Runde #058: Battlefield One und der Krieg

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Jochen

Runde #058: Battlefield One und der Krieg

Beitrag von Jochen »

Axel hat geschrieben:Zum einen die Behauptung, Spiele seien noch nicht alt genug um Anti-Kriegs-Spiele hervorzubringen jenseits der Nische und verweist auf den Film
Ich sage nicht, dass Videospiele zu jung seien, um Anti-Kriegsspiele überhaupt hervorzubringen (im Gegenteil: ich nenne ja sogar explizit welche), sondern ich sage, dass das Medium möglicherweise zu jung ist, um solche Spiele konsequent im Mainstream hervorzubringen. Das dauerte auch im Film eine recht lange Zeit, denn für jeden Im Westens nichts Neues oder Die Brücke gab es Dutzende kommerziell teils sehr erfolgreiche Kriegsfilme, nach denen heute - mitunter zu Recht - kein Hahn mehr kräht.
Und natürlich taugen diese Spiele auch als Sensibilisierung, warum sonst steht jedes Jahr die Bundeswehr auf der Gamescom in der Nähe solche Spiele um Jugendliche anzuwerben?
Again: Dass Medien geneigt sein können, Jugendliche und junge Menschen fürs Kriegsspielen zu begeistern, konstatieren wir im Podcast explizit - und zwar mehrfach. Was wir hingegen verneinen, weil es dafür keinerlei verlässliche Hinweise gibt: Das Medien für aktive körperliche Gewalt - in diesem Kontext konkret: das aktive Töten - desensibilisieren.
Aber im Gegenzug darf man auch mit vollem Herzen genau diese Spiele kritisieren
Natürlich darf man. Taten wir im Podcast ja auch schon oft genug. In diesem Fall geht's aber nicht um die Kritik an einem Spiel (wie denn auch? Bislang existiert davon schließlich nur ein Teasertrailer), sondern um die Kritik am Schauplatz des Spiels. Und die ist in der Konsequenz unsinnig.

Vielleicht magst du den Podcast bzw. einzelne Stellen noch einmal in Ruhe hören? Ich habe nämlich das dumpfe Gefühl, dass deine erste emotionale Reaktion ein paar handfeste Strohmänner ausgemacht hat ...
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Denny Röder
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Re: Gedanken zu Folge 58

Beitrag von Denny Röder »

Ein sehr schöner Podcast von euch beiden!

Wenn erlaubt, würde ich gerne wie der Axel bereits angesprochen hat, auf einen YouTube Kanal hinweisen der sich genau um solche und andere kontroverse Themen in Videospielen beschäftigt.
Gut recherchiert und sehr interessant.

Games&Politics
https://m.youtube.com/user/gamesandpolitics

Hier noch ein paar Empfehlungen bei denen es, genau um dieses Thema geht.

G&P - 11: EA und die Rüstungsindustrie
G&P - 21: Wir Waffenfetischisten
G&P - 31: Zeus - DLC für Arma 3: Rüstungsfirma
G&P - 37: Oculus VR, Crytek, Bohemia Interactive: Videospiel - Unternehmen auf Rüstungsmesse
G&P - 40: Valiant Hearts, Verdun, Red Baron: Gaming the great War
G&P - 50: Antikriegsspiele: Real war is not a game
G&P - 64: Rekrutierungsspiele
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Weapi
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Re: Gedanken zu Folge 58

Beitrag von Weapi »

Also ich mag Militärshooter, und ich habe grundsätzlich Spaß daran. So und jetzt dürfen mich die Pazifisten unter euch steinigen :!:

Aber ich bin auch alt genug um zu verstehen das eine SP Kampange z.B. bei BF3 natürlich Werbung für die US Navy/das USMC ist. Ich bin dem Militär und den Geheimdiensten sehr kritisch eingestellt. Ich weiß das da Menschen in Führungspositionen sitzen für die sind Menschenleben nur so eine Art Währung die zur Durchsetzung ihrer Ziele dienen. Deswegen bin ich gegen die Rekrutierung von minderjährigen durch sogenannte Karriereberater der Bundeswehr. Auch die Auslandseinsätze lehne ich strikt ab. Sie haben nicht geholfen sie haben alles nur Schlimmer gemacht. Die Bundeswehr bzw eine zukünftige europäische Armee sollte sich auf die Verteidigung des EU/NATO Territoriums konzentrieren. Aber abschaffen sollte man die Bundeswehr nicht.

Aber am Ende bleibt, und das ist auch wohl so weil ich ein Mann bin, die Faszinatio̱n von militärischem Gerät und bei zum kleineren teil der auch Waffen. Das ist auch der Grund warum ich am Ende bei Battlefield hängen geblieben bin und ich die unterschiedlichsten Mods mit immer neuem Material gespielt habe. Ich war auch eine Zeitlang im OPK Beta Team (Bundeswehr Mod für BFV/BF2) und habe mich an Diskussionen zum Gameplay, Balacning usw.. beteiligt. Ich habe mich in der Zeit viel mit Waffensystemen unter dem Aspekt beschäftigt wie man sie am sinnvollsten ins Spiel integriert. Das alles immer mit dem Anspruch nicht realistisch aber glaubwürdig zu sein. Z.b. Bewaffnung von Tiger und Hind und dem daraus folgendem asymetrischen Balancing. Die Hintergrund Geschichte war neutral Angelegt. Bei einem Treffen von deutschen und serbischen Soldaten, verübt ein unbekannter Scharfschütze einen Anschalg. Damit beginnt der Konflikt. Es wurde auch über ein Render Intro diskutiert in dem ein Bundeswehr Offizier über die Sinnlosigkeit des Konflikts spricht. Das wurde aber wie viele dinge wegen fehlender Manpower fallen gelassen.

