The Panel: Triggerwarning

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HerrReineke
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Re: The Panel: Triggerwarning

Beitrag von HerrReineke »

Dwarf Vader hat geschrieben: 1. Jan 2021, 22:25 Packungsbeilagen beziehen sich auf industrielle Produkte.
Ebenso wie Warnhinweise, Gefahrenstoffblätter, Gebrauchsanleitungen etc.
Hier geht es um die Reglemtierung von Ausdrucksformen, also von Kommunikation.
Zum einen sind für mich Computerspiele zwar Kunst, aber - insbesondere, aber längst nicht nur - im AAA-Segment zuvorderst ebenfalls industielle Produkte. Zum anderen sehe ich in der Information über mögliche Trigger auch keine Reglementierung - egal ob von einer Ausdrucksform oder einem industriellen Produkt. Wenn ich als Entwickler_in aus eigenem Antrieb sowas einbaue, dann kann das nach meinem Begriffsverständnis nie eine Reglementierung einer Ausdrucksform sein. Das würde für mich staatlich durchsetzbaren Zwang voraussetzen. Vielleicht war das missverständlich, da ich damit nicht vergleichend sagen wollte, dass ich eine gesetzliche Pflicht zur Triggerwarnung befürworten würde (da habe ich schlicht noch keine abschließende Meinung zu).
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Heretic
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Re: The Panel: Triggerwarning

Beitrag von Heretic »

Rince81 hat geschrieben: 30. Dez 2020, 23:57 Ich verstehe nicht, wo da das Problem ist?
Für eine Freigabe der ESRB muss man Themen angeben, das Mature Rating von Cyberpunk wird begründet mit
Blood and Gore
Intense Violence
Nudity
Strong Language
Strong Sexual Content
Use of Drugs and Alcohol
Da beschwert sich doch auch niemand, dass dies die künstlerische Integrität der Entwickler bedroht, oder?
Bedroht nicht, aber indirekt beeinflusst. Vielleicht beschließt die Chefetage, dass das nächste Cyberpunk etwas zahmer daherkommen muss, um ein anderes Rating zu bekommen, das mehr Umsatz verspricht. Man sieht's ja im Filmbereich an diversen Hollywood-Blockbustern. Man könnte den schwarzen Peter natürlich der Chefetage zuschieben, Stichwort Geldgier. Aber eigentlich ist das ESRB-Rating der Auslöser.

Triggerwarnungen sind für mich eine andere Baustelle. Ich brauche sie nicht, halte sie aber für sinnvoll. Bei jedem Spielstart in einem nicht überspringbaren Splashscreen möchte ich sie aber nicht sehen müssen. Nicht überspringbare Splashscreens triggern mich extremst. :mrgreen:
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Dwarf Vader
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Re: The Panel: Triggerwarning

Beitrag von Dwarf Vader »

Fährmann hat geschrieben: 1. Jan 2021, 22:42
- Nein, Triggerwarnungen bei Videospielen einführen zu wollen bedeutet nicht, dass wir das davor auch für jedes andere literarische Medium durchsprechen müssen
Könntest du bitte begründen, wieso deiner Meinung nach für Computerspiele andere Regelungen gelten sollten, als beispielsweise für Musik oder Filme?
Hättest du einen Erklärungsansatz, wieso Triggerwarnungen als politische Forderung sich für gewöhnlich auf mediale Inhalte allgemein beziehen, wenn du der Meinung bist man müsste das nicht besprechen?
Könntest du mir erklären, wieso der zugrunde liegende moralische Anspruch speziell auf Computerspiele anwendbar ist, auf alle anderen Medien aber nicht?
Fährmann hat geschrieben: 1. Jan 2021, 22:42 - Nein, Triggerwarnungen bei Videospielen einführen zu wollen bedeutet nicht, dass wir unsere grundsätzliche Kommunikation miteinander verändern müssen
Bist du der Meinung, Trigger mit ernsthaften emotionalen Konsequenzen kämen in anderen Kontexten nicht vor?
Oder hälst du eine ähnliche emotionale Belastung hervorgerufen durch einen Vortrag, einen Film, durch ein Konzert etc. für weniger schützenswert?
Fährmann hat geschrieben: 1. Jan 2021, 22:42 - Es bedeutet auch nicht, dass wir noch mehr Inhalte eines Videospiels im Vorfeld angeben müssen als nur die möglicherweise traumatisierenden Trigger
Könntest du "traumatisierende Trigger" bitte konkretisieren?
Also die Krankheiten benennen welche du unter "traumatisierende Trigger" zusammenfasst und wo du die Grenze ziehst, also welche Krankheitsbilder aus der Gruppe "traumatisierende Trigger" für dich rausfallen?
Rigolax
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Re: The Panel: Triggerwarning

Beitrag von Rigolax »

