Magazin Spezial: Wie funktioniert der automatisierte Jugendschutz?

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Andre Peschke
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Re: Magazin Spezial: Wie funktioniert der automatisierte Jugendschutz?

Beitrag von Andre Peschke »

Rigolax hat geschrieben: 28. Apr 2021, 16:13 Was mich wundert: Wird im IARC-Verfahren nicht abgefragt, ob es schon ein 'reguläres' Gremien-Rating gibt, das einfach übernommen werden könnte bei Inhaltsgleichheit?
Doch, AFAIK geht das.
Rigolax hat geschrieben: 28. Apr 2021, 16:13Davon ab befürchte ich, dass die IARC-Fragebögen vielleicht doch teils Missverständnispotential haben, je nach dem wie man manche Fragen/Antworten interpretiert.
Ich würde sagen, auf jeden Fall. Beim Pilotprojekt der USK wurde damals ja vor allem auf jugendschutzrelevante Unterschiede zwischen Fragebogen-System und der Beurteilung durch Menschen abgestellt (noch nicht IARC, aber wurscht, weil die Fragebögen werden AFAIK sowieso von den teilnehmenden Age-Rating-Organisationen vergeben, also der USK-Fragebogen von der USK etc). Heißt: Diese 95%oderso waren "gleiche Einstufung oder höher". Denn eine zu hohe Alterseinstufung tut aus Jugendschutzsicht ja nicht weh. Ich glaube, wenn man das rausrechnet, gab's dann so 10% Abweichungen, was dann ja gar nicht mal so wenig ist und schon den Schluss nahelegt, dass das unterschiedlich verstanden werden kann.

Andre
Rigolax
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Re: Magazin Spezial: Wie funktioniert der automatisierte Jugendschutz?

Beitrag von Rigolax »

Andre Peschke hat geschrieben: 28. Apr 2021, 17:40
Rigolax hat geschrieben: 28. Apr 2021, 16:13 Was mich wundert: Wird im IARC-Verfahren nicht abgefragt, ob es schon ein 'reguläres' Gremien-Rating gibt, das einfach übernommen werden könnte bei Inhaltsgleichheit?
Doch, AFAIK geht das.
Wäre wohl auch sinnvoll aufgrund von § 12 JMStV, fiel mir vorhin noch ein. Darin heißt es ja: "Anbieter von Telemedien, die ganz oder im Wesentlichen inhaltsgleich mit Filmen oder Spielen auf Bildträgern im Sinne des Jugendschutzgesetzes sind, müssen auf eine Kennzeichnung nach dem Jugendschutzgesetz in ihrem Angebot deutlich hinweisen". Das ist für Anbieter bußgeldbewehrt mit bis zu 500.000€ gemäß § 24 JMStV, sogar auch nur bei fahrlässigem Handeln. Na ja. :ugly: (weiß nicht, ob § 12 JMStV in der Praxis wirklich durchgesetzt wird, ich tendiere zu nein.)
Andre Peschke hat geschrieben: 28. Apr 2021, 17:40 (...) Denn eine zu hohe Alterseinstufung tut aus Jugendschutzsicht ja nicht weh. Ich glaube, wenn man das rausrechnet, gab's dann so 10% Abweichungen, was dann ja gar nicht mal so wenig ist und schon den Schluss nahelegt, dass das unterschiedlich verstanden werden kann.
Einen gewissen Beurteilungsspielraum muss man wohl zugestehen, gibt es auch in den Gremienprüfungen. Das Problem ist imho, falls signifikant gehäuft Fälle wie bei What Remains of Edith Finch oder Dry Drowning entstehen, in der Spannbreite zwischen 6 bis 16. Das halte ich im Gremienbereich für praktisch ausgeschlossen, eine solche Unschärfe; also weniger etwaige Abweichungen zwischen zwei Stufen wie 0 zu 6, 6 zu 12, etc. sondern über drei Stufen; im Gremienbereich gab es so etwas in den letzten Jahren vielleicht nur bei manchen japanischen Titeln (zwischen 16 und keine Kennzeichnung wie bei Peach Beach Splash: https://twitter.com/USK_de/status/894521057247461378). (Wobei starke Abweichungen zu einem gewissen Grad in Kauf genommen werden müssen imho, nicht gänzlich vermeidbar auch unter großen Anstrengen bei einem automatisierten System.)

