Erzählstrukturen / -situationen in Videospielen

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KingSirus
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Erzählstrukturen / -situationen in Videospielen

Beitrag von KingSirus »

Eine Kleinigkeit die Jochen im neuen Podcast zu Firewatch sagte, hat mich etwas aufhorchen lassen und bewirkt nun, dass ich ein spezielles Thema ansprechen möchte.

So spricht Jochen an, dass er quasi nicht weiß, was er mit sich und seiner Spielfigur anfangen soll, wenn die Figuren Gespräche führen. Dies erzeugte spontan in meinem Kopf einen Gedanken: „Wie findet er dann wohl den Erzähler in Bastion?“

Und während ich den Podcast weiter hörte, kam ich von dieser einen Frage nicht los, denn sie entwickelte sich schnell weiter zum allgemeinen Thema: „Welche Erzählstrukturen / -situationen bieten Videospiele im Vergleich zu Filmen und Büchern? Und inwiefern unterscheiden sich diese?“

Zuerst einmal des einfachen Überblicks wegen möchte ich die wichtigsten Erzählformen kurz anschneiden:

1) Auktorialer / Allwissender Erzähler – Wie der Name schon sagt, hat der Erzähler das komplette Geschehen im Blick.
2) Personaler Erzähler – Anders als der allwissende Erzähler, hat dieser eine beschränktere Sicht auf das Geschehen, da lediglich aus der Perspektive einer / mehrerer Figur(en) geschildert wird.
3) Neutraler Erzähler – Sehr ähnlich dem personalen Erzähler, jedoch wird hier kein Kommentar oder Wertung abgegeben, wodurch der Erzähler absolut sachlich schildert was geschieht.
4) Ich-Erzähler – In dieser Form erleben wir das Geschehen aus der Sicht einer konkreten Figur und unterliegen ihrer Interpretation der Umwelt.
5) Unzuverlässiger Erzähler – Der unzuverlässige Erzähler ist keine Erzählform wie die vorherigen vier, sondern ist eher eine zusätzliche Eigenschaft, die mit den anderen Erzählern einhergeht. Denn dem unzuverlässigen Erzähler ist grundsätzlich zu misstrauen, da er den Leser gezielt zu manipulieren versucht mit Lügen oder Auslassen von Informationen.

Wenn man sich diese groben Definitionen anschaut, merkt man schnell, dass bestimmte Formen in bestimmten Medien sich eher anbieten oder häufiger vertreten sind. So ist der Ich-Erzähler in Filmen eher selten vertreten (die Kamera würde hier konkret den Blick des Protagonisten darstellen, wie es beispielsweise im Horror-Film „Maniac“ geschieht). In Romanen wird diese Perspektive noch eher genutzt, jedoch auch hier sind allwissender oder personaler Erzähler eher vertreten.

Gerade die Perspektive des allwissenden Erzählers ist die in Filmen am stärksten vertretene Form. Der neutrale Erzähler ist dagegen quasi nicht möglich, wohingegen sich das unzuverlässige Erzählen in Filmen wie „Ocean’s Eleven“ beispielsweise zeigt.

Und nun kommen wir zu Videospielen. Hier haben sich je nach Genre gewisse Erzählsituationen etabliert. So sind Ego-Shooter (wie der Name schon sagt) der klassische Fall des Ich-Erzählers. In Point-and-Click Adventuren war oftmals der personale Erzähler vertreten, wohingegen auch hier sich alternativ der Ich-Erzähler wiederfand (beispielsweise in den „Sherlock Holmes“-Spielen etablierte sich dieser). Grundsätzlich waren der in anderen Medien selten vertretende Ich-Erzähler und der personale Erzähler die stärksten Vertreter im Videospielmedium.

Jedoch habe ich festgestellt – als ich wie zu Anfang berichtet beim Hören des Podcasts über das Thema nachdachte –, dass sich gerade im Bereich vermehrt ein auktorialer oder auktorialerscheinender Erzähler wiederfindet.

Beispiele hierfür wären:
- The Bastion
- The Cave
- Transistor
- The Stanley Parable
- Thomas was alone

Da Videospiele gleichzeitig ein interaktives Medium sind, welches nicht allein auf den Erzähler angewiesen ist und wie dieser seine Geschichte an uns heranträgt, kommen hier noch neue, zusätzliche Erzählformen hinzu, wie etwa das sogenannte „Environmental Storytelling“.


