Runde #317: Cancel Culture?

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Dr_Hasenbein
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von Dr_Hasenbein »

Rince81 hat geschrieben: 5. Mai 2021, 11:38
Andre Peschke hat geschrieben: 4. Mai 2021, 16:10 Verstärkt den Punkt ja nur. Hab das absichtlich soft formuliert, damit keiner sagt "Das wurde aber auch schon kritisiert, und zwar hier...".
Sorgt aber zumindest bei mir, dass ich meist "raus" bin. Ich mag Shooter sehr gerne, realistische (Welt)kriegsshooter müssen es bei mir aber nicht sein. Die Wolfenstein Reihe geht bei mir aber immer - wobei es da auch die weglassen des Holocaust Problematik gab...
Wolfenstein spielt nicht im 2. WK, hat aber meines Erachtens trotzdem den Holocaust entfernt thematisiert. Als BJ ist man ja quasi in einem Arbeitslager
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Gonas
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von Gonas »

Jochen Gebauer hat geschrieben: 5. Mai 2021, 11:40 Ich glaube auch nicht, dass Ubisoft hier irgendwas gewinnen kann. Jede mögliche Antwort würde unweigerlich zu einem PR-Problem werden. So funktionieren soziale Medien und Netzdiskussionen im 21. Jahrhundert: Dort ist den wenigsten an einer sachlichen Auseinandersetzung und z.B. dem Wissen, warum Ubisoft so handelt, gelegen. Da will man einfach draufhauen, Recht haben, sich gut fühlen. Wenn ich Ubi wäre, würde ich dieses Fass unter gar keinen Umständen aufmachen und es einfach aussitzen.
Was hältst du denn von einer kleinen geschichtlichen Einordnung im Ladebildschirm?

Da gibt rotierende kleine nette geschichtliche Fakten oder Infos wie diese im Spiel abgebildet werden oder eben nicht (und ein Halbsatz warum, zu komplex, wegen Spielspaß oder weil zu sensibles Thema). Fände das eigentlich einen guten Kompromiss bei dem Niemand verliert oder sich verarscht fühlt (ja, ein paar werden sich sicher immer finden).
Dr_Hasenbein
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von Dr_Hasenbein »

Jochen Gebauer hat geschrieben: 5. Mai 2021, 11:40 Ich glaube auch nicht, dass Ubisoft hier irgendwas gewinnen kann. Jede mögliche Antwort würde unweigerlich zu einem PR-Problem werden. So funktionieren soziale Medien und Netzdiskussionen im 21. Jahrhundert: Dort ist den wenigsten an einer sachlichen Auseinandersetzung und z.B. dem Wissen, warum Ubisoft so handelt, gelegen. Da will man einfach draufhauen, Recht haben, sich gut fühlen. Wenn ich Ubi wäre, würde ich dieses Fass unter gar keinen Umständen aufmachen und es einfach aussitzen.
Das ist glaube ich der wesentliche Punkt.

Gesteht Ubisoft ein, dass hätte besser machen zu können, wird es ihnen als Anbiederung im besten Fall ausgelegt, im schlimmsten Fall kommt das andere Lager hinzu denen das dann immer noch nicht reicht. Sagen sie, dass das ja nunmal ein fiktionales Werk ist, dann wird es ihnen als Rassismus ausgelegt. So oder so, gewinnen können sie allenfalls Ärger. So jedoch bewegt sich die Diskussion auf einem sehr überschaubaren Rahmen.
Voigt
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von Voigt »

Dr_Hasenbein hat geschrieben: 5. Mai 2021, 11:44 Wolfenstein spielt nicht im 2. WK, hat aber meines Erachtens trotzdem den Holocaust entfernt thematisiert. Als BJ ist man ja quasi in einem Arbeitslager
Also mhm naja, Arbeitslager ist schon nochma was anderes als Holocaust.
Internierungslager hatten auch Allierte, Arbeitslager auch andere Achsenmitglieder und glaube auch teils Mittelmächte im 1.WK
Vernichtungslager ist da halt nochmal eine ganz andere Dimension die Nazi Deutschland nutzte.
Klar ist Wolfenstein nicht 2. WK aber halt danach, und schwierig vorzustellen dass ein Nazi Deutschland aufhören würde mit Vernichtungslagern, oder grausig ohne erlebbare Nachwirkungen "abgeschlossen" sind in der Welt von Wolfenstein.