Also imho hat die IARC-Routine an manchen Stellen vielleicht arges Potential für Missverständnisse oder manche Anbieter füllen die Fragen etwas eigentümlich interpretiert aus, wobei ich nicht an vorsätzlich "niedrig" oder unsorgfältig denke, sondern vielleicht aufgrund eines Mangels an angebotenem Referenzrahmen auf nicht erwartete Weise verstanden.

Wenn man nur bloß wüsste, wie es genau abläuft, aber will man ja bei IARC bzw. den Ratingstellen nicht sagen.-- Also sieht man imho, die kaum vorhandene Transparenz macht's schlimmer, da man tendenziell nur spekulieren kann, auch in Bezug darauf wie häufig solche Fälle wie oben skizziert wirklich auftreten oder ob das nicht einfach Ausreißer sind.

In Bezug auf zu hohe Einstufungen: Tendenziell weniger problematisch als zu niedrige aus Jugendschutzsicht, kann aber ein eigenes Problem werden, wenn es zu häufig auftritt und das Vertrauen der Konsumenten in die Ratings allgemein erschüttert, also wenn jetzt etwa Super Mario 16er-Einstufung ungerechtfertigt bekäme und der so geneigte User sich dann fragt, was die Ratings überhaupt taugen. In dem Sinne fand ich vorhin bei Twitter den Dev von "Toree 3D" (recht obskures Spiel scheint mir [EDIT: Wobei, auf der Switch wohl doch recht populär]), der auf eine Beschwerde eines Nutzers reagierte, wonach ein Spiel von denen mit PEGI 3 zu niedrig eingestuft sei. Der Dev: "We filled out the IARC questionaire and got a PEGI 7 rating. However, we then got a letter from IARC that we overstated the horror elements and that the rating therefore needed to be lowered. The PEGI 3 rating is not our choice, but following the guidelines of IARC / PEGI." https://twitter.com/DiplodocusGames/sta ... 0651265026 Finde ich kurios, dass man bei der PEGI anscheinend schon die 7er-Ratings auf 3er runterkorrigiert.
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Andre Peschke
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Re: Magazin Spezial: Wie funktioniert der automatisierte Jugendschutz?

Beitrag von Andre Peschke »

Rigolax hat geschrieben: 28. Apr 2021, 19:29 Wenn man nur bloß wüsste, wie es genau abläuft, aber will man ja bei IARC bzw. den Ratingstellen nicht sagen.-- Also sieht man imho, die kaum vorhandene Transparenz macht's schlimmer, da man tendenziell nur spekulieren kann, auch in Bezug darauf wie häufig solche Fälle wie oben skizziert wirklich auftreten oder ob das nicht einfach Ausreißer sind.

In Bezug auf zu hohe Einstufungen: Tendenziell weniger problematisch als zu niedrige aus Jugendschutzsicht, kann aber ein eigenes Problem werden, wenn es zu häufig auftritt und das Vertrauen der Konsumenten in die Ratings allgemein erschüttert, also wenn jetzt etwa Super Mario 16er-Einstufung ungerechtfertigt bekäme und der so geneigte User sich dann fragt, was die Ratings überhaupt taugen.
Jopp, exakt. Alles mein Reden. Und wie schon gesagt: IMO ist auch die USK bereits zu intransparent. Es ist - wenn man denn die Age-Ratings schon macht und für wichtig und wertvoll hält - IMO nicht einzusehen, warum die Öffentlichkeit nicht maximale Einsicht in die Vorgänge und Entscheidungsgründe haben sollte, wenn man der Industrie zugesteht, ihre Altersprüfung selbst vorzunehmen.

Andre
foxxio
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Re: Magazin Spezial: Wie funktioniert der automatisierte Jugendschutz?

Beitrag von foxxio »

Steht in den Nutzungsvereinbarungen der IARC-Rating-Software, dass die Fragen nicht veröffentlicht werden dürfen?
Rigolax
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Re: Magazin Spezial: Wie funktioniert der automatisierte Jugendschutz?