Rigolax hat geschrieben: 1. Jan 2021, 20:46 Jedenfalls glaube ich eigentlich nicht einmal, dass Haidt/Lukianoff es grundsätzlich für verwerflich fänden, wenn schwerst traumatisierte Personen (PTSD, starke Phobien) die Konfrontation mit Triggern zu einem gewissen Grad (zunächst) meiden wollen, um sich stattdessen in kontrollierten Umgebungen, wissentlich/elektiv, damit auseinanderzusetzen und dann folglich diese Traumata annähernd zu überwinden. Weiß ich allerdings grad nicht, ob es solche konkrete Äußerungen von ihnen gibt (hab deren Buch aber gelesen).
In diesem Artikel steht sogar was dazu drin in dieser Richtung, aus ihrer Sicht (hatte den Artikel speziell vorhin nicht nochmal gelesen):
Students who call for trigger warnings may be correct that some of their peers are harboring memories of trauma that could be reactivated by course readings. But they are wrong to try to prevent such reactivations. Students with PTSD should of course get treatment, but they should not try to avoid normal life, with its many opportunities for habituation. Classroom discussions are safe places to be exposed to incidental reminders of trauma (such as the word violate). A discussion of violence is unlikely to be followed by actual violence, so it is a good way to help students change the associations that are causing them discomfort. And they’d better get their habituation done in college, because the world beyond college will be far less willing to accommodate requests for trigger warnings and opt-outs.
In dem Sinne könnte ich mir auch vorstellen, dass Haidt/Lukianoff den "heimischen" Medienkonsum als Art sichere Umgebung einschätzen könnten, ähnlich zu Klassenräumen. Wobei eine Klassenraumsituation schon noch anders wäre, denke ich, und Input ja visuell/akustisch schon anders wirken kann, verglichen wenn es konkret lediglich um Wörter geht, die benutzt werden in Literatur oder Diskussionen/Zitaten etc., was ja eher studientypisch scheint. Außerdem ist man in einer Klassenraumsituation umgegeben von einer Peer-Group, was ja wohl helfen könnte. Na ja, weiß ich nicht ganz sicher, bleibe aber noch bei meiner Vermutung weiter oben, dass sie es zumindest nicht verwerflich fänden, wenn entsprechend belastete Personen zunächst die Vermeidung suchen würden.
Fährmann hat geschrieben: 1. Jan 2021, 22:33
Rigolax hat geschrieben: 1. Jan 2021, 20:46 (Erklärt die These von Jonathan Haidt und Greg Lukianoff)
Vielen Dank für die Ausführungen!
Gerne, dachte mir, wenn ich das Teil schon gelesen habe. Ich find‘s auch eigentlich recht differenziert und nachvollziehbar, was sie so schildern und monieren. Wobei ich, zugegeben, zum Relativismus neige und viele Positionen eigentlich nachvollziehen kann, wenn ich mich darauf einlasse; ich fand ja nicht einmal „White Fragility“ so schlimm, wie’s teils gehalten wird. ;)
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Dwarf Vader
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Re: The Panel: Triggerwarning

Beitrag von Dwarf Vader »

Rince81 hat geschrieben: 30. Dez 2020, 23:57 Ich finde, wenn es um Triggerwarnungen in Spielen geht, ist die künstlerische Gestaltungsfreiheit des Entwicklerteams maßgebend.

(...)

Da beschwert sich doch auch niemand, dass dies die künstlerische Integrität der Entwickler bedroht, oder?

Das ist ein imho schlechter Vergleich aus folgenden Gründen:

Der moralische Grundsatz des Kinder- und Jugendschutzes ist durch die Unmündigkeit derer begründet auf die er sich bezieht.
Dieser wird konsequent auf alle medialen Inhalte angewandt.
Da Kinder und Jugendliche noch nicht im vollen Umfang Verantwortung für die eigene Person tragen können, liegt die Veranwortung in der Kommunikation und ihren emotionalen Implikationen tatsächlich primär bei der Gesellschaft.
FSK Freigaben sind keine Hinweise sondern verbindlich. Weder Kinder/Jugendliche noch deren Erziehungsberechtigten dürfen sich über entsprechende Kennzeichnungen hinwegsetzen.

Kinder und Jugendfreigaben sind vergleichsweise gut umzusetzen. Obwohl es sich hier um eine relativ homogene Gruppe handelt, deren psychosoziale Entwicklungsschritte gut erforscht sind und es letztlich nur einen Faktor der Differenzierung gibt (das Alter), ist die Einstufung ein schwieriger, ressourcenintensiver Prozess,

Würde man den Vergleich ernsthaft ziehen, müsste man ähnliche Entscheidungsprozesse für jede psychische Erkrankung institutionalisieren, zumindest den Anspruch haben die Kriterien wissenschaftlich zu begründen und konsequent auf jedes Medium anwenden.

Und ja: Natürlich hat auch der Kinder- und Jugendschutz Auswirkungen auf die Kunstfreiheit.
Aber es ist ein Kriterium was primär eine Gruppe ausschließt, nicht künstlerische Inhalte.
Karlo von Schnubbel
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Re: The Panel: Triggerwarning

Beitrag von Karlo von Schnubbel »

Persönlich halte ich optionale Triggerwarnungen für eine gute Sache, am besten tatsächlich als zuschaltbarer bzw. ein-/ausblendbarer Teil von Plattformen wie GOG, Steam usw., damit man sich bereits vor dem Kauf informieren kann. Hier im Thread gab es da ja schon Anregungen, die aus meiner Sicht in die richtige Richtung gehen. Ich selbst lasse mich sehr gern überraschen und würde soetwas wahrscheinlich nicht nutzen, aber das sollte ja nun kein großes Problem sein, sowas in einer Art und Weise einzubauen, dass es für Betroffene leicht zu finden ist und gleichzeitig alle anderen nicht stört (im Zweifel halt wie hier auch schon vorgeschlagen als Einstellungsmöglichkeit im Account). Fände ich super, wenn sich in der Richtung was durchsetzen würde.