Zu Ubisofts Reaktion noch:
Denke eigentlich halt auch die haben halt auch schon alles gesagt, was die sagen wollen und was es zu sagen gibt zu dieser Anfrage. Stellen keine Sklaven da, da es idealisierte Welt ist und die die Kunden nicht belasten möchten, und für deren zentralen Thematik die Industrialisierung, inkl. Elektrifizierung war Sklaverei weniger bedeutend.
Wenn dann müsste man konkret halt Kolonialismus in der neuen Welt und in Afrika ansprechen, den unterdrückender Kolonialismus war bedeutend und warum dann nicht da zumindest Infotäfelchen für Leute die sich einlesen möchten.
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Andre Peschke
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von Andre Peschke »

Dr_Hasenbein hat geschrieben: 5. Mai 2021, 11:44
Rince81 hat geschrieben: 5. Mai 2021, 11:38
Andre Peschke hat geschrieben: 4. Mai 2021, 16:10 Verstärkt den Punkt ja nur. Hab das absichtlich soft formuliert, damit keiner sagt "Das wurde aber auch schon kritisiert, und zwar hier...".
Sorgt aber zumindest bei mir, dass ich meist "raus" bin. Ich mag Shooter sehr gerne, realistische (Welt)kriegsshooter müssen es bei mir aber nicht sein. Die Wolfenstein Reihe geht bei mir aber immer - wobei es da auch die weglassen des Holocaust Problematik gab...
Wolfenstein spielt nicht im 2. WK, hat aber meines Erachtens trotzdem den Holocaust entfernt thematisiert. Als BJ ist man ja quasi in einem Arbeitslager
Genau. Die Problematik bei Wolfenstein war nicht das Weglassen des Holocaust, es war das Rauszensieren der Juden in der deutschen Fassung (die dann auch noch als "Verräter" übersetzt wurden, IIRC). Also: Das Ausblenden des Holocaust bzw. seiner Opfer, ausgerechnet für Deutschland.

Andre
Sanity Assassin
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von Sanity Assassin »

Dr_Hasenbein hat geschrieben: 4. Mai 2021, 19:30
Felidae hat geschrieben: 4. Mai 2021, 18:57
Dr_Hasenbein hat geschrieben: 4. Mai 2021, 18:49

Naja, Wirtschaft ist brutal. Wenn einer gewinnt, verliert ein anderer. Dass sich dieses Blatt auch schnell wandeln kann, sehen wir bspw. in Asien. Hier ist der Aufschwung noch gar nicht abgeschlossen und es werden weitere Nationen den Preis dafür zahlen. Man wird einfach nicht ewig behaupten können, dass sie nicht aufstehen können wegen der Kolonialzeit.
Mir wäre nicht bekannt, dass wir mit asiatischen Staaten Handelsverträge haben, die jene dazu zwingen, unsere Lebensmittelüberproduktion aufzukaufen, deshalb keine eigene Lebensmittelwirtschaft auf die Beine bekommen und dann hungern, wenn wir grad mal nichts übrig haben.
Und mir wäre nicht bekannt, dass Asien sich die unterschieben lassen würde.
Fürs Verständnis: die Länder, die in solchen Abhängigkeitsbeziehungen stehen, sind selbst schuld, weil sie sich solche Deals haben unterschrieben lassen?
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von Rince81 »

Dr_Hasenbein hat geschrieben: 5. Mai 2021, 11:44 Wolfenstein spielt nicht im 2. WK, hat aber meines Erachtens trotzdem den Holocaust entfernt thematisiert. Als BJ ist man ja quasi in einem Arbeitslager
Habe ich nicht geschrieben, es spielt aber in dem Setting. Die englische Fassung thematisiert den Holocaust mehrfach sehr deutlich und explizit und man ist in New Order in einem Todes- nicht in einem Arbeitslager - inklusive Verbrennungsofen. Lediglich die deutsche Sprachfassung des Spiels entfernt all diese "unangenehmen" Verweise.
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von Smutje187 »

„Kann man nix machen, so ist halt Marketing“ - na gut, dann kann man die Diskussion an der Stelle ja beenden, die Kundschaft scheint das ja OK zu finden :D
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von Dr_Hasenbein »