Für mich galt dabei immer die Maßgabe, das militärisches Gerät wunderbares Spielzeug für große Jungs ist das maximal auf einem Truppenübungsplatz, und auf einem virtuellen Schlachtfeld zum Einsatz kommen darf.

Um jetzt mal auf Battlefield One zu kommen. Ich weiß nicht wie man den ersten Weltkrieg glaubwürdig und mit dem gebotenen Anspruch, für die Zielgruppe (12-25) in einem AAA Casual Shooter, inszenieren soll. Das kann in meinen Augen nur nach hinten losgehen.
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Vinter
Foul Tarnished
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Re: Gedanken zu Folge 58

Beitrag von Vinter »

Die Debatte vergisst ein ganz elementares Ding: Wir haben 2016. Und wenn ich mir die Historie des Mediums so ansehe, so kommt diese "Kontroverse" ungefähr 15 Jahre zu spät. Denn seit Ende der 90er haben wir mindestens zehn Jahre lang jedes Jahr zwei oder drei Shooter vor dem Hintergrund des zweiten Weltkrieges gespielt.

Der zweite Weltkrieg, der uns Deutschen aus vielerlei Hinsicht offensichtlich deutlich näher ist. Der zweite Weltkrieg

- liegt zeitlich näher. Mancher hat ihn noch miterlebt, viele konnten noch ihre Großeltern befragen.
- ist - zumindest in Deutschland - um mehrere Größenordnungen häufiger und intensiver besprochen worden, als sein Vorgänger
- übertrifft, inklusive seines gesamten Kontextes, in Sachen Grausamkeit und Menschenverachtung den ersten Weltkrieg sicherlich um längen
- hatte Auswirkungen, die bis in die jüngste Vergangenheit spürbar waren, teilweise bis heute spürbar sind,für Deutschland, Europa und die Welt.

Und trotzdem hat man den Abenteuerspielplatz zweiter Weltkrieg ein ums andere Mal am Nasenring durch die virtuellen Manegen gezogen. Teilweise sogar
bis ins obskure verdreht, siehe Wolfenstein.

Und auch wenn das nicht heißt, dass es darüber nichts interessantes mehr zu sagen gäbe, ist eine Empörung darüber nun völlig anachronistisch. Das Medium und die Gesellschaft ist am Thema gewachsen. Das wäre in etwa so, als würde man heute noch darüber sprechen, ob man Brüste im Fernsehen zeigen dürfte - und dabei völlig vergisst, dass Lätta bereits in den 90ern nackte Möpse im Nachmittagsprogramm gezeigt hat, um damit banalerweise ihre Butter zu verkaufen.

---------------------------------------

Wo ich aber absolut zustimmen muss und worüber ich froh bin, dass es mal jemand an prominenterer Stelle erwähnt ist Andres Bedenken bzgl. der Militarisierung von Jugendlichen durch das Medium. Ja, ich bin absolut der selben Meinung: Wir sprechen hier von 14, 15, 16 Jährigen. Also jungen Leute, denen wir es auf der einen Seite nicht zumuten können, Alkohol oder Pornos zu konsumieren, Auto zu fahren oder gar wählen zu gehen, denen wir auf der anderen Seite aber erlauben, sich mit 17 Jahren beim Bund zu melden und denen wir - seit dem Wegfall der Wehrpflicht - sogar Offiziere in die Schulen(!) schicken, damit die denen mal erzählen, wie cool es bei der Bundeswehr ist.

Und auch wenn jetzt die Forumsmitglieder in dem Alter aufschreien werden: Diese Leute wissen noch nicht wahnsinnig viel vom Leben. Es kommt ihnen so vor - mir kam es auch so vor. Aber jetzt, mit 31, schaue ich zurück und schaue mir Menschen in dem Alter an und kann mir nur an den Kopf fassen, wie unreif sie - und man selber - zu jener Zeit war. Und gerade in dieser Selbstfindungsphase, wo jeder nur das Zielt hat, möglichst cool und akzeptiert zu sein, ist man ENORM beinflussbar durch solchen Hurra-Patriotismus. Das hat überhaupt nichts damit zu tun, dass man Realität und Fiktion nicht auseinander halten kann, oder diese Unsinnigen behauptungen, dass man nach zu viel Shooterkonsum die Lust verspürt, mal in der eigenen Schule herumzuballern. Und es heißt auch nicht, dass DU, der das jetzt hier gerade liest, unweigerlich zum Militär willst, wenn du nur genug virtuell geballert hast - ich war ja auch nie beim Militär und ich habe sicherlich genug geballert.

Aber die Darstellung von Soldaten als coolen Helden, der den Tag rettet spielt dem Militär in die Hände, also den Leuten, die eh schon scharf darauf sind, junge, unbedarfte Menschen in die Finger zu bekommen, damit sie in Afghanistan oder sonst wo für offene Handelswege den Arsch hin halten. Und das ist auch überhaupt keine wahnsinnig neue Erkenntnis, auch das wurde ja im Podcast erwähnt: Das US-Militär stellt nur zu gerne schweres Gerät zur Verfügung, wenn der entsprechende Film auch bloß hübsch Militärfreundlich ist. Genauso das erwähnte America's Army, was es zumindestens auf drei Iterationen gebracht hat.

