Magazin #92: Studie zur Wirkung gewalthaltiger Spiele

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Rigolax
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Re: Magazin #92: Studie zur Wirkung gewalthaltiger Spiele

Beitrag von Rigolax »

bluttrinker13 hat geschrieben: 11. Jan 2021, 15:39
Rigolax hat geschrieben: 11. Jan 2021, 15:28 Na ja, ich sag mal so. Wenn eine Uni im Besitz der Mormonen feststellen würde, dass homosexueller Geschlechtsverkehr keine negativen Folgen hätte, wäre das nicht verwunderlich? Was, wenn sie eine Schädlichkeit behaupten? Nimmt man das dann unkritisch zu Kenntnis? Ist der Ursprung total egal? Spielt Ideologie keinerlei Rolle in Geistes/Sozialwissenschaften (Psychologie ist ja irgendwie alles und nichts)?

Ich könnte jetzt unterstellen, dass du den Bezug zu Drosten herstellst, um meine Aussagen in die Nähe der „Querdenker“ zu rücken, um mich zu diskreditieren. Mach ich aber natürlich nicht. ;)
Psychologie ist empirisch arbeitend eine Naturwissenschaft, mit Herkunft Geisteswissenschaft und Anwendungsbereich Sozialwissenschaft. Das ist nicht "alles und nichts", sondern Wissenschaftstheorie Psy 101, Grundstudium.
Klingt so ziemlich nach "alles" für mich. Wenn etwas singulär "alles" ist, ist es dann vielleicht auch "nichts" im Sinne von etwas eigenem.
bluttrinker13 hat geschrieben: 11. Jan 2021, 15:39 Systemische Ideologie sollte keine Rolle spielen, ganz klar. Jeglicher ethische Code nach dem Wissenschaft arbeitet ist hier eindeutig. Auch der der DGPs, oder APA, oder xy. Was jetzt die beliefs der arbeitenden, einzelnen Personen angeht, ist das eine andere Sache. Siehe oben bias. Das kriegst du nie ganz raus, Forschung ist nie 100%ig objektiv und wahr, und dafür gibt es folglich Korrekturmechanismen.
Dann stimmen wir da ja eigentlich zu.

bluttrinker13 hat geschrieben: 11. Jan 2021, 15:39Bezüglich des Vorwurfs, ich wollte nur aufzeigen, wie sehr mir die von mir beschriebene und hineingelesene Annahme von der Struktur her bereits solchen, tendenziell wissenschaftsskeptischen, Argumentationen gleicht (aka "Wes Brot ich ess, des Lied ich sing"). Ich wollte dich damit nicht irgendwohin rücken, sondern eine Analogie aufmachen um auch klarzumachen, warum mir das hier so quer ging. Und du drückst dich oben immer noch nicht klar aus darüber, was du so überraschend fandest nun und warum, sondern bringst selbst ne schräge Analogie und stellst lauter rhetorische Folgefragen. Don't get it.
Sorry, das warum ist dann, weil "die Mormonen" ja afaik oftmals sehr kritisch gegenüber medialer Gewalt sind/waren. Ich will hier aber nicht alle Mormonen pauschalisieren, daher nur. Erklärt vielleicht auch, warum Common Sense Media in der Studie benutzt wurde, weil die ja da auch eher kritisch waren früher; aber das ist jetzt explizit sehr informell zu verstehen als Aussage von mir, weiß ich nicht, ob deren Ratings in Studien allgemein beliebt sind und wie die aktuell so stehen.

