Runde #302: Demon's Souls
Verfasst: 17. Jan 2021, 17:58
Eine tolle Folge, habe mich auch sehr gefreut, mal wieder den Dom in einer Sonntagsfolge zu hören. Als jemand, der sich ziemlich mit einigen dieser Spiele beschäftigt hat, hatte ich mich zwar darauf gefreut, Andre und Dom bei diesem Thema zuzuhören, aber ich hatte nicht unbedingt erwartet, dass da noch einige coole neue Gedanken auftauchen, die mir so noch nicht begegnet waren (diese Spiele sind ja inzwischen derart intensiv besprochen worden), das war eine Freude.
MULTIPLAYER AUSSERHALB DES SPIELS?
In einem Punkt gehe ich nicht ganz mit Andre einig, und zwar bei der Frage der Elemente, die sich doch bitte komplett aus dem eigentlichen Spiel heraus selbst zu erklären haben, wie World Tendency etc. Diese From Software Spiele haben alle relativ ungewöhnliche Multiplayer-Elemente. Nebst den ganze PvP-Möglichkeiten und der Möglichkeit, sich von anderen Spielern direkt im Kampf helfen zu lassen, deutet schon die Möglichkeit, anderen Spielern Nachrichten (Warnungen etc.) zu hinterlassen darauf hin, dass diese Spiele ein Stück weit auch als Gemeinschaftsaufgabe für eine Community gedacht sind. Die maximal obskure Weise, Backstory zu vermitteln und die maximal versteckten Mechaniken (World Tendency), bei denen wirklich nicht davon ausgegangen werden kann, dass ein einzelner Spieler sie alle entdeckt, deuten für mich auch in die Richtung, dass das von Anfang an so designt wurde, damit sich eine Community bildet, die das Metaspiel des Theory-Crafting spielen und geniessen kann und sich darüber erfreuen kann, welche Tür irgendwo plötzlich offen ist, wenn man bei Vollmond und gleichzeitiger weisser World Tendency Charakter XY ermordert etc. Das kann man mögen oder auch nicht, genau so wie bei gewissen modernen Serien wie Lost oder Westworld, die auch darauf ausgerichtet sind, dass sich die Leute in Foren darüber unterhalten und maximal spekulieren etc. Ich würde es aber durchaus als legitime Designentscheidung ansehen, zumal es sich quasi um Bonuscontent handelt. Man kann das Spiel problemlos komplett durchspielen, ohne sich je mit World Tendency auseinanderzusetzen.
SCHWIERIGKEITSGRAD
Last but not least: Keine Soulslike-Besprechung ohne die leidige Schwierigkeitsdiskussion, so will es das Gesetz
Ich finde es schade, wie oberflächlich diese meist verlauft und welch primitives Bild vom Spieler und seiner Psychologie da oft zugrundegelegt wird. ein paar Gedanken dazu:
FLEXIBLER SCHWIERIGKEITSGRAD VS BEHARRLICHKEIT
Als Spieldesigner stellt man ganz grundsätzlich den Spieler vor Probleme, die der Spieler ohne den Designer nicht haben würde. Dabei gibt man das Versprechen ab, dass es sich lohnen wird, sich darauf einzulassen. Bei einem Spiel wie Dark Souls ist die Erfahrung von Beharrlichkeit, wie es Andre nennt (auf Englisch kommt mir der Begriff perseverance in den Sinn) ein ganz zentrales Element. Das muss nicht bei allen Spielen so sein, es ist aber legitim, dass es bei diesen Spielen so ist. Wenn ich dem Spieler nun nicht die Möglichkeit (und damit die Versuchung) gebe, den Schwierigkeitsgrad runterzuschrauben, um endlich den schwierigen Boss doch noch zu besiegen, dann ermögliche ich ihm dieses ästhetische Erlebnis, dass heutzutage nur in ganz wenigen Spielen zu haben ist. Wenn ich es zulasse, dann beraube ich all jene Spieler, die vielleicht mal einen schwachen Moment haben, dieser Erfahrung.
Anders gesagt, Als Spieldesigner muss man manchmal den Spieler etwas zu seinem Glück zwingen bzw. vor sich selber schützen, insbesondere wenn psychologische Hürden wie Loss-Aversion etc. diesen sonst von interessanten Spielerfahrungen abhalten würden*. Dass dabei Kompromisse in Sachen Zugänglichkeit gemacht werden, ist nicht nur Spielen inhärent, sondern schlicht bei jedem Kulturprodukt (ich vermeide mal den Begriff Kunst) der Fall. Wenn ich Bilder male, schliesse ich Blinde aus. Wenn ich komplizierte Bücher mit komplexer Sprache schreibe, schliesse ich eine ganz grosse Mehrheit der Menschen aus. Und da es jedesmal kommt: Nein, "aber solange die Menschen die Buchstaben wahrnehmen können, können sie's ja bis zum Ende des Buchs schaffen" ist ein total theoretisches Quatsch-Argument, dass selbst in der Theorie keiner näheren Betrachtung standhält, und schon gar nicht in der Praxis relevant ist.
