Runde #365: This War of Mine

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Wolfgang
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Runde #365: This War of Mine

Beitrag von Wolfgang »

Vielen Dank, dass Ihr Euch des Spiels/Themas angenommen habt.

Ich finde es ist eines der wichtigsten Spiele überhaupt.
Eben weil es ein Antikriegs-Werk in einer Kunstform ist, die von Kriegsspielen dominiert wird.

Die Message, die Darstellung, die moralischen Entscheidungen, das Gameplay, da passt sehr, sehr viel.

Eure Einleitung ist ja mal sehr ernüchternd, mal sehen.
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Smutje187
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Re: Runde #365: This War of Mine

Beitrag von Smutje187 »

Die Problematik der Ressourcenknappheit, die man irgendwann gut „gamen“ kann, fiel mir zuletzt in The Last of Us 2 wieder auf: Da ich gerne Stealth gespielt habe, hatte ich immer (!) volle Munitionsbeutel und hätte es nicht gelegentlich erzwungene Baller-Passagen gegeben, mein virtuelles Lager wäre übergelaufen vor Waffen und Munition. Days Gone war da ebenfalls ähnlich, die Postapokalypsenökonomie lief wie am Schnürchen und ich erinnere mich noch zu gern an die Materialschlacht mit der Horde beim Sägewerk.

Wie richtige Knappheit außerhalb von survival horror gut simuliert werden kann, würde mich tatsächlich interessieren!
Voigt
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Re: Runde #365: This War of Mine

Beitrag von Voigt »

Deren Spielerfahrung deckt sich sehr mit meinen, ich habe aber sogar schon nach 15 Tagen abgebrochen, da sich da schon deren Kritikpunkte auch bei mir abzeichneten.

Ich denke ein Teil des Problems ist, dass es ein Spiel ist, dass durchgespielt werden möchte.

Denke das müsste eher laufen wie das eine Flashgame von dem Andre mal erzählte, wo in 1 Woche die Welt untergeht, man als Forscher jeden Tag entscheiden kann, ob man auf Arbeit geht oder bei seiner Familie bleibt.
Das Spiel konnte man durch Cookies nur einmal spielen, und dadurch hatten Entscheidungen mehr Gewicht. (klar kann man es mit Privaten Modus umgehen)

Auch hier bei War of Mine war es ja so, dass beide das Spiel mehrmals spielen und optimieren mussten bis die durchkamen.

Sollte nicht eher dass die Message sein, weil im echten Leben hat man nicht mehrere Versuche um sein Überleben zu optimieren.
Klar wenn man das "Skript" kennt, wäre es auch im RL deutlich einfacher alle Herausforderungen zu bestehen.

Denke es sollte höchstens ein zwei Trainingsrunden geben und Spielmmchaniken zu verstehen, die aber automatisch früh abbrechen und dann nur ein echten Versuch durchzukommen.

Aber klar, da sind auch eh noch paar andere Designschwächen die das Spiel trotzsem nich so gut machen, sei es die von Doms angesprochenen undynamischen Tagebucheinträge die hinter dem eigenen Headcanon zurückbleiben oder Andres angesprochene Probleme mit dem Moralsystem der Morde die mam begeht.


Was mir gerade aber auch noch auffällt, ihr habt im Endeffekt darüber gesprochen, dass War of Mine als Spiel nicht gut funktioniert, aber was ist mit Antikriegsmedium?
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Andre Peschke
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Re: Runde #365: This War of Mine

Beitrag von Andre Peschke »

Voigt hat geschrieben: 3. Apr 2022, 13:52Was mir gerade aber auch noch auffällt, ihr habt im Endeffekt darüber gesprochen, dass War of Mine als Spiel nicht gut funktioniert, aber was ist mit Antikriegsmedium?
Denke, das ist Definitionsabhängig. Wenn man ein "Antikriegsspiel" darüber definiert, dass es sich klar gegen Krieg positioniert, dann ist es glasklar eines. Wenn man sagt, ein "Antikriegsspiel" muss darüber hinaus einen Beitrag gegen den Krieg leisten, indem es zB abschreckt oder informiert, dann finde ich es insgesamt recht wirkungslos, da es mir in der Hinsicht nichts neues zu erzählen hatte und auch keine Denkanstöße geliefert hat, die meine Position verändert oder bereichert hätten. In der Hinsicht war sogar "Through the Darkest of Times" wirkungsvoller, weil es wenigstens Details gab, die mir vorher noch nicht so bekannt waren.

