Feierabendbier: Jochens liebste Spiele-Stories

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Axel
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Re: Feierabendbier: Jochens liebste Spiele-Stories

Beitrag von Axel »

kami hat geschrieben: 7. Mai 2022, 20:47 Dann meinen wir was anderes mit Labern. Ja, in Xenogears wird viel gesprochen, aber viele und lange Dialoge allein sind noch kein Gelaber. Es werden in den Gesprächen extrem viele Informationen vermittelt, und das sogar ziemlich kondensiert. Das ist, wollte man es kritisieren, eher ein Info-Dump. Bei Persona 5, FFXV und nahezu jedem anderen modernen JRPG wird hingegen endlos geschwafelt bei minimalem Informationsgehalt, also das Gegenteil von dem, was XG macht.
Ja, gut. Das ist noch mal was anderes. Für mich war's dennoch zu viel. Ich weiß noch wie glücklich ich damals über die deutsche Übersetzung war, weil mich das Spiel schon immer interessierte. Und diese Übersetzung ist absolut hervorragend - auch sprachlich! Und selbst damit bin ich nach 30, 40 Stunden ausgestiegen. Kaum hatte man sich immer ein wenig eingespielt in dieses nicht minder komplexe Kampfsystem. Und dann wieder: Lange Dialogszenen. Gerade wenn man einfach nur Lust auf ein wenig Erkundung u.ä. hatte, hat mir das Pacing zu sehr meine Nerven strapaziert. Was ich auch toll fande: Es gibt in dem Spiel keine Zahlenexplosion. Das war dmals bei vielen Spielen anders, die für mich somit an Nachvollziehbarkeit verloren haben.
firvin
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Re: Feierabendbier: Jochens liebste Spiele-Stories

Beitrag von firvin »

Ich werfe The Lion Song in den Raum.
Otis
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Re: Feierabendbier: Jochens liebste Spiele-Stories

Beitrag von Otis »

Na sowas, das spiele ich derzeit. Habe aber erst ein Kapitel durch, das war sehr nett.
Adria
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Re: Feierabendbier: Jochens liebste Spiele-Stories

Beitrag von Adria »

Ich hab mich extra angemeldet da ich bei dieser Diskussion einfach The House in Fata Morgana erwähnen muss. Ja, es ist eine Visual Novel und damit theoretisch der absolute Nischentitel und wahrscheinlich wird es keiner hier gespielt haben. Für mich eine absolut grandiose Erzählung, weit fernab jeglicher sonstiger japanischer VN-Tropes. Am ehesten noch mit einer epischen Shakespeare-Tragödie zu vergleichen, die in einer Mischung aus Gothic-Horror und Romanze erzählt wird und einem teils absolut brutal in die Magengrube schlägt. Eine für mich in Spieleform einzigartig erzählte Geschichte, die ich so in meinen über 30 Jahren Zockerfahrung und unzähligen (hier bereits genannten) gespielten Titeln mit narrativem Fokus noch nicht erlebt habe. Dazu kommt der ebenfalls wunderbare Soundtrack. Bei Jochen geht jetzt wahrscheinlich direkt der Wasserkopf-Alarm los, falls er das liest ;). Meine es allerdings durchaus ernst.

Geduld und Sitzfleisch muss man allerdings mitbringen. Die Story lässt sich einige Kapitel notwendige Zeit um zur Entfaltung zu kommen (dafür ist der Aha-Effekt dann umso größer) und spielerisch gibt es bis auf eine handvoll Entscheidungen, die bei falscher Wahl meist 2 Minuten später in ein Bad Ending führen, keinen großen Nährwert. Die Gesamtspielzeit (oder eher Lesezeit) liegt bei ca. 30 Stunden, was dann natürlich schon ein gewisser Brocken ist.

Wer interessiert ist sollte sich auch bei eventueller Abneigung gegen das Genre mal ein paar Steam-Reviews oder ähnliches ansehen. Vielleicht entdeckt, trotz des sehr nischigen Genres, jemand noch eine kleine Perle in dem Spiel.
Yano
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Re: Feierabendbier: Jochens liebste Spiele-Stories

Beitrag von Yano »

Adria hat geschrieben: 8. Mai 2022, 19:59 Ich hab mich extra angemeldet da ich bei dieser Diskussion einfach The House in Fata Morgana erwähnen muss. Ja, es ist eine Visual Novel und damit theoretisch der absolute Nischentitel und wahrscheinlich wird es keiner hier gespielt haben.
Tatsächlich habe ich es mir gerade im Switch Sale besorgt ^^
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Desotho
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Re: Feierabendbier: Jochens liebste Spiele-Stories

Beitrag von Desotho »

firvin hat geschrieben: 8. Mai 2022, 18:03 Ich werfe The Lion Song in den Raum.
Mhm ich weiß nicht ob ich die Story an sich da so gut finde. Alles in allem war es aber ein tolles Erlebnis und jedem sei empfohlen zumindest mal die erste kostenfreie Episode zu spielen.


The House in Fata Morgana liegt noch auf meinem VN Pile .. *seufz*
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DieTomate
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Re: Feierabendbier: Jochens liebste Spiele-Stories

Beitrag von DieTomate »

MaxDetroit hat geschrieben: 4. Mai 2022, 10:56 Ich habe gerade nur viele Fragen.

Die ersten Fragen die ich mir stelle sind: Wie definiert man eigentlich Story? Vor allem, was ist der Unterschied zwischen Plot und Story?