Wissenschaftsskepsis ist ja an sich auch nichts schlechtes imho. Man kann's natürlich übertreiben so wie bei großen Teilen der "Querdenker" oder auch im Kontext des Klimawandels. Ich bin halt nur bei der Medienwirkungsforschung sehr skeptisch, historisch bedingt. Vielleicht auch schon zu sehr, kann sein.
bluttrinker13 hat geschrieben: 11. Jan 2021, 15:39Das du jetzt aber anfängst mit Unterstellungen, die du "nicht machst", aber dann trotzdem aussprichst, verleidet mir jegliche Diskussion mit dir. Kein Interesse mehr.
Okay, war kein guter Stil von mir, das so zu schreiben. Hab auch nicht gedacht, dass du da was unterstellen willst, aber man kann das halt so lesen imho, wie ich oben meine, also einen Bezug zur allgemeinen Wissenschaftsskepsis bzw. besser gesagt sogar -feindlichkeit, die etwas grassiert in der Gesamtgesellschaft.
Rigolax
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Re: Magazin #92: Studie zur Wirkung gewalthaltiger Spiele

Beitrag von Rigolax »

bluttrinker13 hat geschrieben: 11. Jan 2021, 15:14 (...) Der honor code richtet sich an Studierende, und hat damit erst mal gar nichts mit der Forschung zu tun. Außerdem steht da ja letztlich nur, du sollst ein frommes und christlich-moralisches Leben führen. (...)
Noch als Nachtrag, sorry, wirkt sonst ggf. etwas weird, wurde sicher einfach überlesen (von dir und mir; mir bezogen auf deine Antwort da). Der Honorcode von dieser Uni für Studierende ist ja offenkundig eine ziemlich totale Homophobie.

"Live a chaste and virtuous life, including abstaining from any sexual relations outside a marriage between a man and a woman." https://policy.byu.edu/view/index.php?p=26

Deswegen btw auch mein Text weiter oben mein scheinbar kruder Vergleich zur Homosexualität. Würde ich jetzt nicht als, eh "frommes und christlich-moralisches Leben" bezeichnen, tendenziell etwas verharmlosend sonst, aber wie gesagt, sicher einfach überlesen.

EDIT: Bezieht sich offenkundig übrigens auch nicht nur auf Studierende, sondern: "each member of the BYU community", was immer das genau bedeutet. Na ja, whatever.
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Re: Magazin #92: Studie zur Wirkung gewalthaltiger Spiele

Beitrag von mockturtle »

Rigolax hat geschrieben: 11. Jan 2021, 15:56 Klingt so ziemlich nach "alles" für mich. Wenn etwas singulär "alles" ist, ist es dann vielleicht auch "nichts" im Sinne von etwas eigenem.
Den Satz verstehe ich nicht. Steckt da mehr drin als Polemik gegen Psychologie als Wissenschaftsfach?
Gruß
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Re: Magazin #92: Studie zur Wirkung gewalthaltiger Spiele

Beitrag von Rigolax »

mockturtle hat geschrieben: 11. Jan 2021, 22:53
Rigolax hat geschrieben: 11. Jan 2021, 15:56 Klingt so ziemlich nach "alles" für mich. Wenn etwas singulär "alles" ist, ist es dann vielleicht auch "nichts" im Sinne von etwas eigenem.
Den Satz verstehe ich nicht. Steckt da mehr drin als Polemik gegen Psychologie als Wissenschaftsfach?
Gruß
Das muss wohl der geneigte Leser für sich beantworten und mich danach richten. Aber selbst bei Wikipedia, die wohl finale Quelle für Definitionen, steht: „Psychologie ist als Wissenschaft bereichsübergreifend: Sie lässt sich weder gänzlich den Naturwissenschaften noch den Sozialwissenschaften oder Geisteswissenschaften allein zuordnen.“

„Gänzlich“ und „allein“. „Alles“ und „nichts“. War aber natürlich auch eine etwas polemische Anspielung an Psychologie als Nicht-Wissenschaft. Sue me.
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GrimpaJ
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Re: Magazin #92: Studie zur Wirkung gewalthaltiger Spiele

Beitrag von GrimpaJ »

