Runde #327: Über Gewicht & Der Duke aus Resi VIII - oder: Fettleibigkeit stigmatisieren?

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Heretic
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Re: Der Duke aus Resi VIII - oder: Fettleibigkeit stigmatisieren?

Beitrag von Heretic »

Early hat geschrieben: 11. Jul 2021, 15:49 Sehr interessanter Vergleich, der eigentlich genau das Gegenteil vorschlägt, was im Podcast besprochen wurde. ;) Und ich muss gestehen, dass ich diesem Gedanken einiges abgewinnen kann. Ich glaube nicht, dass die Gesellschaft davon profitiert, wenn ich Dicksein noch populärer und gesellschaftstauglicher mache. Bei den Zigaretten hat's ja wirklich ganz gut funktioniert, dass man die Dinger in den letzten Jahrzehnten uncool machte. Übergewicht ist genauso wenig uncool und sollte nicht auch noch gefördert werden, indem man das medial positiv in Szene setzt.
Ich sehe einen gewaltigen Unterschied darin, einen "coolen Typen" dank Zigarette noch cooler darzustellen (wie das lange Zeit z. B. im Film getan wurde) oder eine übergewichtige Person als einen normalen, sympathischen, sowohl mit positiven als auch negativen Eigenschaften ausgestatteten Menschen darzustellen. Letzteres sollte inzwischen eigentlich Standard sein. Ich würde nicht behaupten, dass das Übergewicht in ein zu positives Licht rückt. Es soll schlicht dazu dienen, gewisse Klischees aus den Köpfen der Leute zu kriegen. Dass (extremes) Übergewicht ungesund ist, werden die Betroffenen am besten wissen.
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Early
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Re: Der Duke aus Resi VIII - oder: Fettleibigkeit stigmatisieren?

Beitrag von Early »

Heretic hat geschrieben: 11. Jul 2021, 17:09 Dass (extremes) Übergewicht ungesund ist, werden die Betroffenen am besten wissen.
Alleine die Klammer bei "extremes" zeigt, dass das wohl immer noch nicht alle wissen. ;) Das Wort "übergewicht" sagt ja schon, dass es "über" der Grenze des Gesunden liegt. Und auch meine Erfahrung im Alltag zeigt, dass Thema immer noch von einer Mehrheit der Bevölkerung unterschätzt wird.

Und auch beim Rauchen wussten die Menschen ja auch schon seit jahrzehnten, dass es nicht gesund ist. Wirklich senken konnte man die Raucherzahlen aber erst in den letzten Jahren.
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Feamorn
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Re: Der Duke aus Resi VIII - oder: Fettleibigkeit stigmatisieren?

Beitrag von Feamorn »

Edelknödel hat geschrieben: 11. Jul 2021, 15:35
Gleichzeitgig glaube ich, dass jeder, der ansonsten einigermaßen gesund ist, es absolut selbst in der Hand hat, ob er übergewichtig ist oder nicht. Vielen ist es einfach nicht wichtig - und das ist ja auch total okay. Aber Übergewicht ist in den allermeisten Fällen vermeidbar, wenn man es denn nur möchte.

Abnehmen und Gewicht halten ist eigentlich ziemlich einfach... Da der menschliche Körper auch den Naturgesetzen unterworfen ist, muss man einfach wissen wieviel Kalorien man verbraucht und wieviele Kalorien man zu sich nimmt. Das muss nicht mal super exakt sein. Man beobachtet das einfach über ein paar Wochen (täglich wiegen und Kalorien zählen) und je nachdem wie sich das Gewicht verändert passt man eben die Menge an Kalorien an die man zu sich nimmt.

Der Trick ist dann, sich das ganze so leicht und angenehm wie möglich zu machen. Einen Sport finden, der einem wirklich Spaß macht. Zusätzliche Bewegung in den Alltag einbauen (zu Fuß gehen oder Rad fahren anstatt Auto) usw. Bei der Ernährung nur ein moderates Kaloriendefizit und trotz aller Einschränkungen kann man trotzdem lecker essen und sich auch satt essen.
Dass das "eigentlich ziemlich einfach" ist so für einen nicht irrelevanten Teil schlicht nicht richtig, wir haben das wenige Posts vorher im Post schon einmal erörtert.
So wie die Gesellschaft strukturiert ist, wird es unheimlich vielen Leuten unglaublich schwer gemacht.
Du hast zum einen eben sehr viele Menschen, die "ansonsten NICHT einigermaßen gesund" sind, die dringend Unterstützung benötigen würden, was aber wiederum, unter anderem wegen der Stigmatisierung, sehr selten passiert. Selbst (Haus-)Ärzte fühlen sich teils bemüßigt Allgemeinplätze loszulassen wie "essen sie einfach weniger", oder "machen sie mal mehr Sport" (so weit gehend, dass Übergewichtige weniger gut untersucht werden, den Nachweis hatte, meine ich, jemand weiter oben gepostet). Dazu dann die Tatsache, dass Übergewicht dermaßen Stigma ist, dass sich selbst Erwachsene auf der Straße von wildfremden Jugendlichen entsprechende Kommentare hinterher rufen lassen müssen (selbst erlebt). Dazu kommt ein absoluter Unwillen der Politik (und teils auch gesellschaftlich), zum einen psychotherapeutische Ansätze stärker zur Verfügung zu stellen (das betrifft ja bei weitem nicht nur Übergewicht, wobei das eben auch eine Folgeerscheinung anderer Krankheiten sein kann), zum anderen, und vor allem, aber auch die Lebensmittelindustrie ordentlich zu regulieren oder auch nur dazu zu bringen, die Produkte lesbar und leicht verständlich auszuzeichnen. (Siehe den Tanz und die sogenannte Lebensmittelampel.) Von Sachen wie ordentlicher Ernährungslehre in der Schule muss man gar nicht erst anfangen.
Dazu kommen dann Dinge wie, dass sich Übergewichtige, vor allem wegen der Stigmatisierung, immer weniger in die Öffentlichkeit trauen und erst recht keinen Sport in der Öffentlichkeit machen wollen, da man, anstatt positive Bestätigung zu erhalten, dann noch damit rechnen muss, dass man Kommentare bekommt, weil man mit "dem" Körper irgendwas unternimmt. (Das ist für mich übrigens das Hauptargument, weshalb da dringend was in der öffentlichen Wahrnehmung und dem Umgang getan werden muss, die Stigmatisierung ist momentan an einem Punkt, wo sich entsprechende Körper gefühlt besser gar nicht zeigen, wollen sie nicht regelmäßig neu traumatisiert werden, und so kann es schlicht nicht besser werden.)
Und ja, es gibt Fitnessstudios in denen man relativ unbehelligt trainieren kann, aber das sind eben in der Regel nicht die, in die man günstig kommt. An der Stelle werden dann schon wieder die Gruppen ausgeschlossen, die ohnehin durch geringeres Einkommen Probleme haben, sich gesund zu ernähren. (Und jetzt bitte nicht mit "gesund ist nicht teuer" kommen, das mag stimmen, setzte aber zum einen voraus, dass das Wissen vorhanden ist und zum anderen, dass man niemals irgendwo was auf die Hand isst o.ä., denn gesundes Fast-Food, oder auch nur Restaurant-Essen, ist eine echt seltene Erscheinung. Und selbst wenn man selbst kochen kann/möchte, muss die Zeit und mentale Energie auch erstmal vorhanden sein (womit wir wieder zum einen bei ökonomischen Gruppen als auch der Psychotherapie wären)).

