Ironic Maiden hat geschrieben: ↑11. Jul 2021, 22:45Ich finde es auch etwas ärgerlich, wenn vergessen wird, dass der eigene Körper und der Umgang damit in erster Linie eine Privatangelegenheit sind. Jeder Mensch hat die Oberhoheit über den eigenen Körper und das schließt auch die Möglichkeit, dick zu werden und zu bleiben, ein.
In erster Linie auf jeden Fall. In zweiter Linie ist's allerdings auch ein öffentliches Thema. Der Anteil an Menschen mit Übergewicht nimmt weltweit zu. Das bereits genügt als Hinweis, dass Stereotype wie mangelnde Willenskraft, u.Ä. das Phänomen nicht erklären, weil es keinen weltweiten Einbruch der Willenskraft zu verzeichnen gibt, sondern die Gründe strukturell sind: der Anteil von Fertigprodukten in der täglichen Ernährung, weniger Bewegung, Stress, u.Ä. Die Folgen von Übergewicht sind zuerst einmal persönliche, insgesamt gesehen aber auch gesellschaftliche, weil die Folgeerkrankungen das Gesundheitssystem belasten - und damit in der Konsequenz auch den Steuerzahler. Nun will ich's gar nicht auf die Kostenebene heben, aber im Allgemeinen dürfte es auch ein öffentliches Interesse daran geben, dass die Bürger*innen dieser Gesellschaft - und anderer! - gesund leben. Aus diesen Gründen hat jeder so auch einerseits die Freiheit z.B. zu rauchen oder seine Gesundheit anders zu schädigen - eben weil's eine Privatangelegenheit ist - ebenso gibt's aber auch ein politisches Interesse, dass die Menschen es nicht tun.
Randnote, wie radikal anderswo damit umgegangen wird: der Anteil an Übergewichtigen in den USA liegt im Durchschnitt derzeit bei ca. 40%. Übergewicht meint hier einen BMI von mehr als 35. Dass der BMI als Richtmaß seine Probleme hat ist mir bewusst, u.a. weil er nicht zwischen Muskelmasse und Körperfett unterscheidet, allerdings dürfte man sich schnell einig sein, dass seit Jahren nicht der Anteil an muskulösen Menschen steigt. Die USA dienen wohl in allerlei Staaten als negativer Blick in die Zukunft. In Japan - Hinweis: eines der Land mit der geringsten Quote an Übergewichtigen - hat 2008 ein Gesetz erlassen, demgemäß der Bauchumfang von allen Menschen über 40 jährlich vermessen wird. Organisiert durch den Arbeitgeber oder lokale Behörden. Bei Männern sollte der Bauchumfang unter 33.5 inches und bei Frauen unter 35,4 inches liegen. Übersteigt man den Wert, erhält man Ernährungs- sowie Sporthinweise - bei Bedarf auch von entsprechenden Fachpersonal. Krux daran: der private Arbeitgeber sowie die lokale Behörde, die für einen zuständig ist, kann für das Verfehlen des Ziels eine Strafzahlung leisten. Das Kollektiv kann für den Bauchumfang des Einzelnen bestraft.
Dieser Ansatz ist quasi der radikale Gegenentwurf zum westlichen Body Positivity-Ansatz.
Abseits dessen: die Frage, die mich seit der Duke-Diskussion umtreibt ist, wie man mit problematischen Darstellungen in Videospielen - oder Medien - im Allgemeinen umgehen sollte. Nehmen wir etwa Klischees, Stereotype, u.Ä. die man als problematisch wahrnehmen könnte, z.B. den tuckenden Schwulen, den drogendealenden Schwarzen oder den terroristischen Araber. In der Gesamtheit mag man sagen, dass die überwiegende Darstellung von Sozialgruppen in Form von Stereotypen problematisch sei, eben weil sie (a) für sich genommen beleidigend empfunden wird und (b) ebenso eine falsche Vorstellung von eben dieser Sozialgruppe kolportiert. Insbesondere wenn in der Mehrheitsgesellschaft nur punktueller Kontakt zu solchen Millieus besteht. Deutsche dürften in Videospielen mehr Araber erschossen als je mit ihnen gesprochen haben, oder mehr homosexuelle Charaktere gesehen als je face-to-face gesprochen zu haben. Im Allgemeinen könnte man stereotype Darstellungen somit als Problem wahrnehmen. Aber inwiefern überträgt sich dies auf das
konkrete Videospiel?
Die Darstellung des Dukes in Resi - um beim Beispiel zu bleiben - kann man aufgrund der Darstellung von Übergewicht negativ bewerten. Damit ist man erst einmal für sich alleine. Man findet's eben doof. Allerdings wäre meine Frage: Lässt sich daraus eine Folgerung ableiten - z.B. die Folgerung, dass Figuren wie der Duke in dieser Form nicht designed sein
sollten oder dass bei Design und Writing keine anstößigen Stereotype bedient werden
sollten? Da wäre ich mir nicht sicher. Das Stereotyp des tuckenden Schwulen kann ich persönlich nicht ab, umgekehrt erscheint's mir aber grundsätzlich legitim, dass ein Medium dieses Stereotyp dennoch bedient. Finde ich dann halt eben scheiße. Auf der Ebene des jeweils konkreten Videospiels erscheint's mir legitim, dass dies Stereotype bedient und eben auch mein moralisches Empfinden beleidigt. Wenn eine solche Darstellung allerdings der Normalfall im Medium ist, sieht's anders aus. Aber diese beiden Ebenen scheinen mir in der Bewertung zu kollidieren:
(a) Wie stellt das jeweils konkrete Videospiel <Sozialgruppe einfügen> dar?
(b) Wie stellt das Medium <Sozialgruppe einfügen> im Allgemeinen dar?