Es gibt aber, das will ich nochmal unterstreichen, einzelne Moment im Spiel, die wirklich im positiven Sinne aus Konventionen ausbrechen und dann auch für mich eine gute Wirkung entfaltet haben. Wie im Podcast erzählt: Wenn man das alte Ehepaar beklaut und plötzlich komplett "negativ-empowered" wird, indem man nach Gutdünken deren Bude leerräumen kann, während die hilflos bettelnd dabei zusehen müssen bis sie dann doch versuchen sich zu wehren und ich sie ja im wahrsten Sinne "versehentlich" erschlagen habe (also, nur den Mann) - das war schon sehr gut gemacht. Auch in dem Kontext, dass dieses eine Ausbrechen aus dem sonstigen Zustand von Unterlegenheit und Hilflosigkeit im Spiel nur dadurch möglich ist, dass der Spieler im Grunde auf die Seite der "Bösen" wechselt.

Aber insgesamt ist es IMO zu entrückt und hat einen zu stark mechanisch geprägten Fokus. Dennoch ist es der Einäugige unter den Blinden, klar.

Andre
quasarman
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Re: Runde #365: This War of Mine

Beitrag von quasarman »

Nabend zusammen,

ich war ganz gespannt auf die Besprechung, weil ich das Spiel nur als Brettspielvariante kenne. Da ist es ein kooperatives Spiel, bei dem es auch darum geht die Gruppe einige Zeit überleben zu lassen.

Und nach der Rezension hier, glaube ich, dass die Brettspielvariante besser funktioniert. Allein wegen der Interaktion mit den Mitspielern und den Absprachen untereinander. Man hat halt die ganze Zeit eine Mängelverwaltung (zumindest auf dem Brett), und ständig ein Dilemma, dass man mit den anderen ausdiskutieren kann. Wenn sich die Mitspieler darauf einlassen, ist das eine ganz interessante Erfahrung, die Glaube ich bei einem Computerspiel, das man ja nahezu immer allein spielt, nicht so gegeben ist.

Aber interessant, wie sich das Spiel als digitales Spiel darstellt. Ich habe mir übrigens auch (schon bei der Boardgame Variante) die Frage gestellt, was genau ein Antikriegsspiel ausmacht? Das Leid und das Elend in einer zerstörten Stadt kommen hier in dem Szenario gut rüber, aber das Setting würde auch nach einer Naturkatastrophe oder ähnlichem passen. Ich finde das Spiel ist eine interessante Simulation von sozialen Konflikten und Extremsituationen, aber ein wirkliches Antikriegsspiel ist es deswegen für mich nicht. Was auch nicht schlimm ist, weil es trotzdem viel über menschliches Verhalten und Überlebensinstinkte zeigt.

War aber definitiv interessant euch zuzuhören und ich weiß, dass ich - wenn ich nochmal auf die Idee kommen sollte - eher zu der Brettspielvariante mit menschlichen Mitspielern greifen würde als zu der Computerumsetzung.

Grüße
stephan
Tripster
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Re: Runde #365: This War of Mine

Beitrag von Tripster »

Ich hatte mir das Spiel gekauft, nachdem ich von Frostpunk sehr begeistert war. Allerdings habe ich es recht schnell beendet, weil mir das Gameplay trotz Prämisse nicht so sehr zugesagt hat.

Ich hatte mir vom Podcast erhofft, dass ihr mir erzählt warum ich es unbedingt mal wieder rauskramen sollte, aber das scheint nicht der Fall zu sein. Eure Argumente konnte ich jedenfalls sehr gut nachvollziehen.
widardd
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Re: Runde #365: This War of Mine

Beitrag von widardd »

Es gab vor einiger Zeit noch ein Spiel, dass die Flucht in/aus Polen im 2. Weltkrieg thematisiert hat. Weiß noch jemand wie das hieß? Ich weiss nur noch, dass ich Straßen entlang gelaufen bin und lokale Gruppen aus Widerstandskämpfern gesucht habe?

Edit: WARSAW!

https://store.steampowered.com/app/1026420/WARSAW/
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Ironic Maiden
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Re: Runde #365: This War of Mine

Beitrag von Ironic Maiden »

Ich mag "This War of Mine" sehr gerne und spiele es immer mal wieder. Andererseits kann ich keinem der im Podcast geäußerten Kritikpunkte wirklich widersprechen, das stimmt schon alles.

