Runde #053: Durchspiel-Probleme

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Nachtfischer
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Runde #053: Durchspiel-Probleme

Beitrag von Nachtfischer »

Ein weiterer interessanter Aspekt, der in der Jubiläumsfolge angesprochen wurde, ist das RPG-Problem. Als Beispiel durfte mal wieder Witcher 3 herhalten. Einer der fundamentalsten Kritikpunkte war die fehlende Herausforderung, insbesondere wenn viele Nebenaufgaben erfüllt werden. Es war sogar die Rede vom Auslassen weiter Strecken des Spiels, nur damit es nicht völlig trivial wird.

Dieses Problem existiert, mal mehr und mal weniger stark ausgeprägt, in allen modernen RPGs. Levelsysteme werden nicht sinnvoll in die Spielmechanik eingebunden, sondern sind schlicht die omnipräsente Gottkarotte, die dem Spieler ununterbrochen vor der Nase hängt. Und Zahlen beim Wachsen zuzusehen übt offenbar schon ganz allein eine stark Faszination aus, womit wir dann auch ins Reich der "Idle Games" vorstoßen, zu denen viele RPGs ja effektiv werden, wenn man nur "overpowered" genug herumläuft.

Ich möchte mal wieder einen Artikel zu dem Thema verlinken, der den historischen Bogen zum Nutzen von Erfahrungspunkten in den alten "Dungeons & Dragons" Rollenspielen schlägt. Dort hatten diese viel eher die Funktion eines Balancing-Tools als Grundlage psychologischer Tricksereien zu sein. Ein Zitat zum Punkt "Verwässerung des Schwierigkeitsgrads":
The problem statement of video game RPGs is one of difficulty management. The presence of a traditional leveling system in a game sets up players to have very different power levels as they make their way through the game, and it’s nearly impossible to predict where any given player will be on the power curve at any moment. It also establishes a strange relationship with the player: if he cannot clear an obstacle opposing him, he has two routes he can use to proceed. The first is to increase his knowledge and mastery of the system, which would seem appropriate for a system you can win or lose, but the second is to just assume that the obstacle is currently impossible and to level up some more. So the choices are “engage with and master the game” and “remain ignorant and overpower it.” Worse, the player usually has no context for what to choose, and why should he? The game hasn’t set a bar of necessary performance, so the player has a very fuzzy idea of what playing well actually is.
Bei mir persönlich führt das alles dazu, dass mich Schlagworte wie "RPG-Elemente" oder "Develop your character!" oder was auch immer auf Steam-Seiten und in Pressetexten heutzutage schlicht und ergreifend abschrecken. Ja, im Grunde tut dies sogar das gesamte RPG-Genre im Allgemeinen. Wie geht es euch?
Marius
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Re: #53 - Das RPG-Problem

Beitrag von Marius »

Vielen Dank wieder einmal für diesen hervorragenden Artikel. Hat etwas gebraucht bis ich ihn durchgelesen hatte. Auch wenn die "Levelsystem-Dopamin-Skinnerbox-Problematik" nicht neu ist und auch im Podcast und hier im Forum oft angesprochen wurde, finde ich es immer wieder interessant, darüber zu lesen.

Aber in diesem Thread soll es ja um etwas anderes gehen, nämlich darum, wie Rollenspielelemente dem Balancing in die Quere kommen. Ich finde den Artikel auch in der Hinsicht überzeugend. Ich bin schon länger der Meinung, dass Rollenspielsysteme die meisten Spiele nicht nur suchterzeugender machen (was ich sehr negativ finden), sondern auch spielerisch schlechter, und da ist das Balancing-Problem einer der wichtigsten Aspekte. Noch schlimmer wird das Problem, wenn es Nebenaufgaben gibt, wie es in nahezu jedem modernen AAA-Spiel der Fall ist. Die einzige Möglichkeit, das Balancing-Problem abzumildern, wären mitlevelnde Gegner, aber das würde das Auflevel-Hamsterrad ad absurdum führen und das Rollenspielsystem komplett entwerten. Es spricht viel dafür, dass das "Rollenspielsystem" im Pen and Paper-System mit einem menschlichen Spielleiter funktioniert und dafür geschaffen wurde, die Umsetzung in Computerspiele aber an ganz grundsätzlichen Dingen, wie in dem Artikel beschrieben, scheitert.

