft dann danach, was da los ist. Man kann die schönsten Dinge machen, wenn man anfängt, mit dieser KI rumzuspielen. Anyway, ist natürlich nicht das klassische RPG Open World Dings, vielleicht ist es einfahc nur ein Spiel mit verdammt großen Levels, aber der Unterschied ist mMn dann nur ein semantischer. Crysis zeigt für mich definitiv, wie sehr simple (jedoch schwer zu perfektionierende) Mechaniken durchaus von einem offenen leveldesign/einer Open World profitieren.

[ kleiner, mutiger Exkurs:
Prinzipiell ist Crysis vom core gameplay her für mich mehr Rollenspiel als die meisten cRPGs ala Fallout 4, da es tatsächlich viele verschiedene Lösungen bietet (wie z.B. Vampire:TMB). Ich weiß, ich weiß, sehr mutige These, denn ein level-up System, Dialoge, loot und Quests gehören mittlerweile zum RPG Standard (obwohl davon eigentlich nur Dialoge mMn zwingend notwendig wären in einem Spiel, das einem ermöglicht, in verschiedene Rollen zu schlüpfen), ironischerweise das roleplaying und verschiedene Lösungswege nicht bzw kaum noch. Würde generell Crysis jetzt nicht als Rollenspiel bezeichnen, das geht mir dann doch zu weit (auch angesichts dessen dass Crysis einem permanent *alle* Lösungswege erlaubt, man muss nie schwerwiegende Entscheidungen treffen, sondern kann fließend von einem stealth run zu run&gun wechseln), aber für mich steckt im tatsächlichen gameplay (also in dem was man tatsächlich macht im Spiel) *mehr* Rollenspiel drin als in den Bethesda Spielen. Man kann sich (bevor die Aliens kommen) nahezu komplett auf melee reduzieren, wenn man will und es funktioniert. Man kann daraus einen gadget stealth Titel machen ala Splinter Cell und es funktioniert. Man kann melee und stealth kombinieren zu der wohl tödlichsten und lohnendsten Spielerfahrung, die Crysis bietet. Man kann sich einfach durchballern. Mehr Rollenspiel als XYZ bedeutet aber nicht, dass es damit automatisch ein Rollenspiel ist. Warum Skyrim oder Fallout 4 nicht einfach ehrlich als (von mir aus auch gute) action adventures bzw. open world shooter gelten erschließt sich mir nicht so genau. Ein level up-System, loot und Quests machen kein Rollenspiel, wenn das core gameplay so eindimensional ist, was bei F4 z.B. im Vergleich zu Deus Ex sehr stark auffällt. Für mich ist Crysis im Kern näher an Deus Ex als es Fallout 4 ist. Bin ich verrückt? ]