Beitrag von Rigolax »

foxxio hat geschrieben: 28. Apr 2021, 22:31 Steht in den Nutzungsvereinbarungen der IARC-Rating-Software, dass die Fragen nicht veröffentlicht werden dürfen?
Späte Antwort: Hab ich nie geprüft, intuitiv glaub ich's aber eher nicht.

Sehe dafür grad, dass es öffentliche YouTube-Videos gibt bzw. mindestens eines, das einen IARC-Fragebogen-Durchgang abgefilmt hat: https://www.youtube.com/watch?v=J8JsfihNdE0 Leider wird da nicht überall das "Maximum" angekreuzt, was interessanter wäre. Die Aufnahme ist zudem spätestens von November 2018, also veraltet ggf.
Rigolax hat geschrieben: 27. Apr 2021, 13:28 Aktuell noch eine Anfrage von mir, Ergebnis noch offen: https://fragdenstaat.de/anfrage/keine-k ... -20181920/ "eine Auflistung der Computerspiele, bei denen in den Jahren 2018, 2019 und 2020 die Kennzeichnung gemäß § 14 JuSchG verweigert wurde."
Dazu gab es nun eine Antwort vom Familienministerium-NRW:
In dem von Ihnen angefragten Zeitraum in den Jahren 2018 bis 2020 wurden nach gegenwärtigem Stand der USK-Prüfverfahren vier Vollversionen von Spielen nicht gekennzeichnet - zwei im Jahr 2018, keine im Jahr 2019 und zwei im Jahr 2020. Die Herausgabe der Informationen zu den konkreten Titeln der ungekennzeichneten Spiele ist aus folgenden Gründen abzulehnen:

(...)

Gemäß § 8 IFG NRW ist der Antrag auf Informationszugang abzulehnen, soweit durch die Übermittlung der Information ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis offenbart wird und dadurch ein wirtschaftlicher Schaden entstehen würde. Entsprechendes gilt für Informationen, die wegen ihrer volkswirtschaftlichen Bedeutung im öffentlichen Interesse geheimzuhalten sind. Sätze 1 und 2 gelten nicht, wenn die Allgemeinheit ein überwiegendes Interesse an der Gewährung des Informationszugangs hat und der eintretende Schaden nur geringfügig wäre. Im Zweifelsfall ist der oder dem Betroffenen vorher Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Betroffen sein kann auch eine öffentliche Stelle.

Generell ist bei Computerspielen, denen eine Kennzeichnung gem. § 14 JuSchG verweigert wurde, unklar, ob der Titel tatsächlich ohne ein USK-Kennzeichen auf dem deutschen Markt veröffentlicht wird. Sofern der Anbieter des Spiels sich entscheidet, das Angebot abzuändern und damit auf dem deutschen Markt vertreiben will, könnte ein Imageschaden entstehen, der auch erhebliche wirtschaftliche Folgen haben könnte.

Spielangebote, die keine Kennzeichnung erhalten haben, sind möglicherweise jugendgefährdend oder könnten sogar strafrechtsrelevante Inhalte aufweisen. Um ein öffentliches Bewerben solcher Angebote zu vermeiden, werden diese Informationen nicht veröffentlicht.

Bei einer Indizierung durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien drohen dem Anbieter für sein Spielangebot ein absolutes Werbeverbot sowie eine Verbreitungsbeschränkung, sodass ein damit einhergehender nicht unerheblicher wirtschaftlicher Schaden wahrscheinlich ist.

Aus diesen Gründen wird dem Anbieter durch die Grundsätze der USK die Wahrung des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses zugesichert. Diese Zusicherung stellt die Grundlage für das Vertrauen des Anbieters in die jugendschutzrechtliche Prüfung seines Spielangebots dar.
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Re: Magazin Spezial: Wie funktioniert der automatisierte Jugendschutz?

Beitrag von Rince81 »

Rigolax hat geschrieben: 4. Mai 2021, 14:44 Dazu gab es nun eine Antwort vom Familienministerium-NRW:

Generell ist bei Computerspielen, denen eine Kennzeichnung gem. § 14 JuSchG verweigert wurde, unklar, ob der Titel tatsächlich ohne ein USK-Kennzeichen auf dem deutschen Markt veröffentlicht wird. Sofern der Anbieter des Spiels sich entscheidet, das Angebot abzuändern und damit auf dem deutschen Markt vertreiben will, könnte ein Imageschaden entstehen, der auch erhebliche wirtschaftliche Folgen haben könnte.
Was ist das denn für eine selten dämliche Argumentation?
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Rigolax
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Re: Magazin Spezial: Wie funktioniert der automatisierte Jugendschutz?

