Spiele und Kunst

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Joss
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Re: Spiele und Kunst

Beitrag von Joss »

Nachtfischer hat geschrieben:
Jochen hat geschrieben:Pac Man würde ich getrost zum Kulturgut zählen. Kunst ist das keine.

Mal ganz direkt gefragt zwecks Klarstellung der Kriterien: Warum nicht?
Zu Pac Man nur ganz kurz, was ja im MoMA hängt: Es wird seinen Grund haben, wenn Paola Antonelli hier den Begriff des Designs (Kunst als Design) bevorzugt. Es gibt hierzu ja eine kontrovers geführte Debatte, die man nachlesen kann, wenn einen das interessiert.
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Dostoyesque
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Re: Spiele und Kunst

Beitrag von Dostoyesque »

Jochen hat geschrieben:
Axel hat geschrieben:Kunst kann alles sein! Auch Dinge, die garnicht dafür gemacht wurden Kunst sein zu wollen
Natürlich kann alles Kunst sein. [...] Aber bloß weil alles Kunst sein kann, ist noch lange nicht alles Kunst. Das ist mithin ja das Merkmal von Kunst: Dass sie eine Auseinandersetzung mit dem Gegenstand erfordert.

Man muss übrigens aufpassen, dass man Kunst nicht mit Kulturgut vermengt. Das sind zwei Paar Schuhe. Mit Überschneidungen zwar, aber eben nicht das selbe. Pac Man würde ich getrost zum Kulturgut zählen. Kunst ist das keine. Könnte aber mal welche werden. Wie die Dosensuppe.
^this. Habs nie so formuliert, aber die Unterscheidung zwischen Kunst und Kulturgut triffts meiner Meinung nach sehr gut. Und ja, wie Jochen es schön gesagt hat: Nur weil etwas Kunst sein kann, ist es damit nicht automatisch Kunst.
derFuchsi hat geschrieben:Ist ja wirklich ein Genuss hier mitzulesen :).
Dostoyesque hat geschrieben: Demzufolge macht nicht die Materie bzw. der Akt die Kunst (wie z.B. eben das Sitzen auf einem Stuhl oder das Malen eines Bildes), sondern die Intention. Und die Intention beinhaltet immer irgendeine Form der Abstraktion bzw. des Ausdrucks.
So sehr ich diese Definition mag aber im Umkehrschluss...
Ist also alles automatisch Kunst wenn der Schöpfer möchte dass es Kunst ist ?
Im wesentlichen ja. Ich versteh schon, was dich bei der Definition gerade beunruhigt - vielleicht hilft es, zu betonen, dass das immer noch nicht bedeutet, dass es sich dabei um *gute* Kunst handelt.
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Jochen

Re: Spiele und Kunst

Beitrag von Jochen »

Nachtfischer hat geschrieben:Das kommt eben genau auf die Definition an. Wenn ich Kunst als ein aus einem kreativen Prozess entstandenes Ding mit dem Zweck der psychologischen Stimulation definiere, dann ist Pacman schon Kunst.
Dann ist aber auch die mit Buntstiften und Wachsmalzeichnungen entstandene Cowboy- und Indianergeschichte eines Siebenjährigen Kunst. Natürlich läuft letztlich manches auf die Definition hinaus, aber genau deshalb sollte diese Definition einer Überprüfung standhalten. Was übrigens nicht bedeutet, dass es eine allgemeingültige Definition sein muss. Im Gegenteil: Kunstdefinitionen können wie Guppys ganz wunderbar im Schwarm existieren. Problematisch wird's meistens erst, wenn man versucht, zu viele Guppys mit einem einzigen Netz zu fangen und dabei auch ein paar Goldfische erwischt.
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Nachtfischer
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Re: Spiele und Kunst

Beitrag von Nachtfischer »

Jochen hat geschrieben:Dann ist aber auch die mit Buntstiften und Wachsmalzeichnungen entstandene Cowboy- und Indianergeschichte eines Siebenjährigen Kunst.