2.) Wann soll eine Quest im Questlog vermerkt werden?
Das ist der einzige Punkt, bei dem ich euch wiedersprechen würde. Zur Erinnerung: Ihr kritisiert die Tatsache, dass Andre in New Vegas zB einen Aussenposten plättet, jedoch nicht after-the-fact die entsprechende Quest zum Aussenpostenplätten bekommt, die einem zum Questgeber führt, um den Spieler zu "belohnen" (so hats Jochen formuliert iirc), sondern erst von der Quest erfährt, als er dem Questgeber viel später begegnet ("du dummes Spiel"). Wenn das in New Vegas der Fall wäre, wäre es meiner Meinung nach kein Obsidian Spiel und mMn ein deutlich schlechteres Spiel. New Vegas ist im Gegensatz zu F3 oder F4 viel, viel glaubwürdiger inszeniert und präsentiert. Es macht nämlich innerhalb des Spiels überhaupt keinen Sinn, dass der Protagonist vom Spiel einen Aussenposten plättet und dann auf magische Weise erfährt, dass sich irgendjemand in 20km Entfernung genau das gewünscht hat. Eine Quest dieser Art ist extrinsisch (d.h. von den Motivationen eines NPCs) motiviert, wir haben keine Information zu der Motivation des NPCs bis wir ihn treffen, ergo gibts die Quest nicht, bis wir ihn finden. For all we know gibts den Questgeber ja überhaupt nicht, bis wir ihn treffen. Hier einen Questmarker auszuspucken, um mich schnell mit einer abgeschlossenen Quest zu füttern ist ein 4th wall break der ganz schmerzhaften Art. In diesen Momenten merke ich, wie das Spiel mich manipuliert. In Ausnahmefällen kann man von mir aus in einer Schublade einen Hinweis darauf finden, dass 20km entfernt irgendjemand ist, der dem Aussenposten feindlich gesinnt ist, aber insgesamt will ich als Spieler weniger vom Spiel gespielt werden, sondern viel mehr selbst mein Abenteuer gestalten. Wer sehr viel erforscht ohne in die großen Questhubs (idR Städt o.ä.) zu gehen, weil er einen eher eigenbrödlerischen low-charisma Charakter spielt (zu was New Vegas auch absolut einlädt), der erfährt eben nichts oder sehr wenig zu den Motivationen anderer Charaktere im Spiel. Ich find das fantastisch. Ich find die Idee sehr interessant, dass man im Extremfall in einem Rollenspiel keine Quests löst, period. Man exploriert, trifft Entscheidungen und scheißt einfach drauf, was die anderen NPCs wollen und will auch deren Belohnung nicht, wenn man die Rolle so spielen will. In den Originalfallouts sind komplette Questreihen gesperrt, wenn man einen low INT Charakter hat, den kein Schwein versteht (und der auch niemanden versteht). Wenn man nicht so ein Eigenbrödler ist, sondern einfach ein (Er-)Forscher, dann findet man eben einen feindlichen Aussenposten mitten in der Wüste, kämpft mit denen und viel später trifft man jemanden, der zufällig genau diesen Aussenposten erobern wollte und man kriegt ganz unerwartet, organisch eine Belohnung für die Entscheidung, die Stunden her ist. Ist doch sehr schönes und glaubwürdiges choice & consequence.
Es gibt natürlich Quests, die intrinsisch funktionieren und einen sofort "belohnen" können, d.h.: Der eigene Spielprotagonist kommt z.B. in einem Dorf an, das total menschenleer ist. Er betritt die Stadt und eine Quest beginnt: "Finde heraus, wo die Menschen hin sind". Dieser Questbeginn macht deswegen Sinn, weil der Protagonist selbst entschlossen hat, dass irgendwas in diesem Dorf nicht stimmt, ergo macht er seine eigene Quest auf, er ist sein eigener Questgeber. Er braucht niemanden, der ihm diese Quest gibt. Vielleicht wär eine Lösung, mehr dieser intrinsischen Quests in den Open World Spielen hinzuzufügen, weil sie ja unabdingbar mit Exploration einhergehen (was ohnehin am meisten Spaß macht in Open World Spielen, wenn die Welten gut designed sind). Das Problem ist hierbei natürlich, dass einem das Spiel dann vorgibt, was der Protagonist (also man selbst) sich so denkt und für Aufgaben stellt. Bei einem guten Roleplaying System, das dynamisch auf z.B. die Charakterwerte des Spielers reagiert, könnte sowas aber glaubwürdig inszeniert werden, denke ich. Wenn F1 und 2 für low intelligence Charaktere die Dialoge komplett umgestaltet, sollte es möglich sein, Questlogs zu intrinsisch motivierten Quests den Charakterwerten entsprechend dynamisch zu gestalten.
Alternativ macht man sich als Spieler unabhängig vom Feedback des Spiels,setzt sich seine eigenen Aufgaben und erfüllt diese. Ich finds allgemein viel angenehmer, wenn ich mich in Rollenspielen (die echtes roleplaying erlauben, wie F1/2/New Vegas, Vampire:TMB, Arcanum, etc.) quasi emanzipiere von Questlogs und vom Feedback des Spiel und stattdessen einfach meinen Charakter spiele. Manche roleplays haben für mich nicht mal zum "eigentlichen" Ende des Spiels geführt. Hab meinen eigenen Erzählbogen gehabt und als ich den irgendwie geschlossen habe, hab ich aufgehört zu spielen. Muss nicht immer der global player sein, manchmal mag ich auch eine kleinere, intimere Geschichten (was mir zB sehr an Dragon Age 2 gefallen hat, despite its flaws).


