Runde #317: Cancel Culture?

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Boris Niclas-Tölle
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von Boris Niclas-Tölle »

Voigt hat geschrieben: 16. Mai 2021, 21:20 Artikel: https://www.golem.de/news/sklavenhandel ... 40996.html
In der zweiten Hälfte Folge ging es doch eher darum was hätte Ubisoft überhaupt machen können als Unternehmen, nachdem das Zitat in seiner Absolutheit semantisch auseinander genommen wurde. Was auch alles schon im Thread bereits mehrmals nochmals durchgesprochen wurde. Klar hat der schon 18 Seiten gehabt, man könnte aber trotzdem grob überfliegen, zumindest die letzten 2 Seiten so.
Ich habe es grob überflogen und hatte nicht den Eindruck, dass der Aspekt des Kulturdiskurses bereits mitdiskutiert worden war. Aber bei 18 Seiten übersieht man auch mal was, so auch den Link zu Doms Artikel. Danke!
Boris Niclas-Tölle
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von Boris Niclas-Tölle »

Gonas hat geschrieben: 16. Mai 2021, 21:41 Schau dir mal andere Beiträge in Foren an. Definitiv Absätze! Sonst ist das für normale Menschen kaum lesbar. :D
Ok, verstehe, das ist dann echt eine Berufskrankheit. Ich bin sozusagen mit Blocksatz erzogen worden...
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Jochen Gebauer
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von Jochen Gebauer »

