Spiele und Kunst

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Adahn
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Re: Spiele und Kunst

Beitrag von Adahn »

Für all jene, die sich fragen, warum man überhaupt darüber diskutieren muss, ob und wann etwas Kunst ist und wem daran liegen könnte, eine Sache als Kunst zu definieren, möchte ich hier einen Essay von Susan Sontag aus dem Jahr 2002 verlinken.
An Argument About Beauty
Anlass dazu war Papst Johannes Pauls Versicherung an die amerikanischen Kardinäle, als Reaktion auf die Empörung über die Vertuschung von Kindesmisbrauchsfällen in der katholischen Kirche, dass hier ein jahrtausendealtes Kunstwerk (seine Kirche) zwar besudelt, aber letzlich seine Schönheit erhalten hat.
Der Essay geht dabei wunderbar auf die Problematik der Terminologie der Kunst ein und auch darauf wie viel Berechnung mitunter dahinter steckt, und passt zu dieser Diskussion, wie ich finde, wie die Faust aufs Auge.
Leider bin ich grade im Klausurenstress und kann euch das jetzt nicht selbst aufdröseln, aber ihr seid herzlich eingeladen, eure Meinung über den Essay kundzutun. Würde mich echt interessieren, inwiefern das eure Meinung in dieser Diskussion ändert oder auch nicht. Ich reagiere dann darauf, wenn ich wieder Zeit und Muse hab :)
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derFuchsi
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Re: Spiele und Kunst

Beitrag von derFuchsi »

Gerade darüber gestolpert. So ein typisches modernes "Kunst" Projekt. Eine gewisse Schadenfreude kommt da bei mir schon auf.
http://www.stern.de/panorama/putzfrau-s ... 81126.html
Jedenfalls ist das die art Kunst die ich nicht ernst nehmen kann.
Mir ist das auf jeden Fall zu hoch. Der Putzfrau offensichtlich auch.

Gibt natürlich ein passendes Meme zum Thema

In diesem Sinne: HURZ !
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Joss
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Re: Spiele und Kunst

Beitrag von Joss »

Deine Bemerkung empfinde ich als borniert, denn du warst nicht einmal vor Ort und konntest die Installation also nicht so betrachten, wie sie für den Besucher aufgebaut war. Auch das im Netz verfügbare Bild kann das nicht kompensieren. Damit machst du letztlich deutlich, dass dich Kunst als etwas fremd Gegenständliches tatsächlich nicht interessiert. Du sogar schnell dabei bist, statt Empathie für die Künstlerin mit Spott & Schadenfreude zu reagieren. Was sich da für ein Vergleich aufdrängt, lasse ich dem Stammtisch zuliebe unausgeführt.
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Nachtfischer
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Re: Spiele und Kunst

Beitrag von Nachtfischer »

Adahn hat geschrieben:An Argument About Beauty
Ich hab das jetzt gelesen und mit jedem neuen Absatz immer wieder auf den "Aha-Moment" gehofft, aber da ist einfach keiner. Das mag leidlich hübsches Wortgeschiebe sein, aber in der Frage, was es uns nützt, eine Trennlinie zwischen Kunst und Unkunst innerhalb eines Mediums zu ziehen, hilft es leider kein Stück weiter.
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Dostoyesque
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Re: Spiele und Kunst

Beitrag von Dostoyesque »