GamePsychologe hat geschrieben: 11. Jan 2021, 10:04 Die "moderate" Gruppe gibt am letzten Zeitpunkt signifikant mehr aggressives Verhalten an als die beiden anderen Gruppen, obwohl die Gruppen sich am ersten Punkt nicht unterschieden haben. Das sagen die Autorinnen hier sehr deutlich. Das Ergebnis ist einerseits komisch, weil man das für "high initional violence" Gruppe erwarten müsste, wenn die Hypothese stimmt.
Soweit stimme ich dir vollkommen zu. Wenn man es, wie die Autoren es tun, anhand es General Aggression Model betrachtet, dann ergibt es keinen Sinn, dass die Moderates höher beim aggressiven Verhalten liegen, als die High Initials. Das war auch mein Beweggrund für die Aussage "Konsum gewalthaltiger Spiele ist KEINE ausreichende Ursache für das vermehrte Auftreten aggressiven Verhaltens". Wenn die High Initials, mit mehr Konsum (der jedoch auch stärker fluktuiert) weniger Aggressionen zeigen, als die Moderates, dann kann reiner Konsum ja nicht der Unterschied sein. So viel erstmal zu dieser Aussage.
Du hast allerdings vollkommen recht, dass ich im letzten Teil der zitierten Stelle Quatsch geschrieben habe (es war glaube ich so 6 Uhr nachts, als ich das getippt habe :? ). Natürlich gibt es den von dir genannten Unterschied, der aber eben nicht die Hypothese des Zusammenhangs "mehr Konsum gewalthaltiger Spiele = mehr aggressives Verhalten" unterstützt.

GamePsychologe hat geschrieben: 11. Jan 2021, 10:04 Die Erklärung der Autorinnen, warum die "high initional violence" Gruppe weniger aggressives Verhalten angibt: Vermutlich gab es da irgendeine Intervention oder Änderung im Lebensstil, die eine Abkehr von gewalthaltigen Spielen usw. bewirkt hat. Ob das stimmt, lässt sich anhand der Daten nicht nachvollziehen, aber es ist plausibel. Klar ist, dass diese Gruppe einen Sonderstatus hat. Diese Gruppe macht auch nur 4% der Stichprobe aus (das sind 19 Personen).
Richtige und auch gute Erklärung. Du sagst meiner Meinung schon das Wichtigste: "Ob das stimmt, lässt sich anhand der Daten nicht nachvollziehen". Eventuell liegt es nur an der Formulierung, aber ich störe mich ein wenig an dem "diese Gruppe hat einen Sonderstatus". Also natürlich ist es eine extrem kleine Stichprobe (vor allem im Verhältnis zu den anderen beiden Gruppen) und sie unterstützt die Hypothese nicht. Aber deswegen automatisch darauf zu schließen, man solle sie in der Auswertung der Daten lieber nicht beachten (wie du es ja vorschlägst), finde ich zu vorschnell.


GamePsychologe hat geschrieben: 11. Jan 2021, 10:04 2. Die Autorinnen machen hier sehr deutlich, dass sie einen Effekt von frühem Konsum gewalthaltiger Spiele auf späteres aggressives Verhalten gefunden haben. "anhaltendes Spielen gewalthaltiger Spiele (in der moderate Gruppe) kann Langzeitauswirkungen womöglich besser vorhersagen als drastisch fluktuierendes Spielen gewalthaltiger Spiele". Hier ist ein Effekt! Personen mit langanhaltende "moderate" Konsum gewalthaltiger Spiele geben am letzten Zeitpunkt mehr aggressives Verhalten an.
Das Problem bei diesem postulierten Effekt ist, dass es in diesen Daten keine Vergleichsgruppe gibt, anhand derer man das testen könnte. Da müsste man dann genau mit dem Ziel, diesen Effekt zu untersuchen, dann erneut testen. Anhand dieser Daten könnte man doch auch eine Art "Gewöhnungs-Effekt" postulien. Da "Low Increasers generell keinen hohen Konsum hatten und High Initials "genug", um sich dran gewöhnt zu haben und kein aggressives Verhalten mehr zu zeigen. Währenddessen ist der Konsum der Moderates gerade auf einem Höhepunkt, aber auch erst so kurzfristig, dass eine Gewöhnung noch nicht stattgefunden hat? Ich will das um Gottes Willen nicht behaupten und wenn, müsste das dann eh erst überprüft werden, aber anhand der Daten wäre das doch auch eine mögliche Erkenntnis, oder nicht?