Was den Podcast angeht, muss ich auch sagen, dass ich eine Gegenmeinung vermisst habe. Die besten Panel-Folgen waren für mich immer die, in denen wirklich aus unterschiedlichen Positionen heraus diskutiert und auch ein bisschen (freundschaftlich) gestritten wurde. Bei dem spannenden Thema hatte ich mich eigentlich auf ein echtes Streitgespräch eingestellt und war dann etwas enttäuscht von den drei ähnlichen Meinungen, die sich gegenseitig bestätigt haben. Das heißt nicht, dass die Folge nicht trotzdem interessant war, aber so eine richtige Panel-Diskussions-Folge war es dadurch für mein Empfinden jetzt nicht. Kann aber natürlich sein, dass einfach kein passionierter Triggerwarnungsverächter in der Spielebranche aufzutreiben war, in dem Fall sei euch das verziehen (und das wäre jetzt aus meiner Sicht auch nicht die schlechteste Nachricht). :D
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Fährmann
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Re: The Panel: Triggerwarning

Beitrag von Fährmann »

Dwarf Vader hat geschrieben: 1. Jan 2021, 23:25 Könntest du bitte begründen, wieso deiner Meinung nach für Computerspiele andere Regelungen gelten sollten, als beispielsweise für Musik oder Filme?
Ich bin nicht der Meinung, dass sie das müssen.
Dwarf Vader hat geschrieben: 1. Jan 2021, 23:25 Hättest du einen Erklärungsansatz, wieso Triggerwarnungen als politische Forderung sich für gewöhnlich auf mediale Inhalte allgemein beziehen, wenn du der Meinung bist man müsste das nicht besprechen?
Ich verstehe diese Frage nicht.
Dwarf Vader hat geschrieben: 1. Jan 2021, 23:25 Könntest du mir erklären, wieso der zugrunde liegende moralische Anspruch speziell auf Computerspiele anwendbar ist, auf alle anderen Medien aber nicht?
Der Anspruch ließe sich auch auf andere Medien anwenden, aber das Thema ist hier auf Videospiele eingegrenzt.
Dwarf Vader hat geschrieben: 1. Jan 2021, 23:25 Bist du der Meinung, Trigger mit ernsthaften emotionalen Konsequenzen kämen in anderen Kontexten nicht vor?
Nein.
Dwarf Vader hat geschrieben: 1. Jan 2021, 23:25 Oder hälst du eine ähnliche emotionale Belastung hervorgerufen durch einen Vortrag, einen Film, durch ein Konzert etc. für weniger schützenswert?
Nein.
Dwarf Vader hat geschrieben: 1. Jan 2021, 23:25 Könntest du "traumatisierende Trigger" bitte konkretisieren?
Also die Krankheiten benennen welche du unter "traumatisierende Trigger" zusammenfasst und wo du die Grenze ziehst, also welche Krankheitsbilder aus der Gruppe "traumatisierende Trigger" für dich rausfallen?
Kann ich nicht. Aber ich bin mir sicher, dass Wissenschaftler, die aktiv in der Traumatherapie forschen, zusammen mit Betroffenen sinnvolle Grenzen ziehen können.

=> Mein Punkt ist: Diese Argumentation ist ein whataboutism, weil das Thema "Sollten Triggerwarnungen in Videospielen eingeführt werden" durch themenfremde Fragestellungen verkompliziert wird. Es wird impliziert, dass man Stellung zu allen möglichen Einschränkungen aller literarischen Medien beziehen muss, um sich auch zu Videospielen äußern zu dürfen. Aber das muss man nicht. Man kann einfach sagen, dass Triggerwarnungen in Videospielen eingeführt werden sollten, weil Konsumenten damit eine mündigere Entscheidung treffen können. Es ist eine Sache des Respektes gegenüber Menschen, die furchtbare Dinge mitgemacht haben, und hat gleichzeitig überhaupt keine Auswirkungen auf den privilegierten Teil der Gesellschaft.
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Dwarf Vader
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Re: The Panel: Triggerwarning

Beitrag von Dwarf Vader »

Fährmann hat geschrieben: 2. Jan 2021, 00:08
Kann ich nicht. Aber ich bin mir sicher, dass Wissenschaftler, die aktiv in der Traumatherapie forschen, zusammen mit Betroffenen sinnvolle Grenzen ziehen können.

=> Mein Punkt ist: Diese Argumentation ist ein whataboutism, weil das Thema "Sollten Triggerwarnungen in Videospielen eingeführt werden" durch themenfremde Fragestellungen verkompliziert wird. Es wird impliziert, dass man Stellung zu allen möglichen Einschränkungen aller literarischen Medien beziehen muss, um sich auch zu Videospielen äußern zu dürfen. Aber das muss man nicht. Man kann einfach sagen, dass Triggerwarnungen in Videospielen eingeführt werden sollten, weil Konsumenten damit eine mündigere Entscheidung treffen können. Es ist eine Sache des Respektes gegenüber Menschen, die furchtbare Dinge mitgemacht haben, und hat gleichzeitig überhaupt keine Auswirkungen auf den privilegierten Teil der Gesellschaft.

Also kannst du weder deine Forderung konkretisieren noch kennst du einen wissenschaftlichen Kontext, hoffst aber das Wissenschaftler deine nicht konkretisierte Forderung umsetzen können.
Wenn das nicht passiert ist das ein Mangel an Respekt. Und die Frage wieso du unkonkrete Allgemeinplätze für ein bestimmtes Medium forderst und dabei andere Medien vom Diskurs ausschließt ist whataboutism.