Es geht ja meistens nicht um den reinen Inhalt der Geschichte, der sie so interessant macht, sondern wie die Geschichte erzählt wird. Siehe z.B. den Film Memento von Nolan als Extrembeispiel: Die reine Geschichte, wenn man sie chronologisch erzählen würde, wäre langweilig - die Art wie er sie erzählt macht es halt richtig interessant. Also gibt es schon einen Unterschied zwischen dem Plot (Erzählweise) und der Geschichte an sich.

Und da gehen mir noch weitere Fragen auf: Wie können Geschichten in Videospeilen erzählt werden? Was ist da der Unterschied zu Filmen? Wie kann man sie gut und spannend erzählen und in Harmonie mit dem Gameplay bringen? So etwas wie Ludonarrative Dissonanz ist z.B. ein Thema was es fast ausschließlich nur bei Games gibt, das heißt es gibt schon Unterschiede beim Storytelling + Gameplay im Verglich zu klassischen Medien. In welchen Spielen ist die Erzählweise sehr innovativ und kreativ mit dem Gameplay verknüpft? Das würde ich eher hervorheben als einen gut geschriebenen, aber traditionell erzählten Plot, der z.B. ausschließlich in Cutscenes vorangetrieben wird.

Ehrlich gesagt, einfach nur ein: "Das Spiel hat einen tollen Main-Plot, deshalb landet es bei mir in den Top 10." - das reicht mir aus analytischer Sicht irgendwie nicht so ganz aus. Auch wenn ich sicher nicht die emotionale, subjektive Seite ("Das Spiel hat mich irgendwie berührt und mitgenommen") herunterspielen möchte.
Gute Fragen.

Jochens Definition von Story ist eng. Wenn nur die eigentliche Handlung zählt, kann ich verstehen, warum z. B. Bloodlines nicht auf die Liste gehört. Dieses Spiel hat dafür aber tolle Charaktere und beste Atmosphäre. Die Schnitzeljagd nach der Kiste ist ja nur ein Mittel, um dich von einer Minigeschichte zur nächsten zu führen, quasi ein Tag eine Nacht im Leben es Vampirs. Gehört Atmosphäre nicht zur Story? Das Spiel wäre jedenfalls auf meiner Liste.
Ich finde den Twist am Ende übrigens witzig und thematisch passend. Hab selten so gelacht.

Dass Edith Finch auf Platz 1 landet, war wenig überraschend. Mir fällt es trotzdem immer noch schwer, die hohe Begeisterung für dieses Spiel nachzuvollziehen. Ich kann mich kaum noch an die Story erinnern. Die "ludonarrative Konsonanz" war zwar nett, empfand ich aber eher als Gimmick. Im Gegenteil würde ich sogar behaupten, dass dieses Prinzip überbewertet wird. Was bringt mir die beste ludonarrative Konsonanz, wenn das Gameplay letztendlich nur aus kleinen Spielereien besteht? Soll das der heilige Gral dieses Mediums sein?!
Zu Finchs Verteidigung muss ich noch sagen, dass ich mit Walking Sims generell nichts anfangen kann, Finch aber die einzige ist, die ich ohne zu gähnen durchspielen konnte.
GoodLord
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Re: Feierabendbier: Jochens liebste Spiele-Stories

Beitrag von GoodLord »

DieTomate hat geschrieben: 9. Mai 2022, 11:31
MaxDetroit hat geschrieben: 4. Mai 2022, 10:56 Ich habe gerade nur viele Fragen.

Die ersten Fragen die ich mir stelle sind: Wie definiert man eigentlich Story? Vor allem, was ist der Unterschied zwischen Plot und Story?

Es geht ja meistens nicht um den reinen Inhalt der Geschichte, der sie so interessant macht, sondern wie die Geschichte erzählt wird. Siehe z.B. den Film Memento von Nolan als Extrembeispiel: Die reine Geschichte, wenn man sie chronologisch erzählen würde, wäre langweilig - die Art wie er sie erzählt macht es halt richtig interessant. Also gibt es schon einen Unterschied zwischen dem Plot (Erzählweise) und der Geschichte an sich.

Und da gehen mir noch weitere Fragen auf: Wie können Geschichten in Videospeilen erzählt werden? Was ist da der Unterschied zu Filmen? Wie kann man sie gut und spannend erzählen und in Harmonie mit dem Gameplay bringen? So etwas wie Ludonarrative Dissonanz ist z.B. ein Thema was es fast ausschließlich nur bei Games gibt, das heißt es gibt schon Unterschiede beim Storytelling + Gameplay im Verglich zu klassischen Medien. In welchen Spielen ist die Erzählweise sehr innovativ und kreativ mit dem Gameplay verknüpft? Das würde ich eher hervorheben als einen gut geschriebenen, aber traditionell erzählten Plot, der z.B. ausschließlich in Cutscenes vorangetrieben wird.

Ehrlich gesagt, einfach nur ein: "Das Spiel hat einen tollen Main-Plot, deshalb landet es bei mir in den Top 10." - das reicht mir aus analytischer Sicht irgendwie nicht so ganz aus. Auch wenn ich sicher nicht die emotionale, subjektive Seite ("Das Spiel hat mich irgendwie berührt und mitgenommen") herunterspielen möchte.
Gute Fragen.