Nachtfischer hat geschrieben:Ich hab das jetzt gelesen und mit jedem neuen Absatz immer wieder auf den "Aha-Moment" gehofft, aber da ist einfach keiner. Das mag leidlich hübsches Wortgeschiebe sein, aber in der Frage, was es uns nützt, eine Trennlinie zwischen Kunst und Unkunst innerhalb eines Mediums zu ziehen, hilft es leider kein Stück weiter.
Von "Nutzen" war nie die Rede. Es geht darum, ob es einen Unterschied *gibt*, nicht, ob er einen Nutzen trägt.
Dostoyesque hat geschrieben:
Nachtfischer hat geschrieben:Tatsächlich sind die Übergänge hier meines Erachtens absolut fließend. Ich halte es da mit Donald Knuth: "We should continually be striving to transform every art into a science: in the process, we advance the art."
Sogar wenn die Übergänge fließend wären, gibt es dennoch Merkmale, die es einem erleichtern, Kunst von Wissenschaft zu unterscheiden. Wieso sonst gibts diese beiden Welten in unserer Kultur, die gerne auch noch von anderen gegenübergestellt werden? Ein Zitat macht noch kein Argument. Gerade hab ich ein Zitat von einem "Earl Edward George Bulwer-Lytton" gefunden, was auch sehr gut zum Thema passt: Art and science have their meeting point in method. Beide Prozesse verlangen Kreativität und Beobachtungsgabe, was nicht bedeutet, dass Kunst und Wissenschaft identisch sind oder der Übergang fließend sein muss. Der kreative Prozess, der zu einer psychischen Stimulation führt ist kein eindeutiges Merkmal für ein Kunstwerk genauso wie es kein eindeutiges Merkmal einer wissenschaftlichen Erkenntnis ist, wie wir uns anscheinend einig sind, angesichts dessen, dass du jetzt von einem fließenden Übergang sprichst. Was sind dann die spezifischen Merkmale der Kunst?
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Nachtfischer
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Re: Spiele und Kunst

Beitrag von Nachtfischer »

Dostoyesque hat geschrieben:Es geht darum, ob es einen Unterschied *gibt*, nicht, ob er einen Nutzen trägt.
Also dann bin ich hier raus. Was nichts nutzt, ist vollkommen egal.
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Dostoyesque
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Re: Spiele und Kunst

Beitrag von Dostoyesque »

Was ist der "Nutzen" deiner Position? Was ist deine Position jetzt noch überhaupt? Desweiteren drehst du zum wiederholten Mal die Bedeutung eines Satzes zu deinen Gunsten. Ich hab nicht gesagt, dass es keinen Nutzen gibt. Ich hab lediglich gesagt, dass Gegenstand dieser Diskussion die Frage ist, ob es einen Unterschied zwischen Kunst und "Unkunst" gibt, nicht, was es einem nützt. Bleiben wir beim Thema. Desweiteren ist die Frage nach dem Nutzen relativ einfach gelöst: Der Nutzen der Erhebung eines Unterschieds zweier Gegenstände liegt in der Tatsache, dass man sich nach Erhebung des Unterschieds präziser ausdrücken kann, wenn man sich über das Thema unterhält. So funktioniert Sprache nun mal. Man definiert Vokabeln und einigt sich auf einen gemeinsamen Code, damit man sich miteinander verständigen kann. Der Unterschied zwischen Kunst und Unterhaltung ist für mich in sehr großer Regelmäßigkeit in meinem Privatleben sehr relevant, z.B. wenn man sich auf einen Film einigt. Da fällt bei uns die Frage "Kunstfilm oder Popcorn"? Diese kleine Frage spaltet das Medium wunderbar in zwei Hälften und hilft bei der Auswahl ungemein, da man *sofort*, je nach Stimmung (Kunst vs Unterhaltung) sofort entsprechende Vertreter ausser Acht lassen kann. Ohne diese Unterscheidung müssten wir uns mühsam durch das Gesamtwerk von Kurusawa, Fellini, Bergman, Tarkovsky und was weiß ich durchgoogeln, bis wir zu der Erkenntnis kommen, dass ein Film wie Samurai Cop uns heute viel lieber ist. Mit der Aussage "Ich hab heut eher Bock auf Unterhaltung, lass mal gut sein mit den Kunstfilmen" ist es deutlich müheloser.

Das ist jetzt die vierte oder fünfte Antwort, in der du mir eine Ein-Satz-Antwort gibst, die auf einen sehr reduzierten Teil (in der Regel den Teil, zu dem du was abweisendes entgegnen kannst) meines Kommentars eingeht und sich auch nur darauf beschränkt, einen auf unbeeindruckt zu machen, ohne irgendwie ein Argument zu präsentieren. Ich weiß über deine konkrete Position zum Thema Kunst genauso viel wie vor 5 Seiten, in der du eine Ein-Satz-Definition abgeliefert hast und kein Interesse daran gezeigt hast, diese zu diskutieren. Stattdessen beschränkst du dich darauf, Argumente und Positionen anderer, die sich deutlich mehr Mühe machen, sich verständlich zu machen, einfach abzuwinken und mehr Argumente vom Gegenüber zu verlangen, weil für dich nichts überzeugend oder erhellend genug ist. Gleichzeitig bist du mit deiner eigenen Position aber herzlich zögerlich und redest kaum darüber, sogar wenn man mit direkten Zitaten mehrmals darauf eingeht. Wahrscheinlich, um weniger Angriffsfläche bieten zu können. Oder weil hinter der Meinung nicht viel mehr steckt. Demzufolge bin ich jetzt auch raus, bin doch nicht dein Kasperl.
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Nachtfischer
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Re: Spiele und Kunst