Nein, Spiele machen einen nicht zum Amokläufer. Aber junge Menschen in einer Phase, in der sie ihre Identität suchen, lassen sich durch solche Darstellungen ohne Zweifel beeinflussen, insbesondere, wenn sie ansonsten relativ perspektivlos sind - und dann kommt der nette Jungendoffizier und erzählt einem, dass Counterstrike natürlich recht cool sei, aber nen echtes MG noch mal deutlich cooler.
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samhayne
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Immer wieder Spoiler

Beitrag von samhayne »

Ach Andre.
Musste der Spoiler des Plottwists von Spec Ops sein?

Der Spoil war ja nicht mal für die Diskussion wichtig... nur ein Rant.

Ja, ich weiß Spoiler-Wahn... auf der anderen Seite ärgerts aber auch, wenn man sich das
Spiel gekauft hat, weil man den Plot vom Konzept her interessant findet... und dann wird's
einem so sinnlos versaut. "Also der Plottwist, bei dem... bla bla.. oh... Spoiler-Alarm!". Äh... danke.

Isses denn SO schwer da vorzuwarnen oder das beim Schneiden noch zu korrigieren, wenn
man sich verplappert?? :?


An der Stelle auch nachträglich noch ein Dank an Jochen für den (hämischen) Spoil des
Final Fantasy 6 Antagonisten. Hatte ich mir da grad für teuer Geld für iOS geholt. Und dann
kriegt man noch zu hören, man sei selbst schuld, wenn man's jetzt noch nicht gespielt hätte.


Sehr interessanter Podcast... aber an Euren Spoilern ohne (wirkliche) Vorwarnung müsst
ihr arbeiten. Das ist bei Euch extrem uncool. Das kriegen sogar die Rotzlöffel von Rocketbeans
besser hin und geben dem Hörer Zeit zu reagieren.
Zuletzt geändert von samhayne am 16. Mai 2016, 19:02, insgesamt 2-mal geändert.
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Max
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Re: Gedanken zu Folge 58

Beitrag von Max »

Axel hat geschrieben:Das ist auch der Grund warum Ostdeutsche solche Themen noch mehr hinterfragen als Westdeutsche. Das sieht man auch an den Lehrplänen. Es kam ja schon im Podcast raus und wurde hier auch nochmal erwähnt, dass die Weltkrieg bei Euch im Westen keine große Rollen mehr spielten oder spielen. Bei uns in Sachsen etwa ist das anders. Hier wird zwei Jahre lang im Geschichtsunterricht nichts anderes gemacht als die beiden Weltkriege in jede einzelne Kleinigkeit auseinanderzunehmen.
Ich möchte an dieser Stelle als angehender Geschichtslehrer auch noch einmal anmerken, dass das so nicht stimmt. Natürlich kann ich das nicht für alle Bundesländer sagen, aber zumindest in Nordrhein-Westfalen sind beide Weltkriege ausführlich Teil der Abiturvorgaben und werden explizit im Unterricht behandelt. Der Geschichtsunterricht der Oberstufe behandelt (zumindest in NRW) weitgehend linear die Zeit von der französischen Revolution bis zur deutschen Wiedervereinigung.

Das hat mich auch beim Anhören des Podcasts schon aufschrecken lassen. Vielleicht war das zur Schulzeit von Andre und Jochen noch anders. Vielleicht ist es auch in einigen Bundesländern tatsächlich kein großer Bestandteil, wobei ich mir das ehrlich gesagt nicht vorstellen kann. Insbesondere der Zweite Weltkrieg wird in NRW immer und immer wieder durchgekaut.
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Denny Röder
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Re: Gedanken zu Folge 58

Beitrag von Denny Röder »

Max hat geschrieben:
Axel hat geschrieben:Das ist auch der Grund warum Ostdeutsche solche Themen noch mehr hinterfragen als Westdeutsche. Das sieht man auch an den Lehrplänen. Es kam ja schon im Podcast raus und wurde hier auch nochmal erwähnt, dass die Weltkrieg bei Euch im Westen keine große Rollen mehr spielten oder spielen. Bei uns in Sachsen etwa ist das anders. Hier wird zwei Jahre lang im Geschichtsunterricht nichts anderes gemacht als die beiden Weltkriege in jede einzelne Kleinigkeit auseinanderzunehmen.
Ich möchte an dieser Stelle als angehender Geschichtslehrer auch noch einmal anmerken, dass das so nicht stimmt. Natürlich kann ich das nicht für alle Bundesländer sagen, aber zumindest in Nordrhein-Westfalen sind beide Weltkriege ausführlich Teil der Abiturvorgaben und werden explizit im Unterricht behandelt. Der Geschichtsunterricht der Oberstufe behandelt (zumindest in NRW) weitgehend linear die Zeit von der französischen Revolution bis zur deutschen Wiedervereinigung.
Das Problem ist doch, dass es in Deutschland keinen einheitlichen Schulplan gibt! Jedes Bundesland kann für sich selbst entscheiden ( natürlich nicht alles ), was unterrichtet wird und vor alllem in welchem Umfang, gewisse Themen in den Klassen behandelt werden.
Bestes Beispiel ist doch die Astronomie!
Astronomie ist nur noch in 3 Bundesländern ein Pflichtfach! Kein Wunder also, dass viele deutsche den unterschied zwischen einem Stern und einen Planeten nicht kennen.
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ZERNICHTER
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Re: Gedanken zu Folge 58

Beitrag von ZERNICHTER »