Übrigens hab ich einen absoluten roleplaying Geheimtipp für euch beide (scheint auch am Radar der Gamestar vorbeizugehen): Underrail. Schaut recht prüde aus, ist aber wirklich der treueste Nachfolger im Geiste, den sich die Original Fallouts wünschen können. Absolut fantastisches Spiel, das für mich eben zu dieser Topkategorie von "echten" RPGs (wie gesagt: F1/2/NV, Vampire:TMB, Arcanum, Deus Ex) gehört.

For the record: Für mich beinhaltet ein "wahres Rollenspiel" Spielmechaniken, die einen nicht nur entscheiden lassen, *wie* man Gegner tötet (mit Breitschwert, Dolchen oder Magie), sondern *ob* man die Quest überhaupt mit Kampf löst oder doch lieber mit anderen Mitteln wie stealth, speech/etc.

Re: Feedback Folge #36: Open World

Verfasst: 15. Dez 2015, 20:11
von Dostoyesque
haha, da freu ich mich schön über gleich 2 Antworten im thread und dann das.

Schade, früher haben diese Bots zumindest Sinn gemacht (bzw haben zumindest ganze Sätze geschrieben), was teilweise recht unterhaltsam sein konnte =/ ein paar Perlen sind aber dabei. immerhin.
JosephSl hat geschrieben:Some of these herbal products are so democratic that Oprah Winfrey has fifty-fifty endorsed the Marrubium copulate as veggie teatime.
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Re: Feedback Folge #36: Open World

Verfasst: 16. Dez 2015, 12:18
von Demoria93
Ich habe zwar nicht viel hinzuzufügen zu deinen, guten, Ausführungen aber einfach nur damit du auch eine anständige Antwort bekommst schreibe ich das hier. ;)

Ich denke auch das wenn man irgendwas tut in der Welt und ohne einen einzigen Hinweis das, dass was man tut für irgendjemanden von Bedeutung sein könnte, einen Questmarker bekommt alla "Hey voll cool das du hier alle Umgebracht hast, geh mal zur Person XY im Dorf Z der wollte das schon immer!" ein kompletter Bruch der Immersion der Spielwelt ist.
Aber dann gibt es wieder Beispiele wo so was ähnlichen im Kontext dann doch wieder Sinn ergibt, wie die von den Beiden erwähnte Witcher 3 Quest, Gerald reitet zufälliger Weiße an diesen Vollkommen zerstörten Dorf vorbei und wird von den Geister wessen angegriffen, seine Witcher Instinkte müssten ihn jetzt eig. sagen "Mhh es wäre evtl besser für mich und meine Umwelt wenn ich jetzt dafür Sorge das dieses Mistvieh nie wieder kommt" anstatt erst zum Bauern zu gehen um dann für gesagtes zu sorgen.

So mehr fällt mir im Moment nicht weiter ein da ich die Folge nicht mehr so im Gedächtnis habe.

Re: Feedback Folge #36: Open World

Verfasst: 16. Dez 2015, 16:06
von Jochen
Kurz von mir: Spannender Beitrag, den ich gerne gelesen habe. Ich habe gerade leider keine Zeit für eine ausführliche Antwort - hoffentlich klappt's die Tage!