Mir geht es jedenfalls so, dass ich zwar Spiele mit Rollenspielelementen nicht komplett meide, weil heutzutage fast alle AAA-Spiele Rollenspielelemente im Sinne von Progressionssystemen haben, aber wenn ich sie spiele, dann trotz und nicht wegen dieser Spielelemente, und ich entscheide mich auch immer öfter gegen Spiele mit zu prominenten Rollenspiel- und Skinnerboxmechaniken, die ich ohne diese Spielelemente gekauft und gespielt hätte.

Die meisten Actionrollenspiele würden meiner Meinung nach als reine Actionspiele oder Action-Adventures besser funktionieren.

Denn: In Computer-Rollenspielen wird im Progressionssystem die Spielfigur immer stärker. Das ist sinnvoll im Pen and Paper-Spiel, weil es dort keine Möglichkeit gibt, dass der Spieler seine Geschicklichkeit einsetzt und selbst besser wird. Aber in Computerspielen sollte nicht die Spielfigur stärker werden, sondern der Spieler sollte das Spiel besser beherrschen lernen.

Deshalb bin ich der Meinung, dass Actionrollenspiele wie Dark Souls oder Witcher 2 und 3 als reine Actionspiele viel besser funktionieren würden, wenn sie sich also vollkommen auf das Besserwerden des Spielers beim Balancing konzentrieren und den Spieler selbst vor neue Herausforderungen stellen würden, statt zusätzlich noch die Progression der Spielfigur einzubauen und zu erfordern. Ich denke auch, dass ein Beschränken auf ein Besserwerden des Spielers viel befriedigender sein könnte. MMOs habe ich nie gespielt, und bin sehr froh darüber, aber nach allem was ich gehört habe ist dort das Besserwerden des Spielers erst recht unbedeutend im Vergleich zum Besserwerden der Spielfigur. Zwar mag der Spieler auch dort lernen, das Spiel besser zu beherrschen und die Systeme besser zu durchschauen. Im Vordergrund steht dort aber wohl dennoch sehr stark das durch viel zeitintensives Spielen (=Grinding?) erkaufte Aufleveln der Spielfigur, dem gegenüber das Lernen des Spielers selbst in den Hintergrund tritt.
akill0816
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Re: #53 - Das RPG-Problem

Beitrag von akill0816 »

Das Problem lässt sich tatsächlich nicht so leicht lösen. Die Spieleindustrie hat ja bisher 2 Lösungen hervorgebracht, die immermalwieder verwendet werden. Die eine Möglichkeit sind mitlevelnde Gegner, was mir persönlich gar nicht zusagt. Das Problem bei mitlevelnden Gegner ist für mich, dass ein ständiges Mitleveln die Welt unglaubwürdig macht. Entweder sind werden zu Beginn schwache Gegner einfach stärker und dem Spieler fällt auf, dass er seine Level eigentlich ignoriert werden und der Bandit auf Level 20 stärker ist als der Drache auf Level 5. Wenn man die Gegner oder deren sichtbare Ausrüstung austauscht hat man das Problem, dass die Welt unglaubwürdig wird, weil die Banditen plötzlich mit lauter legendären und für sie eigentlich unerschwinglichen Ausrüstung rumlaufen. Beide Systeme sind mit in Elder Scrolls-Spielen begegnet und stören mich massiv. Sie sind ein grund warum mich keines der Spiele länger packen konnte. Anderen Spielen gelingt es etwas besser das mitleveln zu verstecken. Sei es durch storyverändernde Kapitel, die glaubhaft erklären, warum plötzlich andere Monster an den gleichen Stellen rumlaufen oder einfach dadurch das sie linearer sind.