Beitrag von Rigolax »

Rince81 hat geschrieben: 4. Mai 2021, 15:52
Rigolax hat geschrieben: 4. Mai 2021, 14:44 Dazu gab es nun eine Antwort vom Familienministerium-NRW:

Generell ist bei Computerspielen, denen eine Kennzeichnung gem. § 14 JuSchG verweigert wurde, unklar, ob der Titel tatsächlich ohne ein USK-Kennzeichen auf dem deutschen Markt veröffentlicht wird. Sofern der Anbieter des Spiels sich entscheidet, das Angebot abzuändern und damit auf dem deutschen Markt vertreiben will, könnte ein Imageschaden entstehen, der auch erhebliche wirtschaftliche Folgen haben könnte.
Was ist das denn für eine selten dämliche Argumentation?
Ja, die Argumentation überzeugt mich auch nicht wirklich. Entsprechende Änderungen werden ja öffentlich oft kontrovers diskutiert und gerade im Filmbereich in den letzten Jahren immer wieder bekannt, oftmals von Labels selbst auf Nachfrage. (Die FSK-Gremien verweigern meinem Eindruck nach noch recht regelmäßig Alterskennzeichen und oftmals wird dann kurioserweise auch nie von der BPjM indiziert anscheinend; weiß nicht, ob die BPjM da oft nur keine Anträge/Anregungen zur Indizierung bekommt.) Also da wird imho kein mehr als nur maximal geringfügiger wirtschaftlicher Schaden entstehen --eher im Gegenteil, eher noch ein Werbe- und Sympathie-(Märtyrer-)Effekt entstehen.

Ist auch insofern interessant imho, da die der Alterskennzeichnung verweigerten Medien ja jugendgefährdend oder gar nach bestimmten Normen strafrechtlich relevant sind nach Meinung der prüfenden Gremien, also man auch im Grunde ein Informationsinteresse der Allgemeinheit dahingehend sehen kann, in Richtung Warnung vor den Inhalten eher (halte ich nicht für sinnvoll, aber kann man ja sehen).

Gibt offenbar übrigens kein Widerspruchsverfahren laut dem IFG NRW, könnte man also wohl realistisch gesehen nur den Informationsfreiheitsbeauftragen von NRW belästigen. Klagen werde ich sicher nicht (bitte wer anders versuchen, Danke).

Bin übrigens amüsiert, in der Antwort steht: "Mit E-Mail vom 11.03.2029 beantragten Sie die...", für sich genommen banal und fies, sich daran aufzuhängen (ich mach selbst genug Tippfehler), aber dieselbe Behörde hat das schonmal gemacht bei mir: https://fragdenstaat.de/anfrage/usk-ken ... waerzt.pdf Also auch "vordatiert" auf 2029. Vermutlich nur Zufall oder doch was im EDV-System kaputt. :ugly:
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Re: Magazin Spezial: Wie funktioniert der automatisierte Jugendschutz?

Beitrag von Rince81 »

Rigolax hat geschrieben: 4. Mai 2021, 16:08 (Die FSK-Gremien verweigern meinem Eindruck nach noch recht regelmäßig Alterskennzeichen und oftmals wird dann kurioserweise auch nie von der BPjM indiziert anscheinend; weiß nicht, ob die BPjM da oft nur keine Anträge/Anregungen zur Indizierung bekommt.) Also da wird imho kein mehr als nur maximal geringfügiger wirtschaftlicher Schaden entstehen --eher im Gegenteil, eher noch ein Werbe- und Sympathie-(Märtyrer-)Effekt entstehen.
Ist das so? Ernste Frage, ich habe mich mit dem Jugendschutzkram in der Form bei Filmen seit zig Jahren nicht mehr beschäftigt. Ich hätte daher das Gegenteil vermutet. Zum einen sind zig Sachen vom Index geflogen in den vergangenen Jahren und ich hatte angenommen, dass sich der Markt gewaltig verschoben hat. Du bekommst den ungeprüften Kram kaum an den Mann bzw. die Frau. Netflix und Co. fallen raus, der Einzelhandel führt im Regelfall keine ungeprüften DVDs oder Blu-Rays und der Hauptumsatzmarkt dafür waren Videotheken und Börsen und die gibt es beides nicht mehr...