Viel Text letztendlich, um letztendlich zu einfachen Fragen hin zu arbeiten, die ich gleichermaßen an unsere beiden Podcaster Jochen und Andre, wie aber auch an die Forumscommunity stellen möchte:

Wie empfindet ihr einen mit euch agierenden Erzähler?
Wie wirken die verschiedenen Erzählsituationen auf euch?
Habt ihr euch beispielsweise durch die Ego-Ansicht tiefer in einen Charakter hinein gesetzt gefühlt, was ja die Wirkung des Ich-Erzählers in Romanen darstellt?
Würdet ihr die Perspektiven aus denen man ein Spiel / Film wahrnimmt ebenfalls oder gar nicht mit den literarischen Erzählsituationen gleichsetzen?
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Jochen

Re: Erzählstrukturen / -situationen in Videospielen

Beitrag von Jochen »

KingSirus hat geschrieben:„Wie findet er dann wohl den Erzähler in Bastion?“
Ziemlich großartig. Der Erzähler als "Running Commentary" passt wunderbar in ein interaktives Medium. Das ist bei Bastion übrigens auch der Grund für die Popularität, denke ich. Sobald sich der "Trick" einmal abgenutzt hatte, fand ich das restliche Spiel nämlich eher mittelmäßig.

Der mediale Erzählpersonen-Vergleich ist in der Tat ein spannender. In der Literatur beispielsweise würden einem etliche Verlage und Agenten eine Ich-Erzählung ungelesen wieder zurückschicken, weil verkauft man nicht. Und weil erfahrungsgemäß ohnehin nur von sehr talentierten Autoren gut umzusetzen. Insofern könnte man fragen, ob die schon oft thematisierte leidliche Story-Qualität des Mediums Spiel vielleicht auch daran liegt, dass sich die Autoren mediumsbedingt an einer Erzählweise abarbeiten, die in anderen Medien gewissermaßen als hohe Kunst gilt.
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Dostoyesque
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Re: Erzählstrukturen / -situationen in Videospielen

Beitrag von Dostoyesque »

KingSirus hat geschrieben: [1] Wie empfindet ihr einen mit euch agierenden Erzähler?
[2] Wie wirken die verschiedenen Erzählsituationen auf euch?
[3] Habt ihr euch beispielsweise durch die Ego-Ansicht tiefer in einen Charakter hinein gesetzt gefühlt, was ja die Wirkung des Ich-Erzählers in Romanen darstellt?
Würdet ihr die Perspektiven aus denen man ein Spiel / Film wahrnimmt ebenfalls oder gar nicht mit den literarischen Erzählsituationen gleichsetzen?
disclaimer: Folge noch nicht gehört wegen spoilerangst, könnte in dem Kommentar bereits angesprochene Themen von Jochen und Andre wiederholen

1. und 2.) Hängt natürlich von der Qualität des Erzählens ab. Kann mich aber durchaus anfreunden mit einem Erzähler wie z.B. in Bastion. Ein sehr schönes Beispiel wär diesbezüglich auch Glad0s im Portal 2 Multiplayer, die kontinuierlich die Leistungen der beiden Spieler kommentiert, was einem fast das Gefühl gibt, dass sie einen tatsächlich beobachtet und die Spieler anhand von Daten bewertet. Funktioniert fantastisch. Generell fällt mir aber auf, dass die auktorialen Erzähler in Spielen für mich nur dann richtig gut funktionieren, wenn sie Teil der Erzählung sind. Der Erzähler von Bastion ist (iirc) ja ein Charakter im Spiel. Glad0s gibts in Portal. In The Cave redet ja die Höhle mit einem (iirc), etc.
Wenn der Erzähler komplett ausserhalb vom Geschehen steht und kommentiert, verfehlt das mMn irgendwie die immersive Erfahrung, die eben nur Spiele bieten können. Das funktioniert dann in der Regel relativ schlecht bei mir und fühlt sich an, als ob der unsichtbare Tutorial-guy mir die Geschichte serviert. Ein gutes kreativeres Beispiel wär hier The Stanley Parable, das mich aber trotzdem irgendwie kalt gelassen hat. Hier kann man natürlich sagen, dass der Sinn von TSP ist, eine Meta-erfahrung zu bieten und damit der Erzähler in dieser etwas distanzierteren Form dringend notwendig ist, aber irgendwie hats bei mir nie geklickt. In Beginner's Guide hingegen hats dann wieder besser für mich funktioniert.
Es gibt ja im Film bzw. unter Drehbuchautoren die Prämisse, dass man ohne Erzähler auskommen soll, weil Film als visuelles Medium im besten Fall immer der Regel "show, don't tell" folgen soll. Ich war ehrlich gesagt nie ein Fan vom strikten Befolgen dieser Regel. Es kann durchaus funktionieren. 500 Days of Summer hat einen Erzähler, der gut funktioniert. GoodFellas lässt den Protagonisten die eigene Geschichte nacherzählen (iirc). Sogar Citizen Kane hat gewissermaßen einen Erzähler, der einem in einem Interview die Geschichte serviert. Natürlich soll Film (und damit auch das Spiel) "multimodal" vorgehen mit seiner Erzählung und sämtliche Möglichkeiten von Bild und Sound nutzen (Children of Men ist hier ein fantastisches modernes Beispiel), aber gleichzeitig finde ich diese Regel, dass es ja keinen Erzähler geben darf, irgendwie kindisch.
Und ja, weil ich nicht müde werden will, es zu betonen: Das Unterstützen der Narration mit Hilfe von gameplay ist nach wie vor mein größter Wunschtraum für Spiele als Unterhaltungsmedium oder Kunstform.