Die für mich deutlich bessere Möglichkeit des Balancings ist das Verwenden von maximalen Leveln, wie sie bei vielen DnD Spielen verwendet werden. Ich finde den Weg okay solange das Maxlevel nicht zu früh erreicht wird. Jedenfalls würde ein solches Vorgehen ein anständiges Balancing ermöglichen. Allerdings müsse die Quest im letzten Teil des Spiels dann auch von selbst motivieren. Das wird in offenen Welten mit häufig schleppendem Erzähltempo auch schwer. Vorallem habe ich das Gefühl, dass sich viele Spiele nur noch durch die Entwicklung des Charakters motivieren. Für mich haben Charakterlevel und Ausrüstung im Spiel die Funktion mir zu ermöglichen in der Geschichte weiterzukommen. Deshalb werde ich den Erfolg von Diablo und co nie verstehen. Bei Spielen sollte Ausrüstung Mittel zum Zweck und nicht Selbstzweck sein.

Ich könnte mich auch durchaus damit anfreunden, dass Nebenquests deutlich geringere Belohnungen abwerfen. Aber für Spieleentwickler ist die Möglichkeit zu stark zu leveln in gewisser Weise bequem. Jeder Spieler schafft es irgentwann das Spiel durchzuspielen. Man muss sich keine Gedanken darum machen, was mit Spieler passiert, die nicht effektiv geskillt haben und man kann mit einer riesigen Welt und mehr als 100 Stunden Durchspielzeit rechnen.
Die Traute ein Rollenspiel auf knackige 15-30 Stunden zu reduzieren aber dafür mehr in alternative Handlungsverläufe und Widerspielwert zu legen haben die Entwickler leider nicht.

Und der Erfolg der Elder Scrolls Reihe gibt den Entwickler ja recht. Anscheinend wollen viele Spieler eher Größe und Freiheit und weniger Stringenz und Herausforderung. Ich glaube nicht, dass es möglich solche Riesenspiele zu bauen ohne in Sachen Balancing heftige Konzessionen einzugehen. Und letztlich haben die Entwickler weniger "Ärger" wenn ihr Spiel gegen Ende viele Spieler nicht mehr fordert als wenn das Spiel zum Ende hin unschaffbar wird, weil man unterlevelt ist und vielleicht nicht optimal geskillt hat.
Die Feststellung, dass sehr viele Rollenspiele nach hinten raus zu einfach werden ist jedenfalls richtig und galt schon für die ersten beiden Witcher-Spiele (für mich der größte Kritikpunkt in beiden Spielen).
Ich jedenfalls beende Spiele meistens nicht, wenn sie zu einfach werden. Nicht nervt mehr als Drachen und co, die meinem Charakter kein Haar mehr krümmen können. Das Problem ist aber so alt wie Computerrollenspiele.
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Rene
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Re: #53 - Das RPG-Problem

Beitrag von Rene »

Ich persönlich finde es gar nicht schlecht wenn ich als Spieler im gewissen Rahmen prinzipiell selbst entscheiden kann wie groß die Herausforderung im Spiel letztendlich ist und ich diese auf mich abstimmen kann. Und wenn das eben durch aufleveln geschieht spricht auch nichts dagegen. Das ist am Ende nichts anderes wie ein Schwierigkeitsgrad den man im Verkauf des Spiels nach herzenslust verändern kann (bspw. Fallout 4, The last of us).
Es entspricht mittlerweile einfach nicht mehr meinem Spielstil (und auch nicht meinem Skill) mich in unzähligen Anläufen durch ein Spiel zu quälen - das zweifellos großartige "Bloodborne" hat mir das vor gar nicht so langer Zeit noch einmal deutlich gemacht.
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Marius
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Re: #53 - Das RPG-Problem