Wie gesagt, teilweise wurden die Themen weiter oben bereits ausführlicher erörtert, gerne dort mal nachlesen.

Wichtigster Gedanke zur "fat acceptance" meinerseits, und ich bin leider betroffen, es muss normal werden, dass Dicke existieren, ohne, dass diese Beleidigt, ausgegrenzt oder sonstwas werden, das heißt übrigens NICHT, dass Übergewicht als positiv dargestellt wird oder nicht problematisch ist, sondern nur, dass die Menschen sich in der Öffentlichkeit normal zeigen können, ohne grundsätzlich Spott ausgesetzt zu werden, der einfach gar nix bewirkt, ausser das Problem im Zweifel für die Betroffenen noch zu verschärfen.

Ich will abnehmen, hatte das vor Corona auch ganz gut auf die Reihe bekommen, aber "einfach" war daran gar nix, und ohne Therapie, die andere Probleme angegangen ist, wäre das auch nix geworden. Und ich hab schon alle Voraussetzungen, dass es klappt, genug Einkommen, genug Wissen und Kapazität, dieses Umzusetzen. Bei weniger Privilegierten dürfte das Thema noch weitaus schwerer sein.
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Re: Der Duke aus Resi VIII - oder: Fettleibigkeit stigmatisieren?

Beitrag von Voigt »

Da auch Vergleich mit Rauchern, ich denke ja persönlich auch nich negativer über Leute wenn ich die beim Rauchen sehe.
Bin trotzdem grundsätzlich für die bisherigen strengeren Raucherreglen und Aufklärungskampagnen.
So halt auch bei Übergewichtigen, nix gegen die, aber für Möglichkeiten anbieten dass in Zukunft zu verhindern und abzubaun.
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Heretic
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Re: Der Duke aus Resi VIII - oder: Fettleibigkeit stigmatisieren?

Beitrag von Heretic »

Early hat geschrieben: 11. Jul 2021, 17:17 Alleine die Klammer bei "extremes" zeigt, dass das wohl immer noch nicht alle wissen. ;)
Wieso das? Ein paar Kilo Übergewicht sind natürlich nicht gesundheitsfördernd, aber extremes Übergewicht ist nochmal 'ne andere Hausnummer. Z. B. was die Gelenke betrifft. Zudem ist extremes Übergewicht womöglich die Folge von Vorerkrankungen und lässt sich nicht mal eben durch gesunde Ernährung und Bewegung in den Griff kriegen. Was natürlich nicht heißen soll, dass gesunde Ernährung und Bewegung nicht relevant wären. ;)
Urlaub_in_Italien
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Re: Der Duke aus Resi VIII - oder: Fettleibigkeit stigmatisieren?

Beitrag von Urlaub_in_Italien »

Also ich habe grad mal die Arte Doku geschaut, die Andre erwähnt hat. Demnach ist es eben doch ein gesamtgesellschaftliches Problem und nicht bloß damit getan auf die Verantwortung des Einzelnen zu verweisen. Im Grunde ist man sogar ein Homonkulus der Großkonzerne wenn man darauf verweist, das ist anscheinend nämlich auch deren Strategie um staatliche Regulation (weniger Zucker etc. in Industrienahrung) abzuwehren.
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Andre Peschke
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Re: Der Duke aus Resi VIII - oder: Fettleibigkeit stigmatisieren?

Beitrag von Andre Peschke »

Early hat geschrieben: 11. Jul 2021, 15:49 Ich glaube nicht, dass die Gesellschaft davon profitiert, wenn ich Dicksein noch populärer und gesellschaftstauglicher mache.
Ich glaube, da liegt ein Missverständnis vor. Keiner hat gesagt: "Lasst uns doch Übergewicht erstrebenswert machen!". Es geht darum, Ausgrenzung zu reduzieren und im Gegenzug Akzeptanz der Betroffenen zu steigern.

