The Panel: Triggerwarning

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Dwarf Vader
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The Panel: Triggerwarning

Beitrag von Dwarf Vader »

Hallo,
ich weiß nicht, ob die Folge schon hier irgendwo diskutiert wurde. Habe jedenfalls nichts gefunden, daher wollte ich hier mal meine Meinung kundtun.

Ich finde, wenn es um Triggerwarnungen in Spielen geht, ist die künstlerische Gestaltungsfreiheit des Entwicklerteams maßgebend.
Ob und in welcher Form Triggerwarnings Teil des künstlerischen Gesamtausdrucks sein sollten, liegt imho allein im Ermessen der Entwickler und es steht Dritten nicht zu, darüber ein qualitatives Urteil zu fällen. Es ist, aus meiner Sicht, auch unerheblich ob eine positive psychologische Wirksamkeit wissenschaftlich attestiert wurde. Denn, wie in der Folge besprochen, geht es primär um eine Serviceleistung. Und allein die Tatsache, dass es ein Bedürfnis nach diesem Service gibt legitimiert diesen ausreichend.
Genauso funktioniert es imho umgekehrt. Wenn ein Entwicklerteam auf Triggerwarnungen verzichtet, egal ob bewusst oder unbewusst, ist das ebenso Teil des künstlerischen Ausdrucks. Dazu können Dritte eine Meinung haben, Wünsche äußern und einen Diskurs führen, aber immer nur bezüglich der Art und nicht der Qualität des Ausdrucks.

Anders empfinde ich es, wenn es um Triggerwarnungen als politische Forderung geht. Und genau darum geht es ja im Panel, allein schon weil der Verzicht auf TW als regressiv und rückständig thematisiert wird. Das Thema MUSS mehr Aufmerksamkeit in Entwicklerstudios erfahren, es MÜSSEN Widerstände überwunden werden, Triggerwarnungen sind progressiv und gut. Ich finde diese Haltung in etwa so nachvollziehbar, wie Leute die sich über non-binary Optionen in der Charaktererstellung beschweren. Sie ist Ausdruck einer nicht gerechtfertigten Erwartungshaltung an künstlerische Inhalte.
Kunst müsse zugänglich sein, Kunst müsse hinsichtlich Geschlechter, Sexualität, Ethnien, Religionen etc. repräsentativ sein etc. Das sind vielleicht persönliche Geschmackskriterien, oder (aufjedenfalll) Ansprüche eines Künstlers an das eigene Schaffen, aber es sind keine Qualitätskriterien mit denen es Rezipienten zusteht über ein Kunstwerk zu urteilen. Kunst muss nämlich garnichts, erst recht nicht die persönlichen emotionalen Befindlichkeiten (oder sogar pathologischen Zustände) ihrer Rezipienten respektieren.

Ein anderes Problem mit Triggerwarnungen als politischer Forderung habe ich mit dem Selbstverständnis aus dem diese Forderung entstammt. Denn, als Serviceleistung gedacht, der Forderung nach einer Kommunikation deren Maxime darin besteht, mich emotional nicht herauszufordern und ständige Rücksicht auf meine individuellen Empfindlichkeiten zu nehmen. Ich halte es
(und hier geht es jetzt um meine persönliche, politische Haltung, die ich gerne zum DIskurs stelle)
für einen Irrweg, die Welt an die sehr kleinteiligen, äußerst individuellen emotionalen Bedürfnisse der Menschen im Einzelnen anpassen zu wollen.
Sinnvoller finde ich es, es zu fördern und zu erwarten, dass mündige Menschen mit den emotionalen Herausforderungen von Kommunikation (und dazu zähle ich natürlich die Auseinandersetzung mit Kunst) adäquat umgehen können. Und ein adäquater Umgang bedeutet auch emotionale Herausforderungen zu akzeptieren und zu respektieren.
Es gibt kein Recht darauf, nicht verletzt zu werden. Wenn mich etwas triggert sollte imho der erste Impuls sein, mich mit mir selbst auseinanderzusetzen. Ein Trigger ist letztlich Ausdruck einer persönlichen, emotionalen Schwäche, also eines persönlichen Problems. Und es ist imho immer sinnvoller da anzusetzen, als bei der Forderung, die Welt müsse darauf Rücksicht nehmen.
Zuletzt geändert von Voigt am 30. Dez 2020, 15:45, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: Typo im Titel korrigiert
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Maxi
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Re: The Panel: Triggerwarning

Beitrag von Maxi »

Dwarf Vader hat geschrieben: 30. Dez 2020, 15:37 Es gibt kein Recht darauf, nicht verletzt zu werden. Wenn mich etwas triggert sollte imho der erste Impuls sein, mich mit mir selbst auseinanderzusetzen. Ein Trigger ist letztlich Ausdruck einer persönlichen, emotionalen Schwäche, also eines persönlichen Problems. Und es ist imho immer sinnvoller da anzusetzen, als bei der Forderung, die Welt müsse darauf Rücksicht nehmen.
Ich stimme weitestgehend zu, bis auf die letzten beiden Sätze. Der Wunsch nach einer Triggerwarnung muss mMn nicht Ausdruck einer Schwäche oder eines Problems sein (ich störe mich hier an den Begrifflichkeiten). Es kann auch einfach ein Ausdruck oder Wunsch nach einer Nicht-Thematisierung eines bestimmten Gegenstands sein. Zum Beispiel möchte man sich nach einem stressigen Tag vielleicht nicht mir komplexen Themen befassen. Da muss ja nicht direkt ein persönliches Problem oder so vorliegen.

Dennoch, den Verzicht auf Triggerwarnungen als rückständig zu bezeichnen, halte ich für unnötig wertend. Es ist doch meine Verantwortung, ob ich etwas lese, sehe etc. Und wenn ich Entscheidungshilfe brauche, dann kann ich mir immer noch Rezensionen, Artikel o.ä. ansehen, das ist doch gerade, was eine gute Beratung ausmacht.
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IpsilonZ
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Re: The Panel: Triggerwarning

Beitrag von IpsilonZ »

Finde den Gedanken, man solle sich einfach mit sich selbst auseinandersetzen auch nicht sehr hilfreich. Psychische Krankheiten und Phobien sind real und nicht etwas, das man mit etwas Joggen und Meditation einfach los wird. Menschen die Opfer von Gewaltverbrechen waren oder jahrelangem schweren Druck (Kriegssituationen etc.) ausgesetzt waren, sollte man mMn auch nicht einfach ignorieren.