Voigt hat geschrieben: 5. Mai 2021, 11:53
Dr_Hasenbein hat geschrieben: 5. Mai 2021, 11:44 Wolfenstein spielt nicht im 2. WK, hat aber meines Erachtens trotzdem den Holocaust entfernt thematisiert. Als BJ ist man ja quasi in einem Arbeitslager
Also mhm naja, Arbeitslager ist schon nochma was anderes als Holocaust.
Internierungslager hatten auch Allierte, Arbeitslager auch andere Achsenmitglieder und glaube auch teils Mittelmächte im 1.WK
Vernichtungslager ist da halt nochmal eine ganz andere Dimension die Nazi Deutschland nutzte.
Klar ist Wolfenstein nicht 2. WK aber halt danach, und schwierig vorzustellen dass ein Nazi Deutschland aufhören würde mit Vernichtungslagern, oder grausig ohne erlebbare Nachwirkungen "abgeschlossen" sind in der Welt von Wolfenstein.
Die Darstellung des Lagers ist ganz eindeutig. Da gibt es eigentlich nicht viel zu diskutieren meines Erachtens nach. Es wurde sehr deutlich dargestellt, wie menschenverachtend das Regime ist. Gerade zur Beginn des Abschnitts wird man wie Vieh durch den Schlachthof geführt und es sieht auch genau so aus.
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von Dr_Hasenbein »

Rince81 hat geschrieben: 5. Mai 2021, 11:57
Dr_Hasenbein hat geschrieben: 5. Mai 2021, 11:44 Wolfenstein spielt nicht im 2. WK, hat aber meines Erachtens trotzdem den Holocaust entfernt thematisiert. Als BJ ist man ja quasi in einem Arbeitslager
Habe ich nicht geschrieben, es spielt aber in dem Setting. Die englische Fassung thematisiert den Holocaust mehrfach sehr deutlich und explizit und man ist in New Order in einem Todes- nicht in einem Arbeitslager - inklusive Verbrennungsofen. Lediglich die deutsche Sprachfassung des Spiels entfernt all diese "unangenehmen" Verweise.
Im Detail erinnere ich mich nicht mehr ganz, deswegen habe ich lieber Arbeitslager geschrieben bevor mir jemand einen Strick draus dreht. Die Deutsche Fassung kenne ich nicht leider auch nicht. In der englischen Fassung gab es für mich aber keinen Zweifel. Klar, irgendwie sahen manche NPCs in der Darstellung ein bisschen zu wohlgenährt und Muskulös aus, das hatte mich etwas verwirrt, aber insgesamt war die Darstellung sehr explizit.
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von Smutje187 »

Floki hat geschrieben: 5. Mai 2021, 12:09Ergo: Man lässt es gleich weg. Achtung, Überspitzung: Nicht Ubisoft ist der Schuldige, sondern die Heerschar an Dauerempörten.
Genau, weil man ja auch Ubisoft dazu gezwungen hat, ein Spiel in der Ära zu machen :D

Ich finds ja echt amüsant, wie hier alle für einen Konzern in die Bresche springen - nicht mal ein halbes Jahr nach der Kritik am Fanboytum um Cyberpunk, aber vielleicht funktioniert das Kurzzeitgedächtnis so?
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Smutje187
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von Smutje187 »

Nö, man kann einfach sagen „Wir haben das weggelassen, weil uns das unangenehm war/wir eine idealisierte Darstellung der Vergangenheit wollten/wir ignorant sind“, aber dieses Marketinggewäsch ist halt unerträglich - und noch unerträglicher ist es, wenn das auch noch beim Konsumenten haften bleibt
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Felidae
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von Felidae »

Kommt es eigentlich nur mir extrem ironisch, um nicht zu sagen zynisch vor, dass Ubisofts Weigerung, Kolonialismus und Sklavenhaltung überhaupt IRGENDWIE zu thematisieren, allen Ernstes damit gerechtfertigt wird, dass es ihnen vermutlich wirtschaftliche Nachteile bringen würde?
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von Inkognito »

Nein, das kommt einem nicht zynisch vor, weil Konzerne auch heute Sklaven beschäftigten, weil es ihnen wirtschaftliche Vorteile bringt, wenn es ihnen nicht gesetzlich verboten wird.
Circa 40 bis 50 Millionen um genau zu sein.
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Jochen Gebauer
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von Jochen Gebauer »