Nun könnte man sagen, ok, dann baut man unterschiedliche Schwierigkeitsgrade ein und erlaubt einfach nicht, den Schwierigkeitsgrad während eines Playthroughs zu wechseln. Aber abgesehen davon, dass es ja dann auch problematisch ist, von der Spielerin zu verlangen, dass sie ohne Informationen im Voraus schon vorhersagt, welcher Schwierigkeitsgrad für sie richtig sein wird, kommt für mich ein ganz anderes, wichtiges Argument zum Tragen. Auch dieses hat genau nichts mit Elitismus und Exklusivität oder irgendeinem sonstigen Bezug der Spielerin zu anderen Menschen zu tun:
"AUTHENTIZITÄT" BZW. DAS SPIEL ALS OBJEKT MIT EIGENER IDENTITÄT/INTEGRITÄT
Dadurch, dass Demon's Souls sich nicht an den Spieler anpasst, erhält es einen Grad an Authentizität (nenn ich mal so), der anders nicht möglich wäre, und der eben auch zentraler Bestandteil der intendierten Spielerfahrung ist. Egal, wer Du bist, Demon's Souls ist Demon's Souls, und nicht ein à la carte Unterhaltungsprodukt, dass sich dehnt und streckt und verbiegt, damit Du es ja bis zum Ende schaffst und alles siehst. Dieses Erlebnis ist heutzutage höchst selten zu haben, wie man auch an von Anfang an mit Icons nur so zugeschissenen Open-World Maps sieht. Ganz klar, das ist nicht für jedermann. Das ist vermutlich auch nicht die kommerziell optimale Variante, die Schwierigkeit eines Spiels zu handhaben. Aber für die Leute, für die das Spiel gemacht ist, ist es etwas, dass die Spielerfahrung ungemein intensiviert. Nicht, weil sie elitäre Gatekeeper sind (also einige davon sicher schon auch), sondern, weil die Spielwelt um einiges immersiver wird, wenn Boss XYZ nicht eine Ansammlung von Parametern ist, die zurechtdividiert werden, damit meine Frustrationstoleranz ja nicht überbeansprucht wird. Die Fiktion einer echten Welt, die nicht nur für den Spieler existiert und die nicht auf ihn gewartet hat, wird so viel stärker. Das passt auch wunderbar zur düsteren Atmosphäre all dieser Spiele. Das kann man toll finden oder es ist einem egal und man will einfach mal ein paar Monster metzeln, aber es lässt sich nicht wegdiskutieren, dass die Abwesenheit eines Schwierigkeitsgradreglers hier einen Einfluss auf die Spielerfahrung hat. Das Argument, dass niemandem ein Nachteil daraus entstünde, wenn ein niedrigerer Schwierigkeitsgrad ebenfalls zur Auswahl stünde, greift schlicht zu kurz, ohne, dass man dafür asoziale Spieler voraussetzen muss, die sich daran aufgeilen, anderen eine Spielerfahrung vorzuenthalten oder deren fragiles Ego die Bestätigung braucht, besser als andere in einem Videospiel zu sein.
Der eigentliche Challenge-Regler bei Demon's Souls ist die Frage, ob man sich durch die Community mit Co-op und Guides helfen lässt oder ob man es allein und offline durchziehen will.
*Dasselbe gilt beim Ironman-Modus in X-COM, wo man dem Spieler die Erfahrung ermöglicht (bzw. wesentlich erleichtert), zu akzeptieren, dass in einem Krieg nunmal Leute sterben und man nicht jedesmal neu laden kann, wenn eine Spielfigur stirbt. Es ist die vermutlich intendierte, kohärentere Art, X-COM zu spielen und auch in dem Genre eine Erfahrung, die man als Spieler selten geboten kriegt: das teilweise Scheitern als integraler, akzeptierter Bestandteil des Spiels (und nicht etwa die Auslagerung an ein die Kohärenz und Immersion schwächendes Checkpoint- oder Speichersystem). Leider hatte man da nicht den Mut, dies allen Spielern zuzumuten. Als Folge davon sind manche meiner Freunde nie in den Genuss dieser Spielerfahrung gekommen, weil der Default nunmal etwas anderes ist und uns Spiele jahrzehntelang mehrheitlich dazu erzogen haben, nach Fehlern F9 zu drücken und so zu tun, als seien sie nie geschehen, anstatt sie auf interessante Weise ins Spielerlebnis zu integrieren.