Ich verstehe auch ehrlich gesagt nicht, warum die Idee, dass man etwas als rückständig bezeichnet gleich was schlechtes ist. Das machen wir im Gameplay-Bereich doch genau so. Oder im grafischen Bereich etc. Man könnte Spiele für weitaus mehr Menschen zugänglich machen, ohne dass man bei ihnen Panik, Krampfanfälle etc. auslöst.

Meinem Eindruck nach gings im Podcast auch nur um die Bewusstmachung der Möglichkeiten. Weil viele Studios noch ziemlich blind zu sein scheinen, was diese Probleme angeht. Eine öffentliche Diskussion über diese Dinge kann dann nämlich durchaus dazu anregen, dass eben gewisse Dinge getan werden. Das hat ja auch in der Vergangenheit schon gut funktioniert.

Ich fand den Vorschlag der gestaffelten Triggerwarnung hier sehr gut. Man könnte es so machen, dass es zum Einstieg nur die klassische Warnung gibt aber dann einen Hinweis, dass man im Menüpunkt XY mehr herausfinden kann. Und dort kann man dann von "enthält Gewalt" bis zu einer mehr detaillierten Beschreibung was passiert sich durchklicken. So können alle die nicht gespoilt werden wollen nicht gespoilt werden und die für die solche Hinweise hilfreich sind können sie sich durchlesen.
Voigt
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Re: The Panel: Triggerwarning

Beitrag von Voigt »

Grundsätzlich finde ich Triggerwarnung erstmal nur als weitere Produktinformation. Und als Freund der freien Informationen, begrüße ich desto mehr frei und direkt verfügbar ist.
Manche Leute wollen nicht gespoilert werden und schaun sich Zeug blind an, ich lese teilweise Wikipediaartikel die den kompletten Plot einer Serie erzählen bevor ich die anschaue. Auch lese ich gerne Produktbeschreibungen und schaue mir Screenshots an falls die verfügbar sind.

Wenn eine Demo zu einem Spiel vorhanden ist desto besser. Daher im selben Zug sehe ich Triggerwarnung, die sind erstmal einfach nur eine weitere Information zum Produkt, so sehe ich dann auch Epilepsi Warnungen. (Die Qualität in der Präzession dieser Warnungen sei mal dahingestellt.)

Ich habe daher auch nix gegen den Wunsch von Leuten dass Triggerwarnungen als Information besser verfügbar sind, die können ja dann selber entscheiden wie die mit der Info umgehen.
Wo ich leicht abgeneigt bin sind aggressive Forderungen, aber sowas ist einfach erstmal nur der Ton bei Twitter Konversationen oder so ein Kram, hat aber nich groß was mit dem grundliegenden Anlegen zu tun.
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Dwarf Vader
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Re: The Panel: Triggerwarning

Beitrag von Dwarf Vader »

Maxi hat geschrieben: 30. Dez 2020, 16:31
Dwarf Vader hat geschrieben: 30. Dez 2020, 15:37 Es gibt kein Recht darauf, nicht verletzt zu werden. Wenn mich etwas triggert sollte imho der erste Impuls sein, mich mit mir selbst auseinanderzusetzen. Ein Trigger ist letztlich Ausdruck einer persönlichen, emotionalen Schwäche, also eines persönlichen Problems. Und es ist imho immer sinnvoller da anzusetzen, als bei der Forderung, die Welt müsse darauf Rücksicht nehmen.
Ich stimme weitestgehend zu, bis auf die letzten beiden Sätze. Der Wunsch nach einer Triggerwarnung muss mMn nicht Ausdruck einer Schwäche oder eines Problems sein (ich störe mich hier an den Begrifflichkeiten). Es kann auch einfach ein Ausdruck oder Wunsch nach einer Nicht-Thematisierung eines bestimmten Gegenstands sein. Zum Beispiel möchte man sich nach einem stressigen Tag vielleicht nicht mir komplexen Themen befassen. Da muss ja nicht direkt ein persönliches Problem oder so vorliegen.
Gemeint habe ich hier "triggern" im engeren Sinne, also Trigger als Auslöser für einen emotionalen Vorgang oder Zustand der in seiner persönlichen Belastung über das normal Erwartbare hinausgeht. Quasi den persönlichen "wunden Punkt". Also im schlimmsten Fall den Bezug auf ein Trauma.
"Schwäche" und "Problem" waren an dieser Stelle nicht abwertend (bzw. gar nicht wertend sondern rein deskriptiv) gegenüber Betroffenen gemeint.
Wenn mich ein Thema deutlich stärker emotional belastet als den Durchschnitt, liegen die Gründe imho i.d.R. dafür bei mir. Das heißt nicht, dass ich verantwortlich für meine Sensibilität oder, (schlimmstenfalls) mein Trauma bin, das wäre ja auch absurd.
Es bedeutet aber, dass meine Reaktion mein "Problem" (hier wieder deskriptiv, nicht wertend und because of lack of a better word) ist, nicht der Auslöser.
Und m.M.n (und hier geht es wieder um persönliche Überzeugung, letztlich um Ideologie die ich immer zum Diskurs stelle) wäre die beste Reaktion darauf die Arbeit mit der eigenen Person, nicht die politische Auseinandersetzung mit dem Auslöser.
Und hier ist es gleichgültig ob der Ruf nach Triggerwarnungen dabei helfen soll, die Konfrontation zu vermeiden oder sie nur erwartbarer machen soll.
Es ist letztlich die Erwartung, dass Kommunikation Rücksicht auf meine persönliche seelische Verfassung nehmen muss. Und das ist eine Erwartung die außerhalb des persönlichen Umfeldes und außerhalb einer Therapie, also in einem großen öffentlichen Kontext immer enttäuscht werden wird.
Eine imho sinnvolle politische Forderung in diesem Kontext wäre die Forderung nach mehr Therapieplätzen und mehr Zugänglichkeit.