IMO ist das mit dem Übergewicht ein bisschen so wie mit geistiger Gesundheit, Behinderungen etc. Ich halte es zumindest für vorstellbar, das dem Menschen eine gewisse Aversion gegen Andersartigkeit einprogrammiert ist, weil es evolutionsbiologisch evtl. Sinn macht, dass Reproduktion mit Partnern die einen Defekt aufweisen vermieden wird. Das klingt furchtbar, aber die Natur ist ein Arsch und das würde ich ihr schon zutrauen. Als zivilisierte Menschen sind wir aber in der Lage, sowas zu überwinden, so wie auch keiner mehr einfach losuriniert, wo ihn der Harndrang packt etc.

Hinzu kommt dann aber auch der kulturelle Einfluss und da kann man noch viel mehr und besser steuern. Sich öffentlich über Übergewichtige lustig zu machen wird reduziert, wenn es nicht im Elternhaus, Peergroups und Unterhaltungsmedien vorgelebt wird (wie immer: In der Reihenfolge).

Das aber alles nur eben zum Umgang mit Betroffenen, die ja ohnehin schon unter ihrem Zustand leiden.

Der andere Teil der Diskussion ist die Prävention. Was ich da für völligen Schwachsinn halte, ist dieses "tough love"-Argument, von wegen "wenn wir aufhören sie zu hänseln, ist ja der Leidensdruck zum Abnehmen geringer". Das ist einfach nur eine dumme Ausrede. Wenn das einen Effekt hätte, wären wir ALLE schon schlank wie ein Ast. IMO steckt hinter manchem Übergewicht eher eine psychische Erkrankung, die durch sowas nur schlimmer wird.

Hinzu kommen Rahmenbedingungen wie zB Armut (gesundes Essen ist teurer als ungesundes), mangelhafte Information (sowohl was Bildung angeht, als auch vielleicht genereller Forschungsstand wie von Jochen angedeutet, aber auch was Produktinformationen und irreführende Werbung angeht). Auch zB die Versorgung im Mental Health Bereich (siehe oben) und die Entstigmatisierung desselben. --> Das sind alles Bereiche, in denen man den Staat fragend anschauen darf, IMO.

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Re: Der Duke aus Resi VIII - oder: Fettleibigkeit stigmatisieren?

Beitrag von Rigolax »

Early hat geschrieben: 11. Jul 2021, 17:17
Heretic hat geschrieben: 11. Jul 2021, 17:09 Dass (extremes) Übergewicht ungesund ist, werden die Betroffenen am besten wissen.
Alleine die Klammer bei "extremes" zeigt, dass das wohl immer noch nicht alle wissen. ;) Das Wort "übergewicht" sagt ja schon, dass es "über" der Grenze des Gesunden liegt. (...)
Daher wird vielleicht in letzter Zeit häufiger (?) der Begriff der "Mehrgewichtigkeit" bzw. "mehrgewichtig" benutzt. Wurde hier glaub noch nicht erwähnt, find den Begriff ganz sinnig eigentlich, solange er nicht rein euphemistisch benutzt wird. Es gibt ja imho einen Bereich der Mehr-Gewichtigkeit, also etwas mehr als der (unterstellte) "Standard" und sozial schon tendenziell verpönt, aber nicht zwingend gesundheitlich problematisch, auch nicht unbedingt auf langer Perspektive, und auch vielleicht für das mentale Wohlbefinden sinnig und ggf. auch verschiedenen Metabolismen oder sonstigen Prädispositionen geschuldet.

In Bezug auf Body Positivity gibt's aber etwa auch die Bewegung um das Modell Tess Holliday: https://en.wikipedia.org/wiki/Tess_Holliday Bin da doch ambivalent, ich weiß nicht, ob da nicht mental health und gesellschaftliche Schönheitsstandards mit physischer Gesundheit vermischt/verwechselt wird, und ob da nicht falsche Erwartungen geweckt werden bei manchen, insbesondere jüngeren Menschen, also manche an sich empowernde Message auf eine eher schwierige Weise verstanden wird. Das Problem bei regelrechter Übergewichtigkeit kommt halt auch oft in späteren Lebensjahren, wie hier schon mal gesagt wurde, denke ich.

Davon abgesehen: regelrechtes Ächten/Shaming ist imho allgemein meist nicht so sinnvoll, kann imho eher noch backfiren, also manche Tendenzen ggf. noch verstärken, und bei dem Thema ist es wohl noch weniger sinnvoll imho. Eine aufgeklärte Gesellschaft sollte sich aber darüber bewusst sein, was bei dem Thema so dran hängen könnte.

Und zum Duke: Sollte im Endeffekt zumindest als legitimer Ausdruck von Kreativität/Fiktion toleriert werden, denke ich, halt typischer Ausdruck von Body Horror. Man könnte dafür im nächsten Teil als Pseudoausgleich ja eine Figur mit einer Art Schwindsucht einbauen (ich meine nicht Tuberkulose), na ja. ;)

(Weil Little Nightmares hier anfangs erwähnt wurde: Hab das gerne gespielt, dachte mir dabei schon, dass man Kritik üben kann an entsprechenden Übergewichts-Darstellungen gegen Ende. Im Spiel wurde übrigens auch teilweise ein Abschnitt mehr oder wenig kritisch diskutiert (etwa bei IGN), der als (unpassende?) Shoah/Holocaust-Referenz bzw. -Reminiszenz gedeutet wird; dieser eine Raum mit den Schuhbergen. Diese Assoziation hatte ich beim Spielen gar nicht, ehrlich gesagt. Glaub das wird/wurde sogar primär von englischsprachigen Seiten so gedeutet, interessanterweise.)
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Andre Peschke
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Re: Der Duke aus Resi VIII - oder: Fettleibigkeit stigmatisieren?