MULTIPLAYER AUSSERHALB DES SPIELS?
In einem Punkt gehe ich nicht ganz mit Andre einig, und zwar bei der Frage der Elemente, die sich doch bitte komplett aus dem eigentlichen Spiel heraus selbst zu erklären haben, wie World Tendency etc. Diese From Software Spiele haben alle relativ ungewöhnliche Multiplayer-Elemente. Nebst den ganze PvP-Möglichkeiten und der Möglichkeit, sich von anderen Spielern direkt im Kampf helfen zu lassen, deutet schon die Möglichkeit, anderen Spielern Nachrichten (Warnungen etc.) zu hinterlassen darauf hin, dass diese Spiele ein Stück weit auch als Gemeinschaftsaufgabe für eine Community gedacht sind. Die maximal obskure Weise, Backstory zu vermitteln und die maximal versteckten Mechaniken (World Tendency), bei denen wirklich nicht davon ausgegangen werden kann, dass ein einzelner Spieler sie alle entdeckt, deuten für mich auch in die Richtung, dass das von Anfang an so designt wurde, damit sich eine Community bildet, die das Metaspiel des Theory-Crafting spielen und geniessen kann und sich darüber erfreuen kann, welche Tür irgendwo plötzlich offen ist, wenn man bei Vollmond und gleichzeitiger weisser World Tendency Charakter XY ermordert etc. Das kann man mögen oder auch nicht, genau so wie bei gewissen modernen Serien wie Lost oder Westworld, die auch darauf ausgerichtet sind, dass sich die Leute in Foren darüber unterhalten und maximal spekulieren etc. Ich würde es aber durchaus als legitime Designentscheidung ansehen, zumal es sich quasi um Bonuscontent handelt. Man kann das Spiel problemlos komplett durchspielen, ohne sich je mit World Tendency auseinanderzusetzen.
SCHWIERIGKEITSGRAD
Last but not least: Keine Soulslike-Besprechung ohne die leidige Schwierigkeitsdiskussion, so will es das Gesetz
Ich finde es schade, wie oberflächlich diese meist verlauft und welch primitives Bild vom Spieler und seiner Psychologie da oft zugrundegelegt wird. ein paar Gedanken dazu:
FLEXIBLER SCHWIERIGKEITSGRAD VS BEHARRLICHKEIT
Als Spieldesigner stellt man ganz grundsätzlich den Spieler vor Probleme, die der Spieler ohne den Designer nicht haben würde. Dabei gibt man das Versprechen ab, dass es sich lohnen wird, sich darauf einzulassen. Bei einem Spiel wie Dark Souls ist die Erfahrung von Beharrlichkeit, wie es Andre nennt (auf Englisch kommt mir der Begriff perseverance in den Sinn) ein ganz zentrales Element. Das muss nicht bei allen Spielen so sein, es ist aber legitim, dass es bei diesen Spielen so ist. Wenn ich dem Spieler nun nicht die Möglichkeit (und damit die Versuchung) gebe, den Schwierigkeitsgrad runterzuschrauben, um endlich den schwierigen Boss doch noch zu besiegen, dann ermögliche ich ihm dieses ästhetische Erlebnis, dass heutzutage nur in ganz wenigen Spielen zu haben ist. Wenn ich es zulasse, dann beraube ich all jene Spieler, die vielleicht mal einen schwachen Moment haben, dieser Erfahrung.
Anders gesagt, Als Spieldesigner muss man manchmal den Spieler etwas zu seinem Glück zwingen bzw. vor sich selber schützen, insbesondere wenn psychologische Hürden wie Loss-Aversion etc. diesen sonst von interessanten Spielerfahrungen abhalten würden*. Dass dabei Kompromisse in Sachen Zugänglichkeit gemacht werden, ist nicht nur Spielen inhärent, sondern schlicht bei jedem Kulturprodukt (ich vermeide mal den Begriff Kunst) der Fall. Wenn ich Bilder male, schliesse ich Blinde aus. Wenn ich komplizierte Bücher mit komplexer Sprache schreibe, schliesse ich eine ganz grosse Mehrheit der Menschen aus. Und da es jedesmal kommt: Nein, "aber solange die Menschen die Buchstaben wahrnehmen können, können sie's ja bis zum Ende des Buchs schaffen" ist ein total theoretisches Quatsch-Argument, dass selbst in der Theorie keiner näheren Betrachtung standhält, und schon gar nicht in der Praxis relevant ist.