Der erweiterte Kontext, nämlich das Triggerwarnungen auch als einfache Konsumhilfe dienen können, um Konsumeinheiten dem temporären Geschmack oder der persönlichen tagesabhängigen Verfassung anzupassen ohne das eine grundsätzliche Sensibilität vorliegt, halte ich als politische Forderung bezogen auf künstlerische Inhalte grundsätzlich für indiskutabel. Und zwar weil dann Konsumierbarkeit als Maßstab angelegt wird. Es wäre eine nachvollziehbare und absolut legitime Vertriebsentscheidung (nämlich klassischer Produktservice), aber aus einer Kritikerperspektive danach zu rufen erschließt sich mir nicht.
skade
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Re: The Panel: Triggerwarning

Beitrag von skade »

Dwarf Vader hat geschrieben: 30. Dez 2020, 15:37 Es gibt kein Recht darauf, nicht verletzt zu werden.
Das sieht die Charta der Menschenrechte der EU anders: https://fra.europa.eu/de/eu-charter/art ... rsehrtheit
Es besteht durchaus ein Recht darauf, nicht verletzt zu werden und ein nicht ganz kleiner Teil des Strafrechts basiert darauf.

Es ist praktisch nicht _möglich_, jede Art von Verletzung zu verhindern, aber es ist möglich, Leid zu verhindern. Das Konzept nennt sich Harm Reduction: https://en.wikipedia.org/wiki/Harm_reduction
Maxi hat geschrieben: 30. Dez 2020, 16:31
Dwarf Vader hat geschrieben: 30. Dez 2020, 15:37 Es gibt kein Recht darauf, nicht verletzt zu werden. Wenn mich etwas triggert sollte imho der erste Impuls sein, mich mit mir selbst auseinanderzusetzen. Ein Trigger ist letztlich Ausdruck einer persönlichen, emotionalen Schwäche, also eines persönlichen Problems. Und es ist imho immer sinnvoller da anzusetzen, als bei der Forderung, die Welt müsse darauf Rücksicht nehmen.
Ich stimme weitestgehend zu, bis auf die letzten beiden Sätze. Der Wunsch nach einer Triggerwarnung muss mMn nicht Ausdruck einer Schwäche oder eines Problems sein (ich störe mich hier an den Begrifflichkeiten). Es kann auch einfach ein Ausdruck oder Wunsch nach einer Nicht-Thematisierung eines bestimmten Gegenstands sein. Zum Beispiel möchte man sich nach einem stressigen Tag vielleicht nicht mir komplexen Themen befassen. Da muss ja nicht direkt ein persönliches Problem oder so vorliegen.
Eine Anmerkung dazu: es wird im Podcast explizit gesagt, dass wir nicht von "komplex" reden, sondern von "löst mitunter physische Reaktionen und schlimmeres aus". Vielen Leuten ist der Unterschied zwischen einer starken emotionalen Reaktion und z.B. einer Panikattacke nicht bewusst - auch das wird im Podcast angesprochen.
Dennoch, den Verzicht auf Triggerwarnungen als rückständig zu bezeichnen, halte ich für unnötig wertend. Es ist doch meine Verantwortung, ob ich etwas lese, sehe etc. Und wenn ich Entscheidungshilfe brauche, dann kann ich mir immer noch Rezensionen, Artikel o.ä. ansehen, das ist doch gerade, was eine gute Beratung ausmacht.
Das macht es sich zu einfach. Rezensionen lassen aber solche Themen genauso aus wie die Hersteller und im Podcast wird sehr genau ausdifferenziert, warum der Ansatz, das Material im nachhinein zu sichten nicht funktioniert.

Ganz konkret finden solche Sichtungen ja auf Herstellerseite durchaus statt (nämlich im Bezug auf Gewalt, Drogengebrauch, etc. je nach Rechtsrahmen). Das muss mitunter fein dokumentiert werden. Es gibt dafür Prozesse. Ich hab mal beim Schneiden von Fernsehserien fürs Deutsche Vorabendprogramm zugeschaut, das wird teilweise recht detailliert gemacht. Warum sollte das im Bereich, der die geistige Gesundheit betrifft, anders sein? Insofern ist "rückständig" natürlich wertend, aber durchaus legitim, wenn man betrachtet, dass das Konzept "Contentdokumentation" nicht gerade neu ist.

Was der Podcast auch sehr gut herausarbeitet: Es geht hier um einen Informationskanal für ein Unterhaltungsmedium. Und es ist ja durchaus so, dass solche Medien auch von Betroffenen konsumiert werden: aber halt nur, wenn sie in der Stimmung sind.

Ich möchte mal noch eine andere Dimension aufmachen und die Diskussion etwas konkretisieren: Das Thema Triggerwarnungen schneidet sich mit Themen, die häufig eh verschwiegen werden. Über Suiziderfahrungen z.B. wird kaum offen geredet. Trotzdem ist es ein Thema, das gerne als "trope" verwendet wird und man selbst im heiteren Fach mit Tod und Suiziden plötzlich konfrontiert werden kann. Sogar in der Allgemeinsprache sind Anspielungen normal. Trotzdem sind suizidale Menschen oder solche, die Angehörige verloren haben, sehr isoliert und üblicherweise schweigsam darüber - gerade, weil die meisten ohne diese Erfahrungen da eh nichts beitragen zu haben. Dazu dürfen wir auch nicht vergessen, dass diese Diskussion selten den Aspekt betrachtet, dass solche Erfahrungen halt irgendwann gemacht werden und dann erstmal verarbeitet werden müssen - wenn aber jeder Konsum von Medien zum potentiellen mentalen Minenfeld wird, fehlt den Menschen dann ein Beruhigungskanal. Das heisst insbesondere, dass die Notwendigkeit von Warnungen mit der Zeit abklingen wird. Wir würden keinenfalls erwarten, dass jemand mit einer physischen Verletzung mit uns sofort wieder Fussball spielt - warum sollte das in solchen Situationen anders sein?