Beitrag von Andre Peschke »

Rigolax hat geschrieben: 11. Jul 2021, 17:49Diese Assoziation hatte ich beim Spielen gar nicht, ehrlich gesagt. Glaub das wird/wurde sogar primär von englischsprachigen Seiten so gedeutet, interessanterweise.)
Von uns / mir in der Besprechung auch. Mit unserer Sozialisation ist die Asoziation IMO auch naheliegend.

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Gonas
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Re: Der Duke aus Resi VIII - oder: Fettleibigkeit stigmatisieren?

Beitrag von Gonas »

Andre Peschke hat geschrieben: 11. Jul 2021, 17:47
Der andere Teil der Diskussion ist die Prävention. Was ich da für völligen Schwachsinn halte, ist dieses "tough love"-Argument, von wegen "wenn wir aufhören sie zu hänseln, ist ja der Leidensdruck zum Abnehmen geringer". Das ist einfach nur eine dumme Ausrede.
Ich würde es nicht nur als dumme Ausrede sehen, sie ist umso gefährlicher weil sie auch bei nicht Übergewichtigen für Angst sorgt vielleicht doch schon über dieser Schwelle zu sein oder in Zukunft zu kommen. Klar, da werden die Medien, bzw. dargestellten Schönheitsideale einen noch höheren Anteil haben, aber ich finde es immer wieder schockierend wenn Frauen sagen, dass sie sich als zu dick empfinden die ich schon als recht dünn wahrnehme.
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Andre Peschke
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Re: Der Duke aus Resi VIII - oder: Fettleibigkeit stigmatisieren?

Beitrag von Andre Peschke »

Gonas hat geschrieben: 11. Jul 2021, 17:56 Ich würde es nicht nur als dumme Ausrede sehen, sie ist umso gefährlicher weil sie auch bei nicht Übergewichtigen für Angst sorgt vielleicht doch schon über dieser Schwelle zu sein oder in Zukunft zu kommen.
Ich meinte das auch nur als Charakterisierung derjenigen, die diese undurchdachte These in die Welt setzen. Nicht als erschöpfende Aussage über die Kollateralschäden der Haltung, man könne Leute ins gewünschte Idealmaß dissen.

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Feamorn
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Re: Der Duke aus Resi VIII - oder: Fettleibigkeit stigmatisieren?

Beitrag von Feamorn »

Andre Peschke hat geschrieben: 11. Jul 2021, 17:47
Early hat geschrieben: 11. Jul 2021, 15:49 Ich glaube nicht, dass die Gesellschaft davon profitiert, wenn ich Dicksein noch populärer und gesellschaftstauglicher mache.
Ich glaube, da liegt ein Missverständnis vor. Keiner hat gesagt: "Lasst uns doch Übergewicht erstrebenswert machen!". Es geht darum, Ausgrenzung zu reduzieren und im Gegenzug Akzeptanz der Betroffenen zu steigern.
Genau das sollte das Ziel sein!

Das aber alles nur eben zum Umgang mit Betroffenen, die ja ohnehin schon unter ihrem Zustand leiden.

Der andere Teil der Diskussion ist die Prävention. Was ich da für völligen Schwachsinn halte, ist dieses "tough love"-Argument, von wegen "wenn wir aufhören sie zu hänseln, ist ja der Leidensdruck zum Abnehmen geringer". Das ist einfach nur eine dumme Ausrede. Wenn das einen Effekt hätte, wären wir ALLE schon schlank wie ein Ast. IMO steckt hinter manchem Übergewicht eher eine psychische Erkrankung, die durch sowas nur schlimmer wird.
Kann ich als jemand, für den Essen ein erlerntes Mittel zur Stress-/Kummerbewältigung ist, so nur unterschreiben. Im Grunde kann ich externe Kommentare und Spott einszueins in Schokolade und Chips umrechnen, wenn ich alleine daheim bin...
Hinzu kommen Rahmenbedingungen wie zB Armut (gesundes Essen ist teurer als ungesundes), mangelhafte Information (sowohl was Bildung angeht, als auch vielleicht genereller Forschungsstand wie von Jochen angedeutet, aber auch was Produktinformationen und irreführende Werbung angeht). Auch zB die Versorgung im Mental Health Bereich (siehe oben) und die Entstigmatisierung desselben. --> Das sind alles Bereiche, in denen man den Staat fragend anschauen darf, IMO.

Andre
Da würde ich auch noch zurechnen, dass gerade diejenigen, die auf staatliche Unterstützung angefordert sind, zusätzlich zum "leisten können" von gesundem Essen und Sport, auch noch davon ausgeschlossen werden, aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben, und, wieder aus eigener Erfahrung, allein daheim liegt das ungesunde, billig, Essen sehr viel Näher, als wenn man sich Kino, Konzert, Theater oder sonstwas leisten könnte (sei es nun finanziell oder mental, -> Therapie)

Der ganze Komplex ist eben so viel größer, und eben auch eine gesellschaftliche Frage, als bloß weniger/richtig Essen und das Zusammenreißen der Einzelperson.
Die Gesellschaft gibt den Menschen alles an die Hand, was man braucht, um möglichst schnell dick zu werden, verhindert aber durch Unterlassung, dass die Menschen damit umgehen können.
Ein Kumpel konnte an einem Abend dutzende Burger verdrücken, Bier oben drauf kippen und da blieb nix auf den Rippen, für den ist das alles natürlich kein Problem, aber bei mir wird gefühlt jedes Kalorien gleich angelegt. Insofern finde ich auch diese ganzen typischen "one size fits all"-Empfehlungen höchst fragwürdig. (Ganz abgesehen davon, dass mir der Stand der Forschung da auch alles andere als eindeutig zu sein scheint, oder zumindest bin dem Überfluss an "Informationen" die korrekten zu finden extrem schwierig. Ohne Unterstützung ist das fast unmöglich.)
Voigt
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Re: Der Duke aus Resi VIII - oder: Fettleibigkeit stigmatisieren?