Beitrag von Nachtfischer »

Mein Nutzen ist, wie gesagt, die Dinge, die als Informationsträger und -vermittler zur Bereicherung des menschlichen Erfahrungsschatzes taugen (sollten), von denen mit anderen Zwecken zu unterscheiden. Und je nachdem, wie gut sie dazu taugen, sind sie für mich auch bessere oder schlechtere Kunstwerke.

Die Frage "Kunstfilm oder Popcorn?" habe ich dabei übrigens nie verstanden - oder ich kann mich jedenfalls nicht mehr daran erinnern, es mal getan zu haben. Die ist für mich äquivalent mit "Heute mal gute oder schlechte Kunst?". Ich will natürlich immer was Gutes, das mein Leben und Denken bereichert. Alles andere langweilt mich zu Tode. Gunnar Lott hat das in einer Folge von Stay Forever mal sinngemäß als "bewusstes Herrunterregulieren des eigenen Anspruchs" bezeichnet (und ich glaube dabei Filme von Michael Bay mit dem Motto "Hauptsache es knallt mal richtig!" als Beispiel angeführt). Und genau das ist es eben. Wozu das wiederum nützlich sein soll, weiß ich nicht.

Die Länge eines Posts sagt übrigens nichts über die Qualität aus, gell? :P
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Joss
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Re: Spiele und Kunst

Beitrag von Joss »

Adahn hat geschrieben:Essay von Susan Sontag aus dem Jahr 2002
Also, in meiner Lesart spricht das genau das an, was ich über das Eingebettetsein von Kunst im Sozialen schrieb. Kunst bestimmt sich immer schon gesellschaftlich und wird in ihren Bestimmungen (des Schönen, des Interesses, des Werts) durch soziale Motive/Interessen vermittelt. Adorno schrieb gerne so Sätze, dass man heute nicht mehr sich einem Sonnenuntergang (Beispiel für das Naturschöne) überlassen könne, ohne die Gewissheit des rauchenden Fabrikschlotes im Rücken (Negation des Naturschönen). Dass also in die Wahrnehmung von Kunst, ihr Widerspruch eingelassen ist. Das macht er dann in seinen Analysen zur Kulturindustrie ausführlich. Denn in den kulturindustriellen Produktionen gibt es Kunstmomente nur als Widerstand, Widerspruch, Kritik sozialer Strukturen. "The Wire" z.B. oder angelehnt an Sontag so etwas wie "True Blood" mit seinem Camp der Kulturen.

Computerspiele sind, da ziehe ich mal meinen Kreis, weit davon entfernt, mit in sie eingelassenen Widersprüchen zu arbeiten. Es gibt kein Spiele, die solche analytische Arbeit und Dekonstruktion sozialer Devianzen leisten wie "The Wire" oder etwas vergleichbares Entfesseln wie Breton über Kunst und Liebe in "Nadja" oder wie Hitchcock in "Psycho" oder "Vertigo" dem Filmerleben den Erfahrungsschatz der Psychoanalyse eröffnet. Von solchen Kulturleistungen sind Computerspiele weit entfernt. Ja, Pac Man macht Spaß und visualisiert einen infantilen Erlebnishorizont in Formen regelstrukturierten Designs: Fressen oder Gefressenwerden. Das hat einen gewissen Charme, mehr aber auch nicht. Das Mehr zumindest der frühen Spiele lag wenn in der Zutat der Spieler, die ihre Phantasien und Lüste auf den Bildschirm projizierten und dadurch mehr daraus machten als das, was auf der Mattscheibe zu sehen war. Dieses Mehr und diese Zutat waren aber auch Reflex eines Rückzugs. Vom Sportplatz, vom Stammtisch, aus dem politischen und sozialen Engagement vor den Bildschirm. Computerspielen war daher auch immer schon etwas die menschliche Wahrnehmung verkümmerndes eingeschrieben. Bei alldem steht man nach wie vor am Anfang, das zu entschlüsseln und zu dekonstruieren. Retro sehe ich übrigens als einen Versuch der nachträglichen Legitimisierung und Aufwertung einer an sich bedeutungslosen Freizeitbetätigung, im Grunde eine Art Reinfantilisierung. Mein Blick auf das Thema ist also grundsätzlich kritisch. Alles was ich hier bislang zu lesen bekam, hat mich darin auch eher bestärkt.