Boris Niclas-Tölle hat geschrieben: 16. Mai 2021, 15:36So hallo, ich habe mich jetzt mal extra bei diesem Forum angemeldet um hier auch meinen Senf loszuwerden. Als Historiker beschäftigt mich das Thema Geschichtsdarstellungen in Computerspielen schon länger, allerdings eher nebenbei, nicht als Forschungsschwerpunkt. Ich habe mich deshalb sehr über diese Folge gefreut! Nachdem ich sie dann zu Ende gehört hatte, habe ich sie allerdings sehr mit einem lachenden und einem weinenden Auge gesehen und beides hatte mit Dingen zu tun, die Du, Jochen Gebauer, zum Besten gegeben hast, deshalb formuliere ich das hier mal als Antwort/Folgenfeedback an Dich
Herzlich willkommen! Dann wollen wir mal. Eine Bemerkung allerdings noch: Als Akademiker sollte doch gerade dir die Lesbarkeit deiner Texte wichtig sein. Deshalb bitte in Zukunft Absätze, ok?
Umso seltsamer finde ich dann diese ziemlich defensive und auch leicht arrogante Reaktion im zweiten Teil, in der Du ernsthaft die Frage stellst, wie eigentlich die Datenlage zur Wirkung von Geschichtsbildern im Computerspiel sei und so lange es da keine Forschung gebe, sei es doch total vermessen, da irgendeine negative Wirkung zu unterstellen. Das, mit Verlaub, ist doch das technokratische Abwehrgeschütz der alten Schule. Wozu um alles in der Welt brauchst Du da eine Datenlage?
Na, um zu verifizieren, ob die These überhaupt stimmt natürlich. Und einen handfesten Beleg für eine Theorie haben zu wollen, ist natürlich kein Abwehrgeschütz (auch keins der alten Schule), sondern Science 101. Interessanterweise lieferst du diesen Beleg auch nicht, sondern attackierst mich als Wissenschaftler für etwas, das per Definition wissenschaftlich ist - den Beleg für eine These zu verlangen, bevor man der These zustimmt. Die reine Plausibilität ist so ziemlich das Gegenteil von Wissenschaftlichkeit. Zumal in diesem Fall sogar die Plausibilität fraglich ist. Aber schauen wir doch mal nach dem Beleg für deine These, nämlich dass meine Kritik nur technokratisches Störfeuer sei:
Seit einigen Jahren stellt sich die Gamesindustrie in Deutschland hin und will nichts lieber als ein echtes Kulturgut sein. Der Branchenverband Bitcom wird nicht müde, immer wieder den einen Satz bei jeder Gelegenheit zu platzieren, dass Computerspiele ein "gesellschaftliches Kulturgut wie Bücher, Filme oder Kunst" sind. Ich will dem überhaupt nicht widersprechen, im Gegenteil, ich finde das richtig. Dann sollten wir aber endlich auch anfangen, Computerspiele als Kulturgüter zu behandeln und das bedeutet eben auch, sie ebenjenem gesellschaftlichen Kulturdiskurs auszusetzen, dem Bücher, FIlme und Kunst ausgesetzt sind, seit es in Zeitungen Feuilletons gibt
Aha. Dein Beleg ist: Weil "wir" bei anderen Medien schon seit mehr als 100 Jahren ohne Belege Wirkweisen unterstellen, müssen sich Spiele das auch gefallen lassen. Das ist ein lustiges Argument, aber es ist leider kein besonders überzeugendes oder stichhaltiges. Natürlich können und sollen wir über Spiele in einem gesellschaftlichen Kulturdiskurs sprechen, sollen sie sezieren, interpretieren, dekonstruieren. Das sage ich im Podcast ja schon seit über 5 Jahren gebetsmühlenartig. Was wir allerdings echt lassen sollten: ihnen ohne jede belastbare Datenlage eine Wirkweise zu unterstellen, die wir überhaupt nicht belegen können. Das ist nämlich unwissenschaftlich, unseriös und unredlich.
Und da stellt niemand die Frage, wie denn eigentlich die quantitative Datenlage zur Rezeption des Zauberbergs von Thomas Mann ist oder ob man über Film XY irgendwas sagen kann ohne das an Zuschauerquoten oder gar der durchschnittlichen quantitativ erhobenen Interpretation des Werkes bei den Zuschauern festzumachen, das wäre doch totaler Blödsinn!
In der Tat. Bloß geht's halt nicht um die Rezeption des Zauberbergs oder die Interpretation von 12 Monkeys, sondern um die Behauptung, dass jeder, der nicht zufällig Geschichte studiert habe, ja annehmen müsse, dass die Industrialisierung so passiert sei wie Anno 1800 das darstelle. Diese Behauptung ist keine Interpretation und mithin auch nicht geisteswissenschaftlich, sondern bedarf zwingend einer Datenlage, um zumindest einigermaßen haltbar zu sein. Hier werden Tatsachen argumentiert, nicht Perspektiven.
Nun kann man natürlich sagen, Historiker, geht nach Hause, niemand interessiert sich für Geschichte - aber das stimmt ja nicht
Ruhig Blut. Niemand hat das gesagt. Und natürlich würde ich so etwas Idiotisches auch nie sagen. Im Gegenteil: Ich finde die historische Perspektive immer sehr spannend. Aber der Historiker sollte sich im Idealfall an sein Fachgebiet halten. Wenn er - wie in diesem Fall - vom Historiker kurz zum Soziologen werden will und dafür dann leider keinen Beleg mitbringt, dekonstruiert er sich bloß selbst und sein Fach gleich mit. Wenn du die Ehre der Historiker in Verruch siehst, solltest du nicht mich anbellen, sondern deinen Kollegen, der deiner Zunft hier leider einen Bärendienst erweist.
Grafisch schönes Spiel mit Spaßfaktor, das als historische Wi-Sim daherkommt, dabei aber zugunsten eines gewissen Feelgood-Feelings offensichtlich mit Absicht die Chance verpasst, die Zusammenhänge zwischen Industrialisierung, Kolonialismus und "schwierigen" Themen wie etwa Sklaverei, Rassismus und Nationalismus herzustellen. Wo ist denn das Problem mit dieser Aussage?
Keine Ahnung? Ich hab' schließlich nie gesagt, dass es damit ein Problem gäbe. Aber den Strohmann hast du echt derbe verhauen, das tat beim Lesen schon weh :mrgreen:
monieu
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von monieu »

