Zwei sehr schöne Folgen, wenngleich ich ständig das Gefühl hatte, Freunden asiatischer Küche dabei zuzuhören wie sie über ihre Erfahrungen mit meiner geliebten meditteranen Küche sprechen.... oder so [insert passenderen Vergleich]
Was in der spielerischen Umsetzung von Sapkowskis Welt denke ich generell sehr entscheidend ist - und dann auch viele kleine Schnitzer verzeihlich macht -ist, ob man mit dem melancholisch-humorvollen-satirischen-düsteren-moralische-Grauzonen-auslotenden-Märchen-gone-wrong-Gemisch in Setting und Atmosphäre etwas anfangen kann oder nicht. Ganz viele Leute hooked nämlich gerade das. Klar, die Quests sind für Spiele außergewöhnlich gut erzählt, die Charaktere außergewöhnlich vielschichtig, die Designumsetzung sehr authentisch-greifbar, dafür aber das Gameplay bestenfalls mäßig innovativ und aufregend, und die Open World an sich ist eigentlich schon fast ein aufgesetzter Rohrkrepierer. Oder anders gesagt: niemand spielt The Witcher so gerne, weil es spielerisch so gut ist. Es ist eines der besten Spiele (RPGs) aller Zeiten, trotz des bestenfalls leicht überdurchschnittlichen spielerischen Werts. Diejenigen, die The Witcher lieben, tun das aber, weil sie Sapkowskis Welt, diesen Charakter und die Themen und die moralische Vielschichtigkeit lieben, und das Ganze dann auch in Spielform ausleben können.
Ein bisschen ist das also schon auch Geschmackssache. Was natürlich nicht heißt, dass man das Ganze nicht "objektiver" besprechen könnte oder sollte, keine Frage. Aber ganz von der Hand zu weisen ist es eben nicht, dass man sich eigentlich ein bisschen in diese Welt und seine Charaktere verlieben muss, damit das alles überhaupt die Zeit wert ist. Wenn man es mag, wird man fürstlich belohnt. Wenn nicht, hat man auch nicht viel verpasst, wenn man es lässt. Und letztlich liegt hier auch der Hund begraben - wie schon öfter richtig angemerkt wurde. Ist man Fan und kennt man die Vorlage, wird man hier bestens bedient. Fallen diese beiden Dinge weg, fehlt der Zauber der Verliebtheit, dann ist es bestenfalls eine erträgliche bis erheiternde Zweckehe.
Für Blood and Wine trifft das noch mal im Speziellen zu. Was macht B+W zu so einem guten Addon? Natürlich das Preis-Leistungs-Verhältnis und einige gute Quests, vor allem aber wiederum das Setting. Kann man mit dieser Version von Pseudo-Ritterroman-Idyll-Frankreich-Italien-Weinromantik-Satire-meets-Vampire was anfangen? Dann ist man hier bestens aufgehoben! Wenn einen das aber wiederum nicht hooked, weder an sich noch im Kontext der Gesamtreihe, dann bekommt man halt einfach nur mehr vom einigermaßen guten.
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An dieser Stelle muss ich aber gleich noch mal doppelt einhaken:
>Touissant: ist nicht einfach nur eine Parodie auf französische Weinbaugegenden. Das Ganze (bzw. das Gebiet aus der Vorlage) ist zuallererst eine Parodie auf überzogene Ritterlichkeit und gestelzte Ritterromane, die nunmal mehrheitlich im mythisch übersteigerten Frankreich angesiedelt sind. Das Artus-Element ist also mindestens so prominent wie der Wein. Und auch das ist mehr ein Gemisch aus Frankreich, Italien, etc. Klugerweise entschied sich CDPR auch dazu, die engl. Synchronsprecher nicht mit frz. Akzent sprechen zu lassen, sondern mit dänischem.
>Die Hochzeitsquest: Ja, Vlodimir hat ganz eindeutig einen sexistischen, rassistischen Charakterzug, der bei der Hochzeit voll zum Tragen kommt. Und ja, richtig, der wird letztlich etwas runtergespielt. ABER, mitnichten wird das Verhalten als positives Gegenbeispiel zu Geralts Verschlossenheit konzipiert. Shani erfreut sich an Vlodigeralts Lockerheit und emotionalem Überschwang, erwähnt aber auch immer wieder, wenn ihr etwas zu weit geht... und bevorzugt am Ende dann den Originalgeralt. Das geht aus den späteren Dialogen eindeutig hervor. Vlodimirs Verhalten wird im Übrigen schon während der Hochzeit veräppelt, indem er als geiler Lustmolch nicht mal vor der älteren Omi halt macht. Und Geralt selbst (als primäre Projektions- und Identifikationsfigur für die Spieler) distanziert sich ohnehin davon.
Was natürlich stimmt ist, dass das Ganze heute wohl etwas subtiler konstruiert worden wäre und Vlodimirs Verhalten wie auch die Quest als leichtfüßiger, verzeihlicher Humor gesehen wurde, in einer Questreihe und mit einem Charakter, der letztlich selbst nicht ganz ernsthaft ist. Ohne Zweifel sind die Schreiber von CDPR hier auch etwas mehr "old-boys-club" als Sapkowski selbst. Der hätte das wohl etwas anders gehandlet. Vlodimir ist natürlich comic relief in einer ansonsten allzu düsteren Welt und er ist sicherlich nicht unproblematisch - zumindest für gegenwärtige, progressive Gemüter, zu denen ich mich ja auch zählen würde. Also, nein, in der realen Welt ist das alles andere als ein akzeptables Verhalten und jeder, der sich doch so verhält ist mehr peinlich als sonstwas (wenngleich, vom rassistischen Aspekt abgesehen, jetzt dennoch nichts wirklich fundamental und hochgradig problematisches dabei ist). Im Kontext dieser Welt und dieser Spiele (die zwar male-power-fantasies bedienen, Frauen bisweilen als Gratifikationsobjekt stilisieren, aber dann immerhin immer wieder Ablass betreiben durch ansonsten spannende, selbstständige, starke Frauencharaktere und Selbstironie; "Wir sind im 13. Jahrhundert, natürlich können Frauen selbstständig leben" oder so ähnlich) finde ich es aber in Ordnung. Man hätte vielleich weniger infantilen Humor bedienen können, aber so wie es gemacht wurde, ist es aus meiner Sicht jetzt nicht wirklich hochproblematisch.
Generell habe ich aber wohl eine etwas andere Haltung zum Humor bei Sapkowski, aber auch in den Spielen (wobei er das noch mal subtiler und besser macht): wenn er parodiert, dann parodiert er nicht nur, sondern macht das auch immer mit einem Augenzwinkern. Das heißt, auch die Parodie nimmt sich nur halb ernst und parodiert sich selbst wieder (bestes Beispiel: Touissant). In den Büchern ist dieses spielerische, bisweilen fast alberne, natürlich noch viel präsenter. Die Spiele machen hier Kompromisse und erzählen etwas weniger hintergründig. Aber auch dort ist das noch vorhanden, aus meiner Sicht gerade in der Hochzeitsquest. Vermutlich gilt aber auch hier wieder: die Liebe zur Vorlage legt einen gewissen rosa Schleier über die Spiele, die vieles aus einem anderen Licht sehen lässt, selbst wenn die Substanz das vielleicht gar nicht immer hergibt. So selbstkritisch müssen alle Witcherliebhaber*innen sein.