Nun könnte man sagen, ok, dann baut man unterschiedliche Schwierigkeitsgrade ein und erlaubt einfach nicht, den Schwierigkeitsgrad während eines Playthroughs zu wechseln. Aber abgesehen davon, dass es ja dann auch problematisch ist, von der Spielerin zu verlangen, dass sie ohne Informationen im Voraus schon vorhersagt, welcher Schwierigkeitsgrad für sie richtig sein wird, kommt für mich ein ganz anderes, wichtiges Argument zum Tragen. Auch dieses hat genau nichts mit Elitismus und Exklusivität oder irgendeinem sonstigen Bezug der Spielerin zu anderen Menschen zu tun:
"AUTHENTIZITÄT" BZW. DAS SPIEL ALS OBJEKT MIT EIGENER IDENTITÄT/INTEGRITÄT
Dadurch, dass Demon's Souls sich nicht an den Spieler anpasst, erhält es einen Grad an Authentizität (nenn ich mal so), der anders nicht möglich wäre, und der eben auch zentraler Bestandteil der intendierten Spielerfahrung ist. Egal, wer Du bist, Demon's Souls ist Demon's Souls, und nicht ein à la carte Unterhaltungsprodukt, dass sich dehnt und streckt und verbiegt, damit Du es ja bis zum Ende schaffst und alles siehst. Dieses Erlebnis ist heutzutage höchst selten zu haben, wie man auch an von Anfang an mit Icons nur so zugeschissenen Open-World Maps sieht. Ganz klar, das ist nicht für jedermann. Das ist vermutlich auch nicht die kommerziell optimale Variante, die Schwierigkeit eines Spiels zu handhaben. Aber für die Leute, für die das Spiel gemacht ist, ist es etwas, dass die Spielerfahrung ungemein intensiviert. Nicht, weil sie elitäre Gatekeeper sind (also einige davon sicher schon auch), sondern, weil die Spielwelt um einiges immersiver wird, wenn Boss XYZ nicht eine Ansammlung von Parametern ist, die zurechtdividiert werden, damit meine Frustrationstoleranz ja nicht überbeansprucht wird. Die Fiktion einer echten Welt, die nicht nur für den Spieler existiert und die nicht auf ihn gewartet hat, wird so viel stärker. Das passt auch wunderbar zur düsteren Atmosphäre all dieser Spiele. Das kann man toll finden oder es ist einem egal und man will einfach mal ein paar Monster metzeln, aber es lässt sich nicht wegdiskutieren, dass die Abwesenheit eines Schwierigkeitsgradreglers hier einen Einfluss auf die Spielerfahrung hat. Das Argument, dass niemandem ein Nachteil daraus entstünde, wenn ein niedrigerer Schwierigkeitsgrad ebenfalls zur Auswahl stünde, greift schlicht zu kurz, ohne, dass man dafür asoziale Spieler voraussetzen muss, die sich daran aufgeilen, anderen eine Spielerfahrung vorzuenthalten oder deren fragiles Ego die Bestätigung braucht, besser als andere in einem Videospiel zu sein.
Der eigentliche Challenge-Regler bei Demon's Souls ist die Frage, ob man sich durch die Community mit Co-op und Guides helfen lässt oder ob man es allein und offline durchziehen will.
*Dasselbe gilt beim Ironman-Modus in X-COM, wo man dem Spieler die Erfahrung ermöglicht (bzw. wesentlich erleichtert), zu akzeptieren, dass in einem Krieg nunmal Leute sterben und man nicht jedesmal neu laden kann, wenn eine Spielfigur stirbt. Es ist die vermutlich intendierte, kohärentere Art, X-COM zu spielen und auch in dem Genre eine Erfahrung, die man als Spieler selten geboten kriegt: das teilweise Scheitern als integraler, akzeptierter Bestandteil des Spiels (und nicht etwa die Auslagerung an ein die Kohärenz und Immersion schwächendes Checkpoint- oder Speichersystem). Leider hatte man da nicht den Mut, dies allen Spielern zuzumuten. Als Folge davon sind manche meiner Freunde nie in den Genuss dieser Spielerfahrung gekommen, weil der Default nunmal etwas anderes ist und uns Spiele jahrzehntelang mehrheitlich dazu erzogen haben, nach Fehlern F9 zu drücken und so zu tun, als seien sie nie geschehen, anstatt sie auf interessante Weise ins Spielerlebnis zu integrieren.