Was ich damit sagen will: Triggerwarnungen können auf vielen Ebenen hilfreich sein, und auch das wird im Podcast gut hervorgehoben - sie geben dem Individuum die Entscheidungsmacht zurück. Und da haben Dritte auch tunlichst den Mund zu halten, denn sie wissen nicht, in welcher Phase der Verarbeitung sich einer Person gerade befindet.

Ein weiteres Problem mit generell verschwiegenen Themen ist, das es schwer ist, herauszufinden, wer aus Erfahrung spricht und wer nicht. Das entwurzelt die Diskussion, weil sie nur auf einer Metaebene stattfindet.
Wo ich leicht abgeneigt bin sind aggressive Forderungen, aber sowas ist einfach erstmal nur der Ton bei Twitter Konversationen oder so ein Kram, hat aber nich groß was mit dem grundliegenden Anlegen zu tun.
Ich möchte hier anmerken, dass einer aggressiven Forderung durchaus häufig schlechte Erfahrungen mit freundlichen Forderungen vorhergeht. Twitter hat die Angewohnheit, dass wir nur Momentaufnahmen sehen. Ich habs schon mehrfach erwähnt: ich mach Community Management für ein grosses offenes Projekt und hab mir zur Angewohnheit gemacht, bei solchen Sachen direkt das Gespräch zu suchen. Meistens steckt da eine lange Historie von durchaus kollaborativen Versuchen dahinter, etwas kooperativ zu verändern. Es gibt die Gruppe der Leute, die einfach nur für den Zoff da sind, aber die erkennt man normalerweise recht schnell.
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Golmo
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Re: The Panel: Triggerwarning

Beitrag von Golmo »

Ich kapiers einfach nicht. Wer kauft den heute noch Spiele blind? Ich meine selbst das Cover gibt meist schon einen Ausblick worum es geht. Spätestens nach 10min Internet weiss man genauer Bescheid.

Und was nützt die Triggerwarnung vor Spielstart wenn ich es dann bei den meisten Plattformen / Händlern eh nicht zurückgeben kann?

Wie konnte die Menschheit Tausende von Jahren ohne Triggerwarnung exisiteren? Weils vielleicht kompletter Schwachsinn und vollkommen unnötig ist? Nur so ne Idee....
skade
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Re: The Panel: Triggerwarning

Beitrag von skade »

Golmo hat geschrieben: 30. Dez 2020, 17:51 Ich kapiers einfach nicht. Wer kauft den heute noch Spiele blind? Ich meine selbst das Cover gibt meist schon einen Ausblick worum es geht. Spätestens nach 10min Internet weiss man genauer Bescheid.
Würde ich wiedersprechen: zu den wenigsten Spielen gibts detaillierte Besprechungen, gerade im Bezug auf Storyinhalt. Und warum 10 Minuten Sekundärquellen recherchieren, wenns mir die Primärquelle in 10 Sekunden sagen kann?
Und was nützt die Triggerwarnung vor Spielstart wenn ich es dann bei den meisten Plattformen / Händlern eh nicht zurückgeben kann?
Rückgabe innerhalb von 2 Stunden ist heutzutage normal. Im Podcast werden auch Contentinformationen auf den Store-Seiten angesprochen, die es schon gibt. Und wie auch in der Diskussion angesprochen kann die Reaktion ja sein "heute abend nicht".
Wie konnte die Menschheit Tausende von Jahren ohne Triggerwarnung exisiteren? Weils vielleicht kompletter Schwachsinn und vollkommen unnötig ist? Nur so ne Idee....
Hm, die tausend Jahre, in denen die heutige Medienschwemme und Landschaft existiert?

Und in diesen tausend Jahren war es auch schon total usus, z.B. gegenüber Kriegsveteranen nicht über Kriegsthemen zu sprechen. Und eventuell die Kinderrevolver wegzupacken, wen Opa kommt. Nicht überall, weil Opa vielleicht doch kein Problem damit hatte, aber an manchen Stellen schon. Mein einer Opa hat ein Auge durch ne Leuchtkugel verloren, mein anderen einen Durchschuss durch die Hand - die haben sich das sehr verbeten, in ihrer Anwesenheit bestimmte Themen anzuschneiden und haben auch genau geschaut, was heute Abend im Ersten läuft. Das ist kein neues Konzept.

Dinge gleich mal als "Schwachsinn" abzutun, ist irgendwie kein guter Diskussionbeitrag.
Kastanienkind
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Re: The Panel: Triggerwarning

Beitrag von Kastanienkind »

Erstmal danke für den spannenden Podcast und die unterschiedlichen Perspektiven zum Thema! Ein paar Fragen hatte ich am Ende aber immer noch: Ganz zentral stellt sich mir die Frage, ob es denn wirklich Sinn macht, die Triggerwarnungen im Spiel selbst zu erwarten, oder ob diese Ansätze aus der Community, von denen ihr auch gesprochen habt, nicht eine bessere Lösung wären. Hier müssten natürlich alle größeren Entwickler mit entsprechenden Plattformen zusammenarbeiten und das ganze müsste sich in Folge dessen auch so professionalisieren und institutionalisieren, dass man als Spieler:in weiß, woran man sich wenden muss. Spiele könnten dann immer noch eine Verlinkung zur entsprechenden Website bereitstellen, müssten sich aber nicht individuell um eine Integration der Triggerwarnungen kümmern.

Warum ich diese Form besser fände, hat mit meinem zweiten Fragezeichen zu tun, das ich beim Hören hatte. Und zwar bin ich mir nicht ganz sicher, ob es sich bei der von euch besprochenen Form von Triggerwarnungen in Spielen um die Vermeidung, oder die Möglichkeit eines bewussteren Konsums von womöglich schwierigen Inhalten geht. An einem Punkt sprecht ihr darüber, dass ihr nicht davon ausgeht, dass Menschen aufgrund von Triggerwarnungen großflächig davon abrücken würden, entsprechende Spiele zu kaufen oder überhaupt zu spielen. Aber wäre nicht genau das der Punkt?

