Runde #051: eSport oder Dinge, die wir nicht verstehen

Alles, was nicht in ein anderes Forum gehört: Hier rein
Forumsregeln
Datenschutzerklärung: https://www.gamespodcast.de/datenschutzerklaerung/
Impressum: https://www.gamespodcast.de/impressum/

Forenregeln und zukünftige Weltverfassung
ART 1: Behandle andere Nutzer mit Respekt.
ART 2: Do NOT piss off the Podcasters

Lies bitte weitere Hinweise hier: viewtopic.php?f=4&t=2789
Benutzeravatar
Klagsam
Beiträge: 499
Registriert: 9. Dez 2015, 12:06

Runde #051: eSport oder Dinge, die wir nicht verstehen

Beitrag von Klagsam »

Wieder eine spannende Folge, auch wenn bisher suggeriert wird, dass es ausser Esports keine anderen Dinge gibt, die Andre und Jochen nicht verstehen ;)
Ich kann die Sache mit den Fan-Zugehörigkeiten auf Stadt oder Nationenebene mal in aller Kürze ein bisschen erhellen. Das lässt sich nämlich relativ leicht sozialpsychologisch mit Hilfe der Theorie der Sozialen Identität und noch genauer mit Hilfe der Selbstkategorisierungstheorie erklären:

Dort gibt es 3 Grundannahmen, die ich der Einfachheit mal aus der wikipedia herauskopiere:
1. Individuen streben danach, eine positive Selbsteinschätzung zu erhalten, beziehungsweise ihre Selbsteinschätzung zu verbessern.
2. Ein Teil dieser Selbsteinschätzung ist die soziale Identität, die sich zusammensetzt aus der Mitgliedschaft in verschiedenen sozialen Gruppen und der Bewertung dieser Mitgliedschaft.
3. Die Bewertung der Gruppenmitgliedschaft ergibt sich aus dem Vergleich dieser Gruppe mit anderen relevanten Gruppen – je nachdem wie dieser Vergleich ausfällt, sinkt oder steigt die eigene Selbsteinschätzung.

Welche Zugehörigkeit zu welcher Gruppe nun gerade relevant wird (also, ob wir uns gerade als Dortmunder oder als Deutsche oder als Männer oder als Gamer oder was weiss ich sehen) hängt nun vom jeweiligen Kontext, sprich der aktuellen Situation ab. Soziale Vergleiche und Gruppenzugehörigkeiten finden ausserdem immer eine Ebene unter der jeweils aktuellen Ebene statt. Bei einem internationalen Wettbewerb findet der Vergleich also zwischen Nationen statt, bei einem nationalen Wettbewerb findet er z.B. zwischen Städten statt.

Die nationale Zugehörigkeit als relevante soziale Gruppe hat sich ja nun in unseren Köpfen in den letzten beiden Jahrhunderten fest etabliert und mit der zunehmenden Globalisierung leben wir rein wahrnehmungsmässig immer mehr auf der internationalen Ebene, weshalb ein Vergleich natürlich auf der entsprechenden Ebene darunter statt finden muss. Und solange uns keine entsprechende Alternative für eine Gruppenzugehörigkeit angeboten wird (ausser vielleicht die Religionszugehörigkeit) wird das eben auf der Ebene der Nationenzugehörigkeit statt finden.
Oder anders ausgedrückt: Jedesmal wenn wir lesen, dass der deutsche Dirk Nowitzki ein toller Hecht ist stärkt das unser Selbstkonzept. Darüber hinaus neigen Menschen dazu, Informationen diesbezüglich selektiv zu suchen, weshalb einfach lieber ein Artikel bei Spiegel Online geklickt wird, in dem steht, dass wir der "richtigen" Nation angehören, als einen Artikel, in dem über uns gar nichts drinsteht.