Aber da würde ich doch nochmal als Freund auch mechanistischer Erklärungen auf die ganz einfachen Wirkungszusammenhänge zurückkommen. Die verstärkende Wirkung mehrfach präsentierter Informationen ist ein gut untersuchtes kognitives Phänomen. Also sollte man davon ausgehen, dass auch ein Computerspiel, das verzerrte Informationen über Geschichte transportiert, diese verstärkende Wirkung hat. Natürlich - das hatte ich ja schon gesagt - darin unterscheidet es sich überhaupt nicht von anderen Medien und im Gegenteil kommt es darauf an, dass ein bestimmtes verzerrtes Geschichtsbild in unterschiedlichen Angeboten an Medien und Inhalten immer wieder auftaucht. Eine einzelne abweichende Darstellung würde im Kontrast zum Rest eher in Frage gestellt.

Der andere zwingende Zusammenhang wäre, wenn man sein Geschichtswissen exklusiv aus Computerspielen bezieht. Das war ein Argument das Dom so ähnlich gebraucht hat. In der Breite scheint das nicht vorstellbar, für einen einzelnen Bereich mag das aber der Fall sein. Dann wären alle verzerrten Darstellungen der Geschichte in Computerspielen auch direkt verantwortlich für das schiefe Geschichtsverständnis, da es nur auf ihnen aufbaut.

Das sind Trivialitäten, dementsprechend würde ich keinen Nachweis einfordern. Aber ich denke das ist auch nicht unbedingt der Kern der Behauptung in der Aussage. Der scheint mir doch vielmehr, dass Computerspiele in der Hierarchie der Lernangebote über historische Zusammenhänge besonders weit oben stehen. Hier müsste man sicherlich zeigen, dass das für größere Personenkreise über weitere Teile des Wissenerwerbs zur Geschichte so gilt. Wobei sich für mich, wäre das belegbar, unmittelbar die Frage anschließen würde, ist dann nicht die fehlende kritische Betrachtung des Mediums und damit die fehlende Einsicht in seine Begrenzungen bei der Darstellung von Geschichte das eigentliche Defizit. Die Abhilfe wäre dementsprechend die Entwicklung einer entsprechenden Medienkompetenz und nicht, dass Entwickler sich mehr Mühe geben, dass ihre Spiele den Erkenntnisstand zur Geschichte akurater abbilden.
Maestro84
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von Maestro84 »

Dadurch, dass Anno 1800 als historische Simulation daherkommt
Anno ist in etwa so eine historische Simulation wie die Eisenbahnplatte von Herrn Seehofer. Anno ist eine solche Eisenbahnplatte voller idealistischer Darstellungen. Aber gut, natürlich könnte Anno 1800 auch eine historisch Simulation sein, aber müssten dann nicht auch regelmäßig muslimische Korsaren von Afrika aus an Europas Küsten einfallen und weiße Menschen entführen? Zumindest bis zur späteren Spielphase, in der, historisch korrekt, dann die europäische Mächte das bald tausendjährige Leid des Sklavenhandels am Mittelmeer beenden? Wenn eine Darstellung von Sklavenhandel in einer "historischen Simulation" stattfinden soll, dann eben nicht nur der von Schwarzen und Weißen an Schwarzen, sondern auch von Schwarzen an Weißen.
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DieTomate
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von DieTomate »

Ich frage mich immer noch, wie man sowas spielerisch einbauen soll, ohne dass das Spiel seine Identität verliert. Dieses Thema fällt so schwer ins Gewicht, dass das Spiel ganz schnell aufhört, Anno zu sein, und zu der "seriösen Wirtschafts-Sim mit Sklaverei" wird. Da verstehe ich höchstens die Kritik, dass man sich eben nicht an diesem Zeitalter bedienen soll, wenn man nicht dazu bereit ist, den gesamten Weg zu gehen. Doch ich bin mir sicher, dass es auch 1602, 1503, usw. Horrorgeschichten gab, die in den entsprechenden Spielen ebenfalls ausgeklammert wurden. Da bin ich eher bei Jochen, dass Spiele ausklammern dürfen müssen, weil sonst gar nichts mehr geht. Es wäre wünschenswert, wenn mal ein Aufbauspiel daherkommt und dieses Thema seriös behandelt. Aber es fällt mir schwer, einem bestimmten Spiel vorwerfen, dass es das nicht tut.
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Smutje187
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von Smutje187 »