Komisch, bei Battlefield Vietnam (und BC2V) hat sich niemand beschwert obwohl die Vietnamesen mit Agent Orange "vergast" wurden von den USA. Ach ja, waren ja nur Vietnamesen.
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Andre Peschke
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Re: Gedanken zu Folge 58

Beitrag von Andre Peschke »

Andreas, der Autor der Kolumne auf Polygamia.de, hat übrigens in den Kommentaren zur Folge nochmal seine Haltung konkretisiert. Ich packe das Posting mal hier rein:

"Ich scheine mit dem Polygamia-Artikel ja doch einen Nerv getroffen zu haben. Mal was Grundsätzliches: Ich habe nicht erwartet, dass Dice einen anspruchsvollen Shooter macht. Es hätte mich wie bei Spec Ops überrascht, aber mir ist sehr wohl klar, dass die Fans nun mal einen MP-Shooter erwarten. Ich habe auch nicht erwartet, dass BF 1 eine Geschichtsstunde wird. Realismus hätte vermutlich das Spielprinzip zerstört. Oder wer will schon stundenlang nach einem Gasangriff auf den Tod warten? Nein, mir ging es um die moralische Verantwortung, der sich so ein Aushängeschild der Videospielbranche stellen muss. Wenn es nämlich kompliziert wird, ziehen Entwickler und Publisher meist die Köpfe eine und setzen auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Ein Medium wie das Videospiel muss sich heutzutage auch mal die Frage stellen, ob es nur unterhaltsame Wegwerfware sein will oder als Kunst ernst genommen werden will. Kaum ein anderes Medium (Ausnahme vielleicht Pornos und David Guetta-Songs) verweigert sich so sehr einer ernsthaften Interpretation."

Andre
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lipt00n
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Re: Gedanken zu Folge 58

Beitrag von lipt00n »

Und da ist sie wieder, die unsägliche "Sind Videospiele Kunst?" Debatte.

Mir läuft es gerade zuwider, dass alles, was auf den Markt kommt, sich irgendeiner Kunst- oder Aussagekritik unterwerfen muss. Wann genau entstand der diese Interpretationswut? Ich kann das nicht mehr hören. Ich spiele, weil ich mir die Zeit vertreiben will, mich ablenken will, mich vllt auch entspannen will. Manchmal spiele ich auch, um mich ein bisschen mit Rätseln zu beschäftigen oder um einfach eine schöne Geschichte zu erleben. In den seltensten Fällen spiele ich, weil ich danach eine zwanzigseitige Abhandlung über Moralvorstellungen, Intention des Entwicklers und Bedeutung für die Menschheitsgeschichte schreiben will. In den seltensten Fällen? Eigentlich nie.

In erster Linie spiele ich, um Spaß zu haben. Ein ganz furchtbar-hedonistisches Motiv. Oje! Jetzt klatschen alle, die dem Medium ja unbedingt eine künstlerisch wertvolle Metaebene aufdrücken wollen, die Hände über den Kopf zusammen. ich spiele aus Spaß. Früher war ich Teil einer Mehrheit, heute komme ich mir in Diskussionen vor wie der Antichrist.
Ich sage nicht, dass Spiele nicht auch gesellschaftskritische, moralische oder gar künstlerische Ansätze haben (können), aber jedes Spiel an die "Kunst"-Messlatte anzulegen und nach Sinn und Interpretation zu fragen ist einfach ein bisschen too much und wird der Historie des Mediums nämlich auch nicht wirklich gerecht.
Wer mal länger als eine halbe Stunde Battlefield gespielt hat, kann doch eigentlich nur schwer auf die ernsthafte Idee kommen, bei DICE und EA nach Inhalten, Aussagen, Interpretationsmöglichkeiten, Tiefe und Moral zu suchen. Bei einem Film von Michael Bay macht man das ja schließlich auch nicht, genausowenig wie ein Reich-Ranicky bei einem Stuckrad-Barre nach seinen weltliterarischen Qualitäten gesucht hätte.

Eine Militarisierung halte ich für keine realistische Bedrohung. Ich glaube sogar, dass es ein Ersatzargument ist. Der Videospieler steht ja schon noch am Rande der Gesellschaft indem er in Spielen nicht nur all das Töten wahrnimmt, sondern auch die Mechaniken, den Spaß, den Anreiz dahinter. Für einen Außenstehenden ist das trotzdem nur ein absurdes "Tötungsspiel". Da muss man sich schon zwangsläufig sowas wie "Angst vor Militarisierung" einfallen lassen, um sich wenigstens irgendwie (auch für sich selbst) vom Produkt distanzieren zu können. "Ich spiele gerne Spiele, klar, aber ich finde Krieg doch nicht geil! Eigentlich ist das alles ziemlich pfui, aber die Entwickler geben mir ja nichts anderes!" dürfte ein viel benutzter Selbstschutzmechanismus sein.
Im Endeffekt ist doch die Gefahr der Militarisierung durch Militärshooter genau so abstrakt wie eine Verrohung durch GTA, andere Shooter oder sämtliche Gewaltdarstellungen per se. Ich kann mich in den all den Jahren seit dem ersten Call of Duty und der einhergehenden Schwemme an Militärshootern jedenfalls an keine signifikante Schwemme von militaristischen Jugendlichen, umherschießenden paramilitärischen Bürgerwehren oder einem Anstieg der Beliebtheit der Karriereoption Bundeswehr erinnern. Vielleicht wird auch hier das Medium wieder viel ernster genommen, als man es eigentlich nehmen sollte.