Für mich selbst standen bei Computerspielen stets Spaß und Spannung im Vordergrund, gute Unterhaltung und Ablenkung. Das "sich im Spiel vergessen"-dürfen, Eskapismus. Nur wenn im Rollenspiel das Spiel mich selbst in experimentelle Situationen verwickelte, entstand manchmal so eine Ahnung von einem über die Ablenkung hinaus. Aber immer gedämmter als im P&P oder in einer Theatergruppe.
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derFuchsi
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Re: Spiele und Kunst

Beitrag von derFuchsi »

Joss hat geschrieben:Deine Bemerkung empfinde ich als borniert, denn du warst nicht einmal vor Ort und konntest die Installation also nicht so betrachten, wie sie für den Besucher aufgebaut war. Auch das im Netz verfügbare Bild kann das nicht kompensieren. Damit machst du letztlich deutlich, dass dich Kunst als etwas fremd Gegenständliches tatsächlich nicht interessiert. Du sogar schnell dabei bist, statt Empathie für die Künstlerin mit Spott & Schadenfreude zu reagieren. Was sich da für ein Vergleich aufdrängt, lasse ich dem Stammtisch zuliebe unausgeführt.
Was man sonst im Netz dazu findet wird auch nicht besser.
Sorry aber wenn aus einem Haufen Müll oder leerer Leinwände in denen null handwerkliche Fertigkeit liegt wirklich Kunst wird nur weil jemand das behauptet fühle ich mich vera...lbert.

Wie bei Hape damals.
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Nachtfischer
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Re: Spiele und Kunst

Beitrag von Nachtfischer »

Joss hat geschrieben: Es gibt kein Spiele, die solche analytische Arbeit und Dekonstruktion sozialer Devianzen leisten wie "The Wire" oder etwas vergleichbares Entfesseln wie Breton über Kunst und Liebe in "Nadja" oder wie Hitchcock in "Psycho" oder "Vertigo" dem Filmerleben den Erfahrungsschatz der Psychoanalyse eröffnet. Von solchen Kulturleistungen sind Computerspiele weit entfernt.
Das ist aber nur ein Beweis des Nichtkunstseins nach einer ganz bestimmten Definition des Begriffs. Die Bedeutsamkeit eines guten Spiels (von denen es zugegeben noch nicht viele gibt, was angesichts der relativen Jugend des entsprechenden Expertentums aber verständlich ist) liegt darin, es dem Spieler zu ermöglichen, einen Blick auf das Innenleben seines Verstandes zu werfen. Spiele ermöglichen uns die Sichtbarmachung und das Miterleben von Kreativitäts- und Lernprozessen an uns selbst - im komplexesten Bauteil des menschlichen Organismus. Davon sind wiederum Filme und Romane "weit entfernt". Verschiedene Medien (oder "Kunstformen"? :P) bieten verschiedene Mehrwerte.
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Joss
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Re: Spiele und Kunst

Beitrag von Joss »

