Runde #327: Über Gewicht & Der Duke aus Resi VIII - oder: Fettleibigkeit stigmatisieren?

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Textsortenlinguistik
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Runde #327: Über Gewicht & Der Duke aus Resi VIII - oder: Fettleibigkeit stigmatisieren?

Beitrag von Textsortenlinguistik »

Das Thema kreiselt mir seit dem kurzen Abstecher aus dem Blattkritik-Podcast im Kopf herum und ich mache bewusst einen eigenen Thread dafür auf, da die Debatte vermutlich schnell abdriften und eskalieren wird (sorry André!).

Im genannten Podcast habt ihr einen Artikel besprochen, dessen Autor aufgrund eigener Erfahrungen durch die Figur des Dukes "frustriert" worden sei. Frustriert davon, dass Fettleibigkeit in der grotesken Darstellung des Dukes stigmatisiert und verhöhnt werde. Auch Jörg von 4Players hat sich an der Figur scheinbar sehr gestört, wie ich der Blattkritik entnehmen konnte.

Als jemand, der selbst einmal für einen kurzen Lebensabschnitt "fettleibig" war und lebenslang irreversible Folgen davon trägt, hat die Figur des Dukes im Kontrast zur oben dargestellten Wahrnehmung aber vollkommen auf einer Ebene des Horrors gezündet. Diese groteske, schon absurde Überzeichnung von (stereotypischer) Fettleibigkeit hat für mich total ins Gesamtbild des Grusel- und Horrorkabinetts Resident Evil VIII gepasst. Ich habe den Duke gar nicht hinterfragt, denn für mich hat er als Horrorelement funktioniert und ins Gesamtbild gepasst. Wohlig abgeschreckt, angenehm erschaudert und amüsiert hat mich auch das völlig irrationale Auftauchen dieser Figur an den unmöglichsten Stellen. Ganz deutlich hervorgehoben wird, wie der Duke unter seiner Fettleibigkeit leidet, von seinem Körper gequält wird, gleichzeitig aber gar nicht anders kann, als an Essen zu denken, seinen selbst zitierten Lebenssinn. Zu keiner Zeit habe ich mich, trotz eigener Vergangenheit mit Fettleibigkeit, von dieser Figur angegriffen gefühlt, sondern vielmehr wie durch einen kathartischen Filter durch sie bestätigt.

Die Konfrontation mit ganz anderen Positionen durch die Blattkritik hat mich ziemlich überrascht und ich habe angefangen zu hinterfragen, ob meine für selbstverständlich genommene Lesart der Figur überhaupt die von den Designern intendierte war. Insbesondere die "frustrierende" Wirkung auf einen ebenso Betroffenen hat mich nachdenklich gestimmt und mich schließlich zur Frage geführt: Ist die Stigmatisierung von Fettleibigkeit (sofern dies überhaupt der Effekt der Figur des Dukes ist, oder als diese interpretiert wird) tatsächlich verwerflich?

Vorab: Es geht nicht um fehlgeleitete Schlankheits- und Körperideale, sondern wirklich um gesundheitsbedrohliche Fettleibigkeit.

Echt verdammt viele ungesunde Lebens- und Verhaltensweisen werden von der Gesellschaft stigmatisiert. Prominent das Rauchen, Kiffen, aber auch der Konsum von Alkohol oder das "Hängen vor der Glotze". Ich habe den Duke daher als provokantes, aber (im Kontext des Horrors) einen Nerv treffendes Design erlebt.

Wie steht ihr zum Duke - und sollte/darf Fettleibigkeit, ähnlich wie das Rauchen, durch die Gesellschaft und ihre kulturelle Erzeugnisse stigmatisiert werden? Trifft Resi VIII hier einen Nerv, oder geht es zu weit? Ich bin sehr neugierig, meine eigene Position hier in der Debatte zu reflektieren und zu erweitern.
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Jochen Gebauer
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Re: Der Duke aus Resi VIII - oder: Fettleibigkeit stigmatisieren?

Beitrag von Jochen Gebauer »

Sehr interessanter Gedanken- und Diskussionsansatz. Hatten wir im entsprechenden Resi-Podcast ja auch kurz (zu kurz?) thematisiert.

Fettleibigkeit hat in der Öffentlichkeit im Gegensatz zu vielen anderen "Problematiken" (in Ermangelung eines besseren Wortes) momentan keine Lobby. Man stelle sich vor, ein Spiel würde einen Homosexuellen oder einen Schwarzen so prominent und so absurd klischeehaft in Szene setzen - natürlich gäbe es Diskussionen. Oder man stelle sich vor, ein Kritiker würde einer homosexuellen Figur ihr "widerwärtiges Rumgetucke" vorwerfen, so wie 4P dem Duke sein widerwärtiges Gefurze ... (nicht, dass ich dem Autor böse Absicht unterstelle, es ist nur hübsch bezeichnend)

Damit will ich um Gottes willen nicht sagen, dass es falsch ist, dass andere "Minderheiten" (in Ermangelung eines besseren Wortes) mittlerweile eine Lobby haben, ganz im Gegenteil. Aber wenn das gesellschaftliche und politische Schlaglicht gerade nicht in die Richtung scheint, ist es immer wieder erstaunlich, was für die meisten Menschen akzeptabel ist. Den Duke z.B. finde ich völlig inakzeptabel und man würde es - zu Recht - bei keiner Figur akzeptieren, die auf analoge Weise über ihre Hautfarbe, Sexualität o.ä. charaktersiert wäre. Aber Fettleibigkeit ist immer noch "fair game", man kann und darf im Privatfernsehen erfolgreich Serien darüber produzieren, sich über diese Schwabbelbacken und ihre verzweifelten Versuche, wenigstens ein paar Kilo abzunehmen, königlich zu amüsieren. Warum? Eigentlich nur, weil keine Lobby da ist, die sagt: das ist Schulhof-Arschigkeit, ihr Arschgeigen.