3.) Nachdem Fallout 1 und 2 für mich sehr immersive Erfahrungen darstellen, würde ich sagen, dass die Perspektive nicht besonders wichtig für mich ist. Die Spielewelt muss für mich vor allem glaubwürdig und in sich stimmig/kohärent präsentiert werden. Allgemein hab ich eigentlich selten das Gefühl, wirklich der Charakter im Spiel zu sein. Mir ist in der Regel bewusst, dass ich jemand anderen spiele, was aber nicht bedeutet, dass ich mich nicht in diese Person hineinleben kann. Je immersiver die Erfahrung, desto mehr Empathie empfinde ich und desto mehr kann ich die Erfahrungen des Protagonisten, den ich spiele, nachvollziehen und miterleben. Aber ja, dieser Half Life Trick mit dem stummen Protagonisten, der mir dazu verhilft, mich selbst in den Charakter hineinzuprojizieren funktioniert bei mir (leider!) nicht. Spiele auch oft Frauen in Spielen, die mir das anbieten und versuche sehr selten, mich selbst in einem Charaktereditor zu erstellen. Deswegen bin ich auch absolut pro-voiced-protagonist, wenn das voice acting stimmt und nicht zu viel geschnauft wird.

Interessante Fragen, bin gespannt, was in den Kommentaren noch so kommt.
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KingSirus
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Re: Erzählstrukturen / -situationen in Videospielen

Beitrag von KingSirus »

Jochen hat geschrieben:
KingSirus hat geschrieben:„Wie findet er dann wohl den Erzähler in Bastion?“
Ziemlich großartig. Der Erzähler als "Running Commentary" passt wunderbar in ein interaktives Medium. Das ist bei Bastion übrigens auch der Grund für die Popularität, denke ich. Sobald sich der "Trick" einmal abgenutzt hatte, fand ich das restliche Spiel nämlich eher mittelmäßig.
Hmmm, interessant, denn ich empfand den Bastion-Erzähler nicht per se als Trick, der sich abnutzt. Sicherlich sind einige seiner Aussagen, auf das konkrete Spielgeschehen bezogen und haben damit keine unbedingte Storyrelevanz, da sich jedoch der Stil in beiden Fällen nicht unterscheidet, empfand ich es als durchgehendes Stilmittel mit starker Wirkung auf mich als Spieler. In Transistor könnte ich diese Kritik eher verstehen, da ich hier das Schwert als „Erzähler“ deutlich schwächer empfand, obwohl der Sprecher in beiden Fällen Logan Cunningham war, der für mich eine unglaublich tolle Stimme hat, was für ein solches Element unheimlich wichtig ist.
Jochen hat geschrieben:Der mediale Erzählpersonen-Vergleich ist in der Tat ein spannender. In der Literatur beispielsweise würden einem etliche Verlage und Agenten eine Ich-Erzählung ungelesen wieder zurückschicken, weil verkauft man nicht. Und weil erfahrungsgemäß ohnehin nur von sehr talentierten Autoren gut umzusetzen. Insofern könnte man fragen, ob die schon oft thematisierte leidliche Story-Qualität des Mediums Spiel vielleicht auch daran liegt, dass sich die Autoren mediumsbedingt an einer Erzählweise abarbeiten, die in anderen Medien gewissermaßen als hohe Kunst gilt.
Zum einen bin ich vorsichtig, was die Beurteilung von Texten durch rein gewinnorientierte Verlage und Agenten betrifft. Dass diese damit nicht unbedingt Zeitgeist und Leseinteresse abschätzen können, beweisen – ob man die gleich genannten Bücher nun mag oder nicht – Erfolgsgeschichten wie Harry Potter von J. K. Rowling oder die Vampirromane von Amanda Hocking.

