Dishonored: ich würde sagen, spiel' wie Du willst. Man muss auch nicht entweder nur durch die Level berserkern oder nur verschonend umherschleichen, um das High- oder das Low-Chaos-Ende zu sehen.
Meine Gedanken zu Welcome To Hanwell, nachdem ich es nun durch habe:
War von der Idee her nett. Man hat diese Kleinstadt nahezu frei zu erkunden und durch wechselndes Wetter und verschiedene Tageszeiten kommt Stimmung auf. Am ehesten mit den Außengebieten im ersten Silent Hill vergleichbar, wenn auch zeitlich ein etwas moderneres Setting. Auch das Radio, das bei Gegnernähe rauscht, ist da abgeguckt. Ansonsten halten sich Ähnlichkeiten zur Silent-Hill-Reihe stark in Grenzen, auch wenn man in Bewertungen häufig as Gegenteil liest. Aber ist ja immer so, kaum wabern zwei Nebelfetzen durch die Luft, heißt es: "Wow, it's like Silent Hill!"
Es gibt viele Unter-Locations, die man betreten kann, und dort wird dann meist irgendwie etwas horrormäßiges inszeniert, mal nur eine kleine Szene, mal muss man in Outlastmanier auf der Suche nach Schlüsseln o.ä. in etwas größeren Räumlichkeiten herumsuchen. Das meiste ist nicht sonderlich originell, aber wird meist durchaus wirkungsvoll umgesetzt. Ich habe mich oft gegruselt und ab und an sogar leichte Panik verspürt.
Was verwehrt diesem Spiel höhere Anerkennung?
Zum einen gibt es außer sehr rudimentärem Kampf keine richtigen Gameplay-Mechanismen. Es wirkt alles wie bei der Engine mitgeliefert, also setzen wir es ein, aber es steckt kein greifbares Spieldesign dahinter. So hat man einen Kriechen-Knopf und kann entweder rennen oder langsam gehen, schleichen halt, aber das Spiel hat kein echtes Stealth. So hat der Kriechen-Knopf lediglich an zwei, drei Stellen, an denen man sich ducken muss, um wo durch zu kommen, eine tatsächliche Funktion. Man kann sich in dem Sinne nicht verstecken oder umherlaufende Gegner umgehen, wie man das aus anderen Horrorschleichern kennt, und das, obwohl es viele Passagen gibt, wo man gezwungen wird, ohne Waffe unterwegs zu sein.
Problem ist:
Man kann Batterien für die Taschenlampe finden, aber man braucht die Taschenlampe zu selten, als dass das irgendwie Sinn ergibt. Soweit ich das verstanden habe, setzt man die Batterien auch nur ein, wenn man die Lampe zu lange an hat, dann ist sie leer und man muss entweder warten, bis sie sich wieder aufgeladen hat, oder kann sie sofort mit einer Batterie wieder einsatzbereit machen. Ich weiß nicht mal, was man dafür drücken müsste, denn bei mir war die Lampe nie alle. Diese Mechanik ist nur im Spiel, weil man das aus Outlast und Amnesia usw. halt kennt, dass die Lichtquelle begrenzt ist, aber ein echtes Ressourcenmanagment gibt es nicht. (Nebenbei auch nicht mit Heilitems o.ä., das Spiel setzt auf Auto-Heal.)
Die Rätsel sind sehr, sehr einfach … sind eigentlich keine Rätsel. Finde Passwort/Code oder finde Schlüssel. Und das ist dann meist auch gleich ein Schlüssel für alle Türen im jeweiligen Gebiet. (Was ich recht erfrischend fand, aber macht‘s halt bisschen einfach.)
Nächstes Problem ist das langweilige und abgedroschene Gegnerdesign, ebenfalls der Marke Engine-Assets. Man hat
Wo und wie die Damen zu Monstern geworden herkommen, wird nicht gefragt und nicht beantwortet. Halt irgendein ominöses Experiment, aber was genau da wozu gemacht wird, bleibt offen.