Mein Pet Peeve aus der Realität ist ja halbwegs bekanntermaßen die Höhenangst, unter der ich zufällig leide. Neulich "durfte" ich einem Einkaufszentrum mal wieder eine freischwebende Rolltreppe über drei Etagen benutzen. Warum? Weil irgendein Arschlocharchitekt das hübsch fand und sich keinerlei Gedanken darüber machte, dass ein gar nicht unerheblicher Teil der Gesellschaft damit echte Probleme haben würde. Man darf - zu Recht! - keinen Bahnsteig bauen, der nicht barrierefrei ist, aber mich darf man über sinnfrei rumschwebende Rolltreppen jagen, weil es irgendwem hübscher vorkommt. Warum? Weil "wir" keine Lobby haben, die ein Problembewusstsein schafft. Oder eine zu leise.

Ähnlich ist es bei der Fettleibigkeit. Darunter leiden so viele Menschen jeden Tag, aber weil es einfach keine geeignet große Lobby gibt, die sagt, wartet mal, es ist NICHT cool, sich darüber auch noch lustig zu machen, wird sich darüber lustig gemacht.

Öffentlichkeit ist ein Schulhof. So lange es keinen Konsens darüber gibt, dass man <insert Gruppe hier> nicht wie Scheißdreck behandelt, wird <insert Gruppe hier> im Zweifelsfall wie Scheißdreck behandelt. Letztlich sind wir da alle gefragt, aber Presse als Verstärkungsorgan der Öffentlichkeit imho ganz besonders.
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Heretic
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Re: Der Duke aus Resi VIII - oder: Fettleibigkeit stigmatisieren?

Beitrag von Heretic »

Mich hat die klischeehafte Darstellung des Duke nicht gestört - dem fiktiven Horrorszenario sei Dank. Sie hat mich aber auch nicht in irgendeiner Form belustigt, ich hab' sie eher mit einem gleichgültigen Schulterzucken hingenommen. Irgendwann war der Duke nur noch der Händler, der als Running Gag an den unmöglichsten Orten auftauchte.

Genauso ging es mir auch beispielsweise mit den dicken Leuten in "Little Nightmares". Da hat es mich damals regelrecht gewundert, dass man sich im Gamestar-Test (geschrieben von Dom, wenn ich mich recht erinnere) darüber echauffiert hat. Im Horrorkontext und in diesem realitätsfernen Szenario fand ich diese Darstellung nicht schlimm.
Textsortenlinguistik hat geschrieben: 1. Jul 2021, 21:16 Wie steht ihr zum Duke - und sollte/darf Fettleibigkeit, ähnlich wie das Rauchen, durch die Gesellschaft und ihre kulturelle Erzeugnisse stigmatisiert werden? Trifft Resi VIII hier einen Nerv, oder geht es zu weit? Ich bin sehr neugierig, meine eigene Position hier in der Debatte zu reflektieren und zu erweitern.
Ich finde, Fettleibigkeit sollte nicht stigmatisiert werden. Das beißt sich jetzt vielleicht mit meinen oben getroffenen Aussagen, aber bei mir kommt's halt auf das Szenario und den Kontext an. Aber da zieht wohl jeder seine eigenen Grenzen. Den lustigen, meist trotteligen oder dauerfressenden Dicken beispielsweise, wie er gerne in Komödien als Sidekick auftaucht, finde ich nicht lustig und überholt. Den Duke könnte man auch in dieser Ecke verorten, aber so richtig Dauerthema war seine Körperfülle ja nicht, und er ist zwar ein freundlicher, aber auch undurchschaubarer Charakter. Weder durchgehend positiv noch negativ.

Ansonsten frage ich mich, ob die Darstellung des Duke ein japanisches Ding ist. Die Japaner gehen mit Fettleibigkeit ja gefühlt härter ins Gericht als andere Nationen. Keine Ahnung, ob das in andern japanischen Spielen öfter ein Thema ist. Mir fällt da spontan nix ein.
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Ironic Maiden
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Re: Der Duke aus Resi VIII - oder: Fettleibigkeit stigmatisieren?

Beitrag von Ironic Maiden »

Ich habe das Spiel (noch) nicht gespielt, darum kann ich nur relativ allgemein was zur Darstellung von Übergewicht sagen.

Ich war teilweise selbst schon stark übergewichtig und was mich immer stört, und was man auch auf die Darstellung anderer "Minderheiten" beziehen kann, sind eigentlich zwei Aspekte:

Erstens, wenn körperliche oder andere Merkmale automatisch mit anderen Eigenschaften verknüpft werden. Also sind dicke Menschen nicht nur dick, sondern auch faul, dumm, undiszipliniert, u.U. pervers (und zwar nicht auf die "coole" Art), wenn man sie negativ darstellt, oder fröhlich und ein bisschen schlicht, wenn man sie positiv darstellen will. Dass ein dicker Mensch genauso komplex sein kann wie ein dünner, oder Eigenschaften hat, die nicht unmittelbar mit dem Körpergewicht zusammenhängen, fehlt meist völlig. Ähnliches sah man ja lange auch in der Darstellung anderer Gruppen. Nicht jeder Schwule man hat ein Rieseninteresse an Mode oder daran, seine weiblichen Freunde bei Liebeskummer zu unterstützen. Aber solche Figurenzeichnungen waren halt lange der Standard.

Zweitens, dass dicke Menschen selten in Medien auftauchen und wenn, dann nur in Rollen, die unmittelbar mit ihrem Gewicht verknüpft sind. Gäbe es mehr dicke Figuren in allen möglichen Funktionen und Situationen, wäre eine einzelne anstößige Darstellung kein Problem. Ich habe neulich in einem Podcast (weiß leider nicht mehr wo) eine Diskussion über die Darstellung von Transgender in Filmen gehört. Jahrelang war die erste, und dann meist für lange Zeit einzige, Transgender-Figur, mit der insbesondere Jungendliche konfrontiert wurden, Buffalo Bill in "Das Schweigen der Lämmer" und diese Darstellung hat für manche Menschen ihr Bild von Transgender geprägt. Dabei ist nicht unbedingt der Charakter das Problem, auch wenn man diesen heute wahrscheinlich anders zeigen würde, sondern, dass es überhaupt keine anderen als trans konnotierten Figuren gab, die sich eben keine Menschenhaut-Kleider basteln sondern einfach ganz normal leben wollten.
Ähnlich sehe ich das bei übergewichtigen Figuren.

