Runde #317: Cancel Culture?

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Dr_Hasenbein
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von Dr_Hasenbein »

Felidae hat geschrieben: 4. Mai 2021, 18:57
Dr_Hasenbein hat geschrieben: 4. Mai 2021, 18:49
Felidae hat geschrieben: 4. Mai 2021, 18:12 Dass "die dort" unter anderem aufgrund der europäischen Geschichte bis heute wirtschaftlich kleingehalten werden - das ist weitgehend unbekannt.
Naja, Wirtschaft ist brutal. Wenn einer gewinnt, verliert ein anderer. Dass sich dieses Blatt auch schnell wandeln kann, sehen wir bspw. in Asien. Hier ist der Aufschwung noch gar nicht abgeschlossen und es werden weitere Nationen den Preis dafür zahlen. Man wird einfach nicht ewig behaupten können, dass sie nicht aufstehen können wegen der Kolonialzeit.
Mir wäre nicht bekannt, dass wir mit asiatischen Staaten Handelsverträge haben, die jene dazu zwingen, unsere Lebensmittelüberproduktion aufzukaufen, deshalb keine eigene Lebensmittelwirtschaft auf die Beine bekommen und dann hungern, wenn wir grad mal nichts übrig haben.
Und mir wäre nicht bekannt, dass Asien sich die unterschieben lassen würde.
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kami
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von kami »

Felidae hat geschrieben: 4. Mai 2021, 18:57 Mir wäre nicht bekannt, dass wir mit asiatischen Staaten Handelsverträge haben, die jene dazu zwingen, unsere Lebensmittelüberproduktion aufzukaufen, deshalb keine eigene Lebensmittelwirtschaft auf die Beine bekommen und dann hungern, wenn wir grad mal nichts übrig haben.
Darüber darf und sollte unbedingt gesprochen werden, ich sehe nur nicht Anno 1800 in der Pflicht, dies zu tun. Die hässlichen Seiten der Industrialisierung und des aufkommenden Imperialismus werden im Spiel halt generell bestenfalls am Rande thematisiert, da es eben, wie schon mehrfach erwähnt wurde, ein idealisiertes und tendenziell romantisches Bild der Epoche zeichnet. Wenn man das insgesamt kritisieren will, soll man das bitte tun, sich jetzt aber die fehlende Sklaverei rauszupicken, halte ich fast schon scheinheilig.
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Mastertronic
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von Mastertronic »

Ich kann mir bildlich vorstellen wie Prof. Zimmerer gemütlich & selbstgefällig mit Pfeife und Rotwein am Kamin sitzt und genüsslich dies Forum liest.. Er redet bestimmt künftig noch mehr von oben herab, wenn er sieht was für Diskussions-Tsunamis, Interpretation und Reichweite seine Äußerungen inne haben ... Könnte Wetten soviel Aufmerksamkeit erfährt er von seinen Studis nicht 😀
Peninsula
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von Peninsula »