Jochens Definition von Story ist eng. Wenn nur die eigentliche Handlung zählt, kann ich verstehen, warum z. B. Bloodlines nicht auf die Liste gehört. Dieses Spiel hat dafür aber tolle Charaktere und beste Atmosphäre.
Nur zur Klarstellung/Ergänzung: IIRC, das war nicht Jochens generelle Definition von Story, sondern das spezifische Auswahlkriterium für seine im Podcast vorgestellte Liste.
MaxDetroit
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Re: Feierabendbier: Jochens liebste Spiele-Stories

Beitrag von MaxDetroit »

DieTomate hat geschrieben: 9. Mai 2022, 11:31 Gute Fragen.

Jochens Definition von Story ist eng. Wenn nur die eigentliche Handlung zählt, kann ich verstehen, warum z. B. Bloodlines nicht auf die Liste gehört. Dieses Spiel hat dafür aber tolle Charaktere und beste Atmosphäre. Die Schnitzeljagd nach der Kiste ist ja nur ein Mittel, um dich von einer Minigeschichte zur nächsten zu führen, quasi ein Tag eine Nacht im Leben es Vampirs. Gehört Atmosphäre nicht zur Story? Das Spiel wäre jedenfalls auf meiner Liste.
Ich finde den Twist am Ende übrigens witzig und thematisch passend. Hab selten so gelacht.

Dass Edith Finch auf Platz 1 landet, war wenig überraschend. Mir fällt es trotzdem immer noch schwer, die hohe Begeisterung für dieses Spiel nachzuvollziehen. Ich kann mich kaum noch an die Story erinnern. Die "ludonarrative Konsonanz" war zwar nett, empfand ich aber eher als Gimmick. Im Gegenteil würde ich sogar behaupten, dass dieses Prinzip überbewertet wird. Was bringt mir die beste ludonarrative Konsonanz, wenn das Gameplay letztendlich nur aus kleinen Spielereien besteht? Soll das der heilige Gral dieses Mediums sein?!
Zu Finchs Verteidigung muss ich noch sagen, dass ich mit Walking Sims generell nichts anfangen kann, Finch aber die einzige ist, die ich ohne zu gähnen durchspielen konnte.
Ich bin passend dazu letztens über dieses Video (leider in Englisch) gestolpert:
https://www.youtube.com/watch?v=vhConc2uU_E&t=402s

Da muss man nicht einer Meinung sein. Aber, was er da "Immersion Storytelling" nennt, ist für mich auch im Kern gerade das was Videospiele gegenüber anderen Medien auszeichnen und abheben kann. Ich mag es auch total wenn ich eine Spielewelt wie ein Archäologe oder Detektiv erforschen kann und dabei entdecken kann was dort geschehen ist und die Hintergründe langsam selber aufdecken kann. Neugier und Entdeckerdrang sind da die wesentlichen Motivationen, die hier spielerisch belohnt werden. Und das bitte ohne ewig langes Vorkauen der Informationen in Cutscenes oder ewig langen Exposition-Textpassagen. Das selbständige Herausfinden und Entschlüsseln der Spielewelt macht eben genau ihren Reiz aus. Die Beispiele Elden Ring und Tunic sind auch meine beiden absoluten Favoriten der letzten Monate, also bei mir trifft das voll zu.

Ich kann aber verstehen das andere Spieler eher Spiele genießen die linear erzählt werden, mit vielen Cutscenes und damit sehr nah am Medium Film sind (z.B. Detroit: Become Human, Uncharted, Last of Us) - es ist nicht verkehrt einen gut inszenierten, interaktiven Spielfilm mit guter Story zu genießen. Das gleiche gilt auch für epische Rollenspiele, die teils näher am Medium Buch dran sind (siehe z.B. CYOA Bücher), also es sind für mich teils fast schon interaktive (Fantasy-)Romane die da erzählt werden - bei seiner Affinität zum Medium Buch kann ich da Jochens Liste auch verstehen. Es ist für mich nur nicht das was Videospiele gegenüber diesen anderen Medien unterscheidet, besonders was die Art und Weise angeht wie man dort auch Geschichten erzählen kann. Und ich glaube, was das angeht, ist das Medium Spiel noch lange nicht ausgereizt. Leider laufen gerade die große Produktionen immer noch dem Medium Film hinterher und versuchen sich möglichst cineastisch zu inszenieren, neuerdings dann auch mit viel emotionalen Drama (siehe wieder Last of Us). Das ist aber mein persönliches Empfinden, während andere das sicher genau so haben wollen.
Cringe
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Re: Feierabendbier: Jochens liebste Spiele-Stories

Beitrag von Cringe »

Terranigma hat geschrieben: 7. Mai 2022, 08:54
Ich empfand allerlei Jugendromane auch für lange Zeit aus genau diesem Grund - "so sind Jugendliche doch gar nicht!" - auch recht verquer, eben weil mein Maßstab war, inwiefern diese das tatsächliche Leben und Verhalten von Jugendlichen adäquat abbilden. Mittlerweile würde ich aber die Position vertreten, dass dies gar kein Gütekriterium ist und auch nicht das ist, was Jugendliche von einer entsprechenden Erzählung erwarten. Wenn ich mir anschaue, was Jugendliche insb. lesen, dann würde ich eher so sagen: was Jugendliche an Erzählungen in diesem Coming of Age-Genre reizt sind die Motive (themes), welche diese behandeln und die Möglichkeit, sich darüber mit z.B. dem Protagonisten zu identifizieren.