Natürlich ist Übergewicht ungesund, das sind die Schuhe, in denen die meisten weiblichen Rollenspielfiguren rumlaufen aber auch. Den Sprung von Übergewicht direkt zu Body Horror zu machen, finde ich allerdings auch teilweise geschmacklos, allerdings fände ich das gar nicht so schlimm, wenn es nicht die beiden von mir oben genannten Punkte gäbe.
In Wirklichkeit bin ich Janna und podcaste hier ab und zu. Und in echt bin ich auch nicht so grün und flauschig wie auf dem Profilbild. Man kann mich auch auf Bluesky finden.
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Jochen Gebauer
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Re: Der Duke aus Resi VIII - oder: Fettleibigkeit stigmatisieren?

Beitrag von Jochen Gebauer »

Ironic Maiden hat geschrieben: 1. Jul 2021, 22:37Erstens, wenn körperliche oder andere Merkmale automatisch mit anderen Eigenschaften verknüpft werden. Also sind dicke Menschen nicht nur dick, sondern auch faul, dumm, undiszipliniert, u.U. pervers (und zwar nicht auf die "coole" Art), wenn man sie negativ darstellt, oder fröhlich und ein bisschen schlicht, wenn man sie positiv darstellen will
Das stimmt, ist aber eigentlich erst der zweite Schritt. Im ersten Schritt wird (oft impliziert) gesagt: Die Figur ist so, weil sie fett ist. Ersetze fett durch schwul, schwarz, weiblich usw. Statt einer echten Charakterisierung wird also ein biologisches Merkmal als sinnstiftend und konstituierend für die Figur herangezogen und damit ein Rahmen geschaffen, den sie nie mehr durchbrechen kann. Und genau so geht es ja Menschen dann auch im realen Leben. Dick? Schwul? Schwarz? Weiblich? Aus der Schublade kommt man je nach Rezipient gar nicht mehr oder nur noch sehr schwierig heraus. Dabei ist nichts davon auch nur ansatzweise persönlichkeitsstiftend. Und das finde ich das eigentlich problematische, die Reduktion auf ein biologisches Merkmal zur Herleitung einer Persönlichkeit. Da würde sich Mengele über die Theorie freuen.
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Lurtz
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Re: Der Duke aus Resi VIII - oder: Fettleibigkeit stigmatisieren?

Beitrag von Lurtz »

Man sollte bei Adipositas nicht vergessen, dass man bei der Prävalenz in westlichen Gesellschaften nicht mehr von einer individuellen Problematik sprechen kann, sondern von einer gesamtgesellschaftlichen Herausforderung. Das wird leider nur allzu oft vergessen und die Schuld rein auf das Verhalten der Betroffenen geschoben, obwohl seit Jahrzehnten bekannt ist, dass die grundsätzlichen Ursachen woanders liegen.

Empfehlenswerter Artikel dazu:
Every discovery in public health, no matter how significant, must compete with the traditions, assumptions and financial incentives of the society implementing it.

Which brings us to one of the largest gaps between science and practice in our own time. Years from now, we will look back in horror at the counterproductive ways we addressed the obesity epidemic and the barbaric ways we treated fat people—long after we knew there was a better path.
https://highline.huffingtonpost.com/art ... -is-wrong/
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That's a succinct summary of humankind, I'd say. Who needs tomes and volumes of history? Children are dying. The injustices of the world hide in those three words.
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Lurtz
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Re: Der Duke aus Resi VIII - oder: Fettleibigkeit stigmatisieren?

Beitrag von Lurtz »

Torgau hat geschrieben: 1. Jul 2021, 23:30
Das ist aus meiner Sicht ein schiefer Vergleich, weil Sexualität und Hautfarbe angeboren und unveränderbar sind, während hier die Betroffenen auf ihre Fettleibigkeit - mehr oder weniger - Einfluss haben und von der Nichtausübung dieses Einflusses gesellschaftlich zudem auf negative Charaktereigenschaften geschlossen wird.
Bitte nicht falsch verstehen - ich halte es für abstoßend sich einer Person gegenüber, die ihren Essdrang aus psychologischen und teilweise sicherlich genetischen Gründen nicht kontrollieren kann verletzend zu verhalten.
Aber immerhin gibt es zumindest theoretisch eine Abhilfemöglichkeit (die für den Betroffenenobjektiv betrachtet die bessere weil gesündere Alternative wäre), während Personen die wegen ihres Geschlechts, ihrer Sexualität oder ihrer Hautfarbe diskriminiert werden dem bis in alle Ewigkeit Amen in vollkommener Machtlosigkeit ausgesetzt sind obwohl es sich um neutrale Eigenschaften handelt.
Theoretisch ist das richtige Wort:
For 60 years, doctors and researchers have known two things that could have improved, or even saved, millions of lives. The first is that diets do not work. Not just paleo or Atkins or Weight Watchers or Goop, but all diets. Since 1959, research has shown that 95 to 98 percent of attempts to lose weight fail and that two-thirds of dieters gain back more than they lost. The reasons are biological and irreversible. As early as 1969, research showed that losing just 3 percent of your body weight resulted in a 17 percent slowdown in your metabolism—a body-wide starvation response that blasts you with hunger hormones and drops your internal temperature until you rise back to your highest weight. Keeping weight off means fighting your body’s energy-regulation system and battling hunger all day, every day, for the rest of your life.
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Otis
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Re: Der Duke aus Resi VIII - oder: Fettleibigkeit stigmatisieren?