Soviel mal in aller Kürze, darüber könnte man natürlich seitenweise und mit hohem Detailgrad referieren, aber ich will ja niemanden mit einer wall of text erschlagen :)
Jochen

Re: Runde #51: Esports und so

Beitrag von Jochen »

Dunkelgrau hat geschrieben:Wenn irgendwo ein Flugzeug abstürzt oder sich ein Selbstmordattentäter in die Luft sprengt, interessiert die hier lebende Bevölkerung natürlich, ob sich darunter Deutsche befanden. Es könnten schließlich Freunde/Bekannte/Verwandte unter den Opfern sein
Wenn das der Hintergrund wäre, müsste die Tagesschau auch über jeden Verkehrsunfall im Land berichten - darunter befinden sich nämlich jeden Tag weitaus mehr Freunde/Bekannte/Verwandte als bei Flugzeug- oder Zugunglücken auf anderen Kontinenten. Interessant ist die Frage "tote Deutsche ja/nein" in erheblichen Teilen deshalb, weil tote Deutsche eine große Story sind und tote Asiaten bestenfalls eine kleine. Vergleiche die Costa Concordia mit Schiffsunglücken in Asien, wo in der Regel wesentlich mehr Menschen sterben (manchmal ist darunter sogar ein Deutscher), aber höchstens mal kurz erwähnt werden - und das meist auch nur dann wenn richtig viele Asiaten gestorben sind. Die Costa Concordia war doch nicht deshalb eine große Geschichte, weil 100 Zuschauer einen oder mehrere der Toten kannten oder darüber informiert werden mussten - sondern weil Millionen Deutsche viel ieber über tote Landleute lesen als über tote Fremde. Ist in anderen Ländern freilich nicht anders.
Jochen

Re: Runde #51: Esports und so

Beitrag von Jochen »

Dunkelgrau hat geschrieben:Mit Rassismus hat das, meiner Meinung nach, nichts zu tun
Ich glaube nicht, dass ich das Wort "Rassismus" in diesem Kontext in den Mund genommen habe? Natürlich hat das nichts mit Rassismus zu tun.
Jochen

Re: Runde #51: Esports und so

Beitrag von Jochen »

Dunkelgrau hat geschrieben:Was unterstellst Du den Medien dann? Verstehe ich nicht.
Ich "unterstelle" den Medien überhaupt nichts. Ich konstatiere einen Umstand. Im Kontext des Podcastes um zu illustrieren, dass ich es interessant finde, wie moderne Sportarten (MMA, Esports) zumindest teil- und ansatzweise ohne diese nationale Sinnstiftung funktionieren. Das ist kein politisches Argument, auch wenn du es offenbar wie eines verstehst?
Benutzeravatar
Klagsam
Beiträge: 499
Registriert: 9. Dez 2015, 12:06

Re: Runde #51: Esports und so

Beitrag von Klagsam »

Dunkelgrau hat geschrieben: Ohne auf - insbesondere Jochens - mutmaßliche politische Einstellung eingehen zu wollen, würde ich Euch bitten, beim Thema Games zu bleiben. Jochen selbst sagte bereits in dieser Folge etwas wie: "Wir wollen kein politischer Podcast werden." Dem kann ich nur beipflichten.
Du willst allen Ernstes Teilnehmern an einem (simulierten) Stammtisch verbieten, politische Aussagen zu treffen? Das finde ich mal eine lustige Idee...
Jochen

Re: Runde #51: Esports und so

Beitrag von Jochen »

Ich bin verwirrt: Welche politische Meinung will ich denn auffallend unters Volk jubeln? Selbst die von Axel angesprochene Sarkesian-Folge war (nahezu) unpolitisch*. Nachdem ich politische Diskussionen allenthalben so erhellend wie eine Wagenladung Arschlöcher finde und ein Parteibuch höchstens dazu benutzen würde, zu kurz geratene Tischbeine abzustützen oder Schubladen auszulegen, bin ich über diese Rezeption meiner Aussagen ehrlich verblüfft.

*Natürlich kann man das Argument aufmachen, dass ja alles irgendwie auch politisch sei. Aber das Argument finde ich ermüdend ;)
Benutzeravatar
Malvitus
Beiträge: 130
Registriert: 4. Feb 2016, 00:55

Re: Runde #51: Esports und so

Beitrag von Malvitus »

Um das ganze mal auf das Thema E-Sports zurückzuführen.

Ich selber verfolge sehr gerne die größeren Tuniere (WCS, ESLOne und wie sie alle heißen). Ich glaube die "Faszination" E-Sport kommt weniger vor der Ehrfurcht vor den "sportlichen" Leistungen, auch wenn diese durchaus was Reaktionszeiten etc. angeht beachtlich sind. Auch hier gibt es "Was zur Hölle is da gerade passiert", wenn ein Spieler komplett überraschend 3 besser ausgerüstete Kontrahenten ausschaltet.