Die USA klammere ich hier mal aus, da die Gegebenheiten dort ÜBERHAUPT nicht mit einem europäischen Markt vergleichbar sind. Da läuft patriotisches-NRA-Krieg-macht-Helden-Brainwashing an jeder Ecke. Wie Jugendliche auf Spiele reagieren wenn ihr gesamtes Umfeld sowieso schon den gleichen Grundtenor suggeriert, unterscheidet sich möglicherweise deutlich von Europa.
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lipt00n
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Re: Gedanken zu Folge 58

Beitrag von lipt00n »

Axel hat geschrieben: Wie im Eingangspost schon beschrieben, mache ich da in der Tat andere Erfahrungen in der Arbeit in der Jugendbetreuung. Du gehst von Dir aus, das sollte man aber in der Debatte nicht, weil man es sich da viel zu einfach macht. Und wie schon in den zahlreichen Games'n'Politics Folgen herausgearbeitet, besteht ja nicht ohne Grund ein großes Interesse der Armeen in diesen Spielen gut wegzukommen. Diese Spiele dienen durchaus sehr gut als Identifikation zum Militär, gerade bei Jugendlichen.
Ich bin selbst Pädagoge und arbeite in einer Schule -ich gehe also nicht nur von mir aus, sondern auch von den Eindrücken, die ich sammeln kann. Für die Jugendlichen die ich hier kenne, ist bspw. CoD nur ein Spiel und etwas abstraktes, Soldat werden will hier keiner. Ganz im Gegenteil. Krieg ist hier bestimmt nicht beliebt, wird auch im Unterricht ausreichend thematisiert und es ist eben "einfach nur ein Spiel". Ich bleibe dabei: Wer sagt, ein Medium (und sei es noch so gepusht und manipuliert von Dritten) könne ganz alleine so einen Effekt wie eine Militarisierung oder Verrohung auslösen, macht es sich viel zu einfach. Das ist eine "Wer Slipknot und Manson hört, läuft auch Amok"-Argumentationskette.
Axel hat geschrieben: Und wenn Du sagst, dass Du daran Spaß hast Spiele mit Kriegsszenarien zu spielen, möchte ich fragen warum Du daran Spaß hast, wo es doch in der realen Welt viele Kriege und Kriegsflüchtlinge gibt?
Ganz einfach: Weil es mit der realen Welt überhaupt nichts zu tun hat. Ich kriege ein Spiel vorgesetzt, und das in allererster Linie erst mal das eigentliche "Spiel". Ziel, Modi, Mittel, Mechanik -eben all das, was für den Spielspaß verantwortlich ist. Danach kommt dann eine ansprechende Gestaltung/Optik und irgendwo auch das Setting. Ob das jetzt Krieg ist (der soundtechnisch natürlich auch was hergibt) oder ein spiel wie Splatoon, ist mir dabei zweitrangig. Konflikte und Wettbewerbe zwischen Gruppierungen sind seit jeher ein Element von "Spielen", die Weltkriege und "bewaffnete Konflikte" sind eben eine moderne Form der Präsentation.
Axel hat geschrieben: Es geht in der Diskussion nicht um eine Kunstdiskussion, sondern um eine moralische Diskussion. Das ist ein Unterschied.
Mein Kunst-Rant bezog sich auf das Zitat von Polygamia.de, welches Andre gepostet hat.
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Andre Peschke
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Re: Gedanken zu Folge 58

Beitrag von Andre Peschke »

lipt00n hat geschrieben:Wer sagt, ein Medium (und sei es noch so gepusht und manipuliert von Dritten) könne ganz alleine so einen Effekt wie eine Militarisierung oder Verrohung auslösen, macht es sich viel zu einfach. Das ist eine "Wer Slipknot und Manson hört, läuft auch Amok"-Argumentationskette.
Ich glaube, die hat auch keiner aufgemacht. Wie ich im Podcat schon gesagt habe, finde ich aber den Gedanken durchaus nicht abwegig, dass Spiele ein Teil einer großen Medienmixtur sind, die (insbesondere jungen) Menschen suggeriert, dass Soldatentum etwas ist, in dem Helden geschmiedet werden, wahre Kameraderie herausgebildet wird, sich Männer als wahre Männer beweisen können, das Waffen und Uniformen Insignien von Macht und Status sind etc. Das sind die Lügen und Halbwahrheiten, die zumindest teilweise einen Menschen dazu motivieren können, sich zum Dienst an der Waffe zu verpflichten - IMO.

Das einzelne Spiel hat daran natürlich keinen bedeutenden Anteil.
lipt00n hat geschrieben: Mein Kunst-Rant bezog sich auf das Zitat von Polygamia.de, welches Andre gepostet hat.
Nur zur Klarstellung: Das Zitat stammt von Andreas Müller, dem Autor des Beitrags auf Polygamia, der es in den Kommentaren zur Folge hinterlassen hat. Es ist keine Stellungnahme der Webseite an sich (und wir müssen ja nicht entpersonalisiert von der Webseite sprechen).

Andre
Edward van
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Re: Gedanken zu Folge 58

Beitrag von Edward van »

Ist aber gerade Black Metal nicht selber in Sachen Gewalt in gewissem Maße fragwürdig? :shock: *hüstel*
Man bedenke Norwegen in den frühen 90er Jahren, mit Mayhem, Burzum, die Typen von Emperor sollen damals auch jemanden auch getötet haben, soweit ich weiß und später
die Geschichte mit Ghaal, dem ehemaligen Sänger von Gorgoroth.