Beitrag von Otis »

Als jemand, der selber im Leben die Waage hoch und runtergeklettert ist, empfand ich den Duke in keiner Weise als anstößig, beleidigend oder Fat-Shaming o.ä. Finde auch nicht, dass er sonderlich auf Ekel getrimmt gewesen wäre. Bei mir hat er jedenfalls nicht rumgefurzt oder ähnliches (einmal hat er manierlich gerülpst) mein Gesamteindruck war, dass er Dekadenz ausstrahlen soll, nicht Lol, der Dicke da. Die übertriebene Figur - er ist ja ähnlich wie Lady Dimitrescu auch ungewöhnlich groß, nicht nur einfach übergewichtig - kann man auch unter dem Aspekt betrachten, dass er ursprünglich als fünfter Lord unter Miranda designt worden war.

Gut, das mit dem Essen und den Sprüchen dazu kann man sicherlich so deuten, aber er kocht ja für Ethan, nicht für sich, und für mich wirkte es eben eher nicht wie: klar, der fette denkt wieder nur ans Essen. (Wie z.B. die unsägliche Darstellung von Wedge im FF7 Remake, au Backe war das unangenehm, penetrant, dumm und cringe.)

Allg. denke ich, sollte man Übergewicht nicht unter dem Deckmantel der Vielfalt, Toleranz oder des Kampfes gegen unrealistische Körperideale verharmlosen, denn es hat nun mal schwere gesundheitliche Folgen. Trotzdem muss man anerkennen, dass das ganze meist doch etwas komplexer ist als: „Die sollen halt nicht rund um die Uhr Fast Food in sich reinstopfen!”, und letztlich ist die Figur auch nur ein Aspekt eines Menschen und da, meine ich, müssen Spiele (oder Medien allgemein) ansetzen. Charaktere müssen nicht perfekt sein und eben auch runder gebaut oder sonst etwas, aber es darf halt nicht "Der Dicke" sein, sondern jemand, der auch dick ist. Das muss dann noch nicht mal thematisiert werden.
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IpsilonZ
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Re: Der Duke aus Resi VIII - oder: Fettleibigkeit stigmatisieren?

Beitrag von IpsilonZ »

Ich kenne Resident Evil VIII nur von Playthroughs die ich gesehen habe. Fand ihn da aber in erster Linie auf ne schräge Art recht charmant und auch nicht wirklich anstößig dargestellt. Da wo ich ihn so gesehen habe haben die Leute aber immer positiv auf ihn reagiert und haben auf mich auch nicht den Eindruck gemacht, als wären sie groß angewidert gewesen.
Ich kann aber schon sehen, warum man es in Kombination mit seiner Vorliebe fürs Essen und diesem ganzen Dekadenz-Thema als problematisch sieht.

Ich würde aber widersprechen, dass es für das Thema keine "Lobby" gibt. Fatshaming, Body Positivity etc. ist ja durchaus ein sehr großes Thema. Und gefühlt kommt das auch immer wieder auf, wenn das Thema halt wirklich negativ aufkommt. Ich denke beim Duke ist es eher ruhig geblieben eben weil er vielleicht nicht wirklich darauf reduziert wird bzw. nicht negativ dargestellt wird?
Liegt jetzt etwas weiter zurück aber ich erinnere mich zum Beispiel an das "Schwanger oder Dick?"-Beispiel von Chris Tall. Sonst scheint sich bei dem Thema halt grundsätzlich auch zum Glück recht viel getan zu haben. Übers deutsche Fernsehen kann ich aber grad nichts zu sagen, weil ich darauf grad keinen Zugriff habe... ^^

Ich persönlich würde die Darstellung des Fischtypens da zum Beispiel als schwieriger sehen.
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Edelknödel
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Re: Der Duke aus Resi VIII - oder: Fettleibigkeit stigmatisieren?

Beitrag von Edelknödel »

Lurtz hat geschrieben: 1. Jul 2021, 23:38 Theoretisch ist das richtige Wort:
For 60 years, doctors and researchers have known two things that could have improved, or even saved, millions of lives. The first is that diets do not work. Not just paleo or Atkins or Weight Watchers or Goop, but all diets. Since 1959, research has shown that 95 to 98 percent of attempts to lose weight fail and that two-thirds of dieters gain back more than they lost. The reasons are biological and irreversible. As early as 1969, research showed that losing just 3 percent of your body weight resulted in a 17 percent slowdown in your metabolism—a body-wide starvation response that blasts you with hunger hormones and drops your internal temperature until you rise back to your highest weight. Keeping weight off means fighting your body’s energy-regulation system and battling hunger all day, every day, for the rest of your life.
Ich halte das für Quatsch. Natürlich kann man sein Körpergewicht reduzieren und auch dauerhaft halten. Um das zu erreichen braucht man allerdings eine Diät im ursprünglichen Sinn von "Lebensweise" und nicht im Sinne von "Schlankheitskur". Eine Schlankheitskur kann man natürlich als Kickoff nutzen um initial recht zügig sein Gewicht zu reduzieren. Im Anschluss muss man allerdings grundlegend und dauerhaft seinen Lebenswandel ändern. D.h. gesündere Ernährung, lernen besser abzuschätzen, wieviel man Essen kann / soll um sein Gewicht zu halten. Regelmäßig Sport / Bewegung. Das ist natürlich nicht einfach und erfordert Disziplin und Willensstärke und ohne den Willen wirklich etwas ändern zu wollen wird es natürlich auch scheitern.

Ansonsten finde ich es problematisch (starkes) Übergewicht zu verharmlosen. Es käme auch niemand auf die Idee Magersucht Acceptance zu propagieren.
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Lurtz
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Re: Der Duke aus Resi VIII - oder: Fettleibigkeit stigmatisieren?