Es hat glaube ich viel auch mit Spektakel zu tun. Dota in seiner simpelsten Form sind 5 Gladiatoren gegen 5 andere Gladiatioren. Das hat im antiken Rom schon funktioniert, das funktioniert heute auch noch. Wenn bei Starcraft 2 sich zwei große Armeen gegenseitig aufreiben und die Einheiten durch die Gegend fliegen hat das einfach etwas spektakuläres. Man schaut Fußball ja auch für den Moment in dem der Ball ins Tor fliegt, nicht für das endlose Passspiel im Mittelfeld. Und was den Eventcharackter angeht denke ich entwickelt sich E-Sports im Moment hervorragend, zumindest was Prduction Value angeht. Klar gibts auch hier Außnahmen, aber gerade was Blizzard angeht hab ich in den letzten Jahren keine Totalausfälle bei großen Tunieren bemerkt.

E-Sport ist sicherlich nichts für jeden, das gilt jedoch für alle "Sportarten". Whatever floats your boat.
Nimlod
Beiträge: 120
Registriert: 14. Okt 2015, 14:48

Re: Runde #51: Esports und so

Beitrag von Nimlod »

Malvitus hat geschrieben:Um das ganze mal auf das Thema E-Sports zurückzuführen.

Ich selber verfolge sehr gerne die größeren Tuniere (WCS, ESLOne und wie sie alle heißen). Ich glaube die "Faszination" E-Sport kommt weniger vor der Ehrfurcht vor den "sportlichen" Leistungen, auch wenn diese durchaus was Reaktionszeiten etc. angeht beachtlich sind. Auch hier gibt es "Was zur Hölle is da gerade passiert", wenn ein Spieler komplett überraschend 3 besser ausgerüstete Kontrahenten ausschaltet.

Es hat glaube ich viel auch mit Spektakel zu tun. Dota in seiner simpelsten Form sind 5 Gladiatoren gegen 5 andere Gladiatioren. Das hat im antiken Rom schon funktioniert, das funktioniert heute auch noch. Wenn bei Starcraft 2 sich zwei große Armeen gegenseitig aufreiben und die Einheiten durch die Gegend fliegen hat das einfach etwas spektakuläres. Man schaut Fußball ja auch für den Moment in dem der Ball ins Tor fliegt, nicht für das endlose Passspiel im Mittelfeld. Und was den Eventcharackter angeht denke ich entwickelt sich E-Sports im Moment hervorragend, zumindest was Prduction Value angeht. Klar gibts auch hier Außnahmen, aber gerade was Blizzard angeht hab ich in den letzten Jahren keine Totalausfälle bei großen Tunieren bemerkt.

E-Sport ist sicherlich nichts für jeden, das gilt jedoch für alle "Sportarten". Whatever floats your boat.
Bei Starcraft kann man sich als Taktikfuchs einfach wunderbar an den ganzen Strategien ergötzen. Im Gegensatz zu echten Sportarten lutscht sich das nur irgendwie schneller aus, für mich zumindest. Vielleicht fehlt da wirklich die menschliche Komponente. Nach zwei-drei Jahren Sc2 hatte ich irgendwann keine Lust mehr noch mehr Partien zu sehen.
Was mir aber am meisten auf den Keks geht, ist die Twitch-Community. Ich muss die Chats insbesondere bei Live-Streams regelmäßig ausblenden, weil mir das die Stimmung plättet.
Benutzeravatar
Nachtfischer
Beiträge: 1488
Registriert: 18. Jan 2016, 10:55
Kontaktdaten:

Re: Runde #51: Esports und so

Beitrag von Nachtfischer »

Also wenn ich mir beispielsweise Fußball nicht bloß angucke, um körperlich fitte Männer anzuhimmeln (darauf scheint das im Podcast erwähnte "menschliche Element" und die "sichtbare Anstrengung" ja hinauszulaufen), sondern aus Interesse an der strategischen und entscheiderischen Tiefe der Spieldynamik an sich, dann ist es doch nicht weit bis zum Verständnis für alle Zuschauer von LoL, DotA, CS, Starcraft und, ja, auch Hearthstone. Wo ist da der fundamentale Unterschied?