Aber wenn ich das Spiel spiele, stören mich 90 Prozent dieser Schwächen nicht. Für mich ist das ein Spiel über Hoffnung und Enttäuschung und das macht für mich den Reiz aus. Klar, je öfter ich es spiele um so mehr kann ich es vermeiden, dass meine Figuren draufgehen, weil mein Wissen über die Welt und die beste Spielweise stark gewachsen ist. Durch unglückliche Umstände (Händler kommt nicht vorbei, nichts in den Rattenfallen, einer wird krank usw.) kann es immer noch vorkommen, dass ich mehr oder weniger hilflos zuschauen muss, wie meine Gruppe langsam verreckt. Und trotzdem ist da die Hoffnung, alles noch drehen zu können, wenn ich nur ein paar Mal Glück habe. Das meine ich jetzt nicht in dem Sinn eines Glücksspiels, sondern für mich entspricht das - auch wenn ich davon in der Realität keine Ahnung habe - dem Schicksal der Zivilbevölkerung in Kriegen. Man ist ausgeliefert, kann vielleicht noch das beste aus der Situation rausholen, aber mit ein bisschen Pech geht man trotzdem vor die Hunde.

Ich kann verstehen, wenn einem das Spiel nicht gefällt, und - wie gesagt - die ganze Kritik ist ja auch berechtigt - ich persönlich finde aber, dass das Spiel andere Stärken hat, über die im Podcast wenig gesprochen wurde.

(Ich finde den Umgang mit psychischen Problemen im Spiel jetzt z.B. auch nicht besonders problematisch. Klar sollte man Depressionen nicht mit Alkohol behandeln, aber wenn man in einem kaputten Haus in einer zerbombten Stadt sitzt und das wichtigste erstmal ist, bis zum Waffenstillstand zu überleben, ist es vielleicht zumindest ein Pflaster auf der klaffenden Wunde. Für eine vernünftige Therapie wäre ja ohnehin in dem Moment keine Zeit.)
In Wirklichkeit bin ich Janna und podcaste hier ab und zu. Und in echt bin ich auch nicht so grün und flauschig wie auf dem Profilbild. Man kann mich auch auf Bluesky finden.
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suschi
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Re: Runde #365: This War of Mine

Beitrag von suschi »

Ich besitze sowohl das Computerspiel als auch das Brettspiel. Mir persönlich gefällt letzteres auch deutlich besser, habe das Computerspiel aber auch zu Release nicht sehr ausgiebig gespielt.

Ein paar der Kritikpunkte sind in der Brettspielvariante (teilweise bedingt durch das Medium) auch besser gelöst:
  • In der Tagesphase muss man nicht warten bis ein Charakter seine Aktion fertig hat. Hier ist es über Aktionspunkte gelöst, die je nach Verfassung (Müdigkeit, Krankheit... etc) reduziert sind.
  • Insgesamt ist das Brettspiel an einigen Stellen etwas transparenter. So weiß ich beim Plündern bereits vorher, ob an dem Ort eine Säge o.ä. nützlich sein kann und welche Art von Loot am wahrscheinlichsten ist. Auch Zutaten für das Crafting sind einsehbar.
  • Der Kampf ist komplett zufallsbasiert (durch Würfel). Hat man Waffen dabei, so ändern sich die Wahrscheinlichkeiten etwas. Man kann den Ausgang aber überhaupt nicht beeinflussen, weshalb der Konflikt mit Anwohnern, Dieben oder Soldaten i.d.R. immer zu vermeiden ist.
  • Es gibt keine gescripteten Ereignisse, alles ist deutlich zufälliger dadurch aber auch teils frustrierender (was mich persönlich nicht so stört). So gibt es am Anfang des Tages Zufallsereignisse. Ein Beispiel: Eine Rattenplage führt dazu, dass sämtliche Nahrung verdirbt. Wenn man an diesem Tag die Nahrung zwingend brauchte kann das Spiel sofort vorbei sein. Ansonsten muss man dann damit klar kommen und seine Tages und Nachtaktivitäten dann entsprechend umgestalten. Es gibt daher auch keine echte Strategie um bis zum Ende zu kommen. Man ist der Willkür des Spiels ("den Kriegsereignissen") bis zu einem gewissen Grad hilflos ausgeliefert.
  • Man kann es zu zwei spielen! :-)
Voigt
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Re: Runde #365: This War of Mine

Beitrag von Voigt »

Denke die Psyche ist neben der fehlenden Möglichkeit der Kommunikation, auch für mich das entscheidenste warum es als Werk nicht funktioniert, einfach weil es dadurch zu gamey wird.