Mich würde auch mal interessieren, wie sich das aggressive Verhalten von Messzeitpunkt zu Messzeitpunkt verändert hat. Dazu gibt es ja leider auch keine (Roh-)Daten.
GamePsychologe hat geschrieben: 11. Jan 2021, 10:04 3. Warum wir die "high initial violence" Gruppe nicht interpretieren sollten: die These der Autorinnen ist plausibel und Grund genug, dass man diese Gruppe nicht mit den anderen vergleichen kann.
Die Begründung halte ich für sehr fragwürdig. Weil die Daten aus einer Stichprobe nicht zu der Hypothese passen, werden sie gestrichen? Das hört sich sehr nach "Ich suche mir die Daten, die meine These unterstützen und ignoriere den Rest" an...
Bei dem Argument bzgl. des Umfangs der Stichprobe bin ich insofern bei dir, dass es eine sehr kleine Datenmenge ist und man deshalb gerade bei möglichen Signifikanzen und Effekten aufpassen muss. Dies jedoch als Grund zu nehmen die Daten komplett zu ignorieren halte ich zumindest für diskutabel. Sicher: in einer schönen Welt, wäre es das Beste, diese Untersuchung mit einer deutlich größeren Stichprobe durchzuführen. Aber es ist auch nichts Neues, dass in der Psychologie oft problematisch ist, ausreichenden Umfang bei Stichproben zu bekommen (besonders Langzeitstudien).
Also anstatt zu sagen, dass wir sie gar nicht nutzen und vergleichen sollen, würde ich sie schon mit einbeziehen und eben vorsichtig sein / im Hinterkopf behalten, dass diese Daten auf einer kleinen Stichprobe basieren.

Ich hoffe (ist mir schon klar, dass "hoffen" ein wackliges Wort für so eine Diskussion ist :think: )dass sich die Autoren dieses Problems auch bewusst waren. Angeblich haben sie zumindest die Größen der einzelnen Klassen bei der Auswertung registriert und auch als kritisch wahrgenommen.
Given the BIC and SABIC may indicate differing numbers of classes, we also employed the LL-Diff test, examined class sizes, and took entropy (a measure of how well cases are classified) into account.
Sie haben also gesehen, dass es so wenige sind und sich trotzdem dafür entscheiden bei dieser Klasseneinteilung zu bleiben und auch die Daten zu behalten.
GamePsychologe hat geschrieben: 11. Jan 2021, 10:04 4. Wenn man die Studie also für irgendwas heranziehen kann, dann als Beleg für das Gegenteil, für das sie überall herumgezeigt wird: Sie weist einen Effekt aus, dass Personen mit langanhaltendem Konsum gewalthaltiger Spiele mit frühem, relativ hohen Start dazu führt, dass die Personen später mehr aggressives Verhalten angeben. Wenn man der Studie folgt und sie ernstnimmt, dann landen wir hier. Bei nichts anderem.
Eben nur, WENN man die Daten ignoriert, die in der High Initials Gruppe vorliegen. Wie gesagt: ich halte es nicht für richtig.


Den Anfang deines letzten Punktes kann ich voll unterstützen, aber ich komme nicht zum selben Ergebnis und würde eben nicht diese Daten einfach ignorieren. Ich würde sagen, dass deine Interpretation (die eben das Ignorieren mancher Daten beinhaltet) eine mögliche Interpretation ist. Ich finde sie mit deiner Erklärung auch durchaus plausibel. Aber es ist eben am Ende doch nur eine von mehreren Interpretationsmöglichkeiten und ich fände es problematisch zu sagen "das ist die eine Aussage, zu der diese Studie fähig ist".
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mockturtle
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Re: Magazin #92: Studie zur Wirkung gewalthaltiger Spiele

Beitrag von mockturtle »