Beitrag von Lurtz »

Edelknödel hat geschrieben: 2. Jul 2021, 15:25Ich halte das für Quatsch. Natürlich kann man sein Körpergewicht reduzieren und auch dauerhaft halten. Um das zu erreichen braucht man allerdings eine Diät im ursprünglichen Sinn von "Lebensweise" und nicht im Sinne von "Schlankheitskur". Eine Schlankheitskur kann man natürlich als Kickoff nutzen um initial recht zügig sein Gewicht zu reduzieren. Im Anschluss muss man allerdings grundlegend und dauerhaft seinen Lebenswandel ändern. D.h. gesündere Ernährung, lernen besser abzuschätzen, wieviel man Essen kann / soll um sein Gewicht zu halten. Regelmäßig Sport / Bewegung. Das ist natürlich nicht einfach und erfordert Disziplin und Willensstärke und ohne den Willen wirklich etwas ändern zu wollen wird es natürlich auch scheitern.

Ansonsten finde ich es problematisch (starkes) Übergewicht zu verharmlosen. Es käme auch niemand auf die Idee Magersucht Acceptance zu propagieren.
Es geht nicht um Verharmlosen, es geht darum die wahren Gründe dahinter zu benennen und besser damit umzugehen als in der Vergangenheit.

Aber man sieht ja auch hier in Ansätzen, dass jeder sich dafür als Experte sieht, denn es gibt ja genug Normalgewichtige und jeder hat es auch schon mal geschafft, sein Gewicht zu ändern, und dann werden entgegen wissenschaftlicher Erkenntnisse die üblichen Phrasen von mangelnder Willensstärke, mangelnder Disziplin etc. wiedergegeben... Selbst viele Ärzte machen sich da leider schuldig und sehen sich im Recht Übergewichtige bei jeder Gelegenheit mit wenig hilfreichen Ratschlägen zu versorgen, selbst wenn diese Ratschläge erwiesenermaßen kontraproduktiv sind oder sogar die Gesundheit des Patienten gefährden, wenn aufgrund des Übergewichts zB wichtige Behandlungen vorenthalten werden oder nicht nach der Ursache von Krankheitssymptomen gesucht wird.

In den USA sind mittlerweile mehr als zwei Drittel der erwachsenen Bevölkerung übergewichtig und da steuern wir mit ein paar Jahren Verzögerung auch hin, selbst wenn wir das als Grund akzeptieren, was folgt daraus? Dass wir einem überwiegenden Großteil der Bevölkerung mangelnden Willen attestieren, und eine der größten Public Health-Krisen der Gegenwart einfach weiter in Kauf nehmen? Klingt nach keiner soliden Strategie.
Zuletzt geändert von Lurtz am 2. Jul 2021, 15:49, insgesamt 1-mal geändert.
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TheDarkShadow
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Re: Der Duke aus Resi VIII - oder: Fettleibigkeit stigmatisieren?

Beitrag von TheDarkShadow »

Lurtz hat geschrieben: 2. Jul 2021, 15:42 [...]
Aber man sieht ja auch hier in Ansätzen, dass jeder sich dafür als Experte sieht, denn es gibt ja genug Normalgewichtige und jeder hat es auch schon mal geschafft, sein Gewicht zu ändern, und dann werden entgegen wissenschaftlicher Erkenntnisse die üblichen Phrasen von mangelnder Willensstärke, mangelnder Disziplin etc. wiedergegeben... Selbst viele Ärzte machen sich da leider schuldig und sehen sich im Recht Übergewichtige bei jeder Gelegenheit mit wenig hilfreichen Ratschlägen zu versorgen, selbst wenn diese Ratschläge erwiesenermaßen kontraproduktiv sind oder sogar die Gesundheit des Patienten gefährden, wenn aufgrund des Übergewichts zB wichtige Behandlungen vorenthalten werden oder nicht nach der Ursache von Krankheitssymptomen gesucht wird.
[...]
Interessant, danke für die Verklinkung zum spannenden Artikel.
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Feamorn
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Re: Der Duke aus Resi VIII - oder: Fettleibigkeit stigmatisieren?

Beitrag von Feamorn »

Edelknödel hat geschrieben: 2. Jul 2021, 15:25
Lurtz hat geschrieben: 1. Jul 2021, 23:38 Theoretisch ist das richtige Wort:
For 60 years, doctors and researchers have known two things that could have improved, or even saved, millions of lives. The first is that diets do not work. Not just paleo or Atkins or Weight Watchers or Goop, but all diets. Since 1959, research has shown that 95 to 98 percent of attempts to lose weight fail and that two-thirds of dieters gain back more than they lost. The reasons are biological and irreversible. As early as 1969, research showed that losing just 3 percent of your body weight resulted in a 17 percent slowdown in your metabolism—a body-wide starvation response that blasts you with hunger hormones and drops your internal temperature until you rise back to your highest weight. Keeping weight off means fighting your body’s energy-regulation system and battling hunger all day, every day, for the rest of your life.
Ich halte das für Quatsch. Natürlich kann man sein Körpergewicht reduzieren und auch dauerhaft halten. Um das zu erreichen braucht man allerdings eine Diät im ursprünglichen Sinn von "Lebensweise" und nicht im Sinne von "Schlankheitskur". Eine Schlankheitskur kann man natürlich als Kickoff nutzen um initial recht zügig sein Gewicht zu reduzieren. Im Anschluss muss man allerdings grundlegend und dauerhaft seinen Lebenswandel ändern. D.h. gesündere Ernährung, lernen besser abzuschätzen, wieviel man Essen kann / soll um sein Gewicht zu halten. Regelmäßig Sport / Bewegung. Das ist natürlich nicht einfach und erfordert Disziplin und Willensstärke und ohne den Willen wirklich etwas ändern zu wollen wird es natürlich auch scheitern.