Beitrag von Voigt »

Ist jetzt das Thread der Sonntagsfolgen Thread? Das Thema wurde ja teils schon vorgenommen.
Rigolax
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Re: Der Duke aus Resi VIII - oder: Fettleibigkeit stigmatisieren?

Beitrag von Rigolax »

Andre Peschke hat geschrieben: 11. Jul 2021, 17:53
Rigolax hat geschrieben: 11. Jul 2021, 17:49Diese Assoziation hatte ich beim Spielen gar nicht, ehrlich gesagt. Glaub das wird/wurde sogar primär von englischsprachigen Seiten so gedeutet, interessanterweise.)
Von uns / mir in der Besprechung auch. Mit unserer Sozialisation ist die Asoziation IMO auch naheliegend.

Andre
Kann man wohl meinen, dass die Assoziation naheliegend ist. Hatte mir dann noch überlegt, ob das mit den Schuhen wegen Fotografien nach der Befreiung eher im englischen Kulturgedächtnis verhaftet ist und im "deutschen" dafür eher andere Bilder, aber weiß nicht, ob das wirklich plausibel ist. Ggf. wurde der Umstand in deutschsprachigen Reviews aus anderen Gründen nicht so oft erwähnt, ich weiß es nicht. Also ist jedenfalls mein Eindruck, dass das primär englischsprachig so gedeutet wurde.
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WhiteNoise
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Re: Der Duke aus Resi VIII - oder: Fettleibigkeit stigmatisieren?

Beitrag von WhiteNoise »

Ich habe die Folge nicht gehört, da mich das Thema nicht die Bohne interessiert. Für mich ist das eher was für Buzzfeed/Vice/Missy Magazine anstatt für the Pod, aber Geschmäcker sind verschieden.
Jochen Gebauer hat geschrieben: 3. Jul 2021, 11:55 (...) Bei Übergewichtigen/Fettleibigkeiten existiert nicht nur gar keine wahrnehmbare Lobby, sondern allenthalben auch noch der wissenschaftlich längst nicht mehr haltbare Habitus, die Speckis sollten halt abnehmen/Ernährung umstellen/usw. Ich wüsste gar keine andere breite Gesellschaftsgruppe, die so sehr stigmatisiert wird, ohne dafür in der Breite wirklich was zu können.
Inwiefern ist es wissenschaftlich nicht mehr haltbar, dass man sein Körpergewicht über die Ernährung beeinflussen kann? Dafür hätte ich gerne eine Quelle/Metastudie. Aus meiner Sicht ist es kontraproduktiv, den eigenen Körperbau als unveränderbar dazustellen, da man damit die Betroffenen in eine Sackgasse manöveriert. Ist es nicht viel besser zu betonen, dass man es selbst in der Hand hat und eventuell Hilfe anzubieten? Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass eine Ernährungsänderung kombiniert mit mehr Sport bei mir sehr gut funktioniert hat und ich würde behaupten, dass das bei 99% der Bevölkerung auch funktionieren würde.
Otis
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Re: Der Duke aus Resi VIII - oder: Fettleibigkeit stigmatisieren?

Beitrag von Otis »

bernhard hat geschrieben: 11. Jul 2021, 12:44 Sein Google Fit-Profil …
Sein was?! Wozu hat Google jemandes Gesundheits-/Körperdaten und wieso sind die öffentlich einsehbar? :shock:

Zur Folge Über Gewicht: Die Diskussion um den Duke hätte man nicht wieder so ausführlich führen müssen, genau wie der lange Abschnitt über Ernährungswissenschaft u.ä. Da hätte es gereicht, das eigene Fazit dazu zu nennen. Wer mehr wissen will, soll halt recherchieren, hier geht‘s um Spiele. Gen Ende wirkte es auch bisschen zerfasert, Fokus Repräsentation in Spielen ging bisschen verloren, hatte ich das Gefühl.

Bzgl. Schönheitsideal in Games, ich vermute mal, da ist auch der tatsächliche oder angenommene "Kundenwunsch" nicht gerade unwichtig. Gestern auf Twitch kurz bei 'nem JRPG reingeschaut und aus auf dem Schirm gegebenem Anlass scherzhaft geschrieben, es wäre wohl nicht Japan, wenn da nicht usw. (T&A halt) und sogleich hat sich irgend so ein Gamergaterverschnitt dazu ereifert zu antworten: Ja, bloß gut, dass die sich nicht dem SJW-Zwang unterwerfen und uns geben, was wir wollen blablabla! (Wer ist bitte "wir"?)

Genauso sieht man bzgl. Protagonisten nicht selten "Wenn ich schon stundenlang wem auf den A glotzen muss, dann bitte einer attraktive Dame". Und an den Ausbruch der Peinlichkeit rund um Abbys Statur (TLOU2) muss wohl auch nicht erinnert werden. Ist jetzt natürlich diskutierbar, wieviele Spieler tatsächlich nur Games mit Sex-Dolls und für die persönliche Power-Fantasy dann noch das Alphamännchen haben wollen, aber allg. denke ich schon, dass Spiele, in denen (jetzt mal rein optisch) normale und vielfältige Charaktere dargestellt werden, durchaus auf Gegenwind stoßen könnten, und wenn es nur Desinteresse ist.