Banal gesagt: ein Drama über ein Ehepaar, das sich auseinander lebt, dürfte Jugendliche in der Regel eher weniger ansprechen, weil sie zu diesem Motiv keinen persönlichen Bezug herstellen können. Sie waren noch nie ein Ehepaar und befinden sich in keiner Situation, wo dies für sie von Relevanz ist. Aber bereits die Auswahl der Themen vonwegen Sexualität, erste Partnerschaft, insb. auch das Gefühl von Unsicherheit und nicht zu wissen, was man eigentlich im Leben will, bietet Anknüpfungspunkte zur Identifikation. Es ist ja gerade nicht so, dass das, was Jugendliche in ihrer Freizeit freiwillig (!) an Erzählungen rezipieren, geprägt ist von authentischen und glaubhaften Figuren. Was ich so mitbekomme sind Klassiker weiterhin z.B.: "The Hunger Games" kennt fast jeder, "Vampire Diaries" ist bei allerlei Mädels angesagt, viele Jungs wiederum schauen Anime, wo die männlichen Figuren oftmals jene Werte repräsentieren, die insb. Jungs klassischerweise ansprechen. :D


Dass "Life is Strange" also keine glaubhaften Figuren zeichnet, etc. erscheint mir daher kein Kritikpunkt. Das sind jene von "Vampire Diaries", "The Hunger Games" oder "Naruto" auch nicht, aber den Krams wiederum schauen sich Jugendliche freiwillig an. Und das sind in ihrem Kern auch Coming of Age-Stories.
Meine Kritik war nicht, dass die unglaubwürdige Charakterzeichnung bei Jugendlichen eventuell für Missfallen sorgt, sondern dass die Charakterzeichnung sehr unglaubwürdig ist. Wenn vielen Jugendlichen(kann aus persönlicher Erfahrung sagen, vielen aber auch nicht) dieser konkrete Aspekt egal ist, dann ist das für meine Bewertung der Story irrelevant. Außerdem gilt das ja in ziemlich gleichem Maße auch für alle anderen Altersgruppen, wenn man sich mal anschaut was so in den Bestseller Listen steht, beliebte Serien, Filme etc. Schlechte Charaktere und Dialoge sind dann trotzdem noch ein Kritikpunkt, selbst wenn viele daran ganz andere Erwartungen an und Erfahrungen damit haben.

Anders gesagt: nur weil eine Erzählung(ganz allgemein auch Werk) gut bei der intendierten Zielgruppe ankommt heißt das ja nicht, dass die getroffenen Entscheidungen dadurch auf einmal gut sind, im qualitativen Sinne.

Abgesehen davon hatte ich, um konkret auf LIS zurückzukommen, sowieso viel mehr die sehr fremdschämigen Dialoge im Hinterkopf, als die Charaktere an sich, hab das aber nicht wirklich verständlich formuliert :doh:
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Melchiah
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Re: Feierabendbier: Jochens liebste Spiele-Stories

Beitrag von Melchiah »

Gibt es Stimmen zur Story von Legacy of Kain?
Ich finde diese Geschichte immer noch sehr ansprechend und faszinierend. Für das Genre der Reihe erscheint sie mir auch sehr passend, da sie ihre Komplexität hauptsächlich aus den höheren Zusammenhängen der Lore zieht, die durch Zeitreisen noch einmal durcheinandergewirbelt werden - und (fast) nicht aus Charakteren und Beziehungen. Für ein Gameplay, das zum Großteil aus Kämpfen und Rätseln besteht, finde ich das eine gelungene Ausrichtung mit geringer ludonarrativer Dissonanz.

Im Lichte dessen finde ich auch, dass Bioshock Infinite hier im Thread deutlich zu schlecht wegkommt. Da ist es hervorragend gelungen, eine Geschichte, die sich zum Teil ebenfalls aus höheren Zusammenhängen speist, mit sehr persönlichen Aspekten zu verheiraten, und das auch noch in einem Shooter. Das war für mich immer die größte Leistung dieses Spiels: Überbau, persönliche Geschichte und Gameplay sind hier in einem wunderbaren Dreiklang, denke ich. Ein sehr emotionales Spiel. Fand es aber interessant zu lesen, was andere daran so gar nicht mögen.
SirGaiwan&TheGreenT
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Re: Feierabendbier: Jochens liebste Spiele-Stories

Beitrag von SirGaiwan&TheGreenT »

Melchiah hat geschrieben: 12. Mai 2022, 14:28 Im Lichte dessen finde ich auch, dass Bioshock Infinite hier im Thread deutlich zu schlecht wegkommt. Da ist es hervorragend gelungen, eine Geschichte, die sich zum Teil ebenfalls aus höheren Zusammenhängen speist, mit sehr persönlichen Aspekten zu verheiraten, und das auch noch in einem Shooter. Das war für mich immer die größte Leistung dieses Spiels: Überbau, persönliche Geschichte und Gameplay sind hier in einem wunderbaren Dreiklang, denke ich. Ein sehr emotionales Spiel. Fand es aber interessant zu lesen, was andere daran so gar nicht mögen.
Eines der erzählerischen Probleme von Bioshock Infinte ist meines Erachtens, dass zur Erklärung Multiversen herangezogen werden. Und diese halte ich fast immer für ein schlechtes erzählerisches Mittel. Fast, weil ich nicht kategorisch ausschließen kann und möchte, dass man damit etwas halbwegs Sinnvolles anstellen könnte, mir fallen nur keine richtigen Beispiele ein.