Jochen Gebauer hat geschrieben: 4. Mai 2021, 17:36 Deine "Interpretation" ist nicht sachlich, sondern pure Spekulation. Meine Lesweise ist das, was da steht und gesagt wurde.
Dann hier mal ein front-row seat in meinem Erbsenhirn, um darzulegen, wie ich zu meiner Lesart komme.
Professor Jürgen Zimmerer, Experte für Kolonialgeschichte, hält diese Umschreibung der Geschichte für bedenklich.
Soso.. "hält...für" da kommt jetzt also eine Meinung oder ein Urteil.
"Ich finde das hochproblematisch.
"Ich finde.." - alles klar, das wird ne Meinung.
Dadurch, dass Anno 1800 als historische Simulation daherkommt, erhebt es ja den Anspruch, die Geschichte abzubilden.
Liest sich erstmal logisch. Ob Anno 1800 "als historische Simulation daherkommt", lässt sich für sich genommen eifrig diskutieren - die einen sagen so, die anderen so. Aber Zimmerer nimmt das - womöglich im Lichte der auch hier im Thread schon zitierten Pressetexte? - offenbar so an. Und ich versuche ja gerade erstmal seine Aussage zu verstehen und es ist ja deutlich als seine Meinung gekennzeichnet.
Das heißt: Gerade die Spieler, die nicht zufällig Geschichte studieren oder nicht Geschichtslehrer sind, vermuten ja, dass das damals so war.
Hm? Wie ist das gemeint? "die Spieler, die nicht zufällig Geschichte studieren oder nicht Geschichtslehrer sind". Nehme ich das jetzt wörtlich? :think:
Das wäre natürlich ein ziemlich exklusiver Kreis. Würde aber wenig Sinn machen, weil eine wörtliche Auslegung des Präsens "studieren" nicht einmal Historiker*innen mit einschließt, die ihr Geschichtsstudium zwar erfolgreich abgeschlossen haben, aber im Anschluss nicht Geschichtslehrer geworden sind. Streng genommen ist nicht einmal Zimmerer selbst als "Hochschullehrer" das, was man für gewöhnlich "Geschichtslehrer" nennt. Das hieße ja, er würde sein eigenes historisches Wissen durch Anno 1800 in Gefahr wähnen? Erbsenhirn sagt: unwahrscheinlich.
Und dieses "zufällig" liest sich auch so salopp... Wer studiert schon - im Wortsinne - zufällig Geschichte?
Viel naheliegender als eine wörtliche Auslegung, scheint es mir da, als würden "die Spieler, die nicht zufällig Geschichte studieren oder nicht Geschichtslehrer sind" als ein Sprachbild verwendet. So wie "Jeder, der nicht auf den Kopf gefallen ist" nicht etwa für Menschen mit unfallbedingten Kopfverletzungen steht. Oder wie ich stark vermute, dass ein Podcaster nicht ernsthaft zu körperlicher Gewalt aufrufen möchte, wenn er meint, ein Experte gehöre für eine Aussage geohrfeigt.
Wofür sollen "die Spieler, die nicht zufällig Geschichte studieren oder nicht Geschichtslehrer sind" nun aber stehen?
"Menschen, die sich mit Geschichte nicht so gut auskennen" erscheint mir naheliegend.
"Menschen, die sich mit Geschichte nicht so gut auskennen vermuten ja, dass das damals so war" - dass also eine historische Simulation geschichtliche Tatsachen abbildet. Keine komplett abwegige Aussage. Ich nehme ja an - es ist sogar eines "Duh!" würdiger, vollkommen trivialer Konsens -, dass mediale Darstellungen das Geschichtsbild prägen. Da ist es nicht weit zu: "Die Vorstellung, dass eine historische Simulation historische Tatsachen zeigt, ist unter Menschen, die sich nicht so gut mit Geschichte auskennen, verbreitet." Und so lese ich diesen Satz. Keine komplett weltbewegende Erkenntnis, aber sicher auch nicht das Dümmste, was ich je gelesen habe.
Und wenn dann so ein entscheidender Faktor, der zum Wohlstand und zur Industrialisierung beigetragen hat, wie die transatlantische Sklaverei und die Sklavenwirtschaft fehlt, dann lernen sie daraus, dass es das nicht gab"
Ok, wenn eine mediale Darstellung (die ja Geschichtsbilder prägen kann) Sklaverei weglässt, dann nehmen Menschen, die sich nicht so gut mit Geschichte auskennen, aus dieser Darstellung die "Prägung" mit, dass es im dargestellten Ausschnitt dieser Epoche keine Sklaverei gab. Empfinde ich als nachvollziehbar. Sagt ja auch nichts darüber aus, was diese Menschen eventuell anderswo "lernen", sondern, was sie "daraus" lernen - was ihnen so ein Spiel also an historischem "Wissen" mitgibt.
Soweit erstmal meine Interpretation der Meinungsäußerung auseinanderklamüsert.