Eben das ist ja der Punkt, der hier schon seitenlang gemacht wird: Anno ist ein Wohlfühlidyll mit der Tapete einer problematischen Epoche, an der man ausschließlich stilistisch Interesse hat - und das findet an sich ja auch niemand schlimm, man kann gerüchtweise in Civilization ja auch Gandhi mit Atombomben spielen.

Bei 1602 gab es wenn ich mich richtig erinnere auch gelegentlich „Ureinwohner“ auf Inseln, die man natürlich sofort weggebolzt hat, oder gab es da eine Fluchmechanik? Da steigen dann meine Erinnerungen aus.
Maestro84
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von Maestro84 »

Es gab bei 1602 Eingeborene? Sicher? Gab es solche nicht erst in 1503, welches ich nicht gespielt habe? An Eingeborene erinnere ich mich nur bei Colo und da hat man zumindest als Spanier - historisch genau - geplündert, was das Zeug hält. Übrigens gab es bei Call to Power Sklaverei, neben anderen teils skurrilen Sondereinheiten.

@Tomate:
Allerdings erschienen Anno 1602 bis 1404 noch zu einer Zeit, als die Aufregungskultur nicht verbreitet war. Stellen wir uns vor, die Entdeckung Amerikas würde sich 2022 und nicht 1992 jähren, da wären heute Feiern gar nicht mehr möglich. Gerade in den letzten zehn Jahren breiten sich überall Minenfelder aus, auch und gerade im Bereich Kolonialgeschichte. Gerade auch deshalb müssen Spieleentwickler pure Vanille liefern, weil diese sich sonst quasi mitten in der Front abseilen und zerschossen werden. Deswegen werden wir auch leider keine Neuauflage eines Colonization bekommen. Viel zu riskant. Genauso wie ein Civ mit Staaten wie einem modernen Iran oder Israel.
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Textsortenlinguistik
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von Textsortenlinguistik »

Ja es gab Eingeborenen-Dörfer in Anno 1602. Mit ihnen konntest du Handel treiben oder sie angreifen.
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Voigt
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von Voigt »

Gab Eigeborene in 1602 konntest mit denen Handeln, aber nicht mit Geld. Konntest Stoffe+Alkohol gegen Tabak, Gewürze und/oder Gold tauschen.

Wenn du die einmal angegriffen hast waren die auf immer böse und haben nie wiwder gehandelt und du wenn du auf einer Insel vernichtest bekommst du eine Dürre als Fluch ab.
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Felidae
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von Felidae »

BlackSun84 hat geschrieben: 17. Mai 2021, 08:08 Allerdings erschienen Anno 1602 bis 1404 noch zu einer Zeit, als die Aufregungskultur nicht verbreitet war. Stellen wir uns vor, die Entdeckung Amerikas würde sich 2022 und nicht 1992 jähren, da wären heute Feiern gar nicht mehr möglich. Gerade in den letzten zehn Jahren breiten sich überall Minenfelder aus, auch und gerade im Bereich Kolonialgeschichte. Gerade auch deshalb müssen Spieleentwickler pure Vanille liefern, weil diese sich sonst quasi mitten in der Front abseilen und zerschossen werden. Deswegen werden wir auch leider keine Neuauflage eines Colonization bekommen. Viel zu riskant. Genauso wie ein Civ mit Staaten wie einem modernen Iran oder Israel.
Man könnnte im ersten Satz das Wort "Aufregungskultur" auch durch "Sensibilisierung" ersetzen. Und sich tatsächlich die Frage stellen, ob das fünfhundertjährige Jubiläum von Völkermord, Ausbeutung, Unterdrückung jetzt so direkt was zum Abfeiern ist. Und wie egozentrisch eigentlich das eigene Weltbild sein muss, um die "Entdeckung" von etwas feiern zu können, was andere Menschen schon seit Urzeiten bewohnt haben.