Felidae hat geschrieben: 5. Mai 2021, 13:46 Kommt es eigentlich nur mir extrem ironisch, um nicht zu sagen zynisch vor, dass Ubisofts Weigerung, Kolonialismus und Sklavenhaltung überhaupt IRGENDWIE zu thematisieren, allen Ernstes damit gerechtfertigt wird, dass es ihnen vermutlich wirtschaftliche Nachteile bringen würde?
Dass ein Wirtschaftsunternehmen in erster Linie auf die Vermeidung von wirtschaftlichen Schäden bedacht ist, ist nicht zynisch, sondern liegt in der Natur der Sache. Ich fände es umgekehrt eher absurd, von einem Wirtschaftsunternehmen zu verlangen, für die (vermeintliche oder tatsächliche) gute Sache wirtschaftliche Nachteile in Kauf zu nehmen. Kann man freilich schon fordern, wird aber garantiert nicht passieren, weil eine Katze nicht bellt.

So lange Ubisoft mit der Anno-Serie nur verlieren kann, wenn es solche Fässer aufmacht, werden die Fässer zubleiben. Da hilft aller Zeter und Mordio nicht. Ich find' das ja auch beknackt, aber Ubisoft ist hier wirklich der falsche Baum. Nehmen wir einmal an, jemand von Ubi würde auf Doms Anliegen antworten und sagen: "Ja, wir haben intern lange über das Thema Sklaverei gesprochen und ob und wie wir es abbilden können. Wir haben uns dann aber am Ende dazu entschieden, es komplett auszuklammern, weil wir a) befürchten, dass wir der Thematik in einem Aufbauspiel einfach nicht gerecht werden können und weil b) für die allermeisten unserer Kunden Anno ein 'Happy Place' und ein 'Comfort Game' ist und wir es uns nicht leisten können, einen Großteil unserer Fans vor den Kopf zu stoßen."

Mein Tipp: Das ist ziemlich nahe an der Wahrheit. Und nichts davon ist rassistisch, feige, ausbeuterisch usw. Nicht das Geringste. Man muss diese Haltung nicht teilen, aber sie ist vollkommen legitim. Diskutabel bestimmt, aber legitim. Doch was würde passieren: Ein wütender Internetmob würde trotzdem "Rassismus" et al rufen, weil dieser wütende Internetmob inzwischen auch dann Rassismus wittert, wenn im Nachbarhaus eine weiße Maus furzt * und die Presse würde diese Rufe dankend aufnehmen und schreiben "Rassismuseklat um Anno 1800" und schon steckste in einer Schublade mit Querdenkern, Xavier Naidoo und Hans-Georg Maaßen. Wenn das mein Spiel wäre, würde ich auch einen Teufel tun und dieses Fass aufmachen. Und wenn dann jemand kommt und deswegen Zeter und Mordio schreit, würde ich wahrscheinlich denken: Du bist Teil des Grundes, warum ich das so mache.

Mein Tipp: Auch letzteres ist nahe an der Wahrheit ;)

* Nur zur Klarstellung: Das haben die nicht exklusiv, oh nein. Rechtstwitter und Co. sind noch viel, viel schlimmer. Bloß bevor dieser Strohmann kommt :mrgreen:
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von echtschlecht165 »

Ui , starke Worte Jochen.
Ich wollte es in meinem Post ähnlich (aber weniger eloquent) schreiben. Habe mich aber fast nicht getraut.
Schöne Beschreibung der heutigen Dynamik.
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Felidae
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von Felidae »

Och mir ging es nur darum, dass ich es bemerkenswert finde, dass hier im Forum (NICHT von Ubisoft!) gerechtfertigt wird, dass heutzutage die wirtschaftlich motivierte menschenverachtende Ausbeutung der Vergangenheit aus ebenfalls wirtschaftlichen Gründen der Gegenwart halt nunmal unter den Tisch fallen muss. Ich wollte wissen, ob außer mir noch jemand das zynisch findet. Anscheinend nicht, also Frage beantwortet.
Rince81
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von Rince81 »