Dass es sich meiner Überzeugung nach nicht einfach um wilde Spekulation handelt, sondern so oder so einer Interpretationsleistung bedarf, die Äußerung zu verstehen, weil es eben nicht die eine Aussage gibt, die da (objektiv) steht, dürfte hoffentlich klar geworden sein - unabhängig davon, ob man diese meine Auffassung nun teilt oder nicht.
MikeKapan
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von MikeKapan »

Soll kein Whataboutism sein, sondern ein Verweis auf etwas anderes in diesem Zusammenhang:
während man sich darum sorgt wie "Afrikaner" in Spielen dargestellt werden, weigern sich Covid-Impfstoff-Hersteller(die sich jetzt schon eine goldene Nase daran verdient haben) ihre Lizenzen herauszugeben um eben auch ärmere Länder dieser Erde wie z.B in Afrika mit Impfstoff versorgen zu können. Aber das wird komplett ignoriert. Als möglichen Grund sehe ich dafür für an, dass man darüber halt nicht so gut auf Twitter streiten kann und man bei der ganzen Diskussion sowieso kein Interesse hat etwas zu verändern und diesen Gruppen zu helfen. Aber der Zeitgeist scheint zu sein diese Themen ignorieren zu wollen, nur um sich an anderer Stelle viel radikaler profilieren zu können. man braucht nur einen Feind, der von der Anzahl auch eine bestimmte Größenordnung hat (Milliardäre eignen sich da weniger, zu wenige und diskutieren auch selten auf Twitter mit einem). Und da eignen sich die vielen reaktionären selbsternannten Gamer bestens dazu, zu denen man diejenigen die von seiner eigenen Meinung abweichen auch noch gerne dazuzählt.
nur erreicht man mit dieser Diskussionskultur gar nichts, man ist viel mehr Teil des Problems.
Zuletzt geändert von MikeKapan am 4. Mai 2021, 21:28, insgesamt 1-mal geändert.
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tyr
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von tyr »

Dephira hat geschrieben: 4. Mai 2021, 14:05 Ich werde auch nicht zu dem Thema weiterdiskutieren, man muss ja nicht alles bis zum Ende ausfechten. Wie gesagt, ich fand den Podcast insgesamt auch gut. Aber nur kurz dazu: es gab auch einige andere Leute in diesem Thread, die zumindest einigermaßen meiner Meinung oder der Meinung des Professors sind. Diese Position scheint also nicht völlig abwegig zu sein. Ich denke nicht, dass man pauschal Unehrlichkeit oder Provokation unterstellen muss, nur weil jemand eine andere Position vertritt.
Bin hier eher ein lurkender Leser, aber um mal mehr darauf hinzuweisen, dass es definitiv einen signifikanten Teil an Menschen gibt, die wie von dir erwähnt ebenfalls dieser Meinung sind:

Ich finde da auch so wie Dephira, Peninsula & Co. Und ich habe zwar studiert, aber nicht Geschichte.

Und ich möchte ebenfalls nochmal auf folgendes hinweisen:
Gonas hat geschrieben: 3. Mai 2021, 12:35 Ich finde ganz lustig wie viel hier über Grundsatzfragen und Haltungen diskutiert wird. Ich will dem garnicht die Bedeutung absprechen, solche Diskussionen können interessant sein, aber meist führen sie nicht zu etwas konkretem.

Was eigentlich von Seiten der Entwickler in solchen Fällen konkret unternommen werden könnte (oder schon wird) wird wenn ich das richtig überblicke aber kaum thematisiert.
Darüber könnte man mal ne ordentliche Diskussion führen, gerne auch als Podcast mit Entwicklern/Publishern zB Ralf Adam. Mit der Prämisse, dass da bei 2h Reden zwingend was bei rum kommen muss, also wie sieht das dann bei den nächsten Anno/whatever aus? (Natürlich nur ein Gedankenspiel, aber die Vorgabe ist, dass danach ein "Plan" existiert, der durch das interaktive Gespräch entstanden ist.)