Zweites Bauchgefühl. Hauptarbeit der Prüfstelle ist Liste C und D... Da rennt der Jugendschutz, die komischen DVDs die sich irgendwelche Freaks aus Österreich oder der Schweiz importieren interessieren nicht mehr...
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Re: Magazin Spezial: Wie funktioniert der automatisierte Jugendschutz?

Beitrag von Rigolax »

Rince81 hat geschrieben: 4. Mai 2021, 18:05
Ne, ist gut, dass du kritisch nachfragst.

Ich verfolge dazu primär die Berichterstattung von Schnittberichte, die oftmals von den Filme-Labels informiert werden (auf Nachfrage, teils auch von selbst, glaub ich). Dazu eine News-Suche eben nach "verweigert": https://www.schnittberichte.com/svds.ph ... verweigert Weiterhin die Jahresrückblicke: https://www.schnittberichte.com/artikel.php?ID=89 Verweigerte Ratings kommen schon weitaus regelmäßiger im Filmbereich als im Spielbereich vor. Vermutlich weil etwa auf Steam keine Kennzeichnung eingeholt wird und bei Filmen der Trägermedienhandel noch recht lukrativ ist (anders gesagt: Spiele sind digitaler), folglich im tendenziell grenzüberschreitenden/-auslotenden (B-Movie-)Splatter-, Horror- und Actionerbereich geprüft und verweigert wird. Konkret wunder ich mich z.B., dass das US-Remake von Martyrs nie indiziert wurde anscheinend, auch I Spit on Your Grave 3 oder Laid to Rest (in den jeweiligen ungekürzten Fassungen).

Stimmt auch, dass Telemedien weitaus relevanter sind für die BPjM bzw. PjM, wie die ja jetzt wohl heißen. Andererseits wurde jetzt bekannt, dass im April ein obskurer deutscher Amateursplatter von 2010 indiziert wurde, fragt man sich auch, wie das wieder bei der BPjM gelandet ist und warum das nicht als "geringe Bedeutung" ignoriert wird (§ 18 Abs. 4 JuSchG). Die drei zuvor genannten Filme könnten daher ganz theoretisch auch nicht-öffentlich als Telemedium indiziert worden sein (glaub ich aber weniger).

In Bezug auf die Antwort der OLJB von NRW wegen des Imageschadens bei gekürzten Fassungen dachte ich mir noch, dass imho vielmehr davon auszugehen ist, dass ein Imageschaden entsteht, wenn Kürzungen gerade nicht (von Seiten des Anbieters) transparent/bekannt gemacht werden, Kunden also inhaltlich gekürzte Fassungen angeboten werden, ohne dass darauf hingewiesen wird, insbesondere wenn die Kunden diese Information vor einer Kaufentscheidung explizit wünschen, also gezielt suchen.
Mutantenjupp
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Re: Magazin Spezial: Wie funktioniert der automatisierte Jugendschutz?

Beitrag von Mutantenjupp »

Ein interessantes Thema und super Fragen aber wie die anderen bereits geschrieben haben eher wenig substantiell was die Antworten angeht.

Ein Thematik die ich besonders interessant fand, war die Erwähnung von "KI/Deep Learning" für die automatisierte Erkennung und Einstufung von Inhalten.
Soweit ich die Deep Learning Thematik verstanden habe, kann man bei einer automatisierten Einstufung im Nachhinein nicht wirklich nachvollziehen, wie diese Einstufung zustande kam. Zudem ist automatisierte Erkennung auch nicht vorurteilsfrei, ein Beispiel hier wäre Apples Face ID, die laut Berichten aus 2017 wohl nicht wirklich mit asiatisch aussehenden Gesichtern zurecht kam.

Tiefgreifende Änderungen an der "Spruchpraxis"/Einstufung von Inhalten sind ohne extremen Aufwand kaum umzusetzen. Wenn beispielsweise das Darstellen von Brustwarzen nicht mehr als "Inhalt für Erwachsene" eingestuft würde, dann könnte man sein bisheriges Modell doch in die Tonne werfen, oder?