Beitrag von Marius »

Für mich stellt sich auch die Frage, welchen Zweck Rollenspielelemente abseits von einer wohlfeilen Motivationshilfe erfüllen. Denn den Charakter in eine bestimmte Richtung zu entwickeln, hin zu einem bestimmten Spielstil könnte man ja auch durch Entscheidungen vor oder im Spiel ermöglichen. Außerdem ist eine Spezialisierung oft nicht eine Erweiterung von spielerischer Freiheit, wie einem vorgegaukelt wird, sondern eine Einschränkung von vorhandenen spielerischen Möglichkeiten. In Deus Ex z.B. schränkt sie die Lösungsmöglichkeiten für den Spieler im Laufe des Spiels zunehmend ein, weil man eben nur für einen bestimmten Lösungsweg spezialisiert ist. Statt dass man sich immer neu und in jedem Einzelfall zwischen verschiedenen Lösungsmöglichkeiten wie Schleichen, Hacken, Kämpfen, Reden etc. entscheidet, je nach SItuation, und dadurch eine wirkliche spielerische Abwechslung hat, ist man jedenfalls im mittleren und späteren Spiel praktisch auf einen Spielstil festgelegt. Das Charaktersystem beschränkt also die spielerische Freiheit, die eigentlich im Leveldesign angelegt ist.

Klar, bei einem Partyrollenspiel passt die Spezialisierung wieder, weil dann insgesamt wieder alle Handlungsmöglichkeiten da sind, nur eben aufgeteilt auf viele Spielfiguren, und für diese Situation wurden Rollenspiele ja auch erfunden. Diese Spezialisierung hat wahrscheinlich ursprünglich, in einem Mehrspielerkontext, die Zusammenarbeit der Spieler erzwungen. Aber das Steuern einer ganzen Party durch nur einen Spieler, wie es in Computerspielen vorkommt, hat wieder ganz andere Probleme: Fehlende Identifikation und überbordendes Mikromanagement.
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Nachtfischer
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Re: #53 - Das RPG-Problem

Beitrag von Nachtfischer »

Rene hat geschrieben:Ich persönlich finde es gar nicht schlecht wenn ich als Spieler im gewissen Rahmen prinzipiell selbst entscheiden kann wie groß die Herausforderung im Spiel letztendlich ist und ich diese auf mich abstimmen kann. Und wenn das eben durch aufleveln geschieht spricht auch nichts dagegen.
Naja, das ist ja genau das Problem aus dem Podcast. Es ist nämlich schon problematisch, dass du, wenn du gefordert werden willst, nicht unbeträchtliche Teile des Spiels auslassen musst. Du wirst gezwungen, Teile des Spiels nicht zu spielen, damit wenigstens der Rest nicht trivial ist. Wenn wir davon ausgehen, dass das Spiel was taugt, dann willst du aber natürlich nichts weglassen. Was nun?
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Re: #53 - Das RPG-Problem

Beitrag von Ubique »

Nachtfischer hat geschrieben:
Rene hat geschrieben:Ich persönlich finde es gar nicht schlecht wenn ich als Spieler im gewissen Rahmen prinzipiell selbst entscheiden kann wie groß die Herausforderung im Spiel letztendlich ist und ich diese auf mich abstimmen kann. Und wenn das eben durch aufleveln geschieht spricht auch nichts dagegen.
Naja, das ist ja genau das Problem aus dem Podcast. Es ist nämlich schon problematisch, dass du, wenn du gefordert werden willst, nicht unbeträchtliche Teile des Spiels auslassen musst. Du wirst gezwungen, Teile des Spiels nicht zu spielen, damit wenigstens der Rest nicht trivial ist. Wenn wir davon ausgehen, dass das Spiel was taugt, dann willst du aber natürlich nichts weglassen. Was nun?
Na, das steht doch in seinem nächsten Satz:
"Das ist am Ende nichts anderes wie ein Schwierigkeitsgrad den man im Verkauf des Spiels nach herzenslust verändern kann (bspw. Fallout 4, The last of us)."
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Nachtfischer
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Re: #53 - Das RPG-Problem