Genau deshalb gibt es an einseitig-verklärerischen Werken wie "Anno 1800" mittlerweile Kritik.
meieiro
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von meieiro »

Und fairerweise muss man auch dazu sagen, dass sich die Civilization-Reihe auch eher um historische "Hoch"-Kulturen dreht.
Es gibt auch kein moderenes Dtl, England, Frankreich, Griechenland usw. Also warum sollte man hier ein modernes Iran bzw. Israel einbauen?
Maestro84
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von Maestro84 »

Felidae hat geschrieben: 17. Mai 2021, 08:42
BlackSun84 hat geschrieben: 17. Mai 2021, 08:08 Allerdings erschienen Anno 1602 bis 1404 noch zu einer Zeit, als die Aufregungskultur nicht verbreitet war. Stellen wir uns vor, die Entdeckung Amerikas würde sich 2022 und nicht 1992 jähren, da wären heute Feiern gar nicht mehr möglich. Gerade in den letzten zehn Jahren breiten sich überall Minenfelder aus, auch und gerade im Bereich Kolonialgeschichte. Gerade auch deshalb müssen Spieleentwickler pure Vanille liefern, weil diese sich sonst quasi mitten in der Front abseilen und zerschossen werden. Deswegen werden wir auch leider keine Neuauflage eines Colonization bekommen. Viel zu riskant. Genauso wie ein Civ mit Staaten wie einem modernen Iran oder Israel.
Man könnnte im ersten Satz das Wort "Aufregungskultur" auch durch "Sensibilisierung" ersetzen. Und sich tatsächlich die Frage stellen, ob das fünfhundertjährige Jubiläum von Völkermord, Ausbeutung, Unterdrückung jetzt so direkt was zum Abfeiern ist. Und wie egozentrisch eigentlich das eigene Weltbild sein muss, um die "Entdeckung" von etwas feiern zu können, was andere Menschen schon seit Urzeiten bewohnt haben.

Genau deshalb gibt es an einseitig-verklärerischen Werken wie "Anno 1800" mittlerweile Kritik.
Keine Sorge, Mord und Totschlag beherrschten Menschen in zwei Millionen Jahre - hunderttausend beim "doppelt weisen" (haha) Menschen - in allen Kulturen. Der Mensch wurde nur leider im Laufe immer besser darin, sich in immer größerer Zahl gegenseitig auszubeuten oder umzubringen - und ich bin mir sicher, die Spitze wurde noch lange nicht erreicht. Ich kann durchaus eine Entdeckung anhand der Leistung an sich beurteilen, seien es die schwierigen Fahrten eines Kolumbus oder Magellan oder die eines Zhen He. Aber es ist ja in gewissen Kreisen in, sich quasi für die letzten 500 Jahre wegen der eigenen Geschichte und Hautfarbe zu schämen. Wenns sche macht. :roll:

Bei Anno 1800 wird die Alternative am Ende eh nicht die sein, dass Ubisoft schwierige Themen bringt, da dem Publisher dann die Spieler wegrennen, die eine idealisierte Eisenbahnplatte suchen, sondern in Zukunft eben nur noch Zeitalter liefert, die fast keine Schwierigkeiten liefer (Anno 108, Anno 900, Anno 4203). Dann haben wir im Kern das selbe Spiel, nur eben mit einem entspannteren Setting. Mir wäre das auch durchaus Recht, denn ich mochte 1800 eh nicht so richtig, aber 108 würde ich echt gerne kaufen. :dance:
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von lolaldanee »