Ansonsten finde ich es problematisch (starkes) Übergewicht zu verharmlosen. Es käme auch niemand auf die Idee Magersucht Acceptance zu propagieren.
Prinzipiell würde ich dir da zu weiten Teilen recht geben. Ich hielte es allerdings für wichtig, dass die Diskussion zu dem Thema endlich mal etwas tiefschichtiger wird. Zum einen fände ich es relevant zu beachten, dass Übergewicht nicht gleich Übergewicht ist, und, in einem bestimmten Maße nicht per se schlimm. Andererseits muss man eben auch aufpassen, dass durch die "fat acceptance" nicht dem krankhaften Übergewicht das Wort geredet wird. Krankhaft sehe ich in dem Sinne auch von zwei Seiten, zum einen macht zu hohes Gewicht krank, zum anderen stammt es aber sehr, sehr oft auch aus krankhaften Umständen.
Dicke essen ja nicht einfach so zu viel. Ich habe das Problem selbst, hatte es vor Corona auch geschafft, endlich die Wende zu erreichen und hatte bereits 20kg abgenommen und wäre gerne noch 10kg weiter runter gekommen, leider haben gewisse Umstände dazu geführt, dass es bei mir am Ende wieder in die andere Richtung ging, und ich fast wieder am Ausgangspunkt angelangt bin. :(
Zum einen ist Essen bei mir zu einem großen Teil ein Coping-Mechanism, das heißt, habe ich Stress oder auch starke Langeweile, esse ich mehr und häufiger. Das ist angelerntes Verhalten, dass man nur sehr schwer wieder los wird, und bei dem man auch verdammt schnell rückfällig wird. Dazu kommt, dass ich, unter anderem durch andere vorhandene Krankheiten, Sport bereits in der Kindheit nie als etwas positives wahrgenommen habe und auch heute noch stark mit mir selbst kämpfen muss, Sport zu machen. Ergänzend dann noch eine Depression, diverse Ängste etc. pp., die dazu führen dass ich tendenziell eher zu Hause esse, als draussen auf dem Fahrrad (nur als Beispiel) Fett zu verbrennen. Das hatte ich bis ca. Ende 2019 dann ganz gut im Griff, auch dank verhaltensbasierter Psychotherapie, dann kamen in kurzen Abständen ein tragischer Tod im Freundeskreis, dann Corona und Schwupps war ein Großteil meiner Ersatzbefriedigungen und Ausweichaktivitäten weg und ich quasi um 3+ Jahre zurück geworfen, mit den entsprechenden Auswirkungen auf mein Gewicht. (In meinem Fall: kein täglicher, teils Fußweg, zur Arbeit mehr, Fitnessstudio selbst als sie noch offen hatten keine Option, so lange ich ungeimpft war (auch ohne Übergewicht Risikogruppe durch Vorerkrankung), keine Konzerte, Kino, sonst was (wo man eben nicht alleine zu Hause ist und tendenziell auch weniger isst).)

Worauf ich damit hinaus will: es müsste Gesellschaftlich an vielen Stellen etwas getan werden, um die Volkskrankheit Adipositas in den Griff zu bekommen, angefangen bei der Qualität des Essens (bzw. strengerer Regeln für stark verarbeitete Produkte), über mehr Ernährungslehre in Schulen, bis hin zu mehr therapeutischer Unterstützung für Betroffene. Die üblichen Ratschläge (um es nicht spitze Bemerkungen zu nennen), die Hausärzte und die Umwelt auch gerne mal fallen lassen "sie müssen mehr Sport machen", "sie müssen sich gesünder Ernähren" sind nicht wirklich hilfreich. Und da oben drauf kommen dann eben noch gehässige Kommentare bis Beleidigungen und das hier im Thread diskutierte Bild von "Dicken" in den Medien, die alle extrem Kontraproduktiv sind und das Problem noch verschärfen (ich denke, für viele gilt: emotionaler Stress/Schmerz -> noch mehr Essen). Dazu dann auch teilweise Hemmungen, seinen Körper in der Öffentlichkeit zu zeigen, eben dadurch eingetrichtert, dass Dicksein immer so negativ und nicht erwünscht dargestellt wird und durch böse Kommentare wird das dann noch verfestigt. Ich hatte, neben der Therapie, das große Glück, dass ich 2018 umgezogen bin, und zufällig in relativer Nähe eines Sportvereins inklusive Fitnessstudio gelandet bin, bei dem ich mir keine Sorge machen muss, als Fettsack beim Schwitzen begafft zu werden, vorher hatte ich echt unglaublich große Hemmungen, in ein Fitnessstudio zu gehen, genauso, wie ich, aus gleichem Grund, effektiv seit 20 Jahren kein Schwimmbad mehr besucht habe, obwohl ich echt gerne Schwimme. (Andererseits ist das Preisschild für Verein + Studio am Ende auch wieder so hoch, dass da viele, die weniger verdienen als ich, da echt ihre Probleme haben dürften, das zu stemmen, noch ein wichtiger Punkt, an dem was getan werden müsste. (Und sofern da schon Angebote vorhanden sind, müssten die deutlicher kommuniziert werden, dass sie bei den Adressaten auch wirklich ankommen.) Da wäre eine gewisse "fat acceptance", in dem Sinne, dass zumindest die ganzen unnötigen Gemeinheiten und diese "ist ja eh selbst Schuld"-Mentalität wegfallen, durchaus eine große Hilfe, denke ich. Deshalb muss man ja noch kein krankhaftes Übergewicht loben.

(Das ganze gibt es übrigens auch am anderen Ende des Spektrums, ich kenne sehr dünne Leute (wohlgemerkt: nicht untergewichtig!), die keine Essstörung haben, sich aber auch immer wieder "wohlmeinende" Kommentare anhören dürfen. Es wäre allgemein echt schön, wenn man von dieser ständigen Bewertung der Körper anderer mal weg käme.)

PS: Während ich schrieb hat Lurtz ein paar meiner Punkte auch schon genannt.
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Ironic Maiden
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Re: Der Duke aus Resi VIII - oder: Fettleibigkeit stigmatisieren?

Beitrag von Ironic Maiden »

Eine der Usprungsfragen hier war ja auch, warum es scheinbar in Ordnung zu sein scheint, oder auf wenig Protest stößt, wenn dicke Menschen aufgrund ihres Gewichts als abstoßend dargestellt oder stigmatisiert werden. Da geht es einfach darum, wie man mit Gruppen umgeht, die von einer gesetzten Norm abweichen. (Deswegen finde ich es auch legitim, da auch die Darstellung von Rasse, sexueller Orientierung usw. mit einzubeziehen, weil es erstmal nur darum geht, dass diese Gruppen von einer Norm abweichen, und nicht warum.)