Beitrag von Nachtfischer »

Ubique hat geschrieben:Na, das steht doch in seinem nächsten Satz:
"Das ist am Ende nichts anderes wie ein Schwierigkeitsgrad den man im Verkauf des Spiels nach herzenslust verändern kann (bspw. Fallout 4, The last of us)."
Es ist schon was anderes, denn wenn ich im Optionsmenü auf "schwer" schalte, habe ich wenigstens nicht 10 Stunden Content übersprungen. ;)

Aber sei es drum. Mal angenommen wir reden "bloß" von einer Einstellung im Menü. Dann laufen wir schon ins nächste Problem. Das Balancing des Schwierigkeitsgrads und dessen Anpassung an das Können des Spielers sind meines Erachtens absolut zentrale Aufgaben des Game-Designers, die man unter keinen Umständen dem Spieler aufbürden sollte. Das Spiel sollte immer so interessant wie möglich sein und nicht mehr oder minder zufällig ("Pi mal Daumen") mal im Sinne der Flow-Theorie optimal fordern und mal nicht.
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Rene
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Re: #53 - Das RPG-Problem

Beitrag von Rene »

Nachtfischer hat geschrieben: Naja, das ist ja genau das Problem aus dem Podcast. Es ist nämlich schon problematisch, dass du, wenn du gefordert werden willst, nicht unbeträchtliche Teile des Spiels auslassen musst. Du wirst gezwungen, Teile des Spiels nicht zu spielen, damit wenigstens der Rest nicht trivial ist. Wenn wir davon ausgehen, dass das Spiel was taugt, dann willst du aber natürlich nichts weglassen. Was nun?
Wie das bei "The Witcher 3" gelöst wurde kann ich nicht beurteilen, da ich es nicht gespielt habe. Bei Fallout 4 gibt es aber viele repetitive Aufgaben (säubere Gebiet XYZ, berge Technologie ABC) die man machen kann, die allerdings kaum einen Einfluss auf die Geschichte selbst haben. Wie gesagt, kann man das meiner Meinung nach recht gut über einen einstellbaren Schwieigkeitsgrad lösen. Von Gegnern die automatisch mitleveln halte ich gar nichts, da es das Skill- und Levelsystem ad absurdum führt.

Natürlich wäre es wünschenswert, wenn die Spielerfahrung optimal auf jeden Spielertyp abgestimmt wäre, allerdings halte ich diese Aufgabe, insbesondere bei solchen Open World-Spielen, nur für sehr schwer oder überhaupt nicht umsetzbar.

Das von mir erwähnte Bloodborne oder noch besser - die Souls-Reihe - wäre auch so ein Beispiel. Es gibt einige Spieler die selbst darüber nur müde Lächeln können und andere, die daran verzweifeln. Ihren Ruf genießen die From Software-Spiele ja nun nicht unbedingt wegen ihrer guten Zugänglichkeit.
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Ubique
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Re: #53 - Das RPG-Problem

Beitrag von Ubique »

Nachtfischer hat geschrieben:
Ubique hat geschrieben:Na, das steht doch in seinem nächsten Satz:
"Das ist am Ende nichts anderes wie ein Schwierigkeitsgrad den man im Verkauf des Spiels nach herzenslust verändern kann (bspw. Fallout 4, The last of us)."
Es ist schon was anderes, denn wenn ich im Optionsmenü auf "schwer" schalte, habe ich wenigstens nicht 10 Stunden Content übersprungen. ;)