Solange das nur als "schnelle" Einstufung verwendet wird, sehe ich hier auch kein großes Problem aber das ganze Thema hat sich so angehört, als ob diese Form der Automatisierung wohl noch stärker in der Vordergrund rückt.
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Andre Peschke
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Re: Magazin Spezial: Wie funktioniert der automatisierte Jugendschutz?

Beitrag von Andre Peschke »

Mutantenjupp hat geschrieben: 10. Mai 2021, 07:45 Solange das nur als "schnelle" Einstufung verwendet wird, sehe ich hier auch kein großes Problem aber das ganze Thema hat sich so angehört, als ob diese Form der Automatisierung wohl noch stärker in der Vordergrund rückt.
Es funktioniert ja gar nicht wirklich als automatisierte Einstufung, sondern als Selektion. Die KI durchsucht die Screenshots der Appstores und meldet "Hey! Da sollte vielleicht mal einer einen Blick drauf werfen, das sieht nicht aus, wie Spiele ab 12 normalerweise aussehen".

Insofern wird sie auch nicht gleich Schrott, wenn sich die Spruchpraxis ändert, ihre Trefferquote sinkt nur, bis sie neu angelernt werden kann.

Andre
Glyphosat
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Re: Magazin Spezial: Wie funktioniert der automatisierte Jugendschutz?

Beitrag von Glyphosat »

Andre Peschke hat geschrieben: 28. Apr 2021, 19:42 IMO ist auch die USK bereits zu intransparent.
Jetzt bin ich ziemlich spät dran, weil ich die Sendung nur zufällig gefunden habe.

Danke André für die Fragen und die erhellenden Nachfragen, denn gerade weil Frau Secker sie nur ausweichend bis gar nicht beantwortet hat, können wir die Antworten zu den Fragen nur aus dem Gefragten selber ableiten.

Falls jemand einmal ein Beispiel für die Brecht zugeschriebenen Aphorismen "Je mehr er von seiner Ehre sprach, um so schneller zählten wir unsere Löffel." und "Was man besonders deutlich in die Auslage legt, führt man meistens gar nicht." benötigt, kann er immer auf dieses Gespräch verweisen.
So oft wie dort von der Bedeutung der Transparenz die Rede ist, um im nächsten Halbsatz dann zu sagen, daß man dieses oder jenes nicht sagen könne, ist entlarvend.

Oder auch zum Ende hin, als von Frau Secker behauptet wird "[um Vertrauen zu schaffen] haben wir ähnliche Kennzeichen entwickelt, haben aber bewußt auf dieses 'freigegeben ab' verzichtet, weil das eine ist staatlich ..." als ob diesen Unterschied irgend jemand außer Juristen bemerkt, aber das sei, wie sie eine Minute später sagt "wichtig aus Transparenzgründen"

Aus 'Transparenzgründen' sollte man jede Verwechselung ausschließen, auch wenn sie auf Andrés Frage, ob die Eltern nicht wissen können sollten -da die Logos alle ähnlich sind-, auf welche Art die Einstufung/Empfehlung zustandegekommen ist, sagt sie "so etwas sind wir von Eltern noch nie gefragt worden" - womit ihre Verschleierungstaktik perfekt aufgegangen ist.

Sämtliche Hard Facts wie Anzahl der Prüfungen, Fragebogen, Preise, Skizzierung der automatischen technischen Verfahren, sieht sie als Betriebsgeheimnis an - das ist alles das Gegenteil von transparent und vertrauenserweckend.

Als Außenstehender kannte ich die IARC noch nicht, sollte mich aber jemals jemand dazu etwas fragen, wird mir kaum etwas Positives dazu einfallen, denn das Mauern während des Interviews und die ganze Geheimniskrämerei wecken bei mir große Zweifel, ob dort alles mit rechten Dingen zu geht. So mal Frau Secker dermaßen von der Qualität des Systems überzeugt ist, was läge da näher als das durch für jeden nachvollziehbare Fakten zu unterstützen.
So muß man sich allerdings fragen, woher sie ihre Überzeugung nimmt oder ganz klassisch gefragt - cui bono?
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