Als ich damals War of Mine spielte, habe ich den ersten Versuch "gut" gespielt, und kam nicht so weit.
Im zweiten Versuch habe ich das System direkt gebrochen, indem ich mit dem Typen gestartet habe der eine Waffe hat. Damit dann die Oma mit Enkel umgeschossen und die nächsten Tage halt ganze Zeit nur das Gebiet dort leergeräumt.
Direkt am Tag darauf war er Schütze zu nichts zu gebrauchen, weil er ja gerade unschuldige umgebracht hat (gutes System!). Ich habe dann bloß eine "Schicht" lang, also einen Tag mit einem anderem Charakter dem Typen zugeredet. Seitdem war er dann wieder voll verwendbar für die nächsten 10 Tage, und hat keinerlei Anstalten gemacht nochmal über seine Tat zu reflektieren.
Glaube außer dass er "traurig" war, war das überhaupt nix mehr. Nach dann insgesamt 15 Spieltagen habe ich halt abgebrochen, weil es sah schon aus, dass ich mit den gesammelten Ressourcen dann auch autark werden konnte, mit Wassersammelstelle und Rattenfallen.

Eventuell wären dann nochmal größere Herausforderungen gekommen, aber Spiel hat schon jegliche Wirkung verloren, als ich es gebrochen hatte mit einfach 1 Schicht überfallen und töten, 1 Schicht trösten, und danach "freien Loot" absahnen.
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Ironic Maiden
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Re: Runde #365: This War of Mine

Beitrag von Ironic Maiden »

Voigt hat geschrieben: 4. Apr 2022, 20:58 Denke die Psyche ist neben der fehlenden Möglichkeit der Kommunikation, auch für mich das entscheidenste warum es als Werk nicht funktioniert, einfach weil es dadurch zu gamey wird.

Als ich damals War of Mine spielte, habe ich den ersten Versuch "gut" gespielt, und kam nicht so weit.
Im zweiten Versuch habe ich das System direkt gebrochen, indem ich mit dem Typen gestartet habe der eine Waffe hat. Damit dann die Oma mit Enkel umgeschossen und die nächsten Tage halt ganze Zeit nur das Gebiet dort leergeräumt.
Direkt am Tag darauf war er Schütze zu nichts zu gebrauchen, weil er ja gerade unschuldige umgebracht hat (gutes System!). Ich habe dann bloß eine "Schicht" lang, also einen Tag mit einem anderem Charakter dem Typen zugeredet. Seitdem war er dann wieder voll verwendbar für die nächsten 10 Tage, und hat keinerlei Anstalten gemacht nochmal über seine Tat zu reflektieren.
Mmh, also ich habe immer versucht, das Spiel zu spielen ohne andere Menschen zu töten und das hat gelegentlich auch geklappt. Ich hab jetzt noch keine feste Meinung dazu, dafür müsste ich noch länger darüber nachdenken, aber: wird hier nicht eigentlich vom Spiel verlangt, ein Verhalten emotional einzuordnen, dass der Spieler eigentlich selbst für sich bewerten müsste? Ok, vielleicht ist meine Figur nur "traurig", aber die sitzt ja auch im Kriegsgebiet und hat genug damit zu tun zu überleben. Ich als Spieler sollte mich aber schlecht fühlen, weil ich erstens etwas Schlimmes getan habe (wenn auch nur im Kontext des Spieles) und zweitens, weil diese Scheißsituation gerade dazu geführt hat, dass ein ganz normaler Durchschnittsmensch wie die Spielfigur zum Mörder geworden ist.
Ich weiß nicht, ob ich das Spiel so viel besser fände, wenn darüber mehr reflektiert würde. Im Endeffekt würde das doch wahrscheinlich auf einer ähnlichen Ebene wie viele entscheidungsbasierte Spiele enden, wo einem ständig um die Ohren gehauen wird, welche Konsequenzen eine Entscheidung hatte, dass die Welt viele Graustufen hat, oder ähnlich banaler Kram. Da denke ich mir meine Interpretation der Ereignisse lieber selbst aus.
In Wirklichkeit bin ich Janna und podcaste hier ab und zu. Und in echt bin ich auch nicht so grün und flauschig wie auf dem Profilbild. Man kann mich auch auf Bluesky finden.
Martin Lehnert
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Re: Runde #365: This War of Mine