Aber sei es drum. Mal angenommen wir reden "bloß" von einer Einstellung im Menü. Dann laufen wir schon ins nächste Problem. Das Balancing des Schwierigkeitsgrads und dessen Anpassung an das Können des Spielers sind meines Erachtens absolut zentrale Aufgaben des Game-Designers, die man unter keinen Umständen dem Spieler aufbürden sollte. Das Spiel sollte immer so interessant wie möglich sein und nicht mehr oder minder zufällig ("Pi mal Daumen") mal im Sinne der Flow-Theorie optimal fordern und mal nicht.
Sorry, aber da kann ich dir nicht ganz folgen. Sollte es in Videospielen keinen wählbaren Schwierigkeitsgrad geben, oder nur nicht in Rollenspielen? Oder warum siehst du es als Problem an, wenn man als Spieler diesen im laufenden Spiel ändern kann, sollte man unterfordert oder vielelicht sogar überfordert sein.
Was wäre denn zum Beispiel ein Videospiel welches die Flow-Theorie erfüllt?
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Nachtfischer
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Re: #53 - Das RPG-Problem

Beitrag von Nachtfischer »

Rene hat geschrieben:Von Gegnern die automatisch mitleveln halte ich gar nichts, da es das Skill- und Levelsystem ad absurdum führt.
Und gerade das ist in meinen Augen der springende Punkt. Diese Systeme, so wie sie in modernen RPGs vorkommen, sind inhärent absurd.
Rene hat geschrieben:Natürlich wäre es wünschenswert, wenn die Spielerfahrung optimal auf jeden Spielertyp abgestimmt wäre, allerdings halte ich diese Aufgabe, insbesondere bei solchen Open World-Spielen, nur für sehr schwer oder überhaupt nicht umsetzbar.
Vermutlich richtig. Weshalb das ganze Konzept "Open World" in gewisser Weise auch absurd ist, zumindest sofern es um eine ausbalancierte Spielerfahrung und "gutes Gameplay" gehen soll. Die Prinzipien der Simulation einer offenen Fantasy-Welt gehen in vielen Fällen eben ganz und gar nicht einher mit denen guten Game-Designs.
Ubique hat geschrieben:Sorry, aber da kann ich dir nicht ganz folgen. Sollte es in Videospielen keinen wählbaren Schwierigkeitsgrad geben, oder nur nicht in Rollenspielen? Oder warum siehst du es als Problem an, wenn man als Spieler diesen im laufenden Spiel ändern kann, sollte man unterfordert oder vielelicht sogar überfordert sein.
Was wäre denn zum Beispiel ein Videospiel welches die Flow-Theorie erfüllt?
Es sollte keine solche Einstellung geben, denn es handelt sich um eine Design- Entscheidung und keine spielerische. Der Spieler sollte ausschließlich mit letzteren konfrontiert werden. Es ist Aufgabe des Designers, dafür zu sorgen, dass das Spiel den Spieler eben nicht unter- oder überfordert.

Ein Vorzeige-Design in dieser Hinsicht ist meines Erachtens Auro (erscheint übrigens noch heute für PC). Es ist im weitesten Sinne ein Single-Player-Dungeon-Crawler, in dem eine Partie 5-10 Minuten dauert. Das Spannende ist, dass es im Prinzip ein Multiplayer-Matchmaking- beziehungsweise Elo-System adaptiert. Der Spieler durchläuft ein partieübergreifendes Rang-System (nicht als "Progress"-Indikator, sondern schlicht als Maß seines Könnens und Grundlage für die Anpassung des Schwierigkeitsgrads). Zunächst wird kleinschrittig die Anzahl der für einen Sieg notwendigen Punkte erhöht. Alle paar Rangstufen wird aber ein umfassendes Redesign vorgenommen (anhand der vorkommenden Zauber, Monster, der Level-Generierung und so weiter). Die geforderte Punktzahl kann dann wieder reduziert werden. Somit entgeht das Spiel auch der für Highscore-Systeme typischen Falle, dass Partien länger und längern dauern, je besser der Spieler wird. Gerätst du als Spieler in einen "Win Streak", wird dir automatisch ein "Placement Test" vorgeschlagen - ein relativ schwieriges Level, das anhand deiner Endpunktzahl bestimmt, in welche Rangstufe du gehörst.
Zuletzt geändert von Nachtfischer am 13. Apr 2016, 13:47, insgesamt 1-mal geändert.
Marius
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Re: #53 - Das RPG-Problem