Rigolax hat geschrieben: 11. Jan 2021, 23:43
mockturtle hat geschrieben: 11. Jan 2021, 22:53
Rigolax hat geschrieben: 11. Jan 2021, 15:56 Klingt so ziemlich nach "alles" für mich. Wenn etwas singulär "alles" ist, ist es dann vielleicht auch "nichts" im Sinne von etwas eigenem.
Den Satz verstehe ich nicht. Steckt da mehr drin als Polemik gegen Psychologie als Wissenschaftsfach?
Gruß
Das muss wohl der geneigte Leser für sich beantworten und mich danach richten. Aber selbst bei Wikipedia, die wohl finale Quelle für Definitionen, steht: „Psychologie ist als Wissenschaft bereichsübergreifend: Sie lässt sich weder gänzlich den Naturwissenschaften noch den Sozialwissenschaften oder Geisteswissenschaften allein zuordnen.“

„Gänzlich“ und „allein“. „Alles“ und „nichts“. War aber natürlich auch eine etwas polemische Anspielung an Psychologie als Nicht-Wissenschaft. Sue me.
:ugly: Dann richte ich dich hiermit, indem ich deine Ausführung mal so im Raum stehen lasse.
Gruß
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Re: Magazin #92: Studie zur Wirkung gewalthaltiger Spiele

Beitrag von GamePsychologe »

GrimpaJ hat geschrieben: 12. Jan 2021, 00:00 Den Anfang deines letzten Punktes kann ich voll unterstützen, aber ich komme nicht zum selben Ergebnis und würde eben nicht diese Daten einfach ignorieren. Ich würde sagen, dass deine Interpretation (die eben das Ignorieren mancher Daten beinhaltet) eine mögliche Interpretation ist. Ich finde sie mit deiner Erklärung auch durchaus plausibel. Aber es ist eben am Ende doch nur eine von mehreren Interpretationsmöglichkeiten und ich fände es problematisch zu sagen "das ist die eine Aussage, zu der diese Studie fähig ist".
Ich stimme mit dir überein, dass man sie nicht unter den Tisch kehren kann und darf. Auf keinen Fall dürfte man sie verschweigen und so tun als gäbe es sie nicht. Sie aber definitiv zu interpretieren, halte ich auch nicht für angemessen. Die neuen Hypothesen der Autorinnen (es gab irgendeine Intervention, die den Konsum gesenkt hat; regelmäßiger Konsum wirkt anders als fluktuierender) könnte Anlass sein, weitere Untersuchungen dieser Gruppe anzustreben, um den Fragen auf den Grund zu gehen. Insgesamt finde ich es hier mit den 19 Personen und anderen Faktoren zu wackelig, um irgendwas darauf zu stützen.

Eine andere mögliche Auflösung wäre auch, sich für die 2-Klassen-Lösung zu entscheiden und den Gruppenvergleich dort zu betrachten. Die 3-Klassen-Lösung hier ist ja keine Notwendigkeit.

Um die Validität des verbleibenden Gruppenvergleichs zu stärken: Selbst wenn wir von der 3-Klassen-Lösung ausgehen, wäre die kleine Gruppe mit den Anomalien nicht von so großer Praxisrelevanz. Wenn es einen Anteil von 20-30% (die "Moderates") gibt, die, wenn alles stimmt, später mehr aggressies Verhalten zeigen als andere, die weniger gewalthaltige Spiele in der frühen Jugend gespielt haben, würde das einen beträchtlichen Teil von Personen betreffen. Wir sind hier mindestens verpflichtet, diesem Fund weiter nachzugehen und durch bessere Untersuchungen weitere Alternaiverklärungen auszuschließen. Denn, das muss man bei Betrachtung allein dieser Studie klar sagen, davon gibt es noch einige, von denen du auch noch ein paar genannt hast.

Das wären jedenfalls die Punkte, die ich von einem guten Wissenschaftsjournalismus erwarten würde. Davon waren die Medienberichte zu der Studie Lichtjahre entfernt.
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SebastianStange
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Re: Magazin #92: Studie zur Wirkung gewalthaltiger Spiele

Beitrag von SebastianStange »

Danke für den Einblick hinter die Paywall und rein ins volle Paper und für deine Zusammenfassung, GrimpaJ! Sehr cool.