Ich finde die Idee wirklich sympathisch, aber ich denke, diese Kombination aus erst Cod oder BF spielen und dann Black Metal oder Death Metal hören, wird insofern nicht funktionieren,
als das diese beiden Subgenres des Metal in Relation zur Spielesubkultur ungefähr so populär sind wie die Drakengard Reihe, nämlich kennt fast kein Schwein und wenn man es jemandem
zeigt ist die Reaktion in erster und vielleicht auch noch zweiter Linie eher abweisend.

Wobei ich dir da zustimmen kann (und vielleicht auch muss?), dass Metal hören, insbesondere die härteren Gangarten Aggressionen abbauend wirken. ;)
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Amox
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Re: Gedanken zu Folge 58

Beitrag von Amox »

Weapi hat geschrieben:Also ich mag Militärshooter, und ich habe grundsätzlich Spaß daran. So und jetzt dürfen mich die Pazifisten unter euch steinigen :!:
Warum sollte man, obwohl ich behaubten würde eine durchaus pazifistische Einstellung zu haben spiele ich Militärshooter auch ganz gern, sie machen mir einfah Spaß, haben aber meiner Meinung nach nichts mit echter Gewalt am Hut, sie sind lediglich ein modernes Unterhaltungsgut das mitlererweile tief in unserer Geselschaft verwurzelt ist.
Blog: https://bigfuckinggames.wordpress.com/
Ich bin echt schon lange hier ...
mczappa
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Re: Gedanken zu Folge 58

Beitrag von mczappa »

So, endlich angemeldet. Da bin ich nun, der Auslöser der ganzen Diskussion ;-) Mir ging es in meinem Polygamia-Artikel in erster Linie um die moralische Verantwortung. Das mit Kunst sehe ich ein, ist einerseits von mir arg verkürzt formuliert, andererseits vielleicht auch eine andere Baustelle.

Aber mal zum Podcast: Jungs, ihr merkt schon, dass ihr euch widersprecht, oder? So übt Jochen zwar Kritik an der unsensiblen Gewaltdarstellung in Videospielen, weil das Medium noch nicht so weit ist, aber dann wird mal wieder das beliebte Totschlagargument "Ist ja nur ein Spiel, das unterhalten soll" in die Diskussion geworfen. Ganz naiv gefragt: Wann sollen sich denn Videospiele weiterentwickeln, wenn sie doch nur zielgruppengerechte Cash-Cow-Unterhaltung sein dürfen? Das müsste ja eigentlich bei den großen Blockbustern anfangen.
Jochen

Re: Gedanken zu Folge 58

Beitrag von Jochen »

Ich fürchte, du hast da etwas missverstanden bzw. wir haben uns nicht eindeutig genug ausgedrückt. Wir sagen nämlich nicht, dass sich Spiele nicht dringend weiterentwickeln müssen (dieses spezielle Fass haben wir - übrigens auch in ethischer Hinsicht - schon in etlichen Episoden aufgemacht), sondern das Forderungen wie exemplarisch deine Kolumne dazu nicht hilfreich sind. Denn das Problem liegt eben nicht darin, dass Kriege als Unterhaltungsschauplatz dienen - es sei denn freilich, man hat auch mit den genannten Beispielen wie MASH oder ein Käfig voller Helden oder Indiana Jones ein moralisches Problem - sondern dass nur am Rande ein Kontrastprogramm zur reinen Unterhaltung existiert. Dieses Kontrasprogramm fördert man aber nicht dadurch, dass man solche historischen Schauplätze aus vermeintlich guter Absicht heraus tabuisiert. Wenn sich ein Medium künstlerisch weiterentwickeln soll, dann braucht es dazu nicht mehr Tabus, sondern weniger.
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Malvitus
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Re: Gedanken zu Folge 58

Beitrag von Malvitus »

mczappa hat geschrieben: Das müsste ja eigentlich bei den großen Blockbustern anfangen.
Bei allem Respekt, aber da wird doch das Pferd von hinten und auf dem Kopf stehend aufgezäunt. Die (künsterlische) Weiterentwicklung eines Mediums wurde bisher nie von den Blockbustern vorran getrieben, egal ob Buch, Film oder Videospiel. Die Blockbuster haben ja gar kein Interesse sich in unbekannte Gewässer zu trauen, weil sie ja genau darauf abzielen eine möglichst große Zielgruppe zu erreichen, deswegen ja der Name Blockbuster. Da viele Leute sich an das unbekannte ja sowieso nicht trauen, ist es für eine Blockbusterproduktion also uninteresannt an der Weiterentwicklung mit drastischen Mitteln mitzuwirken. Ich behaupte, dass das Szenario erster Weltkrieg ja auch erst möglich geworden ist, da der Konflikt in den letzten paar Jahren anlässig seines 100 Jährigen "Jubiläums" wieder präsenter in den Medien (inkl. Spiele siehe Verdun und Valiant Hearts) geworden ist. Und ich bin mir ziemlich sicher das EA und DICE da vorher ordentlich Zielgruppen Studien gemacht hat, ob das Szenario überhaupt ankommt.