Als Beispiel für übergewichtige Charaktere fällt mir noch Enslaved-Odyssey to the West ein, wo ein tatsächlich als schweineartig inszenierter, grotesk dicker Mann als Nebencharakter vorkommt, der eigentlich Verbündeter ist, aber durch die Art der Darstellung zumindest mir als sehr unangenehm rüberkam. (Schmutzig, schwitzig, schmierig, Schweinenase … wie man sich fette Menschen halt so vorstellt, wenn man noch nie welche gesehen hat. :ugly: ) Dazu kam noch ein DLC, in dem es um ihn ging … in dem er sich eine perfekte Frau (Roboter o.ä.) zusammen baut. :roll: Den DLC habe ich nicht gespielt, aber die Prämisse klang schon so schlimm, dass ich darauf verzichten konnte. (Vielleicht tue ich dem DLC damit unrecht.)

Bei Spielen kommt leider hinzu, dass das Writing oft gar nicht so gut oder überhaupt vorhanden ist, Leute sinnvoll darzustellen, und so läuft ein Großteil der Charakterisierung doch irgendwie über Äußerlichkeiten und Schubladen. Und jedes Körpermodell will auch erstellt werden, da überlegt man es sich als Entwickler vielleicht auch genau, wieviel Diversity man jetzt genau braucht.
Early hat geschrieben: 11. Jul 2021, 15:41Deshalb finde ich auch diese Body-positivity etwas befremdlich. Für mich ist das eine simple Schönrednerei, die am Ende nichts Gute bewirkt, weil sich die Menschen damit selbst belügen und im Endeffekt ihrer Gesundheit, ihrem Körper und ihrem allgemeinen Wohlbefinden schaden.
Weil Du body positivity anscheinend versimplifizierst und auf „fett ist nett” reduzierst. Da soll sich niemand irgendwelche gesundheitsschädlichen Zustände schön reden.

Erstens: es geht dabei nicht in erster Linie um fette Menschen, sondern allg. um eine positive Haltung zum Körper und der Einstellung zu vorgegebenen Normen und Abweichungen davon, den Umgang mit Makeln, auch eingebildeten oder solchen, die man übertrieben wahrnimmt. Nicht jeder runde Hintern oder sich berührende Schenkel belasten gleich die Krankenkassen.

Zweitens: niemand ist perfekt, ob körperlich oder charakterlich. Warum sollen ausgerechnet Übergewichtige sich deswegen ständig blöd kommen lassen und sich schlecht und unsicher fühlen? Anderen Leuten hält man ihre Macken doch auch nicht ständig vor.

Drittens: body positivity ist enorm wichtig, gerade um den Kampf gegen die Kilos anzugehen und zu gewinnen. Fettes :mrgreen: LOL@dasistdochganzeinfach, wie hier aus einigen Beiträgen rauszulesen ist. Ich nehme mal an, von denen, die sich in der Lage noch nicht befunden haben. "Pft, magersüchtige Teenies. Sollen halt mehr essen, ist doch ganz einfach." Da spielt enorm viel an Eigenwahrnehmung, Selbstbewusstsein ect. mit rein. Ich bin als fette Leseratte (sprich: keine Bewegung) groß geworden, so habe ich mich den Großteil meiner Kindheit über gesehen, obwohl ich, wenn ich alte Fotos ab und zu sehe, gar nicht mal so dick war. Aber mit geringem Selbstbewusstsein und den Hänseleien anderer rutscht man halt in so eine Rolle und nimmt dadurch auch weiter zu. Sport und Bewegung? Man schämt sich für seinen Körper und vermeidet Situationen in denen man die Aufmerksamkeit darauf dazu lenkt oder überhaupt gesehen wird. Also bleibt man zu Hause und macht was anderes. Im Sommer schwimmen gehen? (Bewegung!) Lieber nicht. Geht man doch mal mit und die sogenannten Freunde lachen einen aus, tja, das war’s dann erst mal wieder.

Ich will gar nicht behaupten, dass meine Erfahrung repräsentativ für alle ist oder die Verantwortung auf die Gesellschaft schieben, aber ich glaube, viele, die nicht in einer ähnlichen Lage waren, können sich nicht vorstellen, wie gefangen man in solchen Verhaltens- und Denkmustern (beeinflusstes Essverhalten noch gar nicht eingeschlossen) sein kann, insbesondere, wenn man es nicht anders kennt. Wenn es an body positivity fehlt, ist die Lösung eben nicht nur "einfach weniger fressen, als man verbraucht", was ohnehin auch fraglich ist, wie einfach oder überhaupt wahr das bei jedem einzelnen ist.

Das ist mit body positivity gemeint. Dass man sich für seinen Körper nicht schämt, sich nicht isoliert, ihn nicht als Feind oder Makel sieht, auch wenn er problematisch ist. Ohne eine gesündere Einstellung zu meinem Körper hätte ich es niemals geschafft abzunehmen, auch wenn es das Schlagwort zumindest hier in Deutschland damals noch nicht gab. Daher hört es sich für mich unheimlich ignorant an, wenn das mit "ach, die Dicken wollen sich doch bloß gut fühlen, ohne sich zu ändern" abkanzelt. Und wenn es jemand nicht schafft und halt übergewichtig bleibt, soll deshalb auch nicht sein ganzes Selbstwertgefühl davon abhängen.
Urlaub_in_Italien hat geschrieben: 11. Jul 2021, 15:48Im 2018 erschienenen Addon "Battle for Azeroth" wurde endlich diese beleibte (im Nachgang sehr beliebte) Rasse "Kul Tiran" implementiert, deren male und female Figuren übergewichtig aussehen.
Stämmig wohl eher. Selbst auf dem Bäuchlein da kann man noch das Six-Pack erkennen. :lol: Mal davon abgesehen, dass der Kerl ziemlich fit wirkt … es wurde aber eben doch für beleibtere eine eigene Rasse geschaffen. Menschen sehen gefälligst nicht so aus … :think:
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Early
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Re: Der Duke aus Resi VIII - oder: Fettleibigkeit stigmatisieren?