Option A: Weiterhin vollkommenes Ignorieren des Themas, was aber absichtlich passiert?
Option B: Kleiner Disclaimer an Anfang, so wie ich es fordern würde:
tyr hat geschrieben: 2. Mai 2021, 13:54
"Die Mechanismen im Spiel sind unrealistisch. In der historischen Realität waren Kolonisierung/Krieg/etc nur erfolgreich, weil Millionen Menschen unter Sklavenhaltung, Folter, etc litten. So etwas wie menschlichen Kolionalismus/Krieg/etc gibt es nicht in der Realität.
Dieses Spiel ist aber nicht die Realität, also lassen wir bewusst diese Dinge weg und erschaffen so eine Welt, in der du als Spieler hoffentlich eine große Menge Spaß hast."
?

Option C: Oder doch das gewagtes Übernehmen von Sklaven ins Gameplay? Und wie verkauft man das dann?

Option D,E ...: ???

Ich hab zumindest jetzt keine Lust mehr die Meinungen der "üblichen Verdächtigen" hier zu hören, das obige fände ich hingegen tatsächlich mal spannend, solange die Beteiligten ehrlich sind.
Oder vielleicht entsteht ja in den nächsten Tagen doch eine fruchtvollere Diskussion hier, überraschen lasse ich mich gerne!

EDIT: Und ja, ich glaube das zumindest mir + meinen Freunden ein solcher Disclaimer etwas gebracht hätte, aber jaja ich habe keinen Beweis dafür, dass sowas einen nachgewiesene Effekt hat.
Zuletzt geändert von tyr am 4. Mai 2021, 21:40, insgesamt 1-mal geändert.
Inkognito
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von Inkognito »

Leute, es ist ein Satz.
Jeder versteht den Satz und jeder versteht in gleich. Wenn auch die dahinterliegende Haltung unterschiedlich interpretiert wird.
Können wir das hinter uns lassen?! 😀

Zudem: Ein Satz unter vielen von dem Prof in dem ursprünglichen Artikel:
https://archaeogames.net/historisch-wo- ... -umdeutet/

Man sieht schön, was Dom originar getriggert hat:
"Eine der bekanntesten, langlebigsten und kommerziell erfolgreichsten Wirtschaftssimulationen überhaupt wird mit Anno 1800 das Zeitalter der Industrialisierung spielbar machen, aber Sklaverei und Sklavenhandel weitestgehend, wenn nicht sogar komplett, aus seiner Spielwelt verbannen — zum einen, weil das den historischen Tatsachen entspräche, zum anderen, weil es nicht ethisch vertretbar sei, SpielerInnen „auf den Weg des Sklavenhalters zu zwingen“."

Wir alle wissen, dass man sich an seinen Worten messen lassen muss.
Wenn ein Will Wright zu Sim City in 1989 erzählt, dass es darin keine Verkehrstoten gibt, weil es die ja nicht wirklich in signifikanter Größenordnung in der Realität gibt, dann müsste man das als Journalist massivst ankreiden.

Wenn der Creative Director von Anno 1800 in 2019 erzählt, dass es keine Sklaverei in seiner "historischen Wirtschaftsimulation" gibt, weil es die ja nur sehr eingeschränkt, wenn überhaupt gab zu der Zeit der Industrialisierung, dann muss das ein Journalist massivst ankreiden.
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Jochen Gebauer
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von Jochen Gebauer »