Paralleluniversen und Multiversen sind so, wie sie in Geschichten in der Regel konzipiert sind, ein Griff in die Beliebigkeitskiste. Mit unendlich vielen möglichen und sich überschneidenden Universen, bzw. Erzählsträngen, kann man alles ganz billig erklären. Ist ja alles irgendwo möglich, muss ja nur das richtige Paralleluniversum genommen werden. Und das zerstört für mich die Illusion einer sich selbsttragenden und aus sich erklärenden Handlung. Gerade diese Fiktion, dass die Dinge geradezu zwingend oder zumindest nachvollziehbar so geschehen, wie sie erzählt werden, macht ja viele klassische Geschichten aus und ermöglicht oftmals Spannung.

In dem Moment, wo Multiversen aus dem Hut gezogen werden, bricht für mich die Erzählung und ich sehe den in diesem Falle ziemlich billigen Werkzeugkasten des/r Autors/in. Ja, jede fiktive Geschichte kann während des Schreibens zu jedem Zeitpunkt letztendlich willkürlich in jede Richtung geführt werden. Wenn Autoren/innen erzählen, dass ihre Geschichte nur so und so verlaufen konnte, ja die Geschichte sie förmlich dazu gezwungen hat es so zu schreiben, dann handelt es sich entweder um eine/n schlechte/n Autor/in oder um das Schreiben romantisierendes Gewäsch. Ein/e Autor/in, der/die nicht zu jedem Zeitpunkt Herr/in der Handlung ist, hat sein Handwerk nicht gelernt. Es ist dann das Kunsthandwerk es so zuschreiben, dass es den Rezipienten/innen nicht willkürlich und beliebig vorkommt.

Man kann natürlich auch Multiversen gezielt als Kommentar, bzw. Blick in den Handwerkskasten des/r Schreibenden benutzen. Dann sind wir aber nicht mehr beim Erzählen von klassischen, mehr oder weniger stringenten Geschichten, sondern bei selbstreferenziellen Werken, die, gut gemacht, auch sehr schön sind.

Bioshock Infinite ist ja aber nicht wie Stanley Parabel ein postmoderne Kommentar auf das eigene Medium, wo so ein offensichtlicher Kniff in die Beliebigkeitskiste wiederum eine Aussage wäre, sondern bemüht sich darum eine kohärente, nicht die vierte Wand durchbrechende Geschichte zu erzählen. Und in so einem Fall wirken Multiversen auf mich wie die erzählerische Selbstaufgabe, wie die moderne Form der Deus ex machina. Die kann im richtigen Kontext und auf die richtige Weise eingesetzt ein Rückgriff auf das alte Griechische Theater sein und so neue Deutungsformen ermöglichen. In der Regel wird sie aber einfach nur wie ein billiger Ausweg wirken. Und so geht es zumindest mir auch mit Multiversen im Allgemeinen.

Und im speziellen bei Bioshock Infinite sehe ich das Problem, dass das Spiel die Aussagen, dies es zur Wahlfreiheit von Personen und von unterschiedlichen Geschichtsverläufen im Großen und Kleinen aufgrund verschiedener Wahlentscheidungen trifft, selbst wieder ein wenig zu Nichte macht. In dem einen Geschichtsstrang entscheidet sich Booker gegen die Taufe, wird nicht zu Comstock und bekommt eine Tochter. In dem anderen lässt er sich taufen, wird zu Comstock und gleichzeitig unfruchtbar, baut Columbia auf und entführt Anna. Aber warum wird er mit der Taufe unfruchtbar? Und warum gucken wir nicht in das Paralleluniversum, wo Comstock der leibliche Vater von Anna/Elizabeth wird und glücklich ist.
Edit: Und warum sollte es auf einmal ein singuläres, für alle parallele Welten geltendes Ereignis sein, wenn sich Booker bei der Taufe ertränken lässt? Sollte es nicht parallele Welten geben, wo er sich anders entscheidet und alles wieder in Gang oder sogar ganz anders in Gang bringt?
Klar, wäre langweilig in einem Spiel. Aber hier wir das beliebige zusammenpflücken der Geschichte offensichtlich, hier sehe ich nicht mehr die Geschichte, sondern schaue dem/der Autor/in beim arbeiten zu. Und ich denke nicht, dass das bei Bioshock Infinite beabsichtigt war und/oder der Geschichte gut tut.
Edit: Der Rückgriff auf die Multiversen bringt eher mehr Fragen und (Logik-)Löcher mit sich, als befriedigende Erklärungen.

Ich finde die Art und Weise, wie das Spiel seine Themen, die auch schon vorhin von jemanden anderen genannt wurden, z.B. der Amerikanische Exzeptionalismus, Rassismus, Religiosität und so weiter, im Rahmen seiner Spielwelt umsetzt ganz interessant. Aber das sind Sachen, die das Spiel thematisiert und kommentiert. Die Geschichte als solche und die Art und Weise wie sie erzählt wurde, was ich schon in einem Kommentar zuvor genannt habe, halte ich aber für überschätzt.