Auch bei dem Argument, dass nur talentierte Autoren den Ich-Erzähler gut umsetzen können, bin ich vorsichtig. Ich glaube hier kommen noch ganz andere Faktoren hinzu. Nämlich, dass diese Perspektive für den Leser unangenehm und ungewohnt ist. Da wie gesagt ein Großteil an Romanen sich dem „Er / Sie“ zur Bezeichnung des Protagonisten bedienen, werden wir quasi darauf trainiert dies als üblichen Standard zu akzeptieren, weshalb die andere Perspektive meiner Vermutung nach vielen als komisch und ungewohnt vorkommt.

Hinzu kommt denke ich der Aspekt, dass die Perspektive, welche den Leser stärker in die Figur hineinversetzen soll, genau das Gegenteil bewirkt!
Für einen Leser kann es denk ich eher zur Diskrepanz führen, da er stets liest was „ich mache“ oder „ich sage“, dies aber nicht das „Ich“ ist, wie man sich selbst sieht und versteht. Ich denke man hat erst diesen Nutzen des stärkeren Hineinversetzes, wenn man sich eine Gewöhnung erarbeitet hat, sich auf eine fremde Rolle und damit ein fremdes „Ich“ einzulassen (um hier ein völlig wahlloses Beispiel zu nennen: indem man Pen&Paper Rollenspiele betreibt).

Dostoyesque hat geschrieben:Ein sehr schönes Beispiel wär diesbezüglich auch Glad0s im Portal 2 Multiplayer, die kontinuierlich die Leistungen der beiden Spieler kommentiert, was einem fast das Gefühl gibt, dass sie einen tatsächlich beobachtet und die Spieler anhand von Daten bewertet. Funktioniert fantastisch.
Wobei man da sagen muss, dass dies eher – wie du ja auch selbst treffend sagst – einen Kommentator, als wirklich einen Erzähler darstellt. Und anders als beispielsweise Rucks aus Bastion oder das Schwert aus Transistor erweckt sie nicht einmal den Eindruck eines Erzählers. All ihre Bemerkungen sind reine Kommentare auf die Aktionen des Spielers hin, Rucks oder das Transistorschwert hingegen äußern sich aber auch zur Welt, interpretieren das Handeln, geben tiefgründe Gedanken von sich, etc.
Dostoyesque hat geschrieben:Generell fällt mir aber auf, dass die auktorialen Erzähler in Spielen für mich nur dann richtig gut funktionieren, wenn sie Teil der Erzählung sind. Der Erzähler von Bastion ist (iirc) ja ein Charakter im Spiel. Glad0s gibts in Portal. In The Cave redet ja die Höhle mit einem (iirc), etc.
Wenn der Erzähler komplett ausserhalb vom Geschehen steht und kommentiert, verfehlt das mMn irgendwie die immersive Erfahrung, die eben nur Spiele bieten können.
An der Stelle würde ich aber fragen, ob es überhaupt so viele Spiele gibt, wo der Erzähler nicht Teil der Welt bzw. der Erzählung ist?
Ein wirklich – im Sinne der Erzählsituation – auktorialer Erzähler ist auch nur der Erzähler aus The Stanley Parable, wo eben aus dem Konstrukt aus Handlung und dem Erzähler, der die Handlung vorweg nimmt, ein Spielkonzept wird.
Dostoyesque hat geschrieben:3.) Nachdem Fallout 1 und 2 für mich sehr immersive Erfahrungen darstellen, würde ich sagen, dass die Perspektive nicht besonders wichtig für mich ist. Die Spielewelt muss für mich vor allem glaubwürdig und in sich stimmig/kohärent präsentiert werden.
Wo wir wieder bei dem Punkt wären, dass durch die Interaktivität des Mediums auch neue, zusätzliche Erzählformen entstehen und einen anderen Umgang als mit bisherigen Medien verlangt.
Dostoyesque hat geschrieben:Aber ja, dieser Half Life Trick mit dem stummen Protagonisten, der mir dazu verhilft, mich selbst in den Charakter hineinzuprojizieren funktioniert bei mir (leider!) nicht.
Hat das jemals bei irgendwem funktioniert? Ich finde die Debatte auch immer bei den The Legend of Zelda Spielen lächerlich. Entweder kann ich mich in die Figur hineinversetzen oder nicht. Daran ändert eine Stimme auch nichts…
Dostoyesque hat geschrieben:Interessante Fragen, bin gespannt, was in den Kommentaren noch so kommt.
Vielen Dank. Wobei ich nicht eine so konkrete Beantwortung wie bei dir erwartet hatte. Sollten halt nur Anstöße für Diskussionen zu dem Thema sein :D
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Jochen