Re: Feedback Folge #36: Open World

Verfasst: 19. Dez 2015, 12:39
von Jochen
Jetzt aber: Ich bin ganz bei dir, dass New Vegas ein wesentlich besseres, weil glaubwürdigeres Spiel ist als Fallout 3 oder Fallout 4. Ich bin allerdings nicht bei dir, wenn wir über die Unzulänglichkeiten des Questdesigns sprechen. Ein Beispiel: Beim Erkunden einer alten Fabrikanalge stolpere ich über die Leichen einer Brotherhood of Steel-Streife - und ich kann buchstäblich nichts damit tun. Schon hier beginnen die Probleme: Selbst wenn ich an dieser Stelle des Spiels noch überhaupt nichts von der Brotherhood of Steel weiß (genau genommen weiß ich ja nicht einmal, dass sie existiert), würde mir ein gutes Questdesign jetzt eine Quest geben à la "Finde heraus, was es mit den toten Typen in Power Armour auf sich hat" - und damit das Gefühl, dass sich mein Erkundungsspaziergang gelohnt hat, schließlich gibt's plötzlich ein Geheimnis zu lüften. Stattdessen tut New Vegas buchstäblich gar nichts ... und wenn ich dann später der Brotherhood of Steel begegne, wollen die, dass ich die Streife finde. Kann ich denen sagen, oh, die hab' ich schon gefunden, die sind hinüber? Natürlich nicht. Ich muss nochmal zurück in die alte Fabrikanlage und herausfinden, was ich längst weiß, weil sich mein vermeintlich oberschlauer Charakter dumm wie eine Bürste ist.

Gutes Questdesign, zumal in einem Open World-Spiel, funktioniert in der Tat intrinsich. Es gab nämlich haufenweise gute, intrinsische Gründe, warum ich mir diese alte Fabrikanlage mal näher ansehen wollte: Die roch doch förmlich nach "hier gibt's noch alte brauchbare Tech". Und dann stolpere ich darin komischen toten Typen in dicken Rüstungen über den Weg, und mein Charakter denkt nicht, uiuiui, was es mit denen wohl auf sich hat, vielleicht sollte ich mal rausfinden, wer die sind, so eine Rüstung könnte ich schließlich auch gebrauchen, wenn mir mal wieder jemand in den Kopf schießen will? Wenn mir das Spiel genau an dieser Stelle eine entsprechende Quest gibt, ist das in sich völlig schlüssig und glaubwürdig, und es belohnt meine Spielweise. Der gegensätzliche (und im Spiel eingeschlagene Weg) bestraft mich nicht nur - er muss auch unter der albernen Prämisse operieren, dass die hermetisch abgeriegelte Brotherhood plötzlich einen dahergelaufenen Kurier reinlässt. Hätte der Kurier hingegen nützliche Informationen ... zum Beispiel über eine gewisse tote Streife ...

Re: Feedback Folge #36: Open World

Verfasst: 19. Dez 2015, 19:15
von Dostoyesque
Jochen hat geschrieben:Jetzt aber: Ich bin ganz bei dir, dass New Vegas ein wesentlich besseres, weil glaubwürdigeres Spiel ist als Fallout 3 oder Fallout 4. Ich bin allerdings nicht bei dir, wenn wir über die Unzulänglichkeiten des Questdesigns sprechen. Ein Beispiel: Beim Erkunden einer alten Fabrikanalge stolpere ich über die Leichen einer Brotherhood of Steel-Streife - und ich kann buchstäblich nichts damit tun. Schon hier beginnen die Probleme: Selbst wenn ich an dieser Stelle des Spiels noch überhaupt nichts von der Brotherhood of Steel weiß (genau genommen weiß ich ja nicht einmal, dass sie existiert), würde mir ein gutes Questdesign jetzt eine Quest geben à la "Finde heraus, was es mit den toten Typen in Power Armour auf sich hat" - und damit das Gefühl, dass sich mein Erkundungsspaziergang gelohnt hat, schließlich gibt's plötzlich ein Geheimnis zu lüften. Stattdessen tut New Vegas buchstäblich gar nichts ... und wenn ich dann später der Brotherhood of Steel begegne, wollen die, dass ich die Streife finde. Kann ich denen sagen, oh, die hab' ich schon gefunden, die sind hinüber? Natürlich nicht. Ich muss nochmal zurück in die alte Fabrikanlage und herausfinden, was ich längst weiß, weil sich mein vermeintlich oberschlauer Charakter dumm wie eine Bürste ist.