Nachtfischer hat geschrieben:Spiele ermöglichen uns die Sichtbarmachung und das Miterleben von Kreativitäts- und Lernprozessen an uns selbst - im komplexesten Bauteil des menschlichen Organismus. Davon sind wiederum Filme und Romane "weit entfernt". Verschiedene Medien (oder "Kunstformen"? :P) bieten verschiedene Mehrwerte.
Das hast du ja schon mehrmals geschrieben. Als P&P-Spieler ist mir das auch nicht völlig unbekannt. Ich weiß aber auch wie Rollenspiel z.B. in Computerspielen praktiziert wird. Von daher weiß ich auch die Relativität solchen Miterlebens von Kreativität und Lernen bei Computerspielen einzuschätzen. Ich rede auch nicht Groschenromanen und Hollywood-Filmen das Wort. Und um Mehrwert (als Nutzenkalkül) ging es eher dir als mir. Wenn man das was du schreibst wirklich der Kunst verschwistern möchte, dann würde ich aber an Theaterspiel denken und nicht an Computerspiele.
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Nachtfischer
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Re: Spiele und Kunst

Beitrag von Nachtfischer »

Ich bin da gedanklich eigentlich ziemlich weit weg von Theater- und Rollenspiel, sogar von Setting und Thematik. Vielmehr bin ich bei Go, Schach und Co. im Reich der Spielmechanik und des Regelwerks an sich. Wenn ein "Spiel" (als Produkt) ein Setting oder eine Erzählung braucht, um von Wert zu sein, dann kann es als Spiel (als durch die Regeln bestimmte Mechanik) nicht viel taugen.
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Joss
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Re: Spiele und Kunst

Beitrag von Joss »

Nachtfischer hat geschrieben:Ich bin da gedanklich eigentlich ziemlich weit weg von Theater- und Rollenspiel, sogar von Setting und Thematik. Vielmehr bin ich bei Go, Schach und Co. im Reich der Spielmechanik und des Regelwerks an sich. Wenn ein "Spiel" (als Produkt) ein Setting oder eine Erzählung braucht, um von Wert zu sein, dann kann es als Spiel (als durch die Regeln bestimmte Mechanik) nicht viel taugen.
Tja, äh... okay.
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derFuchsi
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Re: Spiele und Kunst

Beitrag von derFuchsi »

Spiele und Kunst schließen sich gegenseitig sogar aus meint dieser hier.
Wenn ich die Argumentation richtig verstehe dann meint er wohl dass sich Kunst und Funktion gegenseitig ausschließen.
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Nachtfischer
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Re: Spiele und Kunst

Beitrag von Nachtfischer »

derFuchsi hat geschrieben:Spiele und Kunst schließen sich gegenseitig sogar aus meint dieser hier.
Wenn ich die Argumentation richtig verstehe dann meint er wohl dass sich Kunst und Funktion gegenseitig ausschließen.

Nur haben Spiele eben erstmal keine so klare Funktion wie der Autos zusammenschraubende Roboter. Und auch nicht wie der Übersetzer und bei Bedarf Freundesersatz C3PO. Die Anordnung der Regeln in der Roboter-KI dient hier etwas sehr Konkretem und grundlegend Anderem als die Anordnung der Regeln eines Spiels. Letzteres (nämlich das "Game-Design") soll erstmal einfach nur ästhetisch sein (bei Spielen als komplexen Systemen äußert sich das eben vor allem in Eleganz, Effizienz, Tiefe und so weiter) und den Erfahrungsschatz des Spielers bereichern.

Beim Rest des Beitrags schwingt immer wieder ein sehr oberflächliches Verständnis von Kunst als entweder schöne Bildchen oder schöne Geschichtchen mit. Auch die Frage "Wessen Ausdruck ist das Gameplay?" offenbart ein Missverständnis. Das Gameplay ist die Sprache, in der Spiele ihren Mehrwert an den Spieler übermitteln. Bei Romanen gibt es "das Lesen", bei Filmen "das Gucken" und bei Spielen eben "das Gameplay", die Interaktion. Alle diese Dinge sind (erstmal) kein "Ausdruck", sondern Kommunikationsmittel. Der Ausdruck liegt beim Roman im Text, in der kunstvollen Anordnung von Wörtern, und bei Spielen eben im System, der kunstvollen Anordnung von Regeln.
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Adahn
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Re: Spiele und Kunst

Beitrag von Adahn »

Nachtfischer hat geschrieben:
derFuchsi hat geschrieben:Spiele und Kunst schließen sich gegenseitig sogar aus meint dieser hier.
Wenn ich die Argumentation richtig verstehe dann meint er wohl dass sich Kunst und Funktion gegenseitig ausschließen.