Exakt. Warum auch nicht? Glücklicherweise ist die Malerei weit genug, dieses Kunstwerk qualitativ deutlich und eindeutig von einem Rembrandt zu unterscheiden.
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Dostoyesque
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Re: Spiele und Kunst

Beitrag von Dostoyesque »

Nachtfischer hat geschrieben:
Jochen hat geschrieben:Warum denn? Die "Beweislast" obliegt doch jenen, die die Kunsthaftigkeit eines Gegenstandes postulieren.
Das kommt eben genau auf die Definition an. Wenn ich Kunst als ein aus einem kreativen Prozess entstandenes Ding mit dem Zweck der psychologischen Stimulation definiere, dann ist Pacman schon Kunst.
Was ist ein "kreativer Prozess"? Was genau bedeutet "psychologische Stimulation"?
Man nehme die medizinische Forschung, in der sehr viel Kreativität verlangt ist (wie auch in der Forschung allgemein). Und man nehme an, die Aufgabe eines konkreten Forschungsprojekts ist es, ein Antibiotikum zu produzieren, dass genauso gut wirkt wie die erste Generation, aber die Patienten bezüglich Nebenwirkungen weniger belastet (d.h. der psychologische und physiologische Leidensdruck verringert wird). Wenn das Endprodukt der Forschung den Zweck hat, Patienten insofern "psychologisch zu stimulieren", als dass sie sich mit der Einnahme des Produkts besser fühlen müsste das bedeuten, dass manche Antibiotika Kunst sind. Ich versuch hier grad nich, dich zu provozieren, ich klopf nur deine Definition ab, weil ich sie gern verstehen würde bzw. traditionell Schwierigkeiten habe, diese Definition nachzuvollziehen, weil sie mMn allerhand Dinge inkludiert, die nicht hineingehören.

Es gibt mMn auch einen Unterschied zwischen dem Ausdruck einer Emotion und dem Evozieren einer Emotion. Beispiel: Kafkas Prozess ist ein postmoderner Roman, der in vielerlei Hinsicht die Orientierungslosigkeit und Beklemmung Anfang des 20. Jahrhunderts abstrahiert abbildet und ausdrückt. Andererseits ist Shawn of the Dead ein Film, der mich zum Lachen bringt, wobei niemand in dem Film in derselben Stimmung ist. Im ersteren Beispiel wird eine Emotion abgebildet bzw. ausgedrückt, im zweiten Beispiel wird eine Emotion im Publikum evoziert. Das sind ganz unterschiedliche Prozesse. Eine Komödie bringt das Publikum zum Lachen (eine Emotion wird evoziert), während die abgebildeten Personen auf der Leinwand das nicht ausdrücken bzw. abbilden, es passiert lediglich etwas, was das Publikum zum Lachen bringt.
Dachte, ich erwähn das hier mal weil ich schon öfter von Freunden das Argument gehört hab, dass z.B. Hangover Kunst ist, weil der Film Freude und Lachen ausdrückt. Das tut er aber nicht. Er evoziert Freude und Lachen, bildet das aber nicht wirklich ab. Wo hier Kunst beginnt und aufhört sei mal dahingestellt und ist sicherlich Definitionssache, aber mich bringt schon sehr viel zum Lachen im Leben und ich werde permanent psychologisch stimuliert, ohne dass ich die entsprechenden Erfahrungen als Kunst betrachten würde.

Allgemein (nicht an dich gerichtet) ist es auffällig, wie defensiv viele Personen (in anderen Foren) auf dieses Thema reagieren, als ob ihr Lieblingsspiel automatisch qualitativ schlechter ist, nur weil man es nicht als Kunst betrachtet. Die Wahrheit könnt mMn nicht ferner sein. Es bedeutet lediglich, dass besagtes Lieblingsspiel auf etwas komplett anderes abzielt. Kunst ist nicht zwingend "besser" oder "schwieriger zu kreieren" als Unterhaltung. Beides hat seine Herausforderungen und beides brauch ich persönlich auch in meinem Leben. An dieser ganzen Misere haben denke ich die ganzen herablassenden Kunstfutzis Schuld, die dauernd aus ihrem Elfenbeinturm spucken.
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Nachtfischer
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Re: Spiele und Kunst

Beitrag von Nachtfischer »

@Dostoyesque: Das Bedarf tatsächlich einer kleinen Ergänzung. Der Unterschied ist, dass das Medikament nicht einfach die Stimulation um ihrer selbst willen zum Ziel hat, sondern in erster Linie eine Krankheit heilen soll.
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Dostoyesque
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Re: Spiele und Kunst

Beitrag von Dostoyesque »