Gutes Questdesign, zumal in einem Open World-Spiel, funktioniert in der Tat intrinsich. Es gab nämlich haufenweise gute, intrinsische Gründe, warum ich mir diese alte Fabrikanlage mal näher ansehen wollte: Die roch doch förmlich nach "hier gibt's noch alte brauchbare Tech". Und dann stolpere ich darin komischen toten Typen in dicken Rüstungen über den Weg, und mein Charakter denkt nicht, uiuiui, was es mit denen wohl auf sich hat, vielleicht sollte ich mal rausfinden, wer die sind, so eine Rüstung könnte ich schließlich auch gebrauchen, wenn mir mal wieder jemand in den Kopf schießen will? Wenn mir das Spiel genau an dieser Stelle eine entsprechende Quest gibt, ist das in sich völlig schlüssig und glaubwürdig, und es belohnt meine Spielweise. Der gegensätzliche (und im Spiel eingeschlagene Weg) bestraft mich nicht nur - er muss auch unter der albernen Prämisse operieren, dass die hermetisch abgeriegelte Brotherhood plötzlich einen dahergelaufenen Kurier reinlässt. Hätte der Kurier hingegen nützliche Informationen ... zum Beispiel über eine gewisse tote Streife ...
Dann sind wir ja mehr oder weniger einer Meinung. Ich versteh durchaus das Problem, das du darstellst mit deinem Beispiel und wir scheinen einer Meinung zu sein, was die Lösung dieses Problems angeht: Die Questdesigner müssen verstehen, dass sich A) das Questdesign der Entwicklung der Open World Spiele anpassen muss (was es nie wirklich getan hat bis jetzt), damit B) mehr dieser intrisisch motivierten Quests den Spieler weiter zum Erkunden motivieren und das Questdesign sich letztlich C) *nicht* darauf beschränken soll, den Spieler mit ein paar Erfahrungspunkten zu füttern für das Erkunden der Map. Ich finde schon, dass es durchaus Platz für extrinsisch motivierte Quests gibt und diese erst durch das Treffen von NPCs beginnen sollen, jedoch sollten diese weniger Questmarker irgendwo in der Welt aufploppen lassen, sondern sich viel mehr anderer Mechaniken bedienen wie z.B. das Eröffnen neuer Dialogoptionen bei NPCs, die man bereits getroffen hat und die für das Lösen der Quest nötig sind.
Die perfekte Lösung wäre es, wenn jede extrinsisch motivierte Quest auch als intrinsisch motivierte Quest beginnen kann (wenn man z.B. das Questziel aber noch nicht den entsprechenden Questgeber gefunden hat), um den von dir beschriebenen Leerlauf zu vermeiden. Das wird aber nicht immer möglich sein bei sehr persönlichen, extrinsisch motivierten Quests. Bei dem von dir beschriebenen Beispiel aber sehr wohl! Die alten Fallouts waren besonders gut darin, verschiedene "Eintrittspforten" in Quests zu bieten.

Ich bin ehrlich gesagt überrascht, dass New Vegas hier nicht die Option angeboten hat, dem Questgeber zu sagen, dass du die entsprechende Streife bereits gefunden hast. Das ist dann ganz klar ein "failure of the gamedesigner" (Monsieur David "artiste" Cage).

Dieser Chart über Questdesign in New Vegas stellt die Stärken (und die von dir angesprochene Schwäche) des New Vegas Questdesigns sehr schön dar: New Vegas Quests bieten in der Regel sehr organische und variable Verzweigungen, aber, was auch sehr schön zu sehen ist, leider eine sehr exklusive Eintrittspforte.