Ich stimme mit dir überein, dass du deine Meinung im Zweifel garnicht begründen musst.
Im Gegensatz zu dir bin ich sogar der Meinung, dass man sich Diskursen verweigern kann ohne dass das per se respektlos ist.
Aber imho ist es sinnvoll hin und wieder zu überdenken aus welcher Position heraus man moralische Forderungen an Dritte stellt.
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kami
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Re: The Panel: Triggerwarning

Beitrag von kami »

Fährmann hat geschrieben: 2. Jan 2021, 00:08 => Mein Punkt ist: Diese Argumentation ist ein whataboutism, weil das Thema "Sollten Triggerwarnungen in Videospielen eingeführt werden" durch themenfremde Fragestellungen verkompliziert wird. Es wird impliziert, dass man Stellung zu allen möglichen Einschränkungen aller literarischen Medien beziehen muss, um sich auch zu Videospielen äußern zu dürfen. Aber das muss man nicht. Man kann einfach sagen, dass Triggerwarnungen in Videospielen eingeführt werden sollten, weil Konsumenten damit eine mündigere Entscheidung treffen können. Es ist eine Sache des Respektes gegenüber Menschen, die furchtbare Dinge mitgemacht haben, und hat gleichzeitig überhaupt keine Auswirkungen auf den privilegierten Teil der Gesellschaft.
Mündige Konsumenten können diese Entscheidung auch ohne dem Spiel voran gestellte Triggerwarnung treffen. Mir scheint es eher eine Frage des mangelnden Respekt, ihnen zu unterstellen, sie könnten oder wollten das nicht. Und das notorische Wegschieben von unliebsamen Argumenten mit dem Verweis auf sogenannten Whataboutism ist genauso bequem und selbstgerecht, wie es Whataboutism im schlechtesten Sinne ist. Denn in diesem Fall stellt sich natürlich die berechtigte Frage, warum denn bei Videospielen Handlungsbedarf besteht, bei Literatur und Film jedoch nicht. Ich denke, dass sich SpielerInnen vor dem Kauf eines Spieles im Schnitt intensiver mit der Materie auseinander setzen, als es z.B. Kinogänger vor der Wahl des Filmes tun.
Mir geht es nicht darum, Triggerwarnungen per se als etwas Schlechtes oder Unnützes hinzustellen, ich finde es nur anmaßend, sie quasi zu verlangen und als Imperativ zu deklarieren. Das wäre nur dann eine valide Forderung, wenn es keine anderen Möglichkeiten gäbe, herauszufinden, ob ein Spiel triggernde Inhalte mitbringt. Auf diese Möglichkeit wird von den Podcastern jedoch direkt hingewiesen.
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Re: The Panel: Triggerwarning

Beitrag von Rince81 »

Dwarf Vader hat geschrieben: 1. Jan 2021, 23:51 Das ist ein imho schlechter Vergleich aus folgenden Gründen:

Der moralische Grundsatz des Kinder- und Jugendschutzes ist durch die Unmündigkeit derer begründet auf die er sich bezieht.
Dieser wird konsequent auf alle medialen Inhalte angewandt.
Da Kinder und Jugendliche noch nicht im vollen Umfang Verantwortung für die eigene Person tragen können, liegt die Veranwortung in der Kommunikation und ihren emotionalen Implikationen tatsächlich primär bei der Gesellschaft.
FSK Freigaben sind keine Hinweise sondern verbindlich. Weder Kinder/Jugendliche noch deren Erziehungsberechtigten dürfen sich über entsprechende Kennzeichnungen hinwegsetzen.
Der ganze Absatz klingt ja nett - stimmt aber nicht. Erziehungsberechtigte dürfen sich selbstverständlich über FSK oder USK Freigaben hinwegsetzen, Stichwort Erziehungsprivileg, und es gibt auch gegen Kinder und Jugendliche keine staatliche Sanktionsmöglichkeiten wenn diese Medien konsumieren, die für ihre Altersklasse nicht geeignet sind.
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Re: The Panel: Triggerwarning

Beitrag von Rince81 »

Heretic hat geschrieben: 1. Jan 2021, 23:15 Bedroht nicht, aber indirekt beeinflusst.
Natürlich - nur wirft sich da niemand mit Verve in die Spur um das zu unterbinden, Jugendschutz ist in der Form selbstverständlich und spielt in JEDEM kommerziellen Medienerzeugnis eine Rolle, warum sollte das nicht bei ernsthaft medizinisch indizierten Traumata bzw. Krankheiten und deren Triggern auch gelten?
Klar, bei einem Modern Warfare braucht es keine Triggerwarnung für PTSD für Kriegsveteranen, eine optionale Warnung, dass man in GTA 5 grafisch sehr explizit selbst einen Folterer spielt ist was anderes. Es geht nicht darum, sowas grundsätzlich nicht einbauen zu dürfen, Kunden aber eine Wahl zu lassen ob sie auf diese Erfahrung Bock haben.

Die Diskussion hier klingt aber teilweise so, als wenn in CD Projekts künstlerische Unabhängigkeit eingegriffen wird, wenn man sich da entscheidet die Trigger für epileptische Anfälle via Patch zu entschärfen - da muss der Käufer eben durch - nur die Harten kommen in den Garten oder so...
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HerrReineke
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Re: The Panel: Triggerwarning

Beitrag von HerrReineke »

Dwarf Vader hat geschrieben: 1. Jan 2021, 20:48 Für Interessierte hier der Artikel:

https://www.theatlantic.com/magazine/ar ... nd/399356/
Und für alle, die Zugriff drauf haben (z.B. über ein Universitäts-Netzwerk) eine der wenigen wissenschaftlichen Publikationen die ich im Zusammenhang mit Triggerwarnungen gefunden habe, die gerade auch die in dem Artikel genannten Argumente behandeln:

Laguardia, Francesca, et al. “Trigger Warnings: From Panic to Data.” Journal of Legal Education, vol. 66, no. 4, 2017, pp. 882–903. JSTOR, www.jstor.org/stable/26453524.