(Die Uneleganz und Unzugänglichkeit vieler moderner Videospiele ist meines Erachtens nochmal ein eigenes Thema für sich. Die ist ja kein "Muss".)
Zuletzt geändert von Nachtfischer am 28. Mär 2016, 12:45, insgesamt 1-mal geändert.
Benutzeravatar
Malvitus
Beiträge: 130
Registriert: 4. Feb 2016, 00:55

Re: Runde #51: Esports und so

Beitrag von Malvitus »

Nimlod hat geschrieben: Bei Starcraft kann man sich als Taktikfuchs einfach wunderbar an den ganzen Strategien ergötzen. Im Gegensatz zu echten Sportarten lutscht sich das nur irgendwie schneller aus, für mich zumindest. Vielleicht fehlt da wirklich die menschliche Komponente. Nach zwei-drei Jahren Sc2 hatte ich irgendwann keine Lust mehr noch mehr Partien zu sehen.
Das kann ich nicht nachvollziehen. Die Strategien ändern sich doch ständig, allein schon wegen den Patches und Erweiterungen. Übrigens auch ein interessanter Aspekt von E-Sports. Das Spiel bleibt nicht so statisch wie traditionelle Sportarten und Änderungen am Spielsystem werden sehr viel schneller umgesetzt. Mit jedem Balance Patch ändert sich das Spiel wieder.
Nimlod
Beiträge: 120
Registriert: 14. Okt 2015, 14:48

Re: Runde #51: Esports und so

Beitrag von Nimlod »

Malvitus hat geschrieben: Das kann ich nicht nachvollziehen. Die Strategien ändern sich doch ständig, allein schon wegen den Patches und Erweiterungen. Übrigens auch ein interessanter Aspekt von E-Sports. Das Spiel bleibt nicht so statisch wie traditionelle Sportarten und Änderungen am Spielsystem werden sehr viel schneller umgesetzt. Mit jedem Balance Patch ändert sich das Spiel wieder.
Ja, das stimmt schon. Nur kam's mir nach 2-3 Jahren einfach so vor, als hätte ich schon alles gesehen. Die Spiele haben mich von da an gelangweilt.
Richtige Sportarten bleiben auch nicht dadurch spannend, dass man ständig die Regeln ändert. Woran das aber im Detail dann liegt, warum ich bspw. nicht müde werden, Fußball zu verfolgen, kann ich jetzt auf Anhieb auch nicht genau sagen.
Benutzeravatar
Barry Lyndon
Beiträge: 45
Registriert: 17. Feb 2016, 14:58

Re: Runde #51: Esports und so

Beitrag von Barry Lyndon »

Axel hat geschrieben:Hör die mal die Folge zu Anita Sarkeesian vor ein paar Monaten an. :mrgreen:
Genau daran musste ich auch denken :mrgreen:

Die Behauptung, Jochen würde versuchen, seine politische Meinung unter's Volk zu jubeln, finde ich übrigens absurd. Auch wurde das Wort Rassismus erst durch denjenigen User in den Mund genommen. Dazu kann ich dem obigen Zitat nur zustimmen: Einfach mal die Folge zu Anita Sarkeesian anhören...

Und zur Diskussion um Fußball & Politik ist wohl schon alles gesagt... Aussagen wie "Politik gehört nicht ins Stadion" (insbesondere in Bezug auf Anti-Rassismus-Kampagnen des Vereins oder so) halte ich für sehr gefährlich und dumm.

Von daher wird ein Stammtisch-Podcast eine kleine Prise Politik schon überleben ;)

---

Zum Thema E-Sport: Man könnte hier vielleicht noch differenzieren. Fiebert man da mit (oder auch nicht), weil man will, dass ein bestimmter Spieler gewinnt? Also analog zur Lieblingsmannschaft im Fußball. Oder geht es einem eher um das Spiel selbst? Während ich nie mitjubeln könnte, wenn ein mir unbekannter Koreaner mit versteinerte Miene ein Finale in einem Star-Craft-2-Finale spielt, so finde ich doch durchaus Gefallen daran, mir auf Youtube sehr gut kommentierte Replays von AoE2-Matches anzuschauen. Ich weiß selbst, wie das Spiel funktioniert und wie man es spielen muss, um gut zu sein, nur scheitert es bei mir immer an der Umsetzung. Umso faszinierender finde ich es dann, wenn ich sehe, mit welcher Geschwindigkeit diese Spieler so ein Spiel spielen können, wie sie blitzschnell auf neue Situationen reagieren, usw. Ich muss doch keine durchtrainierten Männer anhimmeln (übrigens auch keine Frauen, wenn wir wirklich nur über's sportliche reden ;) ), um eine Leistung beeindruckend zu finden, die ich selbst nie erreichen kann. Und in dem Fall ist das eben eine Konzentrations-, Gedankenschnelligkeits- und Automationsleistung... und die kann ich ebenso honorieren. Vielleicht nicht, indem ich dann Fan des Spielers werde, der ist für mich eher anonym, aber indem ich eine kommentierte Version seines Spiels anschaue ;)
Benutzeravatar
Nachtfischer
Beiträge: 1488
Registriert: 18. Jan 2016, 10:55
Kontaktdaten:

Re: Runde #51: Esports und so

Beitrag von Nachtfischer »

Barry Lyndon hat geschrieben:Zum Thema E-Sport: Man könnte hier vielleicht noch differenzieren. Fiebert man da mit (oder auch nicht), weil man will, dass ein bestimmter Spieler gewinnt? Also analog zur Lieblingsmannschaft im Fußball. Oder geht es einem eher um das Spiel selbst?
Stimmt. Ersteres hat halt mit der Qualität des Spiels erstmal sehr wenig zu tun. Wenn ein guter Freund von mir um eine Million Euro spielt, dann ist das immer irgendwie spannend. Dann können die Münzen werfen. Aber intellektuell ist das Spiel "Münzwurf" natürlich nur wenig mehr als gar nichts. Von daher ist ein Sport, den man nur schaut, um zu sehen, ob die "sympathischeren" Teilnehmer (oder die aus Heimatdorf oder -Land oder eben die erklärte "Lieblingsmannschaft") gewinnen, wahrscheinlich an sich auch nicht wahnsinnig spannend.

Allgemein halte ich dieses "Fan-Sein" für äußerst fragwürdig. Man sollte ein Spiel schauen, weil es interessant ist. Sich zu zwingen, "weil man eben Fan ist", scheint mir kein sonderlich brauchbarer Ansatz, wenn die eigene Lebenszeit sinnvoll gefüllt werden soll.
Nimlod
Beiträge: 120
Registriert: 14. Okt 2015, 14:48

Re: Runde #51: Esports und so

Beitrag von Nimlod »

Nachtfischer hat geschrieben: Allgemein halte ich dieses "Fan-Sein" für äußerst fragwürdig. Man sollte ein Spiel schauen, weil es interessant ist. Sich zu zwingen, "weil man eben Fan ist", scheint mir kein sonderlich brauchbarer Ansatz, wenn die eigene Lebenszeit sinnvoll gefüllt werden soll.
Ich glaube, dass "Fan-Sein" oft genug keine rationale Entscheidung ist. Die Leute machen daher keine logische Argumentationskette auf, um zu entscheiden, ob sie sich ein Spiel anschauen oder nicht. Und von daher kann das im Einzelfall sehr wohl eine sinnvolle Füllung der Lebenszeit sein. Nämlich dann, wenn man an seinem unreflektierten (natürlich hoffentlich gewaltfreien) "Fan-Sein" Spaß hat. Im Grunde hat man im Leben tendenziell sowieso mehr Spaß, wenn man sich nicht alles gedanklich zerkaut. Leider hat man da oft keine Wahl, hängt vom Typ Mensch ab, ob man zum zu vielen Denken neigt oder nicht.
Und zur Diskussion um Fußball & Politik ist wohl schon alles gesagt... Aussagen wie "Politik gehört nicht ins Stadion" (insbesondere in Bezug auf Anti-Rassismus-Kampagnen des Vereins oder so) halte ich für sehr gefährlich und dumm.
Mich würde interessieren, ob sich das auf meine Diskussion mit Jochen im Kommentarbereich bezieht?
Sollte es das, kann ich nur versuchen, weiterhin meinen Standpunkt zu verdeutlichen und mich nicht damit aufzuhalten, andere als dumm zu bezeichnen.
Anti-Rassimus-Kampagnen sind gut, keine Frage. Doch vor kurzem gab es bspw. einen Fall, in dem ein russischer Spieler das Konterfei von Putin unter dem Trikot trug. Dafür wurde er prompt bestraft. M.M.n. zu Recht. Doch wenn man pauschal Politik im Stadion erlauben möchte, muss man dann Spielern erlauben, Nelson Mandela oder Jesus mit Fotos zu ehren? Oder Obama, der hat schließlich auch den Nobelpreis. Aber was mache ich, wenn Trump Präsident würde. Wollen wir Spieler sehen, die dessen Konterfei rumtragen?
Es ist also nicht so einfach, pauschal Politik im Station zu erlauben. So eine Anti-Rassismus-Kampagne ist da unverfänglich, bei der Tagespolitik wird es viel schwieriger.
Benutzeravatar
Nachtfischer
Beiträge: 1488
Registriert: 18. Jan 2016, 10:55
Kontaktdaten:

Re: Runde #51: Esports und so

Beitrag von Nachtfischer »

Nimlod hat geschrieben:Ich glaube, dass "Fan-Sein" oft genug keine rationale Entscheidung ist. Die Leute machen daher keine logische Argumentationskette auf, um zu entscheiden, ob sie sich ein Spiel anschauen oder nicht. Und von daher kann das im Einzelfall sehr wohl eine sinnvolle Füllung der Lebenszeit sein. Nämlich dann, wenn man an seinem unreflektierten (natürlich hoffentlich gewaltfreien) "Fan-Sein" Spaß hat. Im Grunde hat man im Leben tendenziell sowieso mehr Spaß, wenn man sich nicht alles gedanklich zerkaut. Leider hat man da oft keine Wahl, hängt vom Typ Mensch ab, ob man zum zu vielen Denken neigt oder nicht.
Auch beim rationalen Entscheiden, ein Spiel aufgrund seiner systemischen Interessantheit anzuschauen, geht es letztlich um "Spaß". Ich denke langfristig hat man generell einfach mehr davon, wenn man sich Gedanken zu den Gründen macht, warum Dinge Spaß machen. Extrembeispiel: Koks macht bestimmt auch Spaß. Wenn man nicht zumindest ein wenig tiefer gräbt, kann man echten Mehrwert nicht von vorgegaukeltem unterscheiden. In die selbe Richtung gehen heute viele Spiele oder eben die gern genannten Geschmacksverstärker in der Lebensmittelindustrie.
Benutzeravatar
Andre Peschke
Beiträge: 9845
Registriert: 9. Jan 2016, 16:16
Kontaktdaten:

Re: Runde #51: Esports und so

Beitrag von Andre Peschke »

Nachtfischer hat geschrieben:Also wenn ich mir beispielsweise Fußball nicht bloß angucke, um körperlich fitte Männer anzuhimmeln (darauf scheint das im Podcast erwähnte "menschliche Element" und die "sichtbare Anstrengung" ja hinauszulaufen)
Im Kontext des Podcasts ging es dabei ja um zwei Dinge:

a) Was man so landläufig als Sport begreift und was nicht. Schach haben wir in dem Kontext ja ebenfalls angesprochen, welches als Sport anerkannt wird, was aber bei vielen Menschen zu hochgezogenen Augenbrauen führt.

b) Was reale Sportarten vom eSport differenziert und was der (vermutlich) nie wird leisten können: Körperliche Höchstleistungen, das Risiko für Leib und Leben, die direkte Sichtbarkeit der physischen Leistung durch Erschöpfung, Köprersprache, das tatsächlich greifbare reale Miterleben etc. Das ist nicht das einzige, was einen Sport ausmacht und was fasziniert. Aber es macht Leistungen greifbarer, die Akteure menschicher und (was beim Sport ja immer mitspielt) "heroischer" etc.

Die These war: Wenn in ein paar Jahren Rennspiele so perfekt den Sport simulieren können, das zwischen Realität und Virtualität praktisch kein erkennbarer Unterschied mehr ist, werden sich die meisten Zuschauer trotzdem lieber das reale Event ansehen, obwohl da ja am ehesten sogar nur ein Mensch eine Maschine bedient.

Andre
Benutzeravatar
Nachtfischer
Beiträge: 1488
Registriert: 18. Jan 2016, 10:55
Kontaktdaten:

Re: Runde #51: Esports und so

Beitrag von Nachtfischer »

Ja, okay. Aber ist das gut so? Ist dieses Verhalten in unser heutigen Gesellschaft sinnvoll? Die Glorifizierungen körperlicher Leistung und Gewalt gegenüber Klugheit und geistiger Finesse ist meines Erachtens ein Problem beinahe jeden Mediums. Und der letzte Punkt mit dem perfekt simulierten Rennsport zeigt doch schon irgendwie, dass es sich bei der ganzen Geschichte um irrationales Verhalten handelt.
Benutzeravatar
Max
Beiträge: 140
Registriert: 16. Okt 2015, 09:22

Re: Runde #51: Esports und so

Beitrag von Max »

Ich persönlich bewundere geistige Errungenschaften deutlich mehr, als körperliche Leistungen. Jetzt kann man selbstverständlich darüber streiten, ob der Begriff "Sport" eben tatsächlich a priori nur auf körperliche Leistungen zielt oder eben die geistigen Leistungen auch mit einschließt. Ich sehe das nicht so, und würde tatsächlich auch Schach als Sportart zulassen. Was für mich den Profisport in der Definition ausmacht, ist weniger die körperliche Anstrengung, sondern eher der Wettbewerb und die Disziplin (sprich: regelmäßiges Training etc.), und das ist sowohl bei körperlichen Sportarten wie Fußball als auch bei geistigen Sportarten wie Schach oder eSports gegeben.