Sorry für die Länge und das wiederholte Aufgreifen des Themas. Schreiben und Ausformulieren sind manchmal eine gute Hilfe beim Durchdenken von etwas. Möchte niemandem seine Spielerfahrung madig machen, aber das sind alles Punkte, die zumindest mir bei Bioshock Infinite eklatant ins Auge springen. Das musste anscheinend raus. :ugly:
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Melchiah
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Re: Feierabendbier: Jochens liebste Spiele-Stories

Beitrag von Melchiah »

SirGaiwan&TheGreenT hat geschrieben: 12. Mai 2022, 16:16 Eines der erzählerischen Probleme von Bioshock Infinte ist meines Erachtens, dass zur Erklärung Multiversen herangezogen werden. Und diese halte ich fast immer für ein schlechtes erzählerisches Mittel. Fast, weil ich nicht kategorisch ausschließen kann und möchte, dass man damit etwas halbwegs Sinnvolles anstellen könnte, mir fallen nur keine richtigen Beispiele ein.
Interessante Gedanken. Ich würde sagen, es gibt schon positive Beispiele für Geschichten mit einem Multiversenkonzept oder etwas ähnlichem. Ein Beispiel ist eben Legacy of Kain: Hier geht es im Kern darum, dass der namensgebende Kain einen Versuch unternimmt, aus dem festgeschriebenen Lauf der Geschichte auszubrechen, indem er mit Raziel eine Kreatur erschafft, die tatsächlich den wahren freien Willen besitzt und nicht wie alle anderen (bewusst oder unbewusst) auf den Schienen des Schicksals fährt. Hier und auch bei Bioshock Infinite hatte ich den Eindruck, dass die Multiversen von Anfang an das Fundament der Geschichte sind und die Handlung darauf aufbaut. Das allmähliche Freilegen der Fäden ist dann das, was mir so gefällt.
Es gibt jedenfalls kein einziges Spiel, in dem sich meine Mission als Spieler auch nur annähernd so dermaßen wichtig und emotional dringend angefühlt hat wie in Bioshock Infinite, wenn mir dann endlich dämmert, was wirklich los ist. Das hat mich so mitgerissen, einfach Spitzenklasse. Für mich hat die Geschichte von der Idee der Multiversen auch deswegen profitiert, weil Elizabeth mit der Zeit sehr viele Zusammenhänge zu verstehen scheint, die man selbst noch nicht durchblickt - weil dieses Konstrukt eben so komplex ist. Man wird von ihre gewissermaßen intellektuell überholt und entwickelt ein ganz neues Verhältnis zu ihr. Hier profitiert die Geschichte dann von der Verwirrung, die sie zugegebenermaßen selbst stiftet. Das kritisierst du zurecht, mich persönlich stört es gar nicht.

Ein Fun Fact zu deiner These, gute AutorInnen müssten immer in der Lage sein, Geschichten zu lenken (ohne das infragestellen zu wollen): Stephen King hat glaube ich mal erzählt, dass er das Finale von "Cujo" gar nicht so geplant hatte, wie es im Buch passiert. Aber beim Schreiben seien die Dinge einfach so passiert wie sie passieren. Damals sind die LeserInnen wohl ziemlich erschrocken, denn das Ende ist schon sehr tragisch und dramatisch.
Ich weiß gar nicht, was meine Meinung dazu ist.
SirGaiwan&TheGreenT
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Re: Feierabendbier: Jochens liebste Spiele-Stories

Beitrag von SirGaiwan&TheGreenT »

Melchiah hat geschrieben: 12. Mai 2022, 21:54 Ein Fun Fact zu deiner These, gute AutorInnen müssten immer in der Lage sein, Geschichten zu lenken (ohne das infragestellen zu wollen): Stephen King hat glaube ich mal erzählt, dass er das Finale von "Cujo" gar nicht so geplant hatte, wie es im Buch passiert. Aber beim Schreiben seien die Dinge einfach so passiert wie sie passieren. Damals sind die LeserInnen wohl ziemlich erschrocken, denn das Ende ist schon sehr tragisch und dramatisch.
Ich weiß gar nicht, was meine Meinung dazu ist.
Vielleicht habe ich das ein wenig zu rigoros formuliert, so dass es missverständlich war. Natürlich entsteht nicht jede Geschichte vorher vollständig am Reißbrett, so war das auch nicht gemeint. Nicht umsonst kann das Schreiben an sich ein kreativer Prozess sein und nicht nur die handwerkliche Ausführung irgendwelcher Storyüberlegungen. Und da gibt es ganz viele verschiedene Herangehensweisen bei Autoren/innen. Ich kenne welche, die erarbeiten sich alle Inhalte stichpunktartig zuerst minutiös mit dem Lektor und schreiben die Sachen erst dann herunter, wenn es abgesegnet ist. Andere fangen vor einem weißen Blatt Papier, bzw. leeren Monitor an und lassen sich treiben. Wieder andere stürzen sich in ellenlange Recherchen und dann gibt es welche, die bauen sich ein grobes Gerüst, damit sie wissen wo es hingehen soll und lassen dann das Meiste beim Schreiben passieren. Natürlich gibt es noch allerlei andere Vorgehensweisen, Abstufungen und Mischformen in allen Varianten. Manche Autoren/innen verwenden auch je nach Text unterschiedliche Arbeitsweisen.