Wenn ich ein Traumata erlebt habe und es mit einem Trigger verbinde, dann ist meine natürliche Reaktion doch die Vermeidung dieses Triggers. Der Kriegsrückkehrer mit PTSD steht das Silvestergeböller ja auch nicht unbedingt besser durch, nur weil er weiß, dass am 31. wieder alle mit ihren Raketen rumschießen. Wenn mir ein Spiel unterkommt, das diesen Trigger beinhaltet, dann werde ich es sicher nicht spielen. Im Idealfall weiß ich das schon vor dem Kauf, und nicht erst nachdem ich die 70 Euro investiert habe. Anders ist das natürlich, wenn man generell von "content warning" spricht, also Warnungen vor Inhalten, die zwar nicht unbedingt eine akute psychologische Reaktion durch einen Trigger hervorrufen, aber die manche Menschen belasten und viel mehr Kraft kosten, und die deswegen bewusster vermieden oder nur in bestimmten Gefühlslagen konsumiert werden. Irgendwie werden beide Aspekte dieses Problems im Podcast nicht ganz klar voneinander getrennt. Zumindest meinem Bauchgefühl nach, sind das schon zwei unterschiedliche Dinge.

Ansonsten hätte es der Runde vielleicht nicht geschadet, noch eine Person dazu zu holen, die eine etwas andere Meinung vertritt, das hätte wahrscheinlich noch ein wenig mehr Pepp in die Diskussion gebracht. Ansonsten fänd ich es toll, wenn ihr an dem Thema dranbleibt! Gerade die psychologische Perspektive kam mir in dieser Folge leider ein wenig zu kurz, ein deep dive in all die Studien, die tatsächlich zum Thema existieren, wäre echt fantastisch.
Zuletzt geändert von Kastanienkind am 30. Dez 2020, 22:25, insgesamt 1-mal geändert.
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Golmo
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Re: The Panel: Triggerwarning

Beitrag von Golmo »

Also z.B. Last of Us 2. Was will man da alles als Triggerwarnungen reinschreiben?
Muss ich, der sowas nicht braucht, dann 10min Meldungen & Warnungen wegklicken nur weil sich 0,02 % der Welt von Aktionen in einem Computerspiel (!) "getriggert" fühlen?
Voigt
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Re: The Panel: Triggerwarning

Beitrag von Voigt »

Relativ simpel: Dieses Spiel hat mehrere Themen die bestehende Trauma auslösen können.
Wenn du mehr erfahren möchtest, welche das sdi, können, klicke hier und les darüber in den Spieloptionen in diesem Menü.
Zum Fortfahren klicke hingegen hier.

Auf Shopseiten halt dann eine aufklappbare Tabelle/Box. Ähnlich wie Steam das etwa für Early Access Titel macht oder für die Liste von Steam Features (Achievment, Controllerunterstützung, Sprachen)
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Golmo
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Re: The Panel: Triggerwarning

Beitrag von Golmo »

Voigt hat geschrieben: 30. Dez 2020, 18:36 Relativ simpel: Dieses Spiel hat mehrere Themen die bestehende Trauma auslösen können.
Wenn du mehr erfahren möchtest, welche das sdi, können, klicke hier und les darüber in den Spieloptionen in diesem Menü.
Zum Fortfahren klicke hingegen hier.

Auf Shopseiten halt dann eine aufklappbare Tabelle/Box. Ähnlich wie Steam das etwa für Early Access Titel macht oder für die Liste von Steam Features (Achievment, Controllerunterstützung, Sprachen)
Wäre LGBT im Spiel dann auch eine Triggerwarnung?
Was wenn sich diese Gruppe dann beschwert das deren Sexualität in einem Spiel als Triggerwarnung erwähnt wird?
Und schon haben wir mehr Probleme als vorher ohne Triggerwarnungen.
skade
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Re: The Panel: Triggerwarning

Beitrag von skade »

Golmo hat geschrieben: 30. Dez 2020, 18:30 Also z.B. Last of Us 2. Was will man da alles als Triggerwarnungen reinschreiben?
Muss ich, der sowas nicht braucht, dann 10min Meldungen & Warnungen wegklicken nur weil sich 0,02 % der Welt von Aktionen in einem Computerspiel (!) "getriggert" fühlen?
Wurde im Podcast alles angesprochen, inklusive des "getriggert" memes. Zum Beispiel, dass sich Warnungen ins Menü schreiben lassen und wer will, klickt rein. Fertig.
Golmo hat geschrieben: 30. Dez 2020, 18:46 Wäre LGBT im Spiel dann auch eine Triggerwarnung?
Was wenn sich diese Gruppe dann beschwert das deren Sexualität in einem Spiel als Triggerwarnung erwähnt wird?
Und schon haben wir mehr Probleme als vorher ohne Triggerwarnungen.
Diese Themen sind keine Themen, auf die der "Trigger"-Begriff passt - nochmal konkret, wir reden hier über Stresssymptome bis hin zu Panikattacken. "Unwohlsein" und "Ärger" fallen da nicht drunter. Du konstruierst hier ein Problem.
eXodus
Beiträge: 200
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Re: The Panel: Triggerwarning

Beitrag von eXodus »

Ein sehr guter Podcast, gut moderiert und tolle Gäste. Merci!

Nach dem Hören der Folge bin ich ehrlich gesagt ziemlich baff, wie vehement sich ein Teil der Diskutanten hier gegen Triggerwarnungen positioniert.
Wie bei vielen Veränderungen und Entscheidungen halte ich es natürlich für ganz wichtig, abzuwägen, welches Gut wir auf welche Art und Weise gewichten. Die Kunst sehe ich tatsächlich in ihrer Freiheit wenig bedroht, wenn im Startmenü eines Spiels ein Unterpunkt "TRIGGER WARNINGS" oder "TRIGGER INFORMATION" neben den Grafiksettings steht.
Auf der anderen Seite könnte man die Kunst mit diesem recht einfachen Kniff für eine Vielzahl von Menschen "accessible" machen, die sonst mit großer Angst oder Vorsicht konsumieren müssten. Allen anderen Spielern ist damit doch genau nichts genommen, für viele Randgruppen bedeutet es Inklusion.