Ich glaube, dass das auch eine Generationenfrage ist. Eine Altersgruppe, die in einer derart stark digitalisierten Welt geboren wird und aufwächst, wie es heute der Fall ist, wird es meines Erachtens deutlich leichter haben, sich auch mit digitalen "Sportarten" identifizieren zu können. In Japan werden ja auch schon digitale Popstars angehimmelt.
Zuletzt geändert von Max am 29. Mär 2016, 08:10, insgesamt 1-mal geändert.
Benutzeravatar
Rossy
Beiträge: 274
Registriert: 6. Feb 2016, 09:52

Re: Runde #51: Esports und so

Beitrag von Rossy »

Ich denke bei vielen Sportarten wird die Körperliche Leistung nicht derart gegenüber der geistigne Leistung glorifiziert. Oftmals gehört zum Erfolg neben der körperlichen Fitness auch die richtige Taktik und Spielübersicht. Da ist schnelles Denken gefragt. Dennoch schau ich die traditionellen Sportarten nicht so gerne und habe viel mehr Spaß beim Go zuzuschauen.
Benutzeravatar
Andre Peschke
Beiträge: 9845
Registriert: 9. Jan 2016, 16:16
Kontaktdaten:

Re: Runde #51: Esports und so

Beitrag von Andre Peschke »

Nachtfischer hat geschrieben:Ja, okay. Aber ist das gut so? Ist dieses Verhalten in unser heutigen Gesellschaft sinnvoll? Die Glorifizierungen körperlicher Leistung und Gewalt gegenüber Klugheit und geistiger Finesse ist meines Erachtens ein Problem beinahe jeden Mediums.
Ich glaube, das ist kein Problem eines Mediums, sondern des Menschen. Der glorifiziert seit Jahrtausenden seine Krieger, seine erfolgreichen Jäger etc. Und das ist nunmal ein Kult, bei dem es zwar sicher auch schon immer um Klugheit ging, aber die kann man halt nicht sehen. Ein gestählter Adonis vermittelt Kraft, Stärke, gute Genetik etc und ist damit innerhalb von Sekunden als Vorbild zu identifizieren. Ob er klug ist, merkt man dann oft erst, wenn er den Mund aufmacht und selbst da ist der Eindruck ggf trügerisch.

Visualisierung ist ein entscheidender Faktor bei medialer Verbreitung. Das haben wir ja zB auch im Hinblick auf Darstellbarkeit der eSportarten diskutiert. Jemand, der fokussiert vor einem Bildschirm sitzt, kann dabei geistige Höchstleistungen vollbringen, es sieht trotzdem aus, als würde ich Fluglotsen bei der Arbeit zusehen. So mitreißend das Spielgeschehen sein mag, der Mensch dahinter ist den Aktionen enthoben, damit nicht mehr direkter Bestandteil des Spiels (er sitzt nicht in der Maschine, wie der Forlmel-1-Pilot) und somit geht da einiges flöten.

Ob es vielleicht erstrebenswert wäre, solche Leistungen mehr zu achten, ob virtuelle Akteure irgendwann so akzeptiert sind, dass mein Denken, dass der direkte menschliche Akt immer interessater sein wird sich als überholtes Denken erweist - kann man diskutieren. Darum ging es halt nicht. Wenn man mich danach fragt, bin ich von letzterem einigermaßen überzeugt (wobei unechtes Theater im diskutierten Zeichentrickfilm ja funktioniert, warum also nicht auch Sport?), bei ersterem würde ich zumindest warnen, da jetzt große Gradierungen der Wertigkeit vorzunehmen. Wer eher ne Couchkartoffel ist, der will vielleicht auch lieber, das geistige Leistung gefeiert wird, weil da sieht er sich auch eher selbst im Vorteil...

Andre
Antworten