Die Frage, inwiefern Menschen ihr Gewicht bewusst beeinflussen können, ist ja unabhängig davon. Ich persönlich habe in den letzten zwei Jahren etwa 20 kg abgenommen. Das war das zunächst mal das Resultat einer bewussten Entscheidung, gesünder zu essen um einige gesundheitliche Probleme in den Griff zu bekommen. Gewichtsreduktion war anfangs nur ein schöner Nebeneffekt.
Ich bin also durchaus davon überzeugt, dass manche Menschen ihr Gewicht in den Griff kriegen könnten. Ich weiß aber nicht, ob dass auf alle zutrifft, da es dafür zu viele verschiedene Ausgangssituationen und Voraussetzungen gibt. Deswegen würde ich nie darüber urteilen, dass jemand anders übergewichtig ist, denn ich stecke nicht in seiner/ihrer Situation.

Wovon ich aber überzeugt bin ist, dass eine Darstellung von Übergewicht als abstoßend, eklig oder direkt als Horror niemals irgendwen dazu bringen kann, langsfristig und gesund abzunehmen. Vielleicht gibt es Dicke, die sich unangenehm berührt fühlen und dann eine zeitlang kürzer treten, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass das lange genug trägt. Und wenn jemand dermaßen geschockt ist und sich dann so vor sich selbst ekelt, dass er/sie nur dewegen abnimmt, ist das kein gesunder Umgang mit dem eigenen Körper sondern einfach Selbsthass und im schlimmsten Fall ein Weg in eine Essstörung.
Insofern ist die stigmatisierende Darstellung von Dicken ganz gewiss kein Beitrag zur Volksgesundheit, sondern (meist) ein billiger erzählerischer Trick.
In Wirklichkeit bin ich Janna und podcaste hier ab und zu. Und in echt bin ich auch nicht so grün und flauschig wie auf dem Profilbild. Man kann mich auch auf Bluesky finden.
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Lurtz
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Re: Der Duke aus Resi VIII - oder: Fettleibigkeit stigmatisieren?

Beitrag von Lurtz »

Feamorn hat geschrieben: 2. Jul 2021, 16:02Worauf ich damit hinaus will: es müsste Gesellschaftlich an vielen Stellen etwas getan werden, um die Volkskrankheit Adipositas in den Griff zu bekommen, angefangen bei der Qualität des Essens (bzw. strengerer Regeln für stark verarbeitete Produkte), über mehr Ernährungslehre in Schulen, bis hin zu mehr therapeutischer Unterstützung für Betroffene.
Ja, da muss sich gesamtgesellschaftlich dringend was tun. Man weiß längst, dass schlechte Ernährung vor allem aus mangelndem Wissen und Wissensvermittelung kommt, dennoch wird Ernährung und seine Folgen wie ein Individualrisiko behandelt. Es gibt kaum staatliche Maßnahmen um das Bewusstsein der Leute da zu schärfen, weil die Politiker natürlich auch entsprechend oft unter der Fuchtel der Lebensmittelkonzerne stehen. Siehe den bisherigen K(r)ampf um die Lebensmittelampel.

Schon Kita-Kindern darf man in Deutschland, Verzeichung aber es ist so, jeden Scheiß zum Frass vorwerfen, da gibt es null Vorschriften, in dem Alter wenigstens schon eine ausgewogene Ernährung zu vermitteln und auch tatsächlich zu ermöglichen. Bei unserer Tochter in der Kita sind Nudeln mit Tomatensoße oder ein Eintopf schon so ziemlich das beste was es gibt, was gibt es sonst teils mehrmals pro Woche? Fischstäbchen. Currywurst mit Pommes. Grießbrei. Kaiserschmarrn.

Das ist in meinen Augen gerade angesichts der Adipositas-Epidemie nicht weniger als skandalös, aber es interessiert halt auch keinen weiter.
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That's a succinct summary of humankind, I'd say. Who needs tomes and volumes of history? Children are dying. The injustices of the world hide in those three words.
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Heretic
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Re: Der Duke aus Resi VIII - oder: Fettleibigkeit stigmatisieren?

Beitrag von Heretic »

Um das nochmal klarzustellen: Ich finde es nicht gut, wenn Übergewichtige in Horrorszenarien als Schreckgestalten herhalten müssen. Ich meinte vielmehr, dass in einem fiktiven Szenario wie in "Little Nightmares" oder "Resident Evil: Village" extreme Darstellungsformen weniger problematisch sein können, weil man eben so weit von der Realität entfernt ist. Ich meine, der Duke ist ja offensichtlich kein Mensch, sondern ein übernatürliches Wesen. Das sich seine Erscheinungsform womöglich selbst ausgesucht hat.
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Re: Der Duke aus Resi VIII - oder: Fettleibigkeit stigmatisieren?

Beitrag von Voigt »

Ich glaube worum es ging war, dass man mit "eisenharter Disziplin" das Übergewicht durchaus bekämpfen kann, dies aber halt wunderlich schwer ist, dass man sich so streng dran halten muss um ein Normalgewicht zu halten.

Daher Gesellschaftlich wichtiger ist es mach Ursachen zu suchen, warum ein immer größerer Teil "natürlich" übergewichtig wird, und das im Gegenzug nur mir ausergewöhnlichen Anstrengungen bekämpfen kann.

Daher lieber die Ursache wie beispielsweise systematischen Stress bekämpfen, statt Leuten did betroffen sind zu sagen, du musst dich nur übermäßig anstrengen um am Ende auch "nur normal" zu sein.