Beitrag von Martin Lehnert »

Die Reaktion auf das Spiel von euch beiden war für mich ... unerwartet. Nach meiner Erfahrung mit dem Spiel ist This War of Mine ein "Spiel", dass einen spielartigen Rahmen mit vielen Anknüpfungspunkte bietet, in dem sich dann das abspielt, was man im eigenen Kopf daraus macht. Den Begriff des Emergent Storytellings kam bei euch vor, und das ist es auch, was das Erlebnis zum größten Teil für mich ausmacht. Und ja, das Spiel tut Dinge, die diesem Ansatz manchmal im Weg stehen können, oder dass das Gameplay dem Storytelling im Kopf im Weg stehen könnte. Für mich zerstören die Bestandteile und vielfachen Unzulänglichkeiten die Erfahrung aber ganz und gar nicht. Ich würde mich sogar so weit aus dem Fenster lehnen und sagen, dass This War of Mine für mich im Bereich des Emergent Storytellings die intensivsten Spielerfahrungen gewesen ist, die ich bisher erleben durfte (auch wenn es insgesamt sicher kein perfektes "Spiel" ist).
Der Kern meiner Erfahrung mit This War of Mine zusammengefasst: Man versucht, gegen den Zufall und teilweise unfaires Gameplay ankämpfend eine Situation zu erreichen (überleben), was nie wirklich sicher und geplant gelingen mag und sich stets so anfühlt, als zeige der Trend leicht nach unten. Ja, es ist zäh, und es ist teilweise ein zähes Sterben (ich habe es nie als zu leicht oder zu exploitbar empfunden, aber das mag daran liegen, dass ich es eben nicht als ein Spiel gespielt habe, dass ich "gamen" wollte). In Momenten der Not scheint der moralisch fragwürdige Weg dann der leichtere oder einzig mögliche zu sein, so dass This War of Mine eines der wenigen Spiele ist, die mich dazu brachten, fiese Dinge zu tun, auch wenn es sicher noch andere Optionen gegeben hätte und die ich in der Regel in keinem anderen Bioware-Rollenspiel freiwillig tun würde. Das allein zeigt für mich, dass das Spiel etwas besonders macht. Und ich finde es angemessen, dass mich das Spiel dann nicht mechanisch oder sonst wie zu hart bestraft. Das schlechte Gewissen war in meinem Kopf und hat genug an mir gezehrt. Ich brauche kein Spiel, dass mir dann mit dem erhobenen Zeigefinger vor der Nase herumwedelt. Wer das Spiel gamen will und einfach ein paar Leute erschießt und dann damit klarkommt, den Psyche-Level wieder per "Gutem Zureden" für einen Tag auf default zu drücken, der spielt das Spiel natürlich auf eine Weise, die möglich ist ... aber das hat dann wirklich nichts mehr mit dem Zugang zu dem Spiel zu tun, den zumindest ich gefunden habe. Und ich muss auch sagen, dass Aussagen wie "Die Animationen sind mir aber nicht glaubwürdig / passend genug" ein bisschen seltsam vorkommen. Das klingt etwas wie die Sichtweise des zurückgelehnten TV-Zuschauers mit der Hand an der Ferbedienung, der die Eindrücke bitte mit dem Löffel gefüttert bekommen möchte. Für mich hatte die Darstellung des Spiels stets den Fokus auf Atmosphäre und symbolhafte Darstellung der Geschehnisse. Die Animationen waren teilweise für mich wie die kruden Animationsstufen einer Anime-Figur, die mir auf kurze und auch in der Umsetzung günstige Art und Weise sagen sollen, was die Figur gerade denkt oder wie sie fühlt, damit ich damit nun selbst im Kopf weiterarbeiten kann. Ich habe nie den Eindruck gehabt, dass hier ein Schauspiel mit Details abgespielt werden will, dem ich eher passiv beiwohne und zusehe.

Und noch zu Andrés Hinweis, dass das Spiel ihm nichts neues oder keine neuen Ansichten geboten habe: Ich vermute, du hast dich deutlich ausführlicher mit dieser Situation intellektuell auseinandergesetzt als ich, aber zumindest für mich war diese Darstellung, die ich mir als durchaus realistisch vorstellen kann, neu: dass das Leben in einer umkämpften Stadt eine bisweilen seltsam banale, monotone und primär schwerfällige Angelegenheit sein kann, in die sich dann ein unaufhaltsames Dahinsiechen einschleicht oder ein vollkommen unerwartetes und brutal plötzliches Ereignis diese Banalität mit dem Tod beendet. Was das wirklich bedeutet, wird vermutlich niemand nachempfinden können, der es nicht furchtbarerweise selbst erlebt hat und auch das Spiel kann das sicher nicht erreichen, aber für mich war das Nachempfinden in dieser Form unerwartet und hat zumindest meinen Vorstellungsbereich dieser Situation durchaus erweitert.