Mitnichten, weswegen ich es auch so formuliert hab: Das besagte Beispielantibiotikum wirkt bereits exzellent, es greift die Bakterien an, die es anzugreifen hat. Die Hauptwirkung passt, die Krankheit wird "geheilt" (sofern die Tabletten genommen werden). ABER (und das ist jetzt nicht an den Haaren herbeigezogen, sondern eine tägliche Realität in der Forschung) man konnte feststellen, dass die Compliance (d.h. die Bereitschaft des Patienten, die Therapie auch wirklich durchzuziehen und z.B. daheim die Tabletten weiterzunehmen) wegen der Nebenwirkungen (angenommen die Patienten berichten davon, dass sie mit dem Antibiotikum psychomotorisch sehr unruhig sind und sich irgendwie so vorkommen, als ob sie nicht ganz sie selbst sind) so niedrig ist, dass das Medikament quasi unbrauchbar ist, weils letztendlich die Patienten nicht nehmen. Ergo startet man ein Forschungsprojekt für ein Antibiotikum, das genauso gut gegen die Bakterien wirkt, ABER dieses Mal die health-related quality of life (HRQoL) stärker beeinflusst, weil dieses Mal das primäre Augenmerk die subjektive psychische Zufriedenheit der Patienten ist. Hier wird in diesem Fall durchaus kreativ gearbeitet mit dem Hauptziel der "psychischen Stimulation" der Patienten.

Gibt aber auch einfachere Beispiele wie Antipsychotika, die keine Krankheiten heilen, sondern einfach die Beschwerdesymptomatik verbessern. Gibt auch eine große Bandbreite an Hormonen, die man verabreichen kann zum selben Zweck. Anderes Beispiel: Die Palliativmedizin zielt in ihrer Gesamtheit nicht auf das Heilen von Krankheiten, sondern auf die Zufriedenheit der Patienten in ihren letzten Monaten und Jahren ab. Hier gibt es kein übergeordnetes Ziel abgesehen von der Patientenzufriedenheit. Die Medikamente sollen im Wesentlichen dasselbe erreichen wie eine Durchschnittskomödie.

Ach ja, ein letztes zum "kreativen Prozess": Ich denke, dass hier viele (nicht unbedingt du, kenn dich ja diesbezüglich nicht gut genug) eine sehr romantische Vorstellung haben, wie Künstler arbeiten. Es ist nicht so, dass Künstler während dem Schaffen immer maximal inspiriert vor der Leinwand tanzen. Kunst ist sehr harte Arbeit und bei weitem nicht das einzige Feld, in dem Kreativität verlangt ist. Kreativität ist nicht exklusiv mit der Kunst verwoben. Kreativität braucht man überall, z.B. in der Wissenschaft in der Problemlösung. Die Mathematik lebt von Kreativität, wie auch die IT. Ein Chirurg muss wahnsinnig flexibel und kreativ sein, weil es quasi bei jedem gewisse anatomische Abweichungen gibt. Künstlerischer Ausdruck ist deswegen mMn viel spezifischer und repräsentativer für die Definition eines Kunstwerks als ein kreativer Prozess, der in Menschen psychisch etwas auslöst.
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Nachtfischer
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Re: Spiele und Kunst

Beitrag von Nachtfischer »

Tatsächlich sind die Übergänge hier meines Erachtens absolut fließend. Ich halte es da mit Donald Knuth: "We should continually be striving to transform every art into a science: in the process, we advance the art."
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Joss
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Re: Spiele und Kunst

Beitrag von Joss »

Dostoyesque hat geschrieben:An dieser ganzen Misere haben denke ich die ganzen herablassenden Kunstfutzis Schuld, die dauernd aus ihrem Elfenbeinturm spucken.
Was meinst du denn damit? Dass Fachleute über ihr Thema publizieren?
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Jochen

Re: Spiele und Kunst

Beitrag von Jochen »

Nachtfischer hat geschrieben:Exakt. Warum auch nicht?
Again: Warum denn? Es erscheint mir offen gestanden nicht besonders zielführend, die Frage nach dem warum mit einem "warum nicht?" ersticken zu wollen. Die Beweisführung für ein Postulat obliegt nunmal dem, der es postuliert - und nicht dem, der nach einer stichhaltigen Begründung fragt. Ganz besonders, wenn es um einen Begriff geht, der nicht nur im Elfenbeinturm schwurbelt, sondern handfeste (rechtliche) Bedeutung besitzt.
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Nachtfischer
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Re: Spiele und Kunst

Beitrag von Nachtfischer »

Ich formuliere dann "Warum auch nicht?" nochmal um: Definiere Kunst!