Nur haben Spiele eben erstmal keine so klare Funktion wie der Autos zusammenschraubende Roboter. Und auch nicht wie der Übersetzer und bei Bedarf Freundesersatz C3PO. Die Anordnung der Regeln in der Roboter-KI dient hier etwas sehr Konkretem und grundlegend Anderem als die Anordnung der Regeln eines Spiels. Letzteres (nämlich das "Game-Design") soll erstmal einfach nur ästhetisch sein (bei Spielen als komplexen Systemen äußert sich das eben vor allem in Eleganz, Effizienz, Tiefe und so weiter) und den Erfahrungsschatz des Spielers bereichern.

Beim Rest des Beitrags schwingt immer wieder ein sehr oberflächliches Verständnis von Kunst als entweder schöne Bildchen oder schöne Geschichtchen mit. Auch die Frage "Wessen Ausdruck ist das Gameplay?" offenbart ein Missverständnis. Das Gameplay ist die Sprache, in der Spiele ihren Mehrwert an den Spieler übermitteln. Bei Romanen gibt es "das Lesen", bei Filmen "das Gucken" und bei Spielen eben "das Gameplay", die Interaktion. Alle diese Dinge sind (erstmal) kein "Ausdruck", sondern Kommunikationsmittel. Der Ausdruck liegt beim Roman im Text, in der kunstvollen Anordnung von Wörtern, und bei Spielen eben im System, der kunstvollen Anordnung von Regeln.
Ich frag mich langsam wirklich was du für tolle Spiele spielst und warum ich noch nie so eines in die Hände bekommen habe :D
Soll heißen: Ich kann deiner Argumentation bislang nicht folgen.
Ein grundsätzlicher Unterschied, den du hier geflissentlich unterschlägst, ist im Übrigen schon, dass bei einem Spiel die Kommunikation, wie du es nennst (worüber man sich streiten könnte, weil die Kommunikation vom Spiel zu Spieler inhaltlich auf einem ganz anderen Level ist wie vice versa), nicht nur in eine Richtung geht.
Das Gameplay ist für meine Begriffe vielmehr zwischen Konsument und Produkt geschaltet und dient der Auswahl, was nun "geguckt" werden soll, ist also nicht das Kommunikationsmittel selbst. Im Grunde wie bei einem Spielbuch, wo du aussuchen darfst, ob der Held jetzt Option 1,2 oder 3 wählt.
Kommunikationsmittel sind auch beim Spiel, meiner Meinung nach, Bild und Ton.
Außerdem gibt es bei einem Spiel einen klar vorgegebenen Rahmen, welche Inhalte spielrelevant sind und welche nicht. Es gibt Gewinnbedingungen. Ganz krass wird das deutlich,wenn man sich die UI-Elemente bei Spielen wie DA:I oder Assassin's Creed vor Augen führt. Da kann man schon mal die Sonnenuntergänge komplett übersehen (denn sie sind ja irrelevant), wenn man eh nur auf die Minimap schaut und ansonsten holografischen Icons hinterher rennt wie der Esel hinter der Karotte.
Bei Filmen, Büchern und auch sonstiger Kunst setzt dir niemand einen Rahmen (außer vielleicht den Lehrer/Prof in der Klausur). Wie fruchtbar Auslegungen jedweder Art dann sind, das unterscheidet sich freilich stark von Werk zu Werk und natürlich von Rezipient zu Rezipient.
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Adahn
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Re: Spiele und Kunst

Beitrag von Adahn »