Peninsula hat geschrieben: 4. Mai 2021, 20:08Dann hier mal ein front-row seat in meinem Erbsenhirn, um darzulegen, wie ich zu meiner Lesart komme
Cool! Mein Spatzenhirn macht auch mit!
Professor Jürgen Zimmerer, Experte für Kolonialgeschichte, hält diese Umschreibung der Geschichte für bedenklich.
Soso.. "hält...für" da kommt jetzt also eine Meinung oder ein Urteil.
Japp. D'accord.
"Ich finde das hochproblematisch.
"Ich finde.." - alles klar, das wird ne Meinung
Einverstanden.
Dadurch, dass Anno 1800 als historische Simulation daherkommt, erhebt es ja den Anspruch, die Geschichte abzubilden.
Liest sich erstmal logisch.
Puh. Nee. Das ist erstmal eine These, die einen Kausalzusammenhang unterstellt, der argumentativ gar nicht belegt wird. Also eine reine Setzung. Weil a folgt b. Kann man formal logisch natürlich machen, ist aber nur dann auch tatsächlich logisch, wenn B wirklich aus A folgt. Aber hier steht ja schon A (kommt Anno wirklich als historische Simulation daher?) auf zumindest so diskutablen Füßen, dass es mit B und dem Kausalzusammenhang von vorneherein schwierig wird. Und wer oder was erhebt hier genau welchen Anspruch? Ich finde den Satz wissenschaftlich hochproblematisch (um dem guten Prof mal den Ausdruck zu klauen). Wenn Spiele als historische Simulation "daherkommen" erheben sie also den Anspruch, Geschichte abzubilden? Ist das wirklich haltbar? Ich habe da sehr ernste Zweifel. Hat Pirates! den Anspruch erhoben, die Geschichte abzubilden? Das Argument kann man freilich aufmachen, aber unterm Strich würde ich schon hier sagen: Für einen Wissenschaftler und Experten in einem solchen Kontext würde ich mir statt dieser steilen (und m.E. so nicht haltbaren) These echt eine feinere Klinge wünschen. Nix gegen steile Thesen. Aber hier in genau diesem Zusammenhang erweist er sich und seiner zweifellos hehren Sache damit einen Bärendienst, finde ich.
Das heißt: Gerade die Spieler, die nicht zufällig Geschichte studieren oder nicht Geschichtslehrer sind, vermuten ja, dass das damals so war.
Hm? Wie ist das gemeint? "die Spieler, die nicht zufällig Geschichte studieren oder nicht Geschichtslehrer sind". Nehme ich das jetzt wörtlich? :think:
...
Viel naheliegender als eine wörtliche Auslegung, scheint es mir da, als würden "die Spieler, die nicht zufällig Geschichte studieren oder nicht Geschichtslehrer sind" als ein Sprachbild verwendet[/quote]

Ich gehe gerne insoweit mit, dass die Aussage möglicherweise überspitzter formuliert als intendiert ist. Damit kenne ich mich ja selbst zur Genüge aus :mrgreen:

Aber dass sie ein Sprachbild o.ä. darstellt, gibt der Text meines Erachtens einfach nicht her. Das sieht man ja daran, dass deine Interpretation rein auf "was könnte, was wäre möglich, was ist denkbar usw." basiert. Denkbar und möglich ist immer sehr viel. Aber wenn ich das nicht weiß und als Leser dieses Zitats auch gar nicht wissen kann, dann muss ich mit dem arbeiten, was ich habe, nämlich, was geschrieben steht. Und dort steht nunmal: Wer nicht zufällig Geschichtsexperte ist, vermutet (wahrscheinlich; so gnädig können wir sein) dass es damals keine Sklaverei gegeben hat. Und das ist halt auch in überspitzter Form echt Unsinn. Wäre der Gegenstand nicht gerade die Sklaverei, sondern wirklich was, was außerhalb von Hörsäälen und Nerdkreisen kaum einer weiß, geschenkt. Fänd ich sogar nett formuliert dann. Aber bei diesem Fall und in dieser Formulierung und zu dem Zweck, auf ein eigentlich durchaus diskutables Problem aufmerksam zu machen, bleibt mir leider nur das Urtel: Dafür war's echt maximal dusselig und bedient noch dazu das Klischee vom dogmatischen, über den Normalsterblichen thronenden Wissenschaftler, der die normalen Leute für dumm verkauft.
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von eXodus »