Ich möchte an dieser Stelle übrigens auch nochmal wiederholen, was aus berufenem Munde (dem Podcast) und auch hier im Thread auch schon geschrieben wurde, scheinbar, weil es immer noch nicht oft genug gesagt wurde:

Ein Trigger ist kein Auslöser für einen "wunden Punkt". Es dreht sich nicht um eine oder zwei Standardabweichungen vom Mittelwert. Auf einen Trigger folgt eine psychophysiologische Extremsituation, die sich am rechten/linken Rand der Gauß'schen Normalverteilungskurve befindet.

Vielleicht noch zu dem Argument, dass der Käufer ja anhand des Covers wisse, was ihn erwartet. Wer ein Modern Warfare kauft, weiß anhand des Covers nicht, dass dort eventuell gefoltert wird oder ein Flughafen voller Zivilisten aus Ego-Perspektive umgenietet wird.
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HerrReineke
Archduke of Banhammer
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Re: The Panel: Triggerwarning

Beitrag von HerrReineke »

Erstmal vielen Dank an die Beteiligten für den tollen Podcast. Fand ihn sehr interessant zu hören :clap:
Golmo hat geschrieben: 30. Dez 2020, 18:30 "getriggert" fühlen?
In dem Podcast wurde ja einleitend sehr umfangreich besprochen, dass es genau um das ja gerade nicht - oder jedenfalls nur als zusätzlicher positiver Nebeneffekt - geht. Dass Triggerwarnungen auch für solche Leute hilfreich sein können, die Themen / Darstellungen vermeiden wollen, mit denen sie sich nicht auseinandersetzen wollen. Aber "trigger" meint ja erstmal etwas anderes und deutlich schlimmeres: nicht einfach ein bloßes "Gefühl", sondern Auslöser handfester psychischer und physischer Leiden (Krankheiten). Und warum man dagegen sein sollte, dass Menschen in die Lage versetzt werden Computerpiele (oder andere Medien) zu konsumieren, ohne sich der Gefahr von ihnen bekannten Krankheitsauslösern aussetzen zu müssen, kann ich nicht ganz nachvollziehen :think:

Wie ebenfalls angesprochen: Wie eine Best-Practice aussehen könnte ist noch im Fluss, aber kaskadierend konkreter werdende Warnungen, die man auch einfach von Beginn an mit einem kurzen Klick ausblenden und nie mehr ansehen muss oder sogar aktiv auswählen müsste, um sie überhaupt angezeigt zu bekommen... Fände ich persönlich jetzt deutlich weniger nervig als das zehnte Logo im nicht überspringbaren Vorspann :lol:
Quis leget haec?
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Wudan
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Re: The Panel: Triggerwarning

Beitrag von Wudan »

Golmo hat geschrieben: 30. Dez 2020, 18:30 Also z.B. Last of Us 2. Was will man da alles als Triggerwarnungen reinschreiben?
Muss ich, der sowas nicht braucht, dann 10min Meldungen & Warnungen wegklicken nur weil sich 0,02 % der Welt von Aktionen in einem Computerspiel (!) "getriggert" fühlen?
Ich finde so eine Einstellung relativ ignorant. Gerade wenn Auswirkunngen wie epileptische Anfälle etc im Raum stehen, find ich es durchaus wichtig, selbst wenn es nur 0,02% sind. Es sind ja auch ausserdem keine "10min Warnung wegklicken", sondern meistens höchstens 2-3 Klicks. Was ist daran so schlimm? Gerade wenn dadurch entsprechende Personen geschützt werden? Erinnert mich bisschen an die Maskendiskussion aber lassen wir das.

Ich ganz persönlich wäre zum Beispiel dankbar für Spinnen-Warnungen^^ Ich bin derart arachnophob das ich entsprechende Spiele einfach nicht spielen kann. Ich hätte auch Skyrim nicht spielen können, wären da nicht Mods die die Spinnen entfernen. Ich krieg auch schon bei Ori and the Will of the Whisps einen Horror bei dieser Riesenspinne. Also das wäre schon was, wofür ich ein Spiel wahrscheinlich nicht kaufen würde wenn ich eine entsprechende Warnung lese, zumindest nicht ohne vorher zu checken ob man das rausmodden kann.
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Jessica (BTS)
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Registriert: 30. Dez 2020, 10:05

Re: The Panel: Triggerwarning

Beitrag von Jessica (BTS) »

Ich finde es wichtig, dass hier immer wieder betont wird, dass es in erster Linie um starke psychologische / psycho-physiologische Reaktionen geht. Auch wurden im Podcast und bereits hier schon viele mögliche Wege aufgezeigt, wie Warnungen möglichst für alle verträglich eingebaut werden können, da will ich jetzt nix mehr zu schreiben.

Wozu ich aber was einbringen kann: ich bin auch Psychologin und ich arbeite psychotherapeutisch. Ich arbeite mit zum Teil schwer traumatisierten Menschen. Diese Leute haben Dinge erlebt, die sich viele Menschen nicht mal vorstellen können. Wenn solche Leute getriggert werden, ist das was VÖLLIG anderes als "getriggert" im Sinne von Memes.
Wir reden hier von heftigsten Reaktionen, die von Panikattacken bis zu völliger Dissoziation (inneres Kopfkino / Chaos / Horrofilm / ... bei gleichzeitig äußerem Erstarrtsein, kein Ansprechen mehr auf Reize, ...) führen können. Es können Flashbacks auftreten. Flashbacks von Dingen, die wir uns nicht mal vorstellen wollen, weil sie so schrecklich sind. Jedes Flashback ist eine erneute Traumatisierung.

Oder Suizidgedanken können aufpoppen. Nicht bei jedem Game weiß man im Vorfeld, ob das Thema Suizid vorkommt. Für viele meiner Patient*innen waren Games total hilfreich in suizidalen Krisen, weil sie Ablenkung geboten haben. Ich bin total für Gaming bei Krisen, weil es einfach stabilisieren kann. Aber manchmal habe ich schon echt Sorge gehabt, dass jemand unwissentlich an ein Spiel gerät, das genau diese Gedanken nochmal verstärkt.