derFuchsi hat geschrieben:Spiele und Kunst schließen sich gegenseitig sogar aus meint dieser hier.
Wenn ich die Argumentation richtig verstehe dann meint er wohl dass sich Kunst und Funktion gegenseitig ausschließen.
Ich finde die Argumentation, dass die Verbindung von etwas Künstlerischem mit etwas Funktionellem nicht automatisch einfach die Eigenschaften seiner Komponenten "erbt" sehr einleuchtend. Ein Puzzle von der Mona Lisa ist keine Kunst, das sieht man schon am Preis ;-)
Ich finde auch, dass es ein durchaus vielversprechender Ansatz ist, davon zu sprechen, dass "in Spiel X etwas sehr Schönes/Künstlerisches dargestellt wird". Den Anspruch, deshalb gleich vom Spiel als Kunst zu sprechen sehe ich schon deshalb kritisch, weil es (wie ich mit Susan Sontag zeigen wollte) dann zu leicht wird, gegenüber jeglicher Kritik immun zu sein. Denn da verbietet sich ja spätestens seit Warhols Tomatensuppe jegliches Werturteil.
In einer Gesellschaft zu leben, in der ich sowas wie "Hatred" kommentarlos akzeptieren muss, weil es ja Kunst sei, möchte ich persönlich nicht leben (jedenfalls nicht ohne lauthals Widerstand zu leisten - und das wäre anstrengend^^).
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Adahn
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Re: Spiele und Kunst

Beitrag von Adahn »

Joss hat geschrieben:
Adahn hat geschrieben:Essay von Susan Sontag aus dem Jahr 2002
Also, in meiner Lesart spricht das genau das an, was ich über das Eingebettetsein von Kunst im Sozialen schrieb. Kunst bestimmt sich immer schon gesellschaftlich und wird in ihren Bestimmungen (des Schönen, des Interesses, des Werts) durch soziale Motive/Interessen vermittelt. Adorno schrieb gerne so Sätze, dass man heute nicht mehr sich einem Sonnenuntergang (Beispiel für das Naturschöne) überlassen könne, ohne die Gewissheit des rauchenden Fabrikschlotes im Rücken (Negation des Naturschönen). Dass also in die Wahrnehmung von Kunst, ihr Widerspruch eingelassen ist. Das macht er dann in seinen Analysen zur Kulturindustrie ausführlich. Denn in den kulturindustriellen Produktionen gibt es Kunstmomente nur als Widerstand, Widerspruch, Kritik sozialer Strukturen. "The Wire" z.B. oder angelehnt an Sontag so etwas wie "True Blood" mit seinem Camp der Kulturen.

Das sehe ich ganz genauso. Den Beauty-Essay von Susan Sontag hab ich deshalb als Ergänzung in die Diskussion eingebracht, weil wir eben noch nicht darüber gesprochen hatten, was man mit dem Kunstbegriff noch alles so hinzugewinnt außer Prestige - den Freibrief nämlich jegliche Kritik mit "Du Dödel hast das bloß nicht verstanden!" abzutun.
Joss hat geschrieben: Das Mehr zumindest der frühen Spiele lag wenn in der Zutat der Spieler, die ihre Phantasien und Lüste auf den Bildschirm projizierten und dadurch mehr daraus machten als das, was auf der Mattscheibe zu sehen war. Dieses Mehr und diese Zutat waren aber auch Reflex eines Rückzugs. Vom Sportplatz, vom Stammtisch, aus dem politischen und sozialen Engagement vor den Bildschirm. Computerspielen war daher auch immer schon etwas die menschliche Wahrnehmung verkümmerndes eingeschrieben. Bei alldem steht man nach wie vor am Anfang, das zu entschlüsseln und zu dekonstruieren.
Aus der Erfahrung gebe ich dir recht, aber ich sehe ehrlich gesagt keinen Grund, warum Spiele nicht auch das leisten können sollten, was der Roman und (mMn in geringerem Maße) der Film kann: Die Erlebnisse und Erfahrungen von dritten für uns selbst zu erleben und damit unsere Empathiefähigkeit zu steigern, nicht etwa verkümmern zu lassen oder abzustumpfen.
Wobei, wenn ich so recht drüber nachdenke, drängt sich hier wieder die Frage auf, ob man es dann überhaupt noch mit einem Spiel zu tun hat. Stichwort: Telltale Games.
Joss hat geschrieben:Retro sehe ich übrigens als einen Versuch der nachträglichen Legitimisierung und Aufwertung einer an sich bedeutungslosen Freizeitbetätigung, im Grunde eine Art Reinfantilisierung. Mein Blick auf das Thema ist also grundsätzlich kritisch. Alles was ich hier bislang zu lesen bekam, hat mich darin auch eher bestärkt.
Meinst du so auf die "damals-haben-alle-Erwachsenen-gesagt-das-macht-blöd-und-jetzt-schaut-mich-an" Tour? Schon möglich, aber ich würde nicht so ohne die Leute persönlich zu kennen, einen verschleppten Minderwertigkeitskomplex unterstellen wollen.
In der Masse wahrscheinlicher ist mir da die rosarote Brille, also der verklärte Blick auf die eigene Jugend und Kindheit, den Menschen aller Zeitalter bekommen haben, wenn der Ernst des Lebens für sie anfing.
Joss hat geschrieben:Für mich selbst standen bei Computerspielen stets Spaß und Spannung im Vordergrund, gute Unterhaltung und Ablenkung. Das "sich im Spiel vergessen"-dürfen, Eskapismus. Nur wenn im Rollenspiel das Spiel mich selbst in experimentelle Situationen verwickelte, entstand manchmal so eine Ahnung von einem über die Ablenkung hinaus. Aber immer gedämmter als im P&P oder in einer Theatergruppe.
Keine Frage, echte Menschen, zumal Gleichgesinnte, geben natürlich qualitativ eine ganz andere Rückmeldung als das ein Spiel tun kann, bei dem sämtlicher mögliche Input deinerseits sowie jegliche Reaktion des Spiels darauf im Vorhinein von einer Person (oder Personen) festgelegt wurde, die weder dich noch deine thematischen Vorlieben oder deinen geistigen Horizont kennt.
Dafür bekommst du halt die Möglichkeit zu zocken, wann DU Zeit und Muße hast und musst nicht 8 Wochen warten, bis wieder die ganze Gruppe lange genug Zeit hat, um sich ins Abenteuer zu stürzen.
Übrigens sagt ja keiner, dass du auf Theatergruppe oder P&P-Runde verzichten musst, nur weil du auch gern Icewind Dale oder was auch immer spielst. :)
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Nachtfischer
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Re: Spiele und Kunst