Re: Erzählstrukturen / -situationen in Videospielen

Beitrag von Jochen »

KingSirus hat geschrieben:Zum einen bin ich vorsichtig, was die Beurteilung von Texten durch rein gewinnorientierte Verlage und Agenten betrifft
Das sollte man auch. Aber gerade gewinnorientierte Einrichtungen haben normalerweise eine recht gute Idee davon, was Gewinn abwirft und was nicht. Sonst existieren sie nicht lange. Ausnahmen bestätigen freilich die Regel.
Auch bei dem Argument, dass nur talentierte Autoren den Ich-Erzähler gut umsetzen können, bin ich vorsichtig. Ich glaube hier kommen noch ganz andere Faktoren hinzu.
Natürlich gibt es noch andere Faktoren. Aber die grundsätzliche Einschätzung teile ich: Mittelmäßige Autoren scheitern meistens am Ich-Erzähler. Dafür gibt's in der (populären) Literaturgeschichte so viele Beispiele, dass man der These eigentlich kaum seriös widersprechen kann. Das gilt übrigens auch für den Journalismus: Ein Test aus der Ich-Perspektive ist erheblich anspruchsvoller als ein Text im "wir".
KingSirus
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Registriert: 11. Feb 2016, 21:36

Re: Erzählstrukturen / -situationen in Videospielen

Beitrag von KingSirus »

Jochen hat geschrieben:
KingSirus hat geschrieben:Zum einen bin ich vorsichtig, was die Beurteilung von Texten durch rein gewinnorientierte Verlage und Agenten betrifft
Das sollte man auch. Aber gerade gewinnorientierte Einrichtungen haben normalerweise eine recht gute Idee davon, was Gewinn abwirft und was nicht. Sonst existieren sie nicht lange. Ausnahmen bestätigen freilich die Regel.
Naaaaaa ja... die recht gute Idee sieht so aus: Bereit bekannte und gut laufende Autoren immer schön anpreisen, irgendwelche A, B oder C - notfalls auch Z - Promis "Bücher" schreiben lassen und hin und wieder per Mischkalkulation einem No-Name eine Chance geben, in den aber bloß nicht zu viel Budget für Werbemaßnahmen verbrennen und hoffen, dass der von selbst zu einem Spitzenreiter a la Rowling wird. Da etabliert sich eher im Videospielsegment eine neue Marke, als dass ein Autor durch Maßnahmen seines Verlags zum großen Hit wird...
Jochen hat geschrieben:Natürlich gibt es noch andere Faktoren. Aber die grundsätzliche Einschätzung teile ich: Mittelmäßige Autoren scheitern meistens am Ich-Erzähler. Dafür gibt's in der (populären) Literaturgeschichte so viele Beispiele, dass man der These eigentlich kaum seriös widersprechen kann. Das gilt übrigens auch für den Journalismus: Ein Test aus der Ich-Perspektive ist erheblich anspruchsvoller als ein Text im "wir".
Okay, ich hätte mir vielleicht denken können, dass dies für dich der ausschlaggebende Punkt ist, aber nicht der Alleinige. Dann hätte ich meinen Satz auch etwas anders formuliert.
Daran, dass die Ich-Erzählerform schwieriger zu schreiben ist zweifel ich nämlich auch nicht. Ich hatte es lediglich so verstanden, dass für dich die Schwierigkeit der einzige Punkt sei, warum diese Erzählform seltener / unbeliebter / etc. ist. Aus diesem Grund brachte ich eben noch zur Sprache, dass ich beispielsweise in dieser Erzählform tatsächlich etwas anderes sehe, als ihr nachgesagt wird.
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Re: Erzählstrukturen / -situationen in Videospielen