Beitrag von Marius »

Meiner Meinung nach weist es jedenfalls auf schlechtes Spieldesign hin, wenn der Spieler den Schwierigkeitsgrad während des Spiels ändern muss, um eine gut balancierte Herausforderung zu behalten. Ich habe kein Problem mit einer anfänglichen Wahl des Schwierigkeitsgrads, und auch eine Umstellung während des Spiels finde ich sinnvoll, wenn sich herausstellt, dass man den falschen Schwierigkeitsgrad gewählt hat und nicht nochmal von vorne anfangen will. Aber wenn man den Schwierigkeitsgrad während des Spiels ändern muss, weil das Spiel ein schlechtes, inkonsistentes Balancing hat, dann zeigt das mieses Spieldesign auf, und dass das gerade bei Rollenspielen vorkommt weist schon auf ein inhärentes Problem von Rollenspielsystemen hin.

Das Erhöhen der Schwierigkeit durch den Spieler im laufenden Spiel, um die anfängliche Herausforderung zu erhalten (oder eben den Zwang zum Auslassen von Spielinhalten), ist eine halbgare Lösung für ein Problem, das es ohne Rollenspielelemente jedenfalls in dieser Form nicht gäbe.
akill0816
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Re: #53 - Das RPG-Problem

Beitrag von akill0816 »

Ich habe in gewisser Weise ein Problem mit im Spiel veränderbaren Schwierigkeitsgraden, weil er gefordert werden will und Probleme, die sich mir stellen selbst lösen möchte und nicht in Versuchung geführt werden will einfach an der Schwierigkeitsgradsschraube zu drehen. Außerdem haben veränderbare Schwierigkeitsgrade häufig das Problem, dass sie nur an den Werten von Gegner schrauben. Für mich fühlt es sich jedenfalls wie cheaten an, wenn ich an schweren Stellen die Möglichkeit habe, den Schwierigkeitsgrad zu senken.
Ich habe selber nicht den besten "Spieler-Skill". Trotzdem ist mir die Herangehensweise der Souls Reihe und Bloodborne lieber auch wenn die Spiele mich mehrer Monate kosten.
Gamedesigner sollte eine Idee haben, wie schwer ihr Spiel werden soll und dann den Schwierigkeitsgrad gut balancieren. Wenn es mehrer Schwierigkeitsgrade gibt sollte es zumindestens einen empfohlenen geben. Meine Erfahrung bezüglich RPGs die zu leicht werden ist, dass auch ein hochdrehen des Schwierigkeitsgrades meist keine Abhilfe mehr schafft. Dazu bedürfte es einen Schwierigkeitsgrad, der gezielt für alles-absolvierer optimiert ist. Wenn einfach nur die HP der Gegner hochgedreht werden, mag das Kämpfe zäh aber weniger interessant machen.
Das Problem ist ja meist nicht, dass RPGs generell zu leicht wären, sondern dass sie meistens ihre schwersten Stelle früh im Spiel hat, weil der Spieler zu diesem Zeitpunkt noch wenige Optionen hat.