Jochen Gebauer hat geschrieben: 5. Mai 2021, 16:49 Wir haben uns dann aber am Ende dazu entschieden, es komplett auszuklammern, weil wir a) befürchten, dass wir der Thematik in einem Aufbauspiel einfach nicht gerecht werden können und weil b) für die allermeisten unserer Kunden Anno ein 'Happy Place' und ein 'Comfort Game' ist und wir es uns nicht leisten können, einen Großteil unserer Fans vor den Kopf zu stoßen."
Da finde ich es interessant, dass man sich zumindest im Entwicklerblog mit der Situation der Arbeiter zu der Zeit auseinandergesetzt hat:
https://anno-union.com/de/devblog-der-a ... terklasse/
Der Arbeiter im 19. Jahrhundert: Unterdrückt, desillusioniert und geradeheraus. Jeder von ihnen ein schlafender Vulkan, der jederzeit im Protest ausbrechen könnte, um sich mit seinen Leidensgefährten zu einem gewaltigen Lavafluss zu vereinen- ein Fluss von Unzufriedenheit und Wut, der alles in seinem Weg zu verschlingen droht, während er zu einer Flutwelle der Revolution heranschwillt.

Dankenswerterweise müssen die Dinge in Anno 1800 aber nicht immer so drastisch enden.

Mit der industriellen Revolution kamen auch teils menschenverachtende Arbeitsbedingungen, endlose Arbeitstage (und –nächte!), verstopfte Lungen und Leib und Leben gefährdende Maschinerie. Genug um auch den friedfertigsten Arbeiter wütend zu machen. Aber vielleicht wirst ja gerade Du einer der aufgeklärten Arbeitgeber sein, der seinen Arbeitern die Last etwas erleichtert und sich durch humanitäre Fortschrittlichkeit auszeichnet.
Oder fühlst du Dich eher in der Rolle des gradenlosen Antreibers wohl, der den Hang seiner Arbeiter zu den kleinen Sünden des Lebens ausnutzt? Schließlich muss man nur ihren Dämonen etwas Nahrung geben, und alle Beschwerden über katastrophale Arbeitsbedingungen sind schnell vergessen, nicht wahr? Ein bisschen fettiges Essen hier, eine Schnapsflasche dort. All das hilft dabei die Bevölkerung gegenüber ihrem entbehrungsreichen Alltag abzustumpfen. Der Dank für diese schmackvollen „Geschenke“ wird dir sicher sein.
Im Kern kam man aber zu dem Ergebnis:
Gerade dieser Wille und Einsatz im Angesicht widrigster Umstände – lange Arbeitstage in den Stahlfabriken, glühende Hitze aus den Hochöfen etc. – wurden im Laufe der Zeit zum Rückgrat der modernen Gesellschaft. Deshalb sollen die Arbeiter in Anno 1800 trotz ihrer eher funktionellen, rußgeschwärzten Kleidung eine Aura von Solidarität und Stolz vermitteln. Sie sind ein lebhafter und freundlicher Menschenschlag, offenherzig und gesprächig, mit einer Lebensfreude und Würde die, angesichts Ihrer Lebensumstände, mehr als bemerkenswert ist.
PS. Man kann wunderbar die Wörter Arbeiter und Sklave austauschen - der Inhalt passt trotzdem :ugly: :ugly: :ugly:
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echtschlecht165
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von echtschlecht165 »

Nice. Schöne info hast du da ausgegraben, rince
Die Erklärung ist toll geschrieben
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Jochen Gebauer
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Re: Runde #317: Cancel Culture?

Beitrag von Jochen Gebauer »

Felidae hat geschrieben: 5. Mai 2021, 17:01 Och mir ging es nur darum, dass ich es bemerkenswert finde, dass hier im Forum (NICHT von Ubisoft!) gerechtfertigt wird, dass heutzutage die wirtschaftlich motivierte menschenverachtende Ausbeutung der Vergangenheit aus ebenfalls wirtschaftlichen Gründen der Gegenwart halt nunmal unter den Tisch fallen muss. Ich wollte wissen, ob außer mir noch jemand das zynisch findet. Anscheinend nicht, also Frage beantwortet.
Hm. Nee, auch so formuliert finde ich es nicht zynisch, weil die moralische Kausalkette auf Wackelpudding steht.

Zynisch finde ich eigentlich eher, dass es diese wirtschaftlichen Gründe heute gar nicht geben müsste, wenn nicht oft genau die Leute, die sich darüber beklagen, die ersten wären, die #boycottanno1800 twittern würden, sobald Anno den Deckel dieses Fasses auch nur anheben würde :mrgreen:
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