BlackSun84 hat geschrieben: 17. Mai 2021, 08:55
Bei Anno 1800 wird die Alternative am Ende eh nicht die sein, dass Ubisoft schwierige Themen bringt, da dem Publisher dann die Spieler wegrennen, die eine idealisierte Eisenbahnplatte suchen, sondern in Zukunft eben nur noch Zeitalter liefert, die fast keine Schwierigkeiten liefer (Anno 108, Anno 900, Anno 4203). Dann haben wir im Kern das selbe Spiel, nur eben mit einem entspannteren Setting. Mir wäre das auch durchaus Recht, denn ich mochte 1800 eh nicht so richtig, aber 108 würde ich echt gerne kaufen. :dance:
Bei Anno 900 sehe ich auch keine Probleme, die Hauptbeschäftigung der Vikinger war der Sklavenhandel mit den muslimischen Staaten Nordafrikas, keinerlei Konflikpotential :ugly:
Und bei einem Anno 108 war Spartacus 140 Jahre vorher, und Sklaverei weit weg davon irgendwo abgeschafft zu sein, es gibt keine menschliche Epoche ohne massiven Sklavenhandel. Da müssen sie schon komplett in die Fantasy gehen. Was sie ja eigentlich auch gemacht haben, Anno 1800 ist ja ein Fantasyszenario, das wird nur von den Kritikern gern ignoriert :D
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von meieiro »

lolaldanee hat geschrieben: 17. Mai 2021, 09:05 Da müssen sie schon komplett in die Fantasy gehen. Was sie ja eigentlich auch gemacht haben, Anno 1800 ist ja ein Fantasyszenario, das wird nur von den Kritikern gern ignoriert :D
Das ist halt auch ein furchtbar schlechtes Argument. Man macht sich ganz klar die romantische Verklärtheit dieser Epoche zu nutzen, um mehr Spiele zu verkaufen. Man legt unfassbar viel Wert darauf, dass die ganzen Gebäude und Produktionslinien möglichst dem reallen Vorbild aus der echten Geschichte entspricht. Aber wenn dann auf die weniger idylischen Seite dieser Zeit hingewiesen wird, dann ist das alles nur Fantasy.

Sorry aber das ist mir zu einfach.
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von TheDarkShadow »

Anno ist doch nichts weiter als Eskapismus, verstehe bis Heute nicht warum man versucht beim Spielen lieber eine Schuldatmosphäre zu erzwingen.
Ich musste es googeln und werde ihn mir noch Mal anhören, aber es gab dazu ja auch schon Mal eine Folge hier Eine Verteidigung des Eskapismus , vielleicht hilft die ja im genannten Kontext.
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von Vinter »

Man muss ein Kulturprodukt doch nicht immer aus der gleichen Perspektive betrachten. Mit "Ist doch Eskapismus" kann man alles rechtfertigen, das wäre ein Totschlagargument für jede Debatte. Dann ist es mit der "Spiele sind Kunst" Thematik auch essig.
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von TheDarkShadow »

Die durchgängige Schuldkulturdebatte ist aber auch nichts anderes, nur dass diese auch noch unterstellt dass alle, welche das nicht so sehen, Geschichtsrelativierer sind. Da bleibe ich lieber beim Eskapismus.
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Felidae
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von Felidae »

lolaldanee hat geschrieben: 17. Mai 2021, 09:05 Was sie ja eigentlich auch gemacht haben, Anno 1800 ist ja ein Fantasyszenario, das wird nur von den Kritikern gern ignoriert :D
Wohingegen die Kritiker der Kritiker nunmal gerne ignorieren, dass Ubisoft exakt mit dem historischen Aspekt wirbt. Aber wir drehen uns im Kreis.
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von Felidae »

TheDarkShadow hat geschrieben: 17. Mai 2021, 09:56 Anno ist doch nichts weiter als Eskapismus, verstehe bis Heute nicht warum man versucht beim Spielen lieber eine Schuldatmosphäre zu erzwingen.
Ich musste es googeln und werde ihn mir noch Mal anhören, aber es gab dazu ja auch schon Mal eine Folge hier Eine Verteidigung des Eskapismus , vielleicht hilft die ja im genannten Kontext.
Anhand der Folge wurde das gleiche Thema hier schonmal erbittert diskutiert. :)

Fairerweise - seitdem kamen auf beiden Seiten keine neuen Argumente dazu.
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