Interessant fände ich übrigens, wenn das Spiel versuchen würde mir für Nebenquest anreize zu bieten, die mich nicht stärker machen. Wenn ich schon ein Riesenspiel anbiete sollte es möglich sein abseits der Handlung "Moneysinks" einzusetzen, die Spieler attraktiv finden. Sei es die eigene Behausung, ein gelungenes Minispiel wie z.B. Kartenspiele oder ähnliches. Wenn Nebenquests in diesem Bereich Belohnungen ausschüttet würde, könnte das die Balance nicht beeinflussen.
Auch bei der Ausrüstungsprogression gibt es die Möglichkeit ab einem bestimmten Punkt die stärksten Waffen im Rahmen der Haupthandlung zu erlangen und in Nebenquests gefundene Gegenstände nur eine spielerische Alternative bieten aber eben nicht stärker sind.
Die Antwort der Souls Spiel, die da lautet "ich mache mein Spiel so schwer, dass sich der Spieler über jedes Levelup freut" ist natürlich auch eine, wenn auch nicht massenkompatible, Lösung.
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Nachtfischer
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Re: #53 - Das RPG-Problem

Beitrag von Nachtfischer »

akill0816 hat geschrieben:Das Problem ist ja meist nicht, dass RPGs generell zu leicht wären, sondern dass sie meistens ihre schwersten Stelle früh im Spiel hat, weil der Spieler zu diesem Zeitpunkt noch wenige Optionen hat.
Ja, das ist ein weiterer guter Punkt. Die ganze XP-Sammelei suggeriert ja erstmal, dass das Spiel mit steigender Spielzeit leichter wird, denn der kontrollierte Avatar wird stärker. Angenommen das Spiel hat aber nicht-triviales Gameplay zu bieten, dann werde ich auch als Spieler besser. Beides zusammen erfordert dann, dass das Spiel selbst aber noch viel, viel schwerer werden muss, damit es nicht langweilig wird. Und da fängt dann schon der Balancing-Alptraum an. Jetzt fügen wir der Gleichung noch eine offene Welt und Nebenquests beziehungsweise optionales Grinding hinzu und die Idee eines konsistent sinnvollen Schwierigkeitsgrades ist endgültig gestorben.
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Leonard Zelig
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Re: #53 - Das RPG-Problem

Beitrag von Leonard Zelig »

Also mich hat Hanna aus den Wäldern ganz schön Nerven gekostet. ;)

Den Rest des Spiels fand ich nicht sonderlich frustrierend, obwohl ich erst vor dem letzten Kampf nach über 50 Stunden gecheckt hab, dass man die Mutagene ja auch ausrüsten kann. Hatte zuvor nur die Fähigkeiten verbessert und die Mutagene unter Alchemie abgehakt. Das Menü lässt sich auf der PS4 auch nicht sonderlich intuitiv bedienen, das ist doch mehr auf die Bedienung per Maus ausgelegt.

Wer er schwer haben will, kann ja einen anderen Schwierigkeitsgrad einstellen und keine Waffen und Rüstung einkaufen.

Meiner Meinung nach ist aber auch das Kampfsystem von Witcher zu schlecht (den Rest finde ich grandios), als dass ich unbedingt eine Herausforderung à la Dark Souls haben möchte. Wenn ich sterbe, dann will ich auch selber schuld sein.
"The whole problem with the world is that fools and fanatics are always so certain of themselves, but wiser people so full of doubts."

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Re: #53 - Das RPG-Problem

Beitrag von Nachtfischer »

Leonard Zelig hat geschrieben:Wer er schwer haben will, kann ja einen anderen Schwierigkeitsgrad einstellen und keine Waffen und Rüstung einkaufen.
Das macht aber doch kaum ein Mensch. Und zwar aufgrund der sogenannten "Burden of Optimal Play".
Players will tend to make the choices that lead most directly and surely to victory. If you set up a goal that players care about, you should expect them to try to reach it as efficiently as possible. If the most efficient way to win (i.e. optimal play) is a pain in the ass, then you’re asking players to accept a worse experience in exchange for victory, and that’s a crappy way to treat your players. [...]

The Burden of Optimal Play suggests a guideline for game designers: if you want the player to have fun, then the most effective path to victory should also be the most fun. Playing well should never result in a worse experience.
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