Habe die Folge jetzt auch gehört, und fand sie sowohl von der Debattenkultur her, als auch von der fachlichen Seite (Psychologie), eher unausgewogen und oberflächlich.
Zu dem Problem, dass sich die Meinungen eher glichen und es wieder nicht gelang, ein spannendes Panel aufzustellen, ist hier schon genug gesagt worden.
Vielleicht als Anregung: Natürlich wachsen Leute mit stark abweichenden Meinungen auch nicht einfach so auf Bäumen. Eine Möglichkeit wäre aber, sich hier an einem
konkreten und möglichst kontroversen Fallbeispiel abzuarbeiten (der Bezug zu zwei-drei konkreten Fallbeispielen wäre generell eine gute Idee gewesen), zu welchem dann auch Menschen mit allgemein ähnlichen Ansichten unterschiedliche Positionen einnehmen können. In der Moralpsychologie, wo die meisten sich einigen können auf "Ja guter Mensch sein ist wichtig und niemandem schaden gut" bekommt man beispielsweise mit Dilemmata als Fällen dann doch sehr spannende und diverse Diskussionen hin.
Zu der Psychologie und den Effekten von trigger warnings hätte ich mir gerade von Herrn Strobel mehr Gründlichkeit und Vorbereitung gewünscht, vor allem was die kritischen Positionen angeht. Jemanden wie Haidt mehr oder weniger einfach abzubügeln mit einem "Halte ich für falsch / sehe ich nicht so" ist mir zu billig. Der Mann nimmt gern extreme Positionen ein, ist aber auch eine Koryphäe auf seinem Gebiet (moral psychology), da kann man sich schon mal genauer mit seiner Position auseinandersetzen und argumentieren,
warum denn seine Position nicht geteilt wird. Es gibt in der Psychologie viele Befunde, bspw aus der Resilienzforschung, Stichwort
steeling effects, die zumindest die Hypothese plausibel erscheinen lassen, dass sich Stressoren, hardships oder auch Unsicherheit auszusetzen dabei helfen kann, Resilienz zu erzeugen. Ganz allgemein muss man sich Stressoren auch nun mal aussetzen, um überhaupt sowas wie
Habituierung zu beginnen. Insofern ist zumindest wenn wir annehmen, dass trigger warnings zu Vermeidung von Inhalten führen (was ich ebenso für wahrscheinlicher halte, als die recht illusorische Annahme einer Inklusion dadurch), die Position das es zu "Verweichlichung" führen könnte, für nichts, was man einfach so in den Wind schießen sollte.
Und es wurde nicht sauber getrennt zwischen "emotional unwohl fühlen" (woher die trigger warnings in USA, basierend auf den Gefühlen von Studierenden im Unterricht, eigentlich kommen) und handfesten PTSDs mit Flashbacks, Intrusionen, Wiedererleben, Dekompensation und dem ganzen krassen shit.
Aber auch was diese Gruppe angeht, gibt es Evidenz, welche durchaus kritisch mit trigger warnings ins Gericht geht.
Recht viel diskutierte Studie von 2020 (Juni, offen, hätte man lesen können):
https://journals.sagepub.com/doi/full/1 ... 2620921341
Die Autoren untersuchten dort eine Stichprobe von an die 450 trauma survivors, also schon eher die Population, bei der es um mehr geht, als Unwohlsein. Und die bottom line: Trigger warnings halfen nicht und führten sogar zu potentiell therapiekonträren Effekten indem Hinweise (!) für eine verstärkte Verankerung des Traumas in der Identität gefunden wurden.
Oder, hier noch die recht klar formulierten Schlussfolgerungen aus der Discussion:
"
Public arguments regarding trigger warnings have been politically charged, complex, and data-poor. Recent research on trigger warnings can importantly inform or perhaps even settle some of these debates. The research suggests that trigger warnings are unhelpful for trauma survivors, college students, trauma-naïve individuals, and mixed groups of participants (Bellet et al., 2018, 2020; Bridgland et al., 2019; Sanson et al., 2019). Given this consistent conclusion, we find no evidence-based reason for educators, administrators, or clinicians to use trigger warnings.
Whether trigger warnings are explicitly harmful is less clear. We found evidence that trigger warnings increase the narrative centrality of trauma among survivors, which is countertherapeutic (Boals & Murrell, 2016). We also found that trigger warnings increase anxiety for those with more severe symptoms of PTSD. Although these effects were preregistered and found in a large sample, the sizes of the effects were small and have not yet been rigorously tested across multiple studies. However, such knowledge is unnecessary to adjudicate whether to use trigger warnings—if there is no good reason to deploy them in the first place, we need not require strong evidence of harm before abandoning them ...."
Ich will hier nicht trigger warnings verdammen, gerade die Idee am Ende mit Psychologen+Gamedesigner machen holistisch gute Spiele zu Störungen finde ich klasse. Aber die kritische Tiefe und das fachliche Niveau dieser Diskussion ließ deutlich zu wünschen übrig, hier geht angesichts des Erreichten in bspw Nachgeforscht mehr, und von einer kritischen Diskussion kann auch die sinnvolle Idee einer bedarfsgerechten Inhaltswarnung, um die es hier geht, eigentlich nur profitieren.