Beitrag von Nachtfischer »

Adahn hat geschrieben:Ich frag mich langsam wirklich was du für tolle Spiele spielst und warum ich noch nie so eines in die Hände bekommen habe

Ganz spontan mal ein paar Videospiele, die meinem Verständnis von "Spielen als eigenständige Kunstform" am ehesten entsprechen: Auro, Oasis, Outwitters, Shiren The Wanderer, Threes. Im Bereich der Designer-Brettspiele ist man wie gesagt künstlerisch schon wesentlich reifer und dort gehören Spiele wie Agricola, Puerto Rico, Through the Desert und zig weitere Perlen tatsächlich zur ganz selbstverständlichen Allgemeinbildung.

Du hast natürlich Recht, dass Gameplay nicht nur in eine Richtung geht. Genau das ist wie gesagt ja das Besondere am Spiel im Vergleich beispielsweise zum Film. Allerdings handelt es sich auf systemischer Ebene gerade nicht lediglich um die Auswahl, "was geguckt werden soll", sondern um die zielgerichtete Erforschung eines behutsam aufgebauten Systems, das das Durchschauen (das Formulieren "guter Strategien") zugleich ermöglichen muss, aber auch verhindern muss, dass es (jedenfalls ohne Weiteres) vollständig lösbar ist. Dieser Balance-Akt ist die "große Kunst" (no pun intended) des Game-Designs.
Adahn hat geschrieben:Da kann man schon mal die Sonnenuntergänge komplett übersehen (denn sie sind ja irrelevant), wenn man eh nur auf die Minimap schaut

Ganz genau. Der virtuelle Sonnenuntergang mag ein Objekt der bildenden Kunst sein, mit Spielen als Kunstwerken hat er sicherlich nichts zu tun. Ich plädiere ohnehin seit Jahren dafür, dass viele Titel spielerisch um Längen besser wären, wenn einfach die Minimap über den kompletten Bildschirm gestreckt würde, statt durch extrem nahes Heranzoomen (damit die Explosionen größer sind und man auch alle zehntausend Animationsphasen sehen kann) oder gar unsinnige Kamerafahrten (siehe XCOM) sinnloses Spektakel abzufeiern.
Zuletzt geändert von Nachtfischer am 5. Feb 2016, 11:39, insgesamt 2-mal geändert.
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