Ansonsten, selber hatte ich halt nie mit Übergewicht zu kämpfen, war eher am Rande zu Untergewicht. Würde aber nich sagen, dass ich wenig esse oder nasche, oder wirklick aktiv bin und mich bewege.
Warum bin ich eher richtung Untergewicht mit sehr laxen Verhalten, und andere müssen eiserne Disziplin jeden Tag beweisen, wie ein trockener Alkoholiker?
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Re: Der Duke aus Resi VIII - oder: Fettleibigkeit stigmatisieren?

Beitrag von Feamorn »

Voigt hat geschrieben: 2. Jul 2021, 23:31
Warum bin ich eher richtung Untergewicht mit sehr laxen Verhalten, und andere müssen eiserne Disziplin jeden Tag beweisen, wie ein trockener Alkoholiker?
Da muss ich immer an den Spruch mit den "guten" und "schlechten" Verwertern denken, weiß aber nicht, wie wissenschaftlich fundiert das tatsächlich ist, halte das aber für einigermaßen einleuchtend als Gedanke.
Die Idee wäre folgende:
Einige Menschen (vermutlich meine Gruppe), setzen von den zu sich genommenen Nährstoffen verhältnismäßig viele um, der Überschuss wird dann eben als Fett für "schlechte Zeiten" gespeichert, umgekehrt gibt es eine Gruppe Menschen, zu der dann Du gehören würdest, die entsprechend wenig der zu sich genommenen Nährstoffen umsetzen, also beim aktuellen konstanten "Überschuss" an verfügbaren Brennwerten keine oder weniger Reserven aufbauen. Im Falle einer Eiszeit als Jäger und Sammler wäre Gruppe 1 gegenüber Gruppe 2 natürlich im Vorteil, aber in unserer weit entwickelten Gesellschaft führt das bei Gruppe 1 eben sehr schnell zu Übergewicht, während Gruppe 2 damit keine Probleme hat
Wie gesagt, alles Küchenwissenschaft, falls da jemand fundierte Quellen kennt, gerne her damit. In der Realität würde das natürlich eher ein Spektrum als binäre Gruppen sein.
Ich hatte früher auch einen Kumpel, der bei McDonald's mal locker drei Big Macs nebst Unmengen an Bier verdrücken konnte und locker beim Normalgewicht blieb, während bei mir schon zwei Cheeseburger aus dem Sparmenü auf die Hüften gingen. Da wären es am Ende tatsächlich die Gene (und als letzte Konsequenz müssten sich verschiedene Menschen völlig unterschiedlich ernähren, anstatt alle mit den gleichen sollen Tabellen konfrontiert zu werden).
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Re: Der Duke aus Resi VIII - oder: Fettleibigkeit stigmatisieren?

Beitrag von Peter »

Feamorn hat geschrieben: 2. Jul 2021, 23:45 (und als letzte Konsequenz müssten sich verschiedene Menschen völlig unterschiedlich ernähren, anstatt alle mit den gleichen sollen Tabellen konfrontiert zu werden).
Das ist ja auch so. Würde ich die vorgeschlagene Kalorienmenge zu mir nehmen, würde ich wahrscheinlich nach einem Monat mit einem Schwächeanfall im Krankenhaus landen. Stattdessen das übliche Frühstück und Mittagessen, Abends noch eine Pizza und zwischendurch ne Tafel Schokolade. Und damit kann ich gerade mal 70kg halten (bei 1,83m). Ähnlich bei meiner Freundin: Die futtert jeden Tag nebenher ne ganze Tüte Chips und kippt nen Liter Cola runter und kommt damit gerade mal an die 50kg ran. Ohne das (und teils selbst damit) hält sie jeder für magersüchtig. Die genetischen Voraussetzungen sind nunmal gänzlich unterschiedlich und dementsprechend sind allgemeine Empfehlungen eigentlich Quatsch.
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Re: Der Duke aus Resi VIII - oder: Fettleibigkeit stigmatisieren?

Beitrag von LegendaryAndre »

All diese Gedanken sind mir bei der Darstellung des Dukes in Resident Evil 8 gar nicht gekommen, deshalb finde ich diese Diskussion und die unterschiedlichen Meinungen dazu sehr spannend. Mir war gar nicht bewusst dass das so aufgefasst werden kann.

Zum Thema Fettleibigkeit allgemein kann ich nur sagen dass ich selbst auch mal betroffen war. In meiner Jugendzeit war ich aufgrund einer Essstörung viel zu dünn, während ich im Erwachsenenalter für ein paar Jahre ziemlich dick wurde. Das lag aber an einer psychischen Erkrankung und mangelnder Kontrolle des Essverhaltens die in Verbindung mit dem seelischen Ungleichgewicht stand. Gesprächstherapie (einzeln und in der Gruppe) haben mir geholfen dieses Tief dauerhaft zu überwinden. Seit einigen Jahren ernähre ich mich weitgehend gesund, trainiere regelmäßig, mache Yoga und gehe klettern und dementsprechend habe ich auch ein normales Gewicht. Ich stelle mich gar nicht mehr auf die Waage, weil mir mein Gewand anders als früher immer passt und ich mich fit und gesund fühle. Ich will aber zumindest anführen dass ich die Erfahrung gemacht habe dass sowohl Fettleibigkeit als auch psychische Probleme von vielen Leuten so abgetan werden, als wäre man einzig selbst daran schuld, weil es Zustände sind die man ja selbst mit Disziplin ändern könnte. Das hat zwar in meinem Fall gestimmt, aber es hat dennoch Jahre gedauert bis ich an den Punkt gekommen bin und ohne Hilfe von außen hätte ich mich ungleich schwerer getan. Das zuzugeben wäre mir damals auch nicht möglich gewesen, da man sich auch irgendwie dafür schämt. Personen die behaupten, dass man diese Dinge leicht mit Disziplin ändern kann, haben vermutlich eine ganz andere Lebensgeschichte.

Doch um auf das Thema zurückzukommen - der Duke hat meine Vergangenheitserlebnisse nicht getriggert. Ich fand die Figur irgendwie faszinierend, natürlich auch wegen der Statur und der Art ihres Auftreten in dieser Spielwelt.
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