Geht demzufolge auch um den Einsatz an (US-)Universitäten, ebenso wie folgende Auseinandersetzung, die sich aber nicht explizit auf Lukianoff/Haidt bezieht:

Alexis Lothian. “Choose Not to Warn: Trigger Warnings and Content Notes from Fan Culture to Feminist Pedagogy.” Feminist Studies, vol. 42, no. 3, 2016, pp. 743–756. JSTOR, www.jstor.org/stable/10.15767/feministstudies.42.3.0743

Wenn man sich durch verschiedenste Datenbanken durchwühlt merkt man sehr schnell, dass es fast nur wissenschaftliche Publikationen über die Nutzung von solchen Warnungen im Rahmen von Lehrveranstaltungen gibt (z.B. Boysen, G. A., & Prieto, L. R. (2018). Trigger warnings in psychology: Psychology teachers’ perspectives and practices. Scholarship of Teaching and Learning in Psychology, 4(1), 16–26. https://doi.org/10.1037/stl0000105) sowie eine sehr große Fülle an (medizinisch/psychologischer) Forschung zu Triggern im klinischen Sinne. Aber zumindest ich konnte bisher absolut nichts finden, was sich im Kontext von Computerpielen mit Trigger- und Content-Warnungen näher beschäftigt.

Der Mangel an Forschung wird in den gefundenen Beiträgen meistens natürlich bedauert - aber zugleich häufig eine Art von Interessenabwägung durchgeführt, bei der aufgrund mangelnder gegenteiliger Evidenz (aber bekannten und gut erforschten Hinweisen zu möglichen Vorteilen) die Vorteile überwiegen würden.
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Dwarf Vader
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Re: The Panel: Triggerwarning

Beitrag von Dwarf Vader »

Rince81 hat geschrieben: 2. Jan 2021, 10:35
Dwarf Vader hat geschrieben: 1. Jan 2021, 23:51 Das ist ein imho schlechter Vergleich aus folgenden Gründen:

Der moralische Grundsatz des Kinder- und Jugendschutzes ist durch die Unmündigkeit derer begründet auf die er sich bezieht.
Dieser wird konsequent auf alle medialen Inhalte angewandt.
Da Kinder und Jugendliche noch nicht im vollen Umfang Verantwortung für die eigene Person tragen können, liegt die Veranwortung in der Kommunikation und ihren emotionalen Implikationen tatsächlich primär bei der Gesellschaft.
FSK Freigaben sind keine Hinweise sondern verbindlich. Weder Kinder/Jugendliche noch deren Erziehungsberechtigten dürfen sich über entsprechende Kennzeichnungen hinwegsetzen.
Der ganze Absatz klingt ja nett - stimmt aber nicht. Erziehungsberechtigte dürfen sich selbstverständlich über FSK oder USK Freigaben hinwegsetzen, Stichwort Erziehungsprivileg, und es gibt auch gegen Kinder und Jugendliche keine staatliche Sanktionsmöglichkeiten wenn diese Medien konsumieren, die für ihre Altersklasse nicht geeignet sind.
Seid 2003 gibt es die sogenannte "PG-Regelung". Sie gestattet es Sorgeberechtigten, Kinder die mindestens 6 Jahre alt sind in FSK 12 Filme zu begleiten.

Darüber hinaus ist die FSK im öffentlichen Rauem bindend. Ein Kinobetreiber darf bsp. eine/n 12 Jährige/n auch auf Verlangen der Sorgeberechtigten nicht Zugang zu FSK16+ Inhalten gewähren, sonst macht er sich strafbar.

Im privaten Raum gilt prinzipiell das Gleiche. Ein zugänglich machen von nicht-altersgerechten medialen Inhalten bleibt für Sorgeberechtigte jedoch bis zum Nachweis einer groben Verletzung der Erziehungspflicht straffrei.

Ja, du hast Recht, dass das von mir nicht 100%ig korreckt zusammengefasst war, aber ich hab/hatte nicht den Eindruck, dass das für meine Argumentation einen relevanten Unterschied macht.
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Heretic
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Re: The Panel: Triggerwarning

Beitrag von Heretic »

Rince81 hat geschrieben: 2. Jan 2021, 10:47 Natürlich - nur wirft sich da niemand mit Verve in die Spur um das zu unterbinden, Jugendschutz ist in der Form selbstverständlich und spielt in JEDEM kommerziellen Medienerzeugnis eine Rolle, warum sollte das nicht bei ernsthaft medizinisch indizierten Traumata bzw. Krankheiten und deren Triggern auch gelten?
Das hab' ich ja nicht infrage gestellt. Inzwischen läuft es in Deutschland ja einigermaßen rund mit dem Jugendschutz. Ich erinnere mich aber noch an Zeiten, als im Namen des Jugendschutzes ordentlich geschnitten, verändert oder verboten wurde. Lustigerweise auch bei Werken mit "Ab 18"-Einstufung. Da hört's dann bei mir auf mit dem Verständnis.
Rince81 hat geschrieben: 2. Jan 2021, 10:47Die Diskussion hier klingt aber teilweise so, als wenn in CD Projekts künstlerische Unabhängigkeit eingegriffen wird, wenn man sich da entscheidet die Trigger für epileptische Anfälle via Patch zu entschärfen - da muss der Käufer eben durch - nur die Harten kommen in den Garten oder so...
Das ist natürlich Blödsinn. Sowas gehört gepatcht und fertig.
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Re: The Panel: Triggerwarning

Beitrag von Rigolax »

Dwarf Vader hat geschrieben: 2. Jan 2021, 11:42
Seid 2003 gibt es die sogenannte "PG-Regelung". Sie gestattet es Sorgeberechtigten, Kinder die mindestens 6 Jahre alt sind in FSK 12 Filme zu begleiten.

Darüber hinaus ist die FSK im öffentlichen Rauem bindend. Ein Kinobetreiber darf bsp. eine/n 12 Jährige/n auch auf Verlangen der Sorgeberechtigten nicht Zugang zu FSK16+ Inhalten gewähren, sonst macht er sich strafbar.