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Dieser Chart hingegen zeigt durchaus verschiedene Eintrittspforten, aber *alle* sind beschränkt auf einen questeinleitenden Dialog mit einem NPC:
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Nichtsdestotrotz ist New Vegas für mich trotzdem noch ein Positivbeispiel für Questdesign, wobei es leider nicht die Möglichkeiten der Open World nutzt.

Btw, weil ihr beide ja doch Jahre im business seid: Wie wahrscheinlich ist es eurer Erfahrung nach, dass Bethesda ein anderes Studio (obs Obsidian ist sei mal dahingestellt) nochmal an die Fallout Lizenz ranlässt, um eine andere Fallouterfahrung zu bieten? Das Erweitern des Portfolios könnte durchaus gewinnbringend für Bethesda und die Marke Fallout sein. Oder denkt ihr eher, dass Bethesda die Falloutlizenz nach Fallout 4 stärker schützen und kontrollieren will? Hört man da was through the grapevine?

Re: Feedback Folge #36: Open World

Verfasst: 10. Jun 2016, 17:28
von Dostoyesque
JosephSl hat geschrieben:Some of these herbal products are so democratic that Oprah Winfrey has fifty-fifty endorsed the Marrubium copulate as veggie teatime.
ohhhh hab den chatbot Beitrag schon fast vergessen. Good times. :D

Wer sich für chatbots begeistern kann, dem sei hiermit geholfen (keine Sorge Andre, bin nicht zum chatbot mutiert und verbreite keine Viren in meinen Links ;) ): http://www.botconversations.com

Re: Feedback Folge #36: Open World

Verfasst: 15. Jun 2016, 23:55
von joe-max
Jochen hat geschrieben:Jetzt aber: Ich bin ganz bei dir, dass New Vegas ein wesentlich besseres, weil glaubwürdigeres Spiel ist als Fallout 3 oder Fallout 4. Ich bin allerdings nicht bei dir, wenn wir über die Unzulänglichkeiten des Questdesigns sprechen. Ein Beispiel: Beim Erkunden einer alten Fabrikanalge stolpere ich über die Leichen einer Brotherhood of Steel-Streife - und ich kann buchstäblich nichts damit tun. Schon hier beginnen die Probleme: Selbst wenn ich an dieser Stelle des Spiels noch überhaupt nichts von der Brotherhood of Steel weiß (genau genommen weiß ich ja nicht einmal, dass sie existiert), würde mir ein gutes Questdesign jetzt eine Quest geben à la "Finde heraus, was es mit den toten Typen in Power Armour auf sich hat" - und damit das Gefühl, dass sich mein Erkundungsspaziergang gelohnt hat, schließlich gibt's plötzlich ein Geheimnis zu lüften. Stattdessen tut New Vegas buchstäblich gar nichts ... und wenn ich dann später der Brotherhood of Steel begegne, wollen die, dass ich die Streife finde. Kann ich denen sagen, oh, die hab' ich schon gefunden, die sind hinüber? Natürlich nicht. Ich muss nochmal zurück in die alte Fabrikanlage und herausfinden, was ich längst weiß, weil sich mein vermeintlich oberschlauer Charakter dumm wie eine Bürste ist.