In dem Fall gibt es keine Beweisführung, sondern offenbar einfach unterschiedliche Definitionen eines Begriffs (der meines Wissens nach nirgends so klar und eindeutig festgelegt wird, wie du es implizierst). Wenn ich "Gott" als Reiskorn definiere, dann kann ich mit Leichtigkeit Gottes Existenz beweisen.
Jochen

Re: Spiele und Kunst

Beitrag von Jochen »

Nachtfischer hat geschrieben:Definiere Kunst!
Habe ich doch schon: Kunst ist alles, was man vernünftig als Kunst argumentieren kann. Deine konkrete Definition fällt vielleicht nicht darunter, weil sie in meinen Augen an der Vernunft (im Sinne der Praktikabilität) scheitert, aber davon abgesehen bildet dieser Ansatz so viele unterschiedliche Definitionen ab, dass man ihm schlechterdings nicht vorwerfen kann, er wäre ausgrenzend.
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Nachtfischer
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Re: Spiele und Kunst

Beitrag von Nachtfischer »

Dann hast du das Definitionsproblem ja lediglich weitergeschoben. Woran scheitert denn konkret mein hochgeladenes Strichmännchen-Scribble in Sachen Kunstsein im Vergleich zum Rembrandt? Zu wenig Aufwand? Zu geringe "Schaffenshöhe"? Zu wenig Leute, die es interessiert? Zu wenig Einfluss auf andere "Künstler"? All diese Fragen würden ja schon auf eine wesentlich konkretere Definition des Kunstbegriffs zulaufen. Es stellt sich doch immer noch die Frage, warum es "nicht vernünftig" sein soll, etwas als Kunst zu bezeichnen.
Jochen

Re: Spiele und Kunst

Beitrag von Jochen »

Nachtfischer hat geschrieben:Dann hast du das Definitionsproblem ja lediglich weitergeschoben
Ich habe nicht das Problem weitergeschoben, sondern die Verantwortung an die zuständige Stelle: Wenn dein hochgeladenes Strichmännchen Kunst sein soll, dann musst du stichhaltig erklären, warum - und nicht ich, warum nicht.
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Nachtfischer
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Re: Spiele und Kunst

Beitrag von Nachtfischer »

Jochen hat geschrieben:Ich habe nicht das Problem weitergeschoben, sondern die Verantwortung an die zuständige Stelle: Wenn dein hochgeladenes Strichmännchen Kunst sein soll, dann musst du stichhaltig erklären, warum - und nicht ich, warum nicht.
Sehe ich nicht so. Du postulierst doch in dem Fall, dass es einen fundamentalen Unterschied gibt. Wer behauptet, Gott gäbe es nicht, hat genauso die Beweislast wie der Gläubige. Die "default position" in dem Fall wäre für mich allerdings erstmal, dass es genauso Kunst ist wie ein Rembrandt (wohlgemerkt nicht "genauso gute" Kunst). Ich habe mit Hirn, Hand und Farbe ein Bild erzeugt und es anderen zum Ansehen um seiner selbst willen zur Verfügung gestellt. Gegenargument?
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Joss
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Re: Spiele und Kunst

Beitrag von Joss »

Ich würde hier noch beifügen, als Kontra zu einem Anything goes, dass ich zumindest nicht vertreten würde, dass die Geschichte des Nachdenkens über Kunst, Werke und Begriff, eine von Nachtwächtern und Idioten war. Ich frage mich darum, wieso es immer nur darum geht, einem bestimmten Begriff für eigene Anliegen Geltung zu verschaffen, anstatt sich mit seiner Geschichte auseinanderzusetzen. Und diese Geschichte ist ja gerade eine des Streits, der Auseinandersetzung. Früher leider mit dem tragischen Aspekt, dass man für seine Haltung schnell mal verbrannt oder geköpft wurde, während man heute lediglich diffamiert und gethumbdownt wird.

Wenn z.B. Unternehmensverbände sich für Computerspiele als Kunst interessieren, dann ist auch dieses Interesse von Interesse für den Diskurs. Und auch Spieler würde ich fragen, warum soll das Kunst >für dich< sein? Was bedeutet das für >dich< als Person mit Bedürfnissen und Interessen? Im Bereich der Personal- und Unternehmensberatung hielt das ja auch Einzug. Plötzlich ging es dort (vor etwa 20 Jahren fing das an) um Ethik und Kunst. Meist waren damit keine gemeinsamen Ausstellungsbesuche und Diskussionsrunden gemeint. Dahinter standen Leute, die versuchten ihre Expertise im Rahmen von Konkurrenzen abzugrenzen und zu verkaufen. Ich würde mal sagen, das ist auch ein Aspekt in der Diskussion über kulturindustrielle Produkte, wenn es darum geht, die als Kunst und Werke zu bestimmen.