Verwendet der Professor vielleicht "Simulation" wo er besser den Begriff "Authentizität" hätte verwenden sollen?
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Jon Zen
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von Jon Zen »

eXodus hat geschrieben: 4. Mai 2021, 22:31 Verwendet der Professor vielleicht "Simulation" wo er besser den Begriff "Authentizität" hätte verwenden sollen?
Die Anno Reihe adaptiert historische Zeiträume in ein fiktives Szenario.
Parallelen zur Realität sind erkennbar, aber die Widersprüche zur Realität sind zu groß, als dass es nicht auffällt.*
Die historische "Authentizität" kommt am nächsten bei den Gütern, welche die verschiedenen Gesellschaftsschichten fordern. Die Güterliste ist vereinfacht, weil eine Simulation in diesem Spielkonzept viel zu umfangreich wäre.

Die Gesellschaftsform des Szenarios ist fiktiv. So können Bauern zu Adeligen aufsteigen und es gibt nur 2 Faktoren, welche zur Glücklichkeit der Bevölkerung entscheidend sind: Steuern und Stillung der Grundbedürfnisse.
Im Gegensatz zu z.B. Tropico gibt es keinen Faktor, der bestimmt wie glücklich die arbeitende Bevölkerung ist.

*Dom argumetierte mit Age of Mythologie. Das konnte ich nachvollziehen, weil ich ebenfalls als Kind wissen von Zeus: Herrscher des Olymps ableitete. Bei Zeus gibt es konkrete Dinge, von denen der Spieler ausgehen muss, dass sie stimmen: Das Aussehen der Säulenarten (dorisch, lyrisch, etc.), die Götter, die Namen der Gebäude (z.B. Gymnaisum) und die Namen der Städte. Aber auch als Kind war mir klar, dass der gesamte Miltitär-Part des Spiels nicht realitätsnah war.
Von Anno 1602 konnte ich aber kein Wissen für den Geschichtsunterricht aneignen.

--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Ich mochte die Folge. Dom war zwar der "Cancel-Man" (nicht ernst gemeint :P) im Falle von Anno, hat sich der Kritik Jochens aber gestellt, was zu einer fruchtbaren Diskussion geführt hat.
Als Leser/Hörer ist es für mich spannend, wenn Ansichten vorgebracht werden, die zu einer gründlichen, eigenen Reflektion des Themas führen, selbst wenn man am Ende der Kritik nicht zustimmt. Bei Anno ist für mich Doms Kritik nicht überzeugend, aber bei anderen Spielen in leicht abgewandelter Form schon.
Der Punkt, dass sich Entwickler über ihr verwendetes Szenario informieren sollten, um öffentlich argumentieren zu können, wieso sie A,B,C, aber nicht D in ihr Spiel taten, finde ich wichtig.
Bei Anno 1800 hat Ubisoft wohl Angst - egal wie sie argumentieren - in einen Shitstorm zu geraten, aufgrund der momentan aufgeheizten "Cancer-Culture".
Das ist Schade. Zu dem Thema kann ich die "Zeit Geschichte" Ausgabe zum Thema "Zensur", bzw. "Die Geschichte der Meinungsfreiheit" empfehlen.
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von Rodario »

Ich hab beim hören dagesessen und hab mir beim Thema Anno gedacht das ich garnicht wüsste wie man das Thema Sklaverei sinnvoll hätte einbinden können ohne massive Änderungen am Gameplay vorzunehmen. Hätte man einfach Plantagen mit Sklaven eingebunden oder Sklaven als weiteres Handelsgut / Witrschaftskreislauf eingefügt währe das meiner Meinung nach noch schlimmer gewesen.
Wenn ich ein solches Thema einbinde muss ich auch die Möglichkeit haben zu zeigen warum es falsch ist. Dann muss ich das leid der Menschen zeigen und dem Spieler im Idealfall eine Möglichkeit bieten darauf zu reagieren.
Frostpunk hat dies versucht und meiner Meinung auch nur Ansatz geschafft dies umzusetzen. Dort gibt es die Möglichkeit der Kinderarbeit und ich kann diese erlauben oder verbieten. Aber ich werde halt nicht wirklich mit den Auswirkungen meiner Entscheidung konfrontiert. Ich sehe keine leidenden Kinder.
Von daher ist es für Anno eher schwer so ein schwieriges Thema Adäquat abzubilden ohne massive Änderungen am gameplay vorzunehmen. Und ich vermute das es deswegen nicht im Spiel gelandet ist da es zum ersten ein feel good Spiel sein soll und zum anderen wahrscheinlich zu teuer geworden währe wenn man dafür das gameplay hätte massiv ändern wollen.
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von Smutje187 »