Nun wurde hier eingebracht und man hört es auch sonst immer wieder, dass diese Leute "halt in Therapie gehen" sollen, sich mit ihren Problemen auseinander setzen sollen usw.
Es ist ja schön, dass der Psychotherapie so großartige Erfolge zugetraut werden, aber... so läuft es halt nicht. Menschen, die schwer und nachhaltig traumatisiert sind (und das sind leider sehr viel mehr, als wir denken), sind auch nach Jahren (!) Psychotherapie mitunter höchstens so halb stabil. Natürlich variiert das von Fall zu Fall und ist von extrem vielen Faktoren abhängig, weswegen man auch hier wieder nicht pauschalisieren kann. Aber: eine Psychotherapie ist never ein Zaubermittel, das man mal kurz anwendet und dann ist alles wieder wie davor. In den Therapien geht es darum, mit dem Trauma leben zu lernen. Möglichkeiten zu finden, das Leben zu gestalten, Triggern aus dem Weg zu gehen (!!), Flashbacks zu reduzieren / bestenfalls loszuwerden, wieder handlungsfähig zu werden, Strategien in Krisen zu entwickeln usw.

Und um den Triggern aus dem Weg zu gehen, ist eine Information über Inhalte – in welcher Form und an welcher Stelle auch immer, hauptsache zugänglich – extrem wichtig.

Wir haben hier sicher ALLE Menschen im Freundes- oder zumindest Bekanntenkreis, die traumatisiert sind. Viele davon vielleicht auch triggerbar. Nur schweigen die allermeisten Menschen darüber, aus Scham und Angst, stigmatisiert zu werden.
"Gibt es Explosionen?" - "Nein." - "Meh."

Eine der Stimmen des Behind the Screens-Podcasts zu Games & Psychologie
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Dwarf Vader
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Re: The Panel: Triggerwarning

Beitrag von Dwarf Vader »

HerrReineke hat geschrieben: 30. Dez 2020, 19:05 EUnd warum man dagegen sein sollte, dass Menschen in die Lage versetzt werden Computerpiele (oder andere Medien) zu konsumieren, ohne sich der Gefahr von ihnen bekannten Krankheitsauslösern aussetzen zu müssen, kann ich nicht ganz nachvollziehen :think:

Also ich persönlich habe, wie schon vorher geschrieben, absolut nichts gegen Triggerwarnungen.
Mir ist es auch egal ob die Wissenschaft diesbezüglich positive Effekte beschreibt. Es genügt, dass Menschen Triggerwarnungen als für sie hilfreich artikulieren um sie zu legitimieren.

Ich halte es nur für wichtig die Entscheidung darüber den content creators zu überlassen, weil ich die politische Forderung nach Triggerwarnungen (aus bereits beschriebenen Gründen) ablehne.

Und diesbezüglich fand ich das Panel sehr eindimensional besetzt. Es wurde sehr schnell deutlich, dass alle Beteiligten Triggerwarnungen als absolut notwendig betrachten, es als rückständig betrachten wenn sich Teams der Thematik entziehen und Gegenstimmen als regressive Hindernisse empfinden die es zu überwinden gilt.

Wenn ein Team das intern für sich formuliert ist das ja völlig in Ordnung. Wenn ein journalistisches Panel das als moralisch gebotene, politische Forderung in die Welt trägt, finde ich das schwierig. Es zwingt Künstler sich dazu zu verhalten, weil es bereits als politische Position verstanden wird sich dem Thema zu entziehen.
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Maxi
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Re: The Panel: Triggerwarning

Beitrag von Maxi »

Dwarf Vader hat geschrieben: 30. Dez 2020, 17:46 (...) Und hier ist es gleichgültig ob der Ruf nach Triggerwarnungen dabei helfen soll, die Konfrontation zu vermeiden oder sie nur erwartbarer machen soll.
Es ist letztlich die Erwartung, dass Kommunikation Rücksicht auf meine persönliche seelische Verfassung nehmen muss. Und das ist eine Erwartung die außerhalb des persönlichen Umfeldes und außerhalb einer Therapie, also in einem großen öffentlichen Kontext immer enttäuscht werden wird.
Eine imho sinnvolle politische Forderung in diesem Kontext wäre die Forderung nach mehr Therapieplätzen und mehr Zugänglichkeit.
Danke für die Ausführung, dem würde ich mich so anschließen. :)
Der erweiterte Kontext, nämlich das Triggerwarnungen auch als einfache Konsumhilfe dienen können, um Konsumeinheiten dem temporären Geschmack oder der persönlichen tagesabhängigen Verfassung anzupassen ohne das eine grundsätzliche Sensibilität vorliegt, halte ich als politische Forderung bezogen auf künstlerische Inhalte grundsätzlich für indiskutabel. Und zwar weil dann Konsumierbarkeit als Maßstab angelegt wird. Es wäre eine nachvollziehbare und absolut legitime Vertriebsentscheidung (nämlich klassischer Produktservice), aber aus einer Kritikerperspektive danach zu rufen erschließt sich mir nicht.
Ich wollte damit keineswegs eine Forderung aufstellen, sondern nur auf eine hilfreiche Möglichkeit der Einordnung für die Rezipienten hinweisen. Es wäre hilfreich, aber es ist in diesem Kontext keineswegs ein Muss. Die Kritikerperspektive könnte das ja zum Beispiel erwähnen, wenn dies vorher nicht getan wurde. Das würde mir bei meiner Entscheidungsfindung vermutlich helfen.

skade hat geschrieben: 30. Dez 2020, 17:48 Eine Anmerkung dazu: es wird im Podcast explizit gesagt, dass wir nicht von "komplex" reden, sondern von "löst mitunter physische Reaktionen und schlimmeres aus". Vielen Leuten ist der Unterschied zwischen einer starken emotionalen Reaktion und z.B. einer Panikattacke nicht bewusst - auch das wird im Podcast angesprochen.
Stimmt, dem wollte ich auch nicht widersprechen. Cyberpunk hat ja gerade mit der Nachlässigkeit im Bezug auf Epilepsie ein gutes Beispiel geliefert.
Das macht es sich zu einfach. Rezensionen lassen aber solche Themen genauso aus wie die Hersteller und im Podcast wird sehr genau ausdifferenziert, warum der Ansatz, das Material im nachhinein zu sichten nicht funktioniert.