Gutes Questdesign, zumal in einem Open World-Spiel, funktioniert in der Tat intrinsich. Es gab nämlich haufenweise gute, intrinsische Gründe, warum ich mir diese alte Fabrikanlage mal näher ansehen wollte: Die roch doch förmlich nach "hier gibt's noch alte brauchbare Tech". Und dann stolpere ich darin komischen toten Typen in dicken Rüstungen über den Weg, und mein Charakter denkt nicht, uiuiui, was es mit denen wohl auf sich hat, vielleicht sollte ich mal rausfinden, wer die sind, so eine Rüstung könnte ich schließlich auch gebrauchen, wenn mir mal wieder jemand in den Kopf schießen will? Wenn mir das Spiel genau an dieser Stelle eine entsprechende Quest gibt, ist das in sich völlig schlüssig und glaubwürdig, und es belohnt meine Spielweise. Der gegensätzliche (und im Spiel eingeschlagene Weg) bestraft mich nicht nur - er muss auch unter der albernen Prämisse operieren, dass die hermetisch abgeriegelte Brotherhood plötzlich einen dahergelaufenen Kurier reinlässt. Hätte der Kurier hingegen nützliche Informationen ... zum Beispiel über eine gewisse tote Streife ...
Widerspruch. Bin mir relativ sicher, dass man bei besagten vermissten Patrouillen Holotapes findet, die man einsacken kann. Sobald man im Brotherhood of Steel-Bunker die entsprechende Quest erhält, kann man die Dinger sofort abgeben und muss nicht nochmal zurück zu den Leichen. Gerade bei New Vegas gab es einige Quests/Questreihen, für die ich die Anforderungen bereits nebenbei erfüllt hatte und dem Auftraggeber sofort sagen konnte: "War schon da. Sind alle tot.", "Gomorrah ist keine Gefahr mehr, hab die Typen schon erlegt.", "Great Khans wissen bereits Bescheid, dass sie unsere Verbündeten sind.", "Die Boomers haben schon zugestimmt, uns mit Artillerie zu unterstützen." usw.

Die Brotherhood hat mich übrigens nicht einfach so reingelassen, sondern meine liebste Begleiterin Veronica, hat sich vehement dafür eingesetzt, dass wir hinein durften. Auch, dass da Leichen in schwerer Rüstung rumliegen hat mich im Kontext nicht besonders überrascht bzw. interessiert. Mein Gedankengang war: "Aha, mal wieder jemand, der es nicht geschafft hat. Selber Schuld, wenn man mit so'nem fetten Panzer rumläuft, bestimmt total unpraktisch. Ich werde so ein Teil auf jeden Fall nie anziehen."

Das es bei einer derart komplexen Welt natürlich auch irgendwo auch mal zu Logiklücken kommt halte ich für verschmerzbar.

Ein anderer Aspekt, der mich noch ein wenig beschäftigt hat, ist die Kritik am Zeitmanagment von Quests. Hier bin ich bei André ("Erbsenzählerei"). Ich komme zu einer beliebigen Tageszeit in eine Stadt, sagen wir mal Novac. Da erhalte ich eine Quest von, sagen wir mal einem Scharfschützen namens Boone, der oben vom Dinosaurier aus Raider fernhält. Er bittet mich darum, herauszufinden, wer dafür verantwortlich ist, dass seine Frau (Freundin?) verschwunden ist und den Täter um Mitternacht vor den Dino zu locken, damit er Selbstjustiz üben kann. Ich finde es irgendwie heraus (oder auch nicht, schließlich kann ich auch irgendeine andere Person verantwortlich machen), und muss dann selbstverständlich irgendwie warten bis es Nacht wird. Da fühle ich mich nicht gegängelt oder in meiner Freiheit eingeschränkt.

Anderes Beispiel ist die Suche nach dem Verantwortlichen, der aus Camp McCarran der Legion Informationen zukommen lässt. Man findet - in sich völlig schlüssig - heraus, dass dies immer nachts zu gleichen Zeit von einem bestimmten Ort aus geschieht. Natürlich bietet es sich da an, dem Typen nachts mal aufzulauern. Wann denn auch sonst...

Re: Feedback Folge #36: Open World

Verfasst: 6. Jul 2016, 01:05
von Vinter
Ludonarrative Dissonanz - soll ja niemand behaupten, man würde hier im Podcast keine neuen Begriffe lernen.
An diesen Begriff muss ich seit ca. 45 Minuten denken - denn so lange spiele ich jetzt Saint's Row: Gat out of hell, welches ab heute im PS4 Plus dabei ist.