Im privaten Raum gilt prinzipiell das Gleiche. Ein zugänglich machen von nicht-altersgerechten medialen Inhalten bleibt für Sorgeberechtigte jedoch bis zum Nachweis einer groben Verletzung der Erziehungspflicht straffrei.

Ja, du hast Recht, dass das von mir nicht 100%ig korreckt zusammengefasst war, aber ich hab/hatte nicht den Eindruck, dass das für meine Argumentation einen relevanten Unterschied macht.
Dass mit der anderen Behandlung im Kino ist richtig. Das könnte sogar für eine Diskussion um sichere Räume/sicherere Konfrontation mit Triggern herangezogen werden imho, also vielleicht denkt der Gesetzgeber, dass Kinder/Jugendliche auch im Beisein der Eltern in einer Kinosituation den Medien eher ausgeliefert wären als zuhause, wo man schnell zum Pauseknopf greifen kann und dann ja auch direkt halt zuhause ist, was ja in der Regel (hoffentlich) ein Schutzraum ist. Wobei ich glaub, dass es dem Gesetzgeber eigentlich eher um die optics ging, also wie es aussehen würde, wenn massenweise 12-Jährige von ihren Eltern in 16er-Filme gelotst werden, was dann auch andere Kinder denken könnten. (Prinzipiell bin ich aber für eine Ausweitung der PG-Regeln, ist die FSK afaik auch).

Im privaten Raum ist das Zugänglichmachen aber grundsätzlich Eltern erlaubt, prinzipiell ist Jugendmedienschutz Aufgabe/Verantwortung der Eltern, der Staat soll da vielmehr empowernd wirken (vgl. "Mutzenbacher"-Entscheidung des BVerfG, Randnummer 32ff.). Ein staatliches Eingreifen erfordert eine grobe Verletzung der Erziehungspflicht, ja, was aber in aller Regel nicht anzunehmen ist. Auf Ebene der USK-18-Inhalte auf Trägermedien (DVDs etc.) ist das Erziehungsprivileg im Bußgeldkontext (§ 28 JuSchG) sogar absolut ausgestaltet, also nicht eingeschränkt auf eine Verletzung der Erziehungspflicht, anders als bei Indizierungsinhalten (§ 27 JuSchG) und gewissen Inhalten nach dem StGB. Das zeigt imho auch schon, wie weit der Gesetzgeber es intendiert hat.

(Übrigens richtig bekloppt, sorry, aber in Wien, nach deren Jugendschutzgesetz 2002, können 14-Jährige offenbar tatsächlich bestraft werden in diesem Kontext. § 10 Abs. 2 dort: "Junge Menschen dürfen solche [jugendgefährdende] Medien, Datenträger oder Gegenstände nicht erwerben, besitzen oder verwenden und solche Veranstaltungen nicht besuchen." und § 12 Abs. 4: "Junge Menschen ab dem vollendeten 14. Lebensjahr, die eine solche Übertretung (Abs. 1) begehen, sind von den Organen der öffentlichen Aufsicht in geeigneter Weise auf die Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens aufmerksam zu machen oder bei der Behörde anzuzeigen, welche 1) ein Beratungs- und Informationsgespräch über Sinn und Zweck der Jugendschutzbestimmungen beim Kinder- und Jugendhilfeträger anzuordnen hat oder 2) diese jungen Menschen mit einer Geldstrafe bis zu 200 Euro zu bestrafen hat, sofern ein Beratungs- und Informationsgespräch seitens dieser jungen Menschen abgelehnt oder seitens des Kinder- und Jugendhilfeträgers als nicht zielführend erachtet wird." Ich glaub, dass das in Deutschland verfassungswidrig wäre. Und das obwohl der Jugendmedienschutz faktisch in AT weitaus laxer gehandhabt wird.)
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Dwarf Vader
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Re: The Panel: Triggerwarning

Beitrag von Dwarf Vader »

Rigolax hat geschrieben: 2. Jan 2021, 13:55
Dwarf Vader hat geschrieben: 2. Jan 2021, 11:42
Seid 2003 gibt es die sogenannte "PG-Regelung". Sie gestattet es Sorgeberechtigten, Kinder die mindestens 6 Jahre alt sind in FSK 12 Filme zu begleiten.

Darüber hinaus ist die FSK im öffentlichen Rauem bindend. Ein Kinobetreiber darf bsp. eine/n 12 Jährige/n auch auf Verlangen der Sorgeberechtigten nicht Zugang zu FSK16+ Inhalten gewähren, sonst macht er sich strafbar.

Im privaten Raum gilt prinzipiell das Gleiche. Ein zugänglich machen von nicht-altersgerechten medialen Inhalten bleibt für Sorgeberechtigte jedoch bis zum Nachweis einer groben Verletzung der Erziehungspflicht straffrei.

Ja, du hast Recht, dass das von mir nicht 100%ig korreckt zusammengefasst war, aber ich hab/hatte nicht den Eindruck, dass das für meine Argumentation einen relevanten Unterschied macht.
Dass mit der anderen Behandlung im Kino ist richtig. Das könnte sogar für eine Diskussion um sichere Räume/sicherere Konfrontation mit Triggern herangezogen werden imho, also vielleicht denkt der Gesetzgeber, dass Kinder/Jugendliche auch im Beisein der Eltern in einer Kinosituation den Medien eher ausgeliefert wären als zuhause, wo man schnell zum Pauseknopf greifen kann und dann ja auch direkt halt zuhause ist, was ja in der Regel (hoffentlich) ein Schutzraum ist. Wobei ich glaub, dass es dem Gesetzgeber eigentlich eher um die optics ging, also wie es aussehen würde, wenn massenweise 12-Jährige von ihren Eltern in 16er-Filme gelotst werden, was dann auch andere Kinder denken könnten. (Prinzipiell bin ich aber für eine Ausweitung der PG-Regeln, ist die FSK afaik auch).