Ganz konkret finden solche Sichtungen ja auf Herstellerseite durchaus statt (nämlich im Bezug auf Gewalt, Drogengebrauch, etc. je nach Rechtsrahmen). Das muss mitunter fein dokumentiert werden. Es gibt dafür Prozesse. Ich hab mal beim Schneiden von Fernsehserien fürs Deutsche Vorabendprogramm zugeschaut, das wird teilweise recht detailliert gemacht. Warum sollte das im Bereich, der die geistige Gesundheit betrifft, anders sein? Insofern ist "rückständig" natürlich wertend, aber durchaus legitim, wenn man betrachtet, dass das Konzept "Contentdokumentation" nicht gerade neu ist.

Was der Podcast auch sehr gut herausarbeitet: Es geht hier um einen Informationskanal für ein Unterhaltungsmedium. Und es ist ja durchaus so, dass solche Medien auch von Betroffenen konsumiert werden: aber halt nur, wenn sie in der Stimmung sind.


Das finde ich ja auch sehr gut, ich finde es nur problematisch, wenn in diese Diskussion gesellschaftspolitische Themen einfließen, weil da die Grenzen sehr schnell sehr diffus werden. Und in diesem Fall wird eine andere Meinung als "rückständig" abgetan, was durchaus keine legitime Argumentation ist. Auch ist es natürlich ein Unterschied, ob wir über einen Informationskanal für ein Unterhaltungsmedium reden, oder über ein Kunstprodukt beispielsweise. Aber ich finde die aufgemachte Dimension wirklich sehr interessant:
Ich möchte mal noch eine andere Dimension aufmachen und die Diskussion etwas konkretisieren: Das Thema Triggerwarnungen schneidet sich mit Themen, die häufig eh verschwiegen werden. Über Suiziderfahrungen z.B. wird kaum offen geredet. Trotzdem ist es ein Thema, das gerne als "trope" verwendet wird und man selbst im heiteren Fach mit Tod und Suiziden plötzlich konfrontiert werden kann. Sogar in der Allgemeinsprache sind Anspielungen normal. Trotzdem sind suizidale Menschen oder solche, die Angehörige verloren haben, sehr isoliert und üblicherweise schweigsam darüber - gerade, weil die meisten ohne diese Erfahrungen da eh nichts beitragen zu haben. Dazu dürfen wir auch nicht vergessen, dass diese Diskussion selten den Aspekt betrachtet, dass solche Erfahrungen halt irgendwann gemacht werden und dann erstmal verarbeitet werden müssen - wenn aber jeder Konsum von Medien zum potentiellen mentalen Minenfeld wird, fehlt den Menschen dann ein Beruhigungskanal. Das heisst insbesondere, dass die Notwendigkeit von Warnungen mit der Zeit abklingen wird. Wir würden keinenfalls erwarten, dass jemand mit einer physischen Verletzung mit uns sofort wieder Fussball spielt - warum sollte das in solchen Situationen anders sein?
Das Beispiel ist so interessant, weil es ja, genau wie du sagst, die Themen verschneidet. Die Wahrheit ist aber auch, dass unter Triggerwarnungen weit weniger schwerwiegende Themen besprochen werden und sich über allerhand beschwert wird.
Wenn nun beispielsweise eine Spielefirma die besonders ernsten Themen nicht entsprechend achtet, ist das mMn bestenfalls nachlässig, schlimmstenfalls ignorant oder sogar bewusst provozierend. Aber: Niemand zwingt zum Konsum. Es stimmt, dieses Minenfeld existiert und die Antwort wäre Medienkompetenz. Beruhigungskanäle können gesucht werden, aber ich kann nicht immer Rüchsichtnahme erwarten. Es wäre schön, ja, aber Eigenverantwortung kann nicht immer abgewälzt, und sich anschließend über zu wenig Rücksichtnahme beschwert werden.
Zugespitzt und mit Sicherheit nicht vollständig: Wenn mich ein Buch interessiert, lese ich den Klappentext. Eventuell lese ich auch noch eine Rezension. Lese ich dann das Buch und mich erwartet dann trotzdem noch ein Thema, mit dem ich mich nicht konfrontieren will, kann ich das Buch zuschlagen. Wieso ist das der Fehler des Schreibenden?
Was ich damit sagen will: Triggerwarnungen können auf vielen Ebenen hilfreich sein, und auch das wird im Podcast gut hervorgehoben - sie geben dem Individuum die Entscheidungsmacht zurück. Und da haben Dritte auch tunlichst den Mund zu halten, denn sie wissen nicht, in welcher Phase der Verarbeitung sich einer Person gerade befindet.
Beziehst du hier auch Kunst mit ein? Ich würde sagen, ja, sie geben Entscheidungsmacht zurück. Aber diese Entscheidungsmacht entsteht auch mit der Medienkompetenz der Individuen, und zwar ohne thematische Eingrenzugen nach gesellschaftlichem Konsens hervorzubringen.
ElFabio
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Re: The Panel: Triggerwarning

Beitrag von ElFabio »

Hmm...ich hab zu dem Thema keine abschließende Meinung.
Was mir aber durch den Kopf geht: Wenn bei Spielen Triggerwarnungen als sinnvoll erachtet werden, müsste dann nicht auch bei Musik auf Youtube eine Triggerwarnung eingeblendet werden? Beispielsweise In Extremo, "Schenk nochmal ein". Schönes, nachdenkliches Lied - aber für jemanden der Alkoholkrank war vielleicht nicht ganz einfach.
Aus Büchern wird man anhand der Klappentexte auch oft nicht schlau was den Inhalt betrifft.
Filme weisen meist nur auf die Altersbeschränkung am Anfang hin.
Wo anfangen? Wo aufhören? Schwierig...
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