Ich hatte vorher keinen Kontakt mit der Saints Row Serie, weiß nur, dass es nen durchgeknallter GTA Klon ist. Gat out of hell treibt dass nun auf die Spitze: Der Präsident wurde von Satan in die Hölle entführt, ich soll ihn da raus holen. Und entsprechend bewege ich mich durch eine Höllen-Stadt mit Höllenautos, Lavaströmen und Dämonen-Passanten. Ich kann fliegen, enorm schnell sprinten, hab bereits jetzt, nach einer 3/4 Stunde, Waffen wie Raketenwerfer und MG.

Und diese 45 Minuten, die ich jetzt Gat out of hell spiele waren vielleicht die von kindlichster Freude erfüllte Zeit, die ich seit wirklich langer Zeit in einer Open World verbracht hab. Denn das tolle ist: Dadurch, dass ich in der Hölle bin ist sowieso erstmal prinzipiell jeder mein Feind - es sind ja Dämonen, selbst blöde Fußgänger. Gleichzeitig rechtfertigt das durchgeknallte Szenario auch die erwähnten Fähigkeiten wie fliegen, an Wänden klettern oder ultra-schnell laufen. Und weil ich eh in der Hölle bin, weil mein Auftrag eh lautet alles abzureißen um Satan anzupissen und weil hier von den Cops bis zu den Passanten jeder ein Dämon ist, kann ich genau das sinnlose Schlachtfest abfeiern, was Open Worlds einem immer anbieten, was sich - mir geht es zumindest so - aber nie wirklich richtig anfühlt. Aidan Pearce knallt mit einer Kalashnikow mitten in Chicago rum? Undenkbar. Trevor, Mike und Franklin rauben eine Bank aus, nieten dabei duzende Polizisten um und gehen am Ende nach Hause, als wäre nichts gewesen? Hä? Und da fängt es ja nicht mal an: Wenn ich in GTA rumballere, dann fange ich mir ständig Kugeln ein, aber die Selbstheilung richtet es schon - andersherum stecken auch die Gegner meist mehr Schuß ein, als irgendwie glaubwürdig ist.

Ganz anders GooH: Ich baller auf der Hauptstraße ein paar Dämonen um, klaue ein Auto, liefere mir ein Verfolgungsrennen mit der Dämonenpolizei, spreng die mit dem Raketenwerfer in die Luft und wenn es eng wird schwinge ich mich in die Lüfte und flieg davon. Auch die ganzen bescheuerten Challenges, die in anderen, ernsten Open Worlds so furchtbar deplaziert wirken, passen hier ins Szenario: Dann nehm ich halt mal eine Amoklauf-Challenge an und versuche, so schnell wie möglich so viele Dämonen wie es geht wegzuknallen. Trever in GTA kann das auch, aber GTA glaube ich das nicht. Selbst Prototype, dass mit seinem mutierten Hauptcharakter auch jede Menge übernatürliche Fähigkeiten einführte, fühlt sich nicht so befreiend an wie GooH, weil es sich trotzdem selbst ernst nimmt.

Ludonarrative Dissonanz ist der Konflikt zwischen dem, was mir ein Spiel versucht zu erzählen und dem, was am Bildschirm tatsächlich stattfindet. Dadurch, dass Saints Row: Gat out of Hell dieses an sich vollkommen konventionelle und x-fach durchgekaute Spielprinzip in das Höllenszenario verlegt, räumt es diesen Konflikt mit einem Handstreich aus dem Weg und ich kann mich als Spieler voll und ganz auf das konzentrieren, was am Bildschirm passiert, ohne ständig Brüche in der Glaubwürdigkeit des Spiels bewusst zur Seite schieben zu müssen.

Von Gat out of Hell habe ich nach der Ankündigung für PS Plus rein gar nichts erwartet. Umso größer dann meine Überraschung, dass das Spiel echt Spaß macht - und zwar im wirklich kindlichsten Sinne des Wortes.