Irgendwo in Norwegen wurden gerade jüngst Klopperspiele in den Bildungskanon aufgenommen. Ich würde mal vermuten, da gibt es auch ein Interesse, das sich vom Markt her bestimmt.
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Dostoyesque
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Re: Spiele und Kunst

Beitrag von Dostoyesque »

Joss hat geschrieben:
Dostoyesque hat geschrieben:An dieser ganzen Misere haben denke ich die ganzen herablassenden Kunstfutzis Schuld, die dauernd aus ihrem Elfenbeinturm spucken.
Was meinst du denn damit? Dass Fachleute über ihr Thema publizieren?
Oh, im Gegenteil. das will ich ja. Habe nichts gegen Kunstfutzis, bin ja selbst einer. Ich habe aber von "herablassenden Kunstfutzis" geredet. Ich rede eher von der Art herablassenden, prätentiösen Person, der man so im Leben begegnet und mit Genuß auf Dinge, die andere mögen, spuckt, weniger um einer Diskussion willen, sondern eher, um dem Gegenüber zu zeigen, wo er und seine Vorlieben hingehören.
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Joss
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Re: Spiele und Kunst

Beitrag von Joss »

Dostoyesque hat geschrieben:Oh, im Gegenteil. das will ich ja. Habe nichts gegen Kunstfutzis, bin ja selbst einer. Ich habe aber von "herablassenden Kunstfutzis" geredet. Ich rede eher von der Art herablassenden, prätentiösen Person, der man so im Leben begegnet und mit Genuß auf Dinge, die andere mögen, spuckt, weniger um einer Diskussion willen, sondern eher, um dem Gegenüber zu zeigen, wo er und seine Vorlieben hingehören.
Da hast du aber ein sehr schönes Beispiel gefunden. Musste dazu übrigens an den Arroganz-Thread denken. Denn der Dietl, der konnte so prächtige Interviews geben. Da würden dem ein oder anderen, denen Jochen schon als arrogant erscheint, aber fesch die Ohren schlackern.
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Re: Spiele und Kunst

Beitrag von Jochen »

Nachtfischer hat geschrieben:Sehe ich nicht so. Du postulierst doch in dem Fall, dass es einen fundamentalen Unterschied gibt
Ich postuliere keinen Unterschied. Ich postuliere das Fehlen einer stichhaltigen Argumentation. Die These, dass "Mein Kampf" ebenso Kunst sei wie "Wen die Nachtigall stört" und die Lieder von Frank Rennicke ebenso wie die von Hannes Wader ist nunmal keine gute. Da hilft auch die nachgeschobene Unterscheidung zwischen guter und schlechter Kunst nicht - zumal die aus historischer Sicht ohnehin ziemlich ... problematisch ist.
Wer behauptet, Gott gäbe es nicht, hat genauso die Beweislast wie der Gläubige
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Joss
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Re: Spiele und Kunst

Beitrag von Joss »

Erst der Diskurs über Kunst macht Kunst sichtbar. Der Diskurs aber hat keinen Anfang und kein Ende. Seit Kunst zum ersten Mal sichtbar wurde (wann und wo auch immer) gibt es diesen Diskurs. Die Analyse des Diskurses rekonstruiert die strukturellen Voraussetzungen für die Sprache über Kunst und die Sichtbarkeit von Kunst. Wenn für Malerei als Kunstform nun handwerkliche Traditionen und deren Reflexion als Voraussetzung für deren Kunsterscheinung gelten, dann wird man als Liebhaber von Kinderkrakeleien so seine Schwierigkeit haben, sie als Kunst erscheinen zu lassen. Kunst bedeutet Reflexion auf die eigenen Voraussetzungen. Kinderkrakeleien enthalten jedoch solche Reflexionen nicht, sie knüpfen auch nicht an handwerkliche Traditionen an. Sie bedienen sich zweier Maßgaben: Dem von anderen zur Verfügung gestellten Handwerkszeug und der absoluten Freiheit, diese zur Anwendung zu bringen (z.B. auf der Tapete oder im eigenen Gesicht).
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