Für mich ist This War of Mine zu 80% das, was man mitbringt und bietet selbst nur den Rahmen, um zu versuchen, das passende und gewünschte aus einem rauszukitzeln (was für mich ein valider Ansatz eines Spiels ist, solange man vorher weiß, auf was man sich einlässt). Dass es das nicht immer gut, passend, ausreichend oder feinfühlig genug tut, dem stimme ich vollkommen überein. Daher sage ich keinesfalls, dass ich eure Kritik nicht nachvollziehen kann. Dennoch hat dieses sehr eigenwillige und andersartige Spiel für mich wahnsinnig gut funktioniert und ich bin eher fasziniert bzw. finde es schade, dass es bei euch so gut wie gar nicht geklappt hat.
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Andre Peschke
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Re: Runde #365: This War of Mine

Beitrag von Andre Peschke »

Martin Lehnert hat geschrieben: 6. Apr 2022, 10:21 Daher sage ich keinesfalls, dass ich eure Kritik nicht nachvollziehen kann. Dennoch hat dieses sehr eigenwillige und andersartige Spiel für mich wahnsinnig gut funktioniert und ich bin eher fasziniert bzw. finde es schade, dass es bei euch so gut wie gar nicht geklappt hat.
Ahja, ist ja nicht so, dass wir umgekehrt nicht verstehen, wenn das für andere Menschen funktioniert. Angesichts der Tatsache, dass This War of Mine gefühlte drei Millionen Awards gewonnen hat, ist es ja nun auch nicht schlimm, wenn es bei uns mal nicht funktioniert. ^^

Andre
Martin Lehnert
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Re: Runde #365: This War of Mine

Beitrag von Martin Lehnert »

Andre Peschke hat geschrieben: 6. Apr 2022, 10:28 Ahja, ist ja nicht so, dass wir umgekehrt nicht verstehen, wenn das für andere Menschen funktioniert. Angesichts der Tatsache, dass This War of Mine gefühlte drei Millionen Awards gewonnen hat, ist es ja nun auch nicht schlimm, wenn es bei uns mal nicht funktioniert. ^^

Andre
Natürlich nicht - aber gerade Dom hat das Talent, seine Erfahrungen mit einem Spiel auf so lebhafte und packende Art nachzuerzählen, dass man in Gedanken wirklich direkt dabei ist. Als ich den Titel der Folge gesehen habe, hatte ich mich auf einen reichen Sack voll solcher episodischen mitreißenden Geschichten gefreut, und der bleib leider aus. Das fand ich schade - nicht, dass ihr die "falsche" Meinung hattet. So etwas gibt es nicht und wie ich geschrieben habe: Ich kann eure Kritik ja nachvollziehen, da war nichts dabei, was objektiv verkehrt war.
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Domi-Wan Kenobi
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Re: Runde #365: This War of Mine

Beitrag von Domi-Wan Kenobi »

Ich hatte das Spiel schon ewig auf meinem PoS und wollte immer mal reinspielen. Habe euren Podcast zum Anlass genommen und hab es dann angefangen. Nach einem Abend (ca. 2h) fand ich es aber eher mäh und hab mir dann den Podcast von euch angehört. Und da sprecht ihr wirklich fast alles an, was mir bereits nach der kurzen Zeit auf die Nerven ging. Ich geb dem ganzen sicherlich noch mal einen Abend und wenn’s dann keinen „Spaß“ macht fliegt es wieder von der Platte.

P.S. Würde mich freuen wenn ihr öfter mal ältere Spiele nachholt. Ähnlich wie bei Jochens Buchpodcast wäre das doch ganz nett im Zusammenspiel mit der Community.
PSN: Don_Willi_86
Wolfgang
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Re: Runde #365: This War of Mine

Beitrag von Wolfgang »

Martin Lehnert hat geschrieben: 6. Apr 2022, 10:21 ...