Zwei kurze Randnotizen:

1. Kann ich Jochen und André insofern beruhigen, als dass der erste Weltkrieg im Geschichtsuntericht der Oberstufe mittlerweile durchgenommen wird. Zwar wird nur besprochen wie er begonnen hat und wie er geendet hat, aber immerhin. Und zumindest unser Lehrer hat einen Ausflug nach Verdun organisiert, bei dem wir einen Führer hatten, der uns das Kampfgebiet gezeigt hat (das inzwischen einigermaßen geräumt ist. Da stehen aber immernoch Schilder das man nur auf dem markierten Weg gehen sollte, wenn einem seine Beine lieb sind), ein wenig über die Realität des Krieges gesprochen und uns dann zum großen Denkmal gebracht hat. Das, muss ich sagen, war wirklich beeindruckend und ich würde jedem empfehlen da mal hinzufahren. Man kann sich diese verkraterte Landschaft gar nicht vorstellen. Und wenn man dann durch die Fenster am Sockel des Denkmals schaut und dort einfach ein endloser Berg an menschlichen Knochen liegt, dann ist man denke ich schlagartig von jedem Militarismus geläutert.

2. Was das Thema erster Weltkrieg kann ich an dieser Stelle auf den Channel "The Great War" verweisen, der es sich zur Aufgabe gemacht hat jede Woche in einem Wochenrückblick zu berichten, was im ersten Weltkrieg an all seinen Fronten vor exakt 100 Jahren passiert ist. Gestartet ist das ganze als deutsche Koproduktion, allerdings hatte Mediakraft dann doch keine Lust mehr. Auf jeden Fall kann man sich das mal anschauen, es ist wirklich gut aufbereitet und ordentlich recherchiert.
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Andre Peschke
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Re: Gedanken zu Folge 58

Beitrag von Andre Peschke »

mczappa hat geschrieben: Aber mal zum Podcast: Jungs, ihr merkt schon, dass ihr euch widersprecht, oder? So übt Jochen zwar Kritik an der unsensiblen Gewaltdarstellung in Videospielen, weil das Medium noch nicht so weit ist, aber dann wird mal wieder das beliebte Totschlagargument "Ist ja nur ein Spiel, das unterhalten soll" in die Diskussion geworfen. Ganz naiv gefragt: Wann sollen sich denn Videospiele weiterentwickeln, wenn sie doch nur zielgruppengerechte Cash-Cow-Unterhaltung sein dürfen? Das müsste ja eigentlich bei den großen Blockbustern anfangen.
Erstmal: Herzlich Willkommen im besten Forum der Welt. :)

Ich denke, da laufen wie so oft mehrere Diskussionspunkte ineinander und verzerren das Bild. Wenn Jochen sagt, dass man von einer Katze das Bellen erwartet, wenn man fordert, das Battlefield One den 1. WK entweder mit Respekt vor der historischen Katastrophe behandeln soll, oder die Finger weg lassen, dann argumentiert er ja weniger auf einer idealistischen, sondern auf einer realistischen Ebene. Eine Weiterentwicklung, wie sie dir (und teilweise auch uns vorschwebt), kommt nie und nimmer von den Millionenproduktionen, die das "make or break" für das Quartalsergebnis des Herstellers und Hunderte von Arbeitsplätzen bedeuten. Erst wenn sich solche Konzepte bewährt haben und damit das Risiko minimiert wurde, werden sie in diesem Rahmen aufgegriffen. Entsprechend entwickeln sich Videospiele weiter, durch Titel wie Minecraft, die Dutzende von besser finanzierten "Klonen" nach sich ziehen und damit neue Genres begründen. Das gleiche wird passieren, wenn jemand ein Antikriegsspiel fabriziert und für dessen finanzielle Rentabilität eineArt "proof of concept " liefert. So knapp, wie selbst viele der großen Publisher oft mit ihren Investitionen und Ressourcen kalkulieren müssen, leisten die sich anders als das Film-Business auch (noch) nicht irgendwelche Aushängeschilder, die sie wenigstens mit mittelgroßem Aufwand als Oscar-Bait in die Lande stellen (zumal da auch die "Querfinanzierung" durch herausragende Darsteller fehlt - in Spielen gibt es eben noch kein "mit Oscarpreisträger soundso", dass Leute in die Läden zieht).

Auf der idealistischen Ebene ist Jochen ja sogar schon mit seinem "warum nicht mal in einem Spiel den Holocaust thematisieren, dass dir ganz anders wird"-Beispiel sogar erheblich weiter gegangen, als du (daher auch sein Einwand, dass Ent-Tabuisierung ebenfalls eine Rolle spielt. Da ist die Frage, ob das Zutrauen in das, was das Medium schaffen kann schon vorhanden ist, oder nicht. Das sind aber Dinge aus unserem erweiterten Podcast-Kanon und da kann ich natürlich nicht erwarten, dass du jetzt die Folgen zu Moral in Spielen etc alle nachholst oder schon gehört hast. Will sagen: Wenn du unser Gesamtwerk kennen würdest wüsstest du, dass wir in vielen Punkten vielleicht näher beieinander liegen, als es in der Auseinandersetzung mit deiner konkreten Kolumne den Anschein hatte.

Und letztlich gibt es dann noch den Punkt: Dumme Popcornunterhaltung auf Basis eines Weltkriegs - ja, das ist erlaubt, das muss erlaubt sein. Darf man kritisieren. Je nach Umsetzung muss man das vielleicht auch. Hochgezogene Augenbrauen angesichts der euphorischen, dem historischen Ereignis gegenüber blinden Reaktionen der Spieler und der Presse sind ebenfalls nachvollziehbar. Allerdings auch überraschend Mediums-Fremd, denn die gleiche Debatte wurde schon zu Killerspiele-Zeiten über die Gewaltrezeption von Spielern geführt und auch da wurde verkannt, dass die virtuelle Gewalt und die Reaktion darauf keine Rückschlüsse auf das Verhältnis des Spielers zu realer Gewalt zulassen. Genausowenig, wie man ein frigider Asexueller ist, wenn einen Sex-Szenen in Filmen zu Tode langweilen.