Und natürlich kann man auch beim Schreiben oder Überarbeiten merken, dass etwas so nicht passt, wie man es sich vorher überlegt hat. Oder man hat situativ bessere Einfälle. Aber mit dem Schreiben ist eine Geschichte ja noch nicht fertig und man gibt am Ende nicht die Kontrolle ab. Auch ein Stephen King wird sich seinen Text nochmals durchgelesen haben und entschieden haben, dass es so besser ist, als die ursprüngliche Idee. Und wahrscheinlich wird er an diesem Einfall im Nachhinein auch noch gefeilt haben. Geschichten zu schreiben, vor allen Dingen umfangreiche, ist ein langwieriger und denkintensiver Prozess mit vielen Wiederholungen und voller Entscheidungen eines/einer Autors/in. Auch jene, die sich beim Schreiben treiben lassen, schauen sich ihren Text mehrmals genau an, ändern Dinge und passen an.

Jetzt verrenne ich mich aber schon wieder :ugly: . Was ich eigentlich sagen wollte: Die Illusion einer guten Geschichte, die einfach nur eine Geschichte sein möchte, ist ja, dass in ihr die Dinge folgerichtig und nachvollziehbar geschehen, dass es wirkt, als ob alles nur so geschehen konnte. Aber diese Illusion des "nur so und nicht anders" passiert einem beim Schreiben nicht nebenbei. Wenn gut gemacht, entsteht sie durch harte Arbeit. Etwas abstrakter würde ich sagen, diese Illusion ist das Ziel und nicht die Entstehungsweise von Geschichten. Dass dabei auch ungeplante und zufällige Sachen geschrieben werden, ja sicher. Und natürlich sind manche Storyentwicklungen sinnvoller, bzw. folgerichtiger als andere. Aber während des Schreibens gibt es nie den einen Weg und die eine Auflösung. Der/die Autor/in gibt dabei nicht die Kontrolle völlig aus der Hand und jenseits von experimentellen Formen lässt auch niemand seinen Text in eine Richtung abdriften, mit der er/sie nicht zufrieden ist.

Der/die Autor/in hat und nutzt in der Regel alle Möglichkeiten, damit es am Ende nach einem "nur so und nicht anders" aussieht. Und bei Multiversen werden für mich Hinter diesem "nur so und nicht anders" die willkürlichen Möglichkeiten sichtbar, aus denen der/die Autorin schöpft. Die Illusion wird unbeabsichtigt gebrochen.

Und die Mär von der Geschichte, die nur auf die eine Art und Weise geschrieben werden konnte, mag nicht unbedingt Marketingsprech sein, aber doch ein Kniff um die eigene Geschichte zu überhöhen. Um den langwierigen, oftmals mühsam und zum Teil langweiligen Prozess dahinter zu verschleiern und die eigene Geschichte als etwas besonderes herauszustellen. Und natürlich sind auch gute, ja, auch herausragende Autoren/innen nicht vor Selbstbetrug gefeit. :lol:

Es mag wie immer in einigen Fällen auch anders sein, das möchte ich im Einzelfall niemanden absprechen. Nach meiner Erfahrung sind das aber wirkliche Ausnahmen. Und man merkt es meistens beim Lesen, wenn der/die Autor/in von der eigenen Geschichte und nicht andersherum getrieben wurde.

Hach, jetzt habe ich mich schon wieder hinein gesteigert. :ugly:
Otis
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Re: Feierabendbier: Jochens liebste Spiele-Stories

Beitrag von Otis »

Es ist sicherlich nicht schwierig zu erkennen, dass ein Autor mit "einzige Art, die Geschichte zu schreiben" wohl meint, "die einzige Art, die mir richtig vorkam", denn selbstverständlich hat ein Autor allerlei Möglichkeiten, in seiner Geschichte selbst den beliebigsten Unfug geschehen zu lassen. (Zumindest ehe der Verleger dazwischen haut. :ugly: ) Sehe darin keine Erhöhung o.ä., sondern einfach eine Erläuterung des Schreibprozesses. Manchmal hat man mehrere Optionen und wählt eine aus. Manchmal steuert einen das bisher geschriebene aber auch in eine eindeutige Richtung. Manchmal will man ein bestimmtes Ende (oder allg. Ereignis) und schreibt darauf zu.

Verstehe auch nicht, wieso die Thematik Multiversum per se da irgendetwas aufweichen oder aufbrechen würde. Das kann passieren, liegt für mich aber in den Händen der Autorin. Wenn's nur als Ausrede für lol, random shit happens genutzt wird, schade, aber liegt nicht am Thema an sich.
SirGaiwan&TheGreenT
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Re: Feierabendbier: Jochens liebste Spiele-Stories

Beitrag von SirGaiwan&TheGreenT »

Otis hat geschrieben: 13. Mai 2022, 13:57 Verstehe auch nicht, wieso die Thematik Multiversum per se da irgendetwas aufweichen oder aufbrechen würde.
Das Multiversen per se problematisch sind, habe ich ja nicht geschrieben.
SirGaiwan&TheGreenT hat geschrieben: 12. Mai 2022, 16:16 Und diese halte ich fast immer für ein schlechtes erzählerisches Mittel. Fast, weil ich nicht kategorisch ausschließen kann und möchte, dass man damit etwas halbwegs Sinnvolles anstellen könnte, mir fallen nur keine richtigen Beispiele ein.
Ich habe habe halt nur noch in keiner Geschichte erlebt, dass Multiversen als Erklärungsansatz für irgendetwas so eingesetzt wurden, dass es für die Story ein Gewinn war. Zumindest kann ich mich an nichts erinnern, dass bei mir nicht aus den genannten Gründen den faden Beigeschmack eines billigen Tricks hinterlassen hat.