Ich verstehe ja trotzdem immer noch nicht, warum Ubisoft nicht einfach auf die Nachfrage nach der Sklaverei hin bestätigt, dass Anno eben eine idealisierte Darstellung der Vergangenheit ohne Anspruch auf Wiedergabe der Realität ist. Das Problem haben sie sich doch zu 100% selbst eingebrockt und man sieht ja hier im Thread wie lieber auf den Überbringer der schlechten Nachrichten eingehauen wird :D da soll noch jemand sagen, Spielende würden AAA-Publisher grundsätzlich ablehnend gegenüber stehen!
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von echtschlecht165 »

ich verstehe da Ubisoft völlig. Ich würde das auch einfach aussitzen.
In dieser Diskussion (nicht unbvedingt hier im Forum) können die eh nur verlieren, egal was sie sagen.

Je nach Antwort würden die halt als feige und geldgeil und geschichtsrevisionisten dargestellt werden, oder als "SJW, die sich der Cancel Culture beugen".
Inzwischen sollte man Social Media zur genüge verstehen als Internationales Unternehmen, wie Ubisoft eines ist. Die sind sich auch bestimmt ihres eigenen Images bewusst :-D

Doms beharren auf eine Antwort find ich da schon etwas naiv, vorallem weil dieser Artikel halt journalistisch sehr unsauber war.
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kami
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von kami »

Smutje187 hat geschrieben: 5. Mai 2021, 07:51 Ich verstehe ja trotzdem immer noch nicht, warum Ubisoft nicht einfach auf die Nachfrage nach der Sklaverei hin bestätigt, dass Anno eben eine idealisierte Darstellung der Vergangenheit ohne Anspruch auf Wiedergabe der Realität ist.
Weil sich das der mündige Mensch selbst denken kann oder das zumindest können sollte.
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von Inkognito »

Rodario hat geschrieben: 5. Mai 2021, 07:40 Frostpunk hat dies versucht und meiner Meinung auch nur Ansatz geschafft dies umzusetzen. Dort gibt es die Möglichkeit der Kinderarbeit und ich kann diese erlauben oder verbieten. Aber ich werde halt nicht wirklich mit den Auswirkungen meiner Entscheidung konfrontiert. Ich sehe keine leidenden Kinder.
Wenn ich mich richtig erinnere, sieht man größere - und wenn man Kinderarbeit anordnet - auch kleinere Figuren leidend zum Arbeiten gehen.
Und es wird auch deutlich gemacht, dass wenn hervorgehoben wird, dass die Person starb wegen Überarbeitung oder wegen Hunger, da auch das Alter oder zumindest durch das Bild klar wird, wie alt die Person war. Und das können auch Kinder sein.

Meiner Meinung nach hat das immersive Storytelling bei Frostpunk hervorragend funktioniert.