Im privaten Raum ist das Zugänglichmachen aber grundsätzlich Eltern erlaubt, prinzipiell ist Jugendmedienschutz Aufgabe/Verantwortung der Eltern, der Staat soll da vielmehr empowernd wirken (vgl. "Mutzenbacher"-Entscheidung des BVerfG, Randnummer 32ff.). Ein staatliches Eingreifen erfordert eine grobe Verletzung der Erziehungspflicht, ja, was aber in aller Regel nicht anzunehmen ist. Auf Ebene der USK-18-Inhalte auf Trägermedien (DVDs etc.) ist das Erziehungsprivileg im Bußgeldkontext (§ 28 JuSchG) sogar absolut ausgestaltet, also nicht eingeschränkt auf eine Verletzung der Erziehungspflicht, anders als bei Indizierungsinhalten (§ 27 JuSchG) und gewissen Inhalten nach dem StGB. Das zeigt imho auch schon, wie weit der Gesetzgeber es intendiert hat.

(Übrigens richtig bekloppt, sorry, aber in Wien, nach deren Jugendschutzgesetz 2002, können 14-Jährige offenbar tatsächlich bestraft werden in diesem Kontext. § 10 Abs. 2 dort: "Junge Menschen dürfen solche [jugendgefährdende] Medien, Datenträger oder Gegenstände nicht erwerben, besitzen oder verwenden und solche Veranstaltungen nicht besuchen." und § 12 Abs. 4: "Junge Menschen ab dem vollendeten 14. Lebensjahr, die eine solche Übertretung (Abs. 1) begehen, sind von den Organen der öffentlichen Aufsicht in geeigneter Weise auf die Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens aufmerksam zu machen oder bei der Behörde anzuzeigen, welche 1) ein Beratungs- und Informationsgespräch über Sinn und Zweck der Jugendschutzbestimmungen beim Kinder- und Jugendhilfeträger anzuordnen hat oder 2) diese jungen Menschen mit einer Geldstrafe bis zu 200 Euro zu bestrafen hat, sofern ein Beratungs- und Informationsgespräch seitens dieser jungen Menschen abgelehnt oder seitens des Kinder- und Jugendhilfeträgers als nicht zielführend erachtet wird." Ich glaub, dass das in Deutschland verfassungswidrig wäre. Und das obwohl der Jugendmedienschutz faktisch in AT weitaus laxer gehandhabt wird.)


Ah, ok danke, da waren jetzt einige Infos bei, die für mich auch neu sind.
Mein educated guess zur Situation in AT wäre, dass Rechtssysteme Minderjährigen Mündigkeit ja nicht grundsätzlich zu- oder absprechen, sondern das in stufenweisen Schritten passiert.
In AT ist man womöglich der Auffassung, dass ab einem Alter von 14 genug Eigenverantwortung vorliegt um sich (auch) eigenständig an die geltenden Jugendschutzbestimmungen zu halten und daraus auch eine Strafbarkeit für die Betroffenen ableitet.

Für meinen grundsätzlichen Punkt, nämlich das Jugendschutz und Triggerwarnungen nur bedingt vergleichbar sind, sehe ich aber keinen relevanten Unterschied.
Trotzdem danke nochmal für den Input, in Bezug auf Jugendschutz wieder was gelernt.
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Dwarf Vader
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Re: The Panel: Triggerwarning

Beitrag von Dwarf Vader »

HerrReineke hat geschrieben: 2. Jan 2021, 11:17
Wenn man sich durch verschiedenste Datenbanken durchwühlt merkt man sehr schnell, dass es fast nur wissenschaftliche Publikationen über die Nutzung von solchen Warnungen im Rahmen von Lehrveranstaltungen gibt (z.B. Boysen, G. A., & Prieto, L. R. (2018). Trigger warnings in psychology: Psychology teachers’ perspectives and practices. Scholarship of Teaching and Learning in Psychology, 4(1), 16–26. https://doi.org/10.1037/stl0000105) sowie eine sehr große Fülle an (medizinisch/psychologischer) Forschung zu Triggern im klinischen Sinne. Aber zumindest ich konnte bisher absolut nichts finden, was sich im Kontext von Computerpielen mit Trigger- und Content-Warnungen näher beschäftigt.

Ich möchte hierzu mal kurz, ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit, mal Gründe skizzieren, die eventuell als Gedankenanregung dienen könnten.

Beschränkt man sich auf "Trigger" die schwere emotionale und körperlich Reaktionen auslösen könnten und definiert diese grob über typische körperliche Symptome wie Hyperventilation, Schweißausbrüche, Tachykardie etc. müsste man im nächsten Schritt die psychischen Erkrankungen herausfiltern, die entsprechende Symptome auslösen können. Das wären mindestens potentiell alle Phobien und PTBS.
Beschränke ich mich hier mal auf PTBS wären "typische" (relativ häufige) Auslöser und betroffene Gruppen:

berufliches Umfeld:

Bahnfahrer (Suizid)
Rettungskräfte (Versorgung von Unfallopfern, häufiger Brandopfer)
stationäres medizinisches Personal (allgemein häufige Konfrontation mit Extremsituationen)
Mitarbeiter im militärischen Komplex

privates Umfeld

Frühkindliche Vernachlässigung / körperliche Unterversorgung
sexueller Missbrauch
ritueller Missbrauch
körperlicher und seelischer Missbrauch