Beitrag von Jochen »

KingSirus hat geschrieben:Naaaaaa ja... die recht gute Idee sieht so aus: Bereit bekannte und gut laufende Autoren immer schön anpreisen, irgendwelche A, B oder C - notfalls auch Z - Promis "Bücher" schreiben lassen und hin und wieder per Mischkalkulation einem No-Name eine Chance geben, in den aber bloß nicht zu viel Budget für Werbemaßnahmen verbrennen und hoffen, dass der von selbst zu einem Spitzenreiter a la Rowling wird. Da etabliert sich eher im Videospielsegment eine neue Marke, als dass ein Autor durch Maßnahmen seines Verlags zum großen Hit wird...
Mit den konkreten verkaufsfördernden Maßnahmen der Verlage hat die Erzählperspektive zunächst nicht viel am Hut. Da geht's ja ganz fundamental um die Frage: Wie viele potentielle Leser legen das Buch im Handel gleich wieder zurück ins Regal, wenn sie merken, dass das einen Ich-Erzähler hat. Und bei dieser Frage kann ich mir schon vorstellen, dass wir über einen signifikanten Anteil sprechen. Ich kenne einige Menschen, die keine Romane aus der Ich-Perspektive lese - oder nur höchst ungerne. Ich kenne hingegen niemanden, der keine Romane in der dritten Person liest. Warum jemand ausgerechnet daran Anstoß nehmen sollte, ist mir zwar ein Rätsel, aber hey, ich lese (fast) keine Bücher von Frauen, sollte also besser die Klappe halten, wenn's um literarische Vorlieben geht ...
Okay, ich hätte mir vielleicht denken können, dass dies für dich der ausschlaggebende Punkt ist, aber nicht der Alleinige. Dann hätte ich meinen Satz auch etwas anders formuliert
Alles gut (hier sollte ausnahmsweise ein Smilie hin, aber unsere Smilies sind alle hässlich. Peschke, warum sind unsere Smilies alle hässlich?)
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Bubu
Beiträge: 3
Registriert: 12. Feb 2016, 16:16

Re: Erzählstrukturen / -situationen in Videospielen

Beitrag von Bubu »

Sorry, ich hab auf der Arbeit keine Zeit alles zu lesen :P

Ich hoffe die Diskussion ist noch nicht bei Spielen wie Dark Souls oder Bloodbourne gelandet.
In diesen tritt meiner Erachtens überhaupt kein Erzähler auf. Im Prinzip bemühen sich die Spiele quasi darum den Spieler komplett im dunkeln zu lassen und ihm quasi überhaupt nichts von der Welt, dem Wie, Wo und Warum zu präsentieren. Ich halte das für einen besondern klugen Kniff im Bezug auf Spiele. Unweigerlich wird mein Erkundungsdrang und meinen Identifikation mit der Spielfigur gestärkt. Ich selbst bin verantwortlich dafür mir so viel über die Welt und die Geschichte des Spiels zu erschließen wie ich kann und will. Man kann sicher darüber streiten, aber mich begeistert es immer wieder Personen zu treffen die offensichtlich organisch zu der Welt gehören, mir, oder meiner Figur jedoch rein garnichts sagen. Auch Zwischensequenzen und NPCs ergeben oft auf den ersten Blick absolut keinen Sinn. In einem Buch oder Film würde das absolut nicht funktionieren da man passiv darauf angewiesen wäre die Informationen zu bekommen. Im Spiel jedoch treibt mich diese Art der Erzählung weiter an und motiviert mich persönlich sehr.

Und, diese Form von Weltbildung eröffnet zudem ein großes Feld für weitere Interpretation und Diskussion. Im Bezug auf Bloodbourne bin ich im Moment dabei mir die, sehr aufwendig verfasste, Storyzusammenfassung "The Paleblood Hunt" von "Redgrave" durchzulesen. Eine Story und Weltanalyse auf mehr als 100 Seiten! So etwas geben die meisten direkt erzählten Spielstorys wohl eher selten her. Anbei der Link und einen schönen Tag noch!

Cheers!

The Paleblood Hunt: https://docs.google.com/document/d/1JL5 ... K-vZ8/edit
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