PS: Gestern bei Arte eine 60 Sekunden Zusammenfassung uber die Geschichte von Kaffee. Die Sklaverei in der Industrialisierung, welche Kaffee erst zum Massenmarktprodukt machte, war darunter.
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von Smutje187 »

kami hat geschrieben: 5. Mai 2021, 09:15
Smutje187 hat geschrieben: 5. Mai 2021, 07:51 Ich verstehe ja trotzdem immer noch nicht, warum Ubisoft nicht einfach auf die Nachfrage nach der Sklaverei hin bestätigt, dass Anno eben eine idealisierte Darstellung der Vergangenheit ohne Anspruch auf Wiedergabe der Realität ist.
Weil sich das der mündige Mensch selbst denken kann oder das zumindest können sollte.
Ja klar, und deswegen begründen sie stattdessen die Abwesenheit der Sklaverei? :ugly:
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von Rince81 »

Andre Peschke hat geschrieben: 4. Mai 2021, 16:10 Verstärkt den Punkt ja nur. Hab das absichtlich soft formuliert, damit keiner sagt "Das wurde aber auch schon kritisiert, und zwar hier...".
Sorgt aber zumindest bei mir, dass ich meist "raus" bin. Ich mag Shooter sehr gerne, realistische (Welt)kriegsshooter müssen es bei mir aber nicht sein. Die Wolfenstein Reihe geht bei mir aber immer - wobei es da auch die weglassen des Holocaust Problematik gab...
Die "Gesendet von meinem HTC11 Life mit Tapatalk"-Signatur
Dr_Hasenbein
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von Dr_Hasenbein »

Smutje187 hat geschrieben: 5. Mai 2021, 07:51 Ich verstehe ja trotzdem immer noch nicht, warum Ubisoft nicht einfach auf die Nachfrage nach der Sklaverei hin bestätigt, dass Anno eben eine idealisierte Darstellung der Vergangenheit ohne Anspruch auf Wiedergabe der Realität ist.
Die Frage ist leicht zu beantworten: Weil sie das nicht wollen.
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Jochen Gebauer
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von Jochen Gebauer »

Ich glaube auch nicht, dass Ubisoft hier irgendwas gewinnen kann. Jede mögliche Antwort würde unweigerlich zu einem PR-Problem werden. So funktionieren soziale Medien und Netzdiskussionen im 21. Jahrhundert: Dort ist den wenigsten an einer sachlichen Auseinandersetzung und z.B. dem Wissen, warum Ubisoft so handelt, gelegen. Da will man einfach draufhauen, Recht haben, sich gut fühlen. Wenn ich Ubi wäre, würde ich dieses Fass unter gar keinen Umständen aufmachen und es einfach aussitzen.

Das ist ja auch einerf der Gründe, warum mich die Debattenkultur und u.a. Aussagen wie die des Profs so stören. Ich fänd's nämlich total spannend, mit Ubisoft zu sprechen, warum Anno 1800 so ist wie es ist. Aber dieses Gespräch wird zumindest in mittelbarer Zukunft nie passieren. Und zwar nicht, weil es uninteressant ist oder weil die Menschen bei Ubisoft über sowas nicht grundsätzlich gerne sprechen würden. Sondern weil es sofort von einer Horde Deppen für ihre Agenda instrumentalisiert werden würde. Und das nervt mich als Journalist und als interessierter Mensch inzwischen gewaltig.
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von Voigt »

Inkognito hat geschrieben: 5. Mai 2021, 11:32 Wenn ich mich richtig erinnere, sieht man größere - und wenn man Kinderarbeit anordnet - auch kleinere Figuren leidend zum Arbeiten gehen.
Und es wird auch deutlich gemacht, dass wenn hervorgehoben wird, dass die Person starb wegen Überarbeitung oder wegen Hunger, da auch das Alter oder zumindest durch das Bild klar wird, wie alt die Person war. Und das können auch Kinder sein.

Meiner Meinung nach hat das immersive Storytelling bei Frostpunk hervorragend funktioniert.
Naja so mittel. Fand meist hatte man eher zuviele als zuwenige Arbeiter, dann lieber die Kinder ins Heim wo mehr reinpassen und weniger Nahrung essen. Zusätzlich können die Kinder dann Ingenieure unterstützen um die wichtige Forschung zu unterstützen.

Besser war es im DLC wo man Handel mit anderen Außenposten. Da handelt man auch mit richtiger Kohle Kindermine, aber da unterstützt man die auch eher mit Geräten. Aber insgesamt war es da narrativ besser eingefügt.
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