Für mich ist This War of Mine zu 80% das, was man mitbringt und bietet selbst nur den Rahmen, um zu versuchen, das passende und gewünschte aus einem rauszukitzeln.
Danke für den gesamten Beitrag.
Auf den habe ich gewartet... um das alles nicht selbst zu schreiben! :D

Emergent Storytelling wurde ja schon genannt.

In so einer echten Situation bringt es einem nichts zu wissen wie die "Spielmechanik" funktioniert, weil nach einem Leben ist Game Over.

Komfortablen Ressourcenüberschuss hatte ich nie. Klar, man kann mit der Zeit besser mit den Challenges umgehen und wird besser im "Spiel". This War of Mine ist aber meines Erachtens nicht wie ein Civ darauf ausgelegt, immer wieder neu mit derselben Gruppe anzufangen. Dafür gibt es 15 unterschiedliche Start-Gruppen mit unterschiedlichen Herausforderungen und Schwierigkeitsgraden.

Auch wurden einige Punkte mit Einfluss auf Euer Spielempfinden genannt, die einem das Spiel nicht vermittelt (z.B. die Tage bis Ceasefire), die nur in Guides stehen. Kam mir vor wie in Komplettlösungen bei P&C Adventures nachschauen ...und sich dann beschweren, dass die Rätsel vorhersehbar sind. In dem Fall: Jetzt gamey ich meine Ressoucen so, dass ich auf Tag x hin optimiere. Easy Peasy. Auch hier: In der Situation kann man den Waffenstillstand nicht vorhersagen.

Meine Erfahrung mit dem Kunstwerk unterscheidet sich stark von der Gamey-Herangehensweise im Podcast besprochenen.

All in all, schön, dass es besprochen wurde aber ich finde dem Kunstwerk hätte ein anderer Ansatz gut getan.
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Ironic Maiden
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Re: Runde #365: This War of Mine

Beitrag von Ironic Maiden »

Martin Lehnert hat geschrieben: 6. Apr 2022, 10:21
Und noch zu Andrés Hinweis, dass das Spiel ihm nichts neues oder keine neuen Ansichten geboten habe: Ich vermute, du hast dich deutlich ausführlicher mit dieser Situation intellektuell auseinandergesetzt als ich, aber zumindest für mich war diese Darstellung, die ich mir als durchaus realistisch vorstellen kann, neu: dass das Leben in einer umkämpften Stadt eine bisweilen seltsam banale, monotone und primär schwerfällige Angelegenheit sein kann, in die sich dann ein unaufhaltsames Dahinsiechen einschleicht oder ein vollkommen unerwartetes und brutal plötzliches Ereignis diese Banalität mit dem Tod beendet. [...]

Für mich ist This War of Mine zu 80% das, was man mitbringt und bietet selbst nur den Rahmen, um zu versuchen, das passende und gewünschte aus einem rauszukitzeln (was für mich ein valider Ansatz eines Spiels ist, solange man vorher weiß, auf was man sich einlässt).
Genau das denke ich auch, du hast es aber viel besser ausgedrückt. Es klingt abgedroschen, aber ich finde, dass man sich auf dieses Spiel auch bewusst einlassen muss, und zu erwarten, irgendwie moralisch an die Hand genommen zu werden oder unterhalten zu werden passt da halt nicht.
Ich möchte "This War of Mine" deswegen im Moment zum Beispiel nicht spielen, weil ich mich gerade nicht darauf einlassen will. Ich habe schon genug an den echten Nachrichten zu knabbern, und würde beim Spielen deswegen wahrscheinlich irgendwann heulen oder mich emotional davon distanzieren.
In Wirklichkeit bin ich Janna und podcaste hier ab und zu. Und in echt bin ich auch nicht so grün und flauschig wie auf dem Profilbild. Man kann mich auch auf Bluesky finden.
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Re: Runde #365: This War of Mine

Beitrag von Andre Peschke »

Wolfgang hat geschrieben: 6. Apr 2022, 17:36 This War of Mine ist aber meines Erachtens nicht wie ein Civ darauf ausgelegt, immer wieder neu mit derselben Gruppe anzufangen. Dafür gibt es 15 unterschiedliche Start-Gruppen mit unterschiedlichen Herausforderungen und Schwierigkeitsgraden.
Die gibt es heute. Aber gestartet ist es - korrigiert mich - mit einer einzigen Gruppe, oder zumindest deutlich weniger? Ergo würde ich schon sagen, dass es dafür designed wurde, mehrfach zu spielen und eben den Durchgang so weit zu optimieren, bis man die Gruppe zum Erfolg geführt hat. Die unterschiedlichen Enden kann man sogar so interpretieren, dass man das dann auch noch hin zum bestmöglichen Ende für die Gruppe optimieren soll (muss man aber nicht).