öffentliches Umfeld

Traumatisierung durch Polizeieinsätze (häufiger Wohnungsdurchsuchungen)
Traumatisierung durch gewaltsame Übergriffe (Geiselnahmen, Raubüberfälle, Vergewaltigungen etc.)
Traumatisierung durch Rassismuserfahrungen (oft einhergehend mit spezifischen Gewalterfahrungen)

In jedem dieser Kontexte kann die wiederkehrende Thematisierung natürlich Trigger sein.
Sehr häufig aber gibt es unspezifische Trigger. Bei Rettungskräften z.B. der Geruch, Anblick und das Geräusch von verbrennendem Fleisch (bis hin zu der Unfähigkeit an Grillabenden teilzunehmen), das Geräusch sich verformenden Metalls, der Anblick von Funkenflug (z.B. induziert vom Anblick des Auftrennens eines Autowracks mit Trenngerät), Das Geräusch einer Flex (ähnlicher Hintergrund) und eine (schier unendlichen) Vielzahl weitere Stimuli, welche teils scheinbar zufällig, mit dem traumatischen Erlebnis assoziiert werden.

Im Falle einer Hausdurchsuchung eventuell das Geräusch der Klingel, energisches Türklopfen, Taschenlampen etc.
Im Falle von sexuellen Missbrauch nicht selten ein beliebiger Gegenstand, ein Geräusch, Lied, welches zum Zeitpunkt des Übergriffs zufällig präsent war.
Zuletzt geändert von Dwarf Vader am 2. Jan 2021, 17:20, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: The Panel: Triggerwarning

Beitrag von error42 »

Ich hätte mir auch ein klein wenig mehr Meinungsvielfalt im Podcast gewünscht. Falls ich nichts überhört habe, waren sich ja immer alle einig. Es muß (und sollte) ja nicht in ein hochkontroverses Streitgespräch ausarten, aber ein wenig Diskussion darf schon sein, in einem "Diskussionsformat". ;)
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Re: The Panel: Triggerwarning

Beitrag von Rigolax »

Dwarf Vader hat geschrieben: 2. Jan 2021, 15:33
Rigolax hat geschrieben: 2. Jan 2021, 13:55
(...)

(Übrigens richtig bekloppt, sorry, aber in Wien, nach deren Jugendschutzgesetz 2002, können 14-Jährige offenbar tatsächlich bestraft werden in diesem Kontext. § 10 Abs. 2 dort: "Junge Menschen dürfen solche [jugendgefährdende] Medien, Datenträger oder Gegenstände nicht erwerben, besitzen oder verwenden und solche Veranstaltungen nicht besuchen." und § 12 Abs. 4: "Junge Menschen ab dem vollendeten 14. Lebensjahr, die eine solche Übertretung (Abs. 1) begehen, sind von den Organen der öffentlichen Aufsicht in geeigneter Weise auf die Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens aufmerksam zu machen oder bei der Behörde anzuzeigen, welche 1) ein Beratungs- und Informationsgespräch über Sinn und Zweck der Jugendschutzbestimmungen beim Kinder- und Jugendhilfeträger anzuordnen hat oder 2) diese jungen Menschen mit einer Geldstrafe bis zu 200 Euro zu bestrafen hat, sofern ein Beratungs- und Informationsgespräch seitens dieser jungen Menschen abgelehnt oder seitens des Kinder- und Jugendhilfeträgers als nicht zielführend erachtet wird." Ich glaub, dass das in Deutschland verfassungswidrig wäre. Und das obwohl der Jugendmedienschutz faktisch in AT weitaus laxer gehandhabt wird.)
Ah, ok danke, da waren jetzt einige Infos bei, die für mich auch neu sind.
Mein educated guess zur Situation in AT wäre, dass Rechtssysteme Minderjährigen Mündigkeit ja nicht grundsätzlich zu- oder absprechen, sondern das in stufenweisen Schritten passiert.
In AT ist man womöglich der Auffassung, dass ab einem Alter von 14 genug Eigenverantwortung vorliegt um sich (auch) eigenständig an die geltenden Jugendschutzbestimmungen zu halten und daraus auch eine Strafbarkeit für die Betroffenen ableitet.

(...)
Dazu nur noch kurz, als Erklärung, warum ich dazu "richtig bekloppt" schrieb: Das Problem mit dieser Regelung in manchen Bundesländern von AT (glaub, das ist nicht auf Bundesebene vorhanden) ist imho, dass es im Grunde ausschließlich potentiell selbst-schädigendes Verhalten inkriminiert. Das findet in modernen Rechtssystemen eigentlich recht wenig statt.

Man müsste sich ja fragen, worin der Sinn liegen könnte, auf staatlicher Ebene bei ausschließlich selbst-schädigendem Verhalten einzugreifen: Kann ja im Grunde nur paternalistisch sein, also im Sinne vermeintlich bessere Menschen/Staatsbürger kreieren zu wollen; nun ist das politisch wohl keine seltene Absicht, geschieht dann aber eher durch Anreizsysteme, nicht durch Strafe bzw. Strafandrohung. Das muss imho auch schon bei Jugendlichen gelten. Könnte man fragen, warum dann Gurt-/Helmpflicht herrscht, ja auch primär potentiell selbst-schädigendes Verhalten: Das belastet zumindest spürbar das Gesundheitssystem und damit die Gesamtgesellschaft, ebenso analog bei Pandemiegesetzen. Im Endeffekt ist allerdings auch jeder Drogenkonsum komplett straffrei (nur halt teils nicht der Besitz), also so richtig konsistent ist das vielleicht nicht, teils eher Abwägungs-/Verhältnismäßigkeitsfrage
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Weizegger
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Re: The Panel: Triggerwarning

Beitrag von Weizegger »

Ja schade. 1 Thema 3x die gleiche Meinung.
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