Andre
PS: Ich find's sehr cool, dass du hier mitdiskutierst. Als Autor ist man ja gern mal geneigt oder angehalten, die Diskussion auf der "eigenen" Plattform zu halten. Plus: Auch wenn wir dir widersprechen ist eine Kolumne, die eine Diskussion wert ist, ein Verdienst an sich. :)
mczappa
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Re: Gedanken zu Folge 58

Beitrag von mczappa »

Ja, es ist etwas schwierig über die ganzen Plattformen verteilt den Überblick zu bewahren ;-)

Ich stimme euch vollkommen zu, dass ein Videospiel ein kontroverses Thema wie Krieg benutzen kann, um daraus einen Abenteuerspielplatz zu machen. Aber wisst ihr was? Nach rund 20 Jahren könnte man ruhig mal etwas Neues ausprobieren. Irgendwann hat das Kleinkind die Trotzphase überwunden, der Teenie hat in der Pubertät genug Hormone ausgeschüttet und dann wird er erwachsen und stellt sich der Realität. Dann ziehen so Argumente wie "Ich will doch nur Spaß haben" nicht mehr. Und genau dieses Maß an Verantwortungsbewusstsein erwarte ich auch von einer Branche, die als Leitmedium für die Jugend gilt. It's about fucking time.
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Dostoyesque
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Re: Gedanken zu Folge 58

Beitrag von Dostoyesque »

Muss da zustimmen. Ihr habt zwar absolut damit Recht, zu betonen, wie action-/ und unterhaltungsbezogen andere Medien in ihrer Jugend waren und immer noch sind, jedoch war beim Film z.B. relativ früh zu erkennen, dass es zu einer Kunstform heranwächst, auch wenn natürlich zeitgleich viel seichte Unterhaltung dabei war. All Quiet on the Western Front ist z.B. ein Film, der in einem sehr kurzen zeitlichen Abstand zum ersten Weltkrieg den Krieg sehr ernsthaft behandelt hat. Ein deutlich mutigeres Projekt, als ein ernsthaftes Spiel zum 1. Weltkrieg im Jahr 2016 jemals sein könnte. Dennoch wurde der Film produziert. Spiele kommen da auch nach mehreren Jahrzehnten über ein Studenten-VR-Projekt im World Trade Center irgendwie nicht hinaus.

Ich glaub, bei den meisten Kritikern gehts weniger darum, dass seichte Unterhaltung schlecht ist, im Gegenteil. Ich denke jeder kann ein gut produziertes Stück seichte Unterhaltung genießen. Ich nehme in diesem Forum immer die undankbare Position des Kunstelitisten ein, les meine eigenen Beiträge manchmal nicht besonders gern :D , aber ich hab absolut gar nichts gegen seichte Unterhaltung. Wenn man aber in einem Medium nahezu alternativlos seichte Unterhaltung und so gut wie nichts anderes erfährt, spricht das nicht für das Medium als Kunstform.

Ich hab persönlich nichts gegen BF1, von mir aus solls existieren, da hätt ich nämlich auch nie erwartet, dass es was ernsthaftes wird. Deswegen wirkt die "Debatte" gerade etwas zufällig, imho. Ich weiß auch nicht, wie man einen shooter spielmechanisch funktionieren lassen kann in einem sehr ernsthaften setting ohne dass man den Spieler vergrault. Bei einem Spiel wie C&C Generals damals jedoch, als man Selbstmordattentäter produzieren und auf Gegner hetzen konnte, gab es z.B. großes Potential, hier über Spielmechaniken (Rekrutieren der Attentäter, Propaganda, Ausnutzen wirtschaftlicher Krisen von gegnerischen Kräften auf einer Weltkarte, etc.) Einblick zu gewähren auf die Meta-Prozesse, die die Weltpolitik und entsprechende Konflikte beeinflussen. Die wenigsten haben z.B. von den Inhalten der Bin Laden tapes gehört und haben wahrscheinlich keine Ahnung, wie klein und friedliebend auch eine Person wie er begonnen hat, als großer Bewunderer von Gandhi. Der Angriff auf das WTC war auch ein verzweifelter Versuch, noch irgendjemanden für seine Sache zu gewinnen. All diese Dinge *könnte* man in Spielmechaniken einbauen, die nicht zu on-the-nose sind und einen fast im Vorbeigehen etwas zum Nachdenken bringen. CIV, so gern ich es habe, ist z.B. zu happy-go-lucky um das jemals zu machen. Ein erwachsenes, ernsthaftes CIV in dem man sich im Notfall zu einer terroristischen Gruppe zusammenschließen kann stell ich mir fantastisch vor. Könnte denke ich auch vielen Jugendlichen die Augen darüber öffnen, über welche Mechanismen diese Organisationen versuchen, junge Menschen zu manipulieren. Ist vielleicht aber auch etwas trocken, keine Ahnung. Man muss aber nicht gleich mit der "Versoftung" von Polanskis Pianist anfangen.
Lo-lo-look at you, poster-r: a pa-pa-pathetic creature of meat and bone, panting and sweating as you r-read through my post. H-how can you challenge a perfect, fat machine? - asfm
Good night, sweet prince, And flights of angels sing thee to thy rest!
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