Andre
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Axel
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Re: Runde #365: This War of Mine

Beitrag von Axel »

Jetzt auch zu gekommen es anzuhören. Und ich bin eher auf der Seite von Andre / Dom, das Spiel bietet einfach sehr wenig um von dieser gamey Herangehensweise des Spielers abzulenken. Zum Beispiel inhärentere und spannendere Erzählungen. Das Spiel stammt aus dem Jahr 2014. Das waren damals die Jahre wo aufgrund des Telltale Hypes sämtlichste Spiele meinten "moralische Entscheidungen" einbauen zu müssen, selbst die damalige Fortsetzung von King's Quest. Und hier in dem Spiel hat das nie funktioniert, weil die Figuren zu entrückt und zu abstrakt dargestellt sind. Da kann es dann keine emotionale Verbindung geben. Wie das besser geht, zeigt beispielsweise My Child Lebensborn, um den Titel mal wieder zu erwähnen. Allein, dass es unter den Figuren keine gute Interaktion, glaubhafte Gespräche, usw. gibt. Und am Ende ist das Spiel ja auch gamey gehalten, etwa wenn jeder sofort weiß, was man draußen getan hat. Das hat mich damals komplett rausgerissen.

This War Of Mine hatte damals nur deswegen den guten Ruf, weil es das erste bekanntere Spiel solcher Art war. Und deswegen etwas neues. Aber HEUTE? Heute ist TWOM einfach nicht gut gealtert. Und als Antikriegs-Spiel ist es in seiner Struktur auch einfach zu zynisch. Da gibt es bessere Anti-Kriegsspiele. Zum Beispiel die tschechischen Spiele von Charles Games: Attentat 1942, Svoboda 1945 und Train to Sachsenhausen. https://charlesgames.itch.io/ Ja, ich weiß, dass das eher klassische Lernspiele sind, die nicht den Anspruch haben irgendeine Spielmechanik zu integrieren.

Ich gehe jedoch auch soweit und sage: Ein Anti-Kriegsspiel was sein Anliegen ernst nimmt (informieren, zum nachdenken anregen, dennoch auch unterhaltsam und interaktiv sein), wird das mit klassischen Spielmechaniken nicht schaffen. Das geht nur, wenn man diese so weit wie irgend möglich runterdampft, damit man eben nicht in den Zynismus rutscht.

(@Andre: Gibts von Euch mal eine Besprechung zu Svoboda?)
Voigt
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Re: Runde #365: This War of Mine

Beitrag von Voigt »

@Ironic Maiden und auch so
Daher meinte ich ja, wahrscheinlich isses besser das Spiel mit extern auferlegten Regeln zu spielen, statt nur als Spiel an sich was gewonnen werden möchte.
Daher wirklich als Erfahrung und nicht morden und mit nur einem Versuch und das wars, weil im RL hat man auch nicht mehr Versuche zum im Krieg überleben.

Trotzdem wäre es besser, wenn das Spiel selbst das auch erzwingen würde. Würde sagen überraschenderweise macht Crusader Kings 3 das sogar ganz gut. Die haben ja ihr Stresssystem wenn man Entscheidungen trifft die gegen die Veranlagung des Charakters gehen, daher wenn man mordet mit einem großmütigen Charakter aber auch wenn man Zeug verschenkt mit einem gierigen Charakter. Auch das Geheimnissystem von da würde hier gut funkionieren. Wenn du jemanden ermordet hast, weiß das erstmal nicht sofort jeder. Aber es kann passieren dass dein Charakter zusammenbricht und das Geheimnis einer Vertrauensperson beichtet. Oder jemand Externes findet es heraus und erpresst dich damit, wobei du da aber auch sagen kannst: No, erzähl es halt rum, erpressen lasse ich mich nicht.
IN CK3 hat das Stresssystem nicht zuu arge Auswirkungen, reduziert primär die Gesundheit und Fruchtbarkeit deines Charakters, mit paar negativen Events die alle paar Jahre auftreten, wenn du den Stress nicht abbaust. Aber die Konsequenzen ließen sich ja für War of Mine anpassen.

Denke hätte WoM so ein System gehabt, würde es viel besser funktionieren. So isses halt ein Spiel was externe Einschränkungen braucht, damit es funktioniert.
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