Beitrag von Early »

Heretic hat geschrieben: 11. Jul 2021, 17:43
Early hat geschrieben: 11. Jul 2021, 17:17 Alleine die Klammer bei "extremes" zeigt, dass das wohl immer noch nicht alle wissen. ;)
Wieso das? Ein paar Kilo Übergewicht sind natürlich nicht gesundheitsfördernd, aber extremes Übergewicht ist nochmal 'ne andere Hausnummer. Z. B. was die Gelenke betrifft. Zudem ist extremes Übergewicht womöglich die Folge von Vorerkrankungen und lässt sich nicht mal eben durch gesunde Ernährung und Bewegung in den Griff kriegen. Was natürlich nicht heißen soll, dass gesunde Ernährung und Bewegung nicht relevant wären. ;)
Ich meinte damit, dass auch normales Übergewicht der Gesundheit schadet (beispielsweise Herz/Kreislauf-Erkrankungen). Dass extremes Übergewicht einen noch höheren Schaden verursacht, sollte klar sein.
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Textsortenlinguistik
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Re: Runde #327: Über Gewicht & Der Duke aus Resi VIII - oder: Fettleibigkeit stigmatisieren?

Beitrag von Textsortenlinguistik »

Ich bin noch in der Diskussion der ersten 45 Minuten, aber wieso kommt denn in der ganzen Diskussion um eine Figur in einem Horrorspiel nur am Rande der Gedanke auf, dass es sich bei der grotesken Darstellung des Dukes um ein Horrorelement und nicht um ein Verhohnepiepeln von Dicken handelt?

Die groteske, fast schon absurde Darstellung seines Übergewichts macht den Duke zu einem Gefangenen seines eigenen Körpers. Das ständige Ächzen und Stöhnen der Figur unterstreicht für mich die qualvolle Existenz der Figur und kontrastiert gleichzeitig das ungebrochene Verlangen nach Essen - vielleicht das Einzige, was ihm noch verblieben ist?

Ich musste beim Duke unweigerlich an Feeder denken, oder an Dokus über Leute, die durch ihre enorme Fettleibigkeit (300 Kilo aufwärts) bettlägerig wurden, nur noch mit Kränen transportiert werden können, ständig Entzündungen in den Zwischenräumen ihrer Fettablagerungen entwickeln und letztlich qualvoll, handlungsunfähig und viel zu jung sterben.

So funktioniert die Darstellung des Dukes für mich als legitimes Horrorelement und grenzt sich imho klar davon ab, grundsätzlich Übergewichtige durch den Kakao zu ziehen. Diese Lesart ergibt auch im Kontext des Gesamtwerks Resident Evil 8 keinen Sinn und beißt sich mit der von euch im Podcast herausgearbeiteten Ambivalenz der Figur als reiner Stereotyp.
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Re: Der Duke aus Resi VIII - oder: Fettleibigkeit stigmatisieren?

Beitrag von Early »

Rigolax hat geschrieben: 11. Jul 2021, 17:49
Daher wird vielleicht in letzter Zeit häufiger (?) der Begriff der "Mehrgewichtigkeit" bzw. "mehrgewichtig" benutzt. Wurde hier glaub noch nicht erwähnt, find den Begriff ganz sinnig eigentlich, solange er nicht rein euphemistisch benutzt wird. Es gibt ja imho einen Bereich der Mehr-Gewichtigkeit, also etwas mehr als der (unterstellte) "Standard" und sozial schon tendenziell verpönt, aber nicht zwingend gesundheitlich problematisch, auch nicht unbedingt auf langer Perspektive, und auch vielleicht für das mentale Wohlbefinden sinnig und ggf. auch verschiedenen Metabolismen oder sonstigen Prädispositionen geschuldet.

In Bezug auf Body Positivity gibt's aber etwa auch die Bewegung um das Modell Tess Holliday: https://en.wikipedia.org/wiki/Tess_Holliday Bin da doch ambivalent, ich weiß nicht, ob da nicht mental health und gesellschaftliche Schönheitsstandards mit physischer Gesundheit vermischt/verwechselt wird, und ob da nicht falsche Erwartungen geweckt werden bei manchen, insbesondere jüngeren Menschen, also manche an sich empowernde Message auf eine eher schwierige Weise verstanden wird. Das Problem bei regelrechter Übergewichtigkeit kommt halt auch oft in späteren Lebensjahren, wie hier schon mal gesagt wurde, denke ich.
Ja, das ist es ja. Zwischen 20 und 35 kann man sich auch mit so einem Übergewicht durchaus wohl fühlen. Vor allem, wenn man es schon aus seiner Kindheit und immer schon ein bisschen rundlich war. Ich kann mir beispielsweise ein Leben ohne Brille gar nicht vorstellen, weil ich sie schon seit der ersten Klasse Volksschule habe. Je älter man wird, umso eher wird die ganze Sache aber zum gesundheitlichen Problem und je später man dagegen wirkt, umso schwieriger wird es dann.