Das ist schon krass, wie sehr das Abstract des Papers, worauf sich ja auch alle anderen News-Stories zu dieser Studie beziehen, mit seinen wenigen Sätzen die ganze Sache ganz schön verknappt und echt nur grob umschreibt. Mir ist nun erst klar, wie genau die Forscher vorgingen und was sie mit der Kurvenförmigkeit ihrer Messverläufe in den drei Gruppen meinen.

Immer wieder knifflig, wenn so eine Studie zur Schlagzeile wird. Ich habe deshalb im Magazin versucht, da wirklich nur das wiederzugeben, was wirklich bekannt ist und da nix zu verzerren. Die Schlussfolgerung war da vielleicht schon zu viel.

Schön, wie ihr euch hier auch intensiv in die Debatte stürzt. Go, weltbestes Spieleforum!
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Re: Magazin #92: Studie zur Wirkung gewalthaltiger Spiele

Beitrag von GamePsychologe »

SebastianStange hat geschrieben: 13. Jan 2021, 18:17 Danke für den Einblick hinter die Paywall und rein ins volle Paper und für deine Zusammenfassung, GrimpaJ! Sehr cool.

Das ist schon krass, wie sehr das Abstract des Papers, worauf sich ja auch alle anderen News-Stories zu dieser Studie beziehen, mit seinen wenigen Sätzen die ganze Sache ganz schön verknappt und echt nur grob umschreibt. Mir ist nun erst klar, wie genau die Forscher vorgingen und was sie mit der Kurvenförmigkeit ihrer Messverläufe in den drei Gruppen meinen.

Immer wieder knifflig, wenn so eine Studie zur Schlagzeile wird. Ich habe deshalb im Magazin versucht, da wirklich nur das wiederzugeben, was wirklich bekannt ist und da nix zu verzerren. Die Schlussfolgerung war da vielleicht schon zu viel.

Schön, wie ihr euch hier auch intensiv in die Debatte stürzt. Go, weltbestes Spieleforum!
Nur auf Basis des Abstracts ist das auch wirklich nicht leicht. Bei dem knappen Platz werden Schwachstellen natürlich als erstes ausgespart und Ergebnisse günstig hervorgehoben ohne dass es eine Prüfbarkeit gibt, wie man die AUssagen zu nehmen hat. Mittlerweile listet Google Scholar eine PDF-Qualle zum ganzen Papier (die war im Dezember noch nicht da).
Rigolax
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Re: Magazin #92: Studie zur Wirkung gewalthaltiger Spiele

Beitrag von Rigolax »

Also für mich ist die Sachlage jetzt (auch) klar, wo doch die „Kreiszeitung“, immerhin offenbar zu den sechs größten Tageszeitungen in Niedersachsen gehörend, abschließend proklamiert: „GTA vernichtet Killerspiel-Debatte: Studie liefert eindeutige Beweise“ (Überschrift), und „GTA: Studie zeigt – gewalttätige Spiele machen nicht aggressiver“ (eine Unterüberschrift) https://www.kreiszeitung.de/leben/games ... 61232.html

Da fällt auch nicht mehr ins Gewicht, was mir erst relativ spät klar wurde, dass der eine Heise-Artikel zu großen Teilen ein Übersetzungsplagiat eines Artikels eines Online-Games-Shops ist, nicht bloß auf deren Aussagen als Quelle Bezug nimmt (der plagiierte Artikel wird also durchaus verlinkt), sondern ganze Absätze fast 1:1 von dort übersetzt, ohne auszuweisen, dass es keine eigene Leistung ist (also auch im journalistischen Sinne m.E. ein Übersetzungsplagiat darstellt).

Ein wunderbares Beispiel jedenfalls sowohl für journalistische Malpractice als auch die prinzipielle Unbrauchbarkeit eines Großteils medienwirkungswissenschaftlicher Studien für die öffentliche Diskussion, weil mal wieder entweder gar nichts oder maximal vielleicht ein leichter Effekt als Indiz (more research needed) festgestellt wurde, das aber dann als großer Erkenntnis verkauft und instrumentalisiert wird. Blöd gelaufen auch für die Wissenschaftler offenbar aus dem Anderson/Bushman-Lager, deren Wunschinterpretation mal so gar nicht ankam.
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