Und völlig unpassend zum Rest des Gegnerdesigns: Spinnen. Weil, keine Ahnung, waren wohl im Asset-Packet mit dabei oder so.
Weitere Schwäche: Kampfsystem. Erst ist man überfordert, aber sobald man das nötige Timing erfasst hat, sind die Kämpfe nur noch banal bis lästig. Problematisch wird es nur, wenn man mehrere Gegner in direkter Folge oder gar auf einmal vor sich hat, denn man kann nicht verhindern, dass man getroffen wird, wenn man selber in Schlagreichweite sein will. D.h. für jeden Treffer, den man landet, kassiert man selber ein, außer man tötet das Monster mit diesem Schlag, aber selbst dann können sie einen noch treffen, weil die Angriffsanimation halt schon gestartet war; was bei ein, zwei Gegnern noch funktioniert, ab drei kommt die Gesundheitsregeneration nicht hinterher. Groß was ausmachen tut's Sterben aber auch eher nicht.
Man kann theoretisch blocken, doch den Schaden zu mindern scheint das nicht und es ist immer eh besser, die Gelegenheit zum Angreifen zu nutzen. Zudem geht Blocken auch nur mit Waffe. Hat man keine, kann man mit dem Knopf beim Rennen nach hinten sehen, nützlich für Fluchtsequenzen … die so nicht vorkommen. Aber haben wir bei anderen Spielen gesehen und fanden es cool, also ist das in unserem Spiel jetzt auch drin.
Wie illusorisch man hier sein eigenes Spiel betrachtet hat, erkennt man daran, dass es eine Kampfarena gibt, wo man auf Knopfdruck Gegnerwellen niederknüppeln darf, rein optional. Dear Devs … Ihr glaubt echt, dass das jemandem Spaß macht? (Oder überhaupt sollte?) Und man muss das auch in dem Zusammenhang sehen, dass man im Außengebiet permanent spawnende Gegner hat und Wegrennen eher wenig bringt.
Zu diesem Punkt: es hätte dringend eine Zwischenabfrage für das Gegnerspawning gebraucht. Im normalen Story-Verlauf ist das noch okay, aber spätestens, wenn man sich auf die Suche nach Collectibles macht, nerven die Viecher ab. Eine Mechanik, die die Häufigkeit irgendwie regelt, hätte dem Spiel mehr als gut getan. Dabei ist das Konzept an sich schön, dass in der Stadt diese Anomalien auftreten und Gegner ausspucken, und gerade, weil die Spielstruktur offen ist, auch mehr oder weniger notwendig, dass die Monster respawnen bzw. generell zufällig erscheinen. Nur das Pacing (in dem Außengebiet!) war leider schlecht bzw. nicht vorhanden.
Die Story ist klischeehaft und auf B-Movie-Niveau geschrieben. Immerhin bekommt man den Eindruck, es ginge etwas größeres vor sich als nur diese komische Stadt, im Setting steckt also Potential. Ich glaube nur nicht, dass das in Nachfolgern gut genutzt werden wird, aber eine gute Idee fühlt sich zum Greifen nah an.
Zu allem inhaltlichen gesellt sich dann die Technik irgendwo zwischen A und AA angesiedelt. Ich würde dem ganzen ein "Die vorhandenen Ressourcen gut genutzt"-Gütesiegel aufdrücken. Vieles wirkt etwas billig, aber man merkt definitiv, dass hier jemand ein Herzensprojekt durchgepowert, sich viel Mühe gegeben und auch überall schöne Kleinigkeiten versteckt hat. Dass der nicht alles super gut hinbekommen hat, geschenkt, aber es ist halt kein mülliger Asset-Flip-Schrott.
Dass ich überhaupt so viel darüber nachdenke und hier so einen langen Text schreibe, zeigt, dass es mich irgendwo begeistert hat bzw. es interessant genug war, sich damit zu beschäftigen, auch wenn ich hier hauptsächlich über die Mängel geschrieben habe. Wie gesagt, an sich hat es mir gefallen und ich würde mir Nachfolger mit Verbesserungen in wichtigen Bereichen wünschen.