Wir haben drei kleine Kinder und legen da beispielweise sehr viel wert drauf, dass Sport und eine gesunde Ernährung zum Alltag gehören und es ist erschütternd, wie sich da die Kinder teilweise schon auseinander entwickeln. Vor allem ist es extrem wichtig, wenn man zumindest schon mal als Kind sportlich war. Selbst wenn man es ein paar Jahre ruhiger angeht, kann man das dann wieder deutlich leichter wettmachen als jemand, der in seiner Kindheit schon Übergewicht hatte.
Rigolax hat geschrieben: 11. Jul 2021, 17:49Davon abgesehen: regelrechtes Ächten/Shaming ist imho allgemein meist nicht so sinnvoll, kann imho eher noch backfiren, also manche Tendenzen ggf. noch verstärken, und bei dem Thema ist es wohl noch weniger sinnvoll imho. Eine aufgeklärte Gesellschaft sollte sich aber darüber bewusst sein, was bei dem Thema so dran hängen könnte.
Ich will sicher niemanden ächten oder shamen und halte das auch für kontraproduktiv. Für mich kam Übergewicht aber teilweise zu positiv davon und das halte ich auch nicht für richtig bzw. für gefährlich. Da sollte man schon kritisch darauf hinweisen, was das für einzelne Menschen bedeutet (ist im Podcast aber eh auch gemacht worden).
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Re: Der Duke aus Resi VIII - oder: Fettleibigkeit stigmatisieren?

Beitrag von Early »

Andre Peschke hat geschrieben: 11. Jul 2021, 17:47Ich glaube, da liegt ein Missverständnis vor. Keiner hat gesagt: "Lasst uns doch Übergewicht erstrebenswert machen!". Es geht darum, Ausgrenzung zu reduzieren und im Gegenzug Akzeptanz der Betroffenen zu steigern.
Das habe ich mir schon gedacht bzw. ist mir auch klar. Teilweise kam es leider meiner Meinung dann aber doch anders rüber.
Andre Peschke hat geschrieben: 11. Jul 2021, 17:47IMO ist das mit dem Übergewicht ein bisschen so wie mit geistiger Gesundheit, Behinderungen etc. Ich halte es zumindest für vorstellbar, das dem Menschen eine gewisse Aversion gegen Andersartigkeit einprogrammiert ist, weil es evolutionsbiologisch evtl. Sinn macht, dass Reproduktion mit Partnern die einen Defekt aufweisen vermieden wird. Das klingt furchtbar, aber die Natur ist ein Arsch und das würde ich ihr schon zutrauen. Als zivilisierte Menschen sind wir aber in der Lage, sowas zu überwinden, so wie auch keiner mehr einfach losuriniert, wo ihn der Harndrang packt etc.
Naja, wenn 62 Prozent "anders" also übergewichtig sind, dann ist das eh schon die neue Normalität. ;) Ich muss aber auch gestehen, dass wir jetzt nicht sonderlich viele Übergewichtige im Freundeskreis haben und diese wenigen sind eigentlich immer recht bemüht, dass sie die Geschichte halbwegs in den Griff bekommen. Mit Fat-Shaming oder Beschimpfungen diesbezüglich habe ich jetzt ehrlich auch keine Erfahrungen gemacht. Wär mir in unserem Umfeld noch selten aufgefallen.
Andre Peschke hat geschrieben: 11. Jul 2021, 17:47Hinzu kommt dann aber auch der kulturelle Einfluss und da kann man noch viel mehr und besser steuern. Sich öffentlich über Übergewichtige lustig zu machen wird reduziert, wenn es nicht im Elternhaus, Peergroups und Unterhaltungsmedien vorgelebt wird (wie immer: In der Reihenfolge).
Ich hab es vorher eh schon geschrieben: Derartige Aktionen sind meiner Meinung nach eher ein Ergebnis von schlechter Erziehung bzw. eben schlechter Vorbilder im Elternhaus. Völlig egal, in welcher Art sich ein Mensch von einem anderen Menschen unterscheidet, soll man niemanden verspotten oder sich über ihn lustig machen.
Andre Peschke hat geschrieben: 11. Jul 2021, 17:47Der andere Teil der Diskussion ist die Prävention. Was ich da für völligen Schwachsinn halte, ist dieses "tough love"-Argument, von wegen "wenn wir aufhören sie zu hänseln, ist ja der Leidensdruck zum Abnehmen geringer". Das ist einfach nur eine dumme Ausrede. Wenn das einen Effekt hätte, wären wir ALLE schon schlank wie ein Ast. IMO steckt hinter manchem Übergewicht eher eine psychische Erkrankung, die durch sowas nur schlimmer wird.
Das halte ich auch für absoluten Schwachsinn. Da provoziert man höchstens eine Trotz-Reaktion und das ist sicher auch nicht, was ich gemeint habe.
Andre Peschke hat geschrieben: 11. Jul 2021, 17:47Hinzu kommen Rahmenbedingungen wie zB Armut (gesundes Essen ist teurer als ungesundes), mangelhafte Information (sowohl was Bildung angeht, als auch vielleicht genereller Forschungsstand wie von Jochen angedeutet, aber auch was Produktinformationen und irreführende Werbung angeht). Auch zB die Versorgung im Mental Health Bereich (siehe oben) und die Entstigmatisierung desselben. --> Das sind alles Bereiche, in denen man den Staat fragend anschauen darf, IMO.
Geforscht kann zwar immer noch genug werden, da meine Frau Ernährungswissenschafterin ist, traue ich mich aber zu sagen, dass es in den allermeisten Fällen nicht daran liegt. ;)

In erster Linie gehört bereits im Kindergarten und in der Schule der Hebel angesetzt bzw. müssten die Eltern natürlich dazu animiert werden, wieder vermehrt zu Hause zu kochen. Wir kennen auch Familien, da wird teilweise nicht mal am Wochenende ein frisches Essen zubereitet. Aber selbst nur am Wochenende wird's schwierig, wenn viele Kinder in der Ganztagsbetreuung fünf Tage in der Woche Hort-Essen bekommen, das in den meisten Fällen leider nicht besonders viel Wert auf eine gesunde Ernährung legt. Nach einer Woche mit Schnitzel, Nougatknödel und Fischstäbchen können zwei Tage am Wochenende auch nicht mehr die Welt verändern.
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