Otis hat geschrieben: 13. Mai 2022, 13:57 Manchmal steuert einen das bisher geschriebene aber auch in eine eindeutige Richtung.
Ich sage ja nicht, dass es so etwas nicht gibt. Ich würde nur sagen, dass so etwas dann meistens die Zeit es zu lesen nicht wert ist. Auch wenn das jetzt vielleicht wieder harscher klingt, als es gemeint ist. :ugly:
Und wenn eine/e Autor/in so etwas sagt wie "einzige Art, die Geschichte zu schreiben" oder synonym dazu "die einzige Art, die mir richtig vorkam", dann schrillen bei mir zumindest alle Alarmglocken, weil die Art und Weise, wie Autoren/innen über ihre Werke reden, in der Regel auch etwas darüber aussagt, was sie schreiben und wie sie beim Schreiben denken. Aber egal, meine Interpretationen ist vermutlich genauso müßig wie die deine:
Otis hat geschrieben: 13. Mai 2022, 13:57 Es ist sicherlich nicht schwierig zu erkennen, dass ein Autor mit "einzige Art, die Geschichte zu schreiben" wohl meint, "die einzige Art, die mir richtig vorkam", [...]
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Melchiah
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Re: Feierabendbier: Jochens liebste Spiele-Stories

Beitrag von Melchiah »

SirGaiwan&TheGreenT hat geschrieben: 13. Mai 2022, 11:50 Die Illusion einer guten Geschichte, die einfach nur eine Geschichte sein möchte, ist ja, dass in ihr die Dinge folgerichtig und nachvollziehbar geschehen, dass es wirkt, als ob alles nur so geschehen konnte. Aber diese Illusion des "nur so und nicht anders" passiert einem beim Schreiben nicht nebenbei. Wenn gut gemacht, entsteht sie durch harte Arbeit. Etwas abstrakter würde ich sagen, diese Illusion ist das Ziel und nicht die Entstehungsweise von Geschichten. Dass dabei auch ungeplante und zufällige Sachen geschrieben werden, ja sicher. Und natürlich sind manche Storyentwicklungen sinnvoller, bzw. folgerichtiger als andere. Aber während des Schreibens gibt es nie den einen Weg und die eine Auflösung. Der/die Autor/in gibt dabei nicht die Kontrolle völlig aus der Hand und jenseits von experimentellen Formen lässt auch niemand seinen Text in eine Richtung abdriften, mit der er/sie nicht zufrieden ist.
SirGaiwan&TheGreenT hat geschrieben: 13. Mai 2022, 11:50 Der/die Autor/in hat und nutzt in der Regel alle Möglichkeiten, damit es am Ende nach einem "nur so und nicht anders" aussieht. Und bei Multiversen werden für mich Hinter diesem "nur so und nicht anders" die willkürlichen Möglichkeiten sichtbar, aus denen der/die Autorin schöpft. Die Illusion wird unbeabsichtigt gebrochen.
Super interessant, da bin ich auch sehr einverstanden! Dadurch, dass der Pool an möglichen Geschichten quasi offengelegt wird, fällt eben die Absolutheit der Ereignisse weg. Im Grunde gehöre ich da zu den Glücklichen: Ich kann beiden Varianten etwas abgewinnen :dance:
Otis
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Re: Feierabendbier: Jochens liebste Spiele-Stories

Beitrag von Otis »

SirGaiwan&TheGreenT hat geschrieben: 13. Mai 2022, 15:08Ich sage ja nicht, dass es so etwas nicht gibt. Ich würde nur sagen, dass so etwas dann meistens die Zeit es zu lesen nicht wert ist.
Könntest Du den Zusammenhang näher erläutern? Inwiefern zeugt das von nicht lesenswertem Text?
Und wenn eine/e Autor/in so etwas sagt wie "einzige Art, die Geschichte zu schreiben" oder synonym dazu "die einzige Art, die mir richtig vorkam", dann schrillen bei mir zumindest alle Alarmglocken, weil die Art und Weise, wie Autoren/innen über ihre Werke reden, in der Regel auch etwas darüber aussagt, was sie schreiben und wie sie beim Schreiben denken.
Nur dass wir hier auf dem gleichen Gleis stehen: ich rede von einzelnen Entscheidungen bezüglich des Fort- oder Ausgangs einer Geschichte. Ich verstehe nicht, warum es ein Alarmsignal o.ä. sein soll, wenn ein Autor eine eindeutige Entwicklung sieht, wie seine Geschichte oder ein Aspekt derer weitergehen sollte, und das auch so kommuniziert, dass er das beim Schreiben so empfunden hat.
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Re: Feierabendbier: Jochens liebste Spiele-Stories

Beitrag von SirGaiwan&TheGreenT »

Otis hat geschrieben: 13. Mai 2022, 18:18 Könntest Du den Zusammenhang näher erläutern? Inwiefern zeugt das von nicht lesenswertem Text?
Vielleicht habe ich dich falsch verstanden. Aber du hattest geschrieben:
Otis hat geschrieben: 13. Mai 2022, 13:57 Manchmal steuert einen das bisher geschriebene aber auch in eine eindeutige Richtung.
Ich habe das so verstanden, dass sich der/die Autor/in beim Schreiben von der Geschichte treiben lässt und das ist es. Der Text geht dann mehr oder minder so raus. Und da bleib ich dabei, in so einem Fall wird bei längeren Geschichten, über die wir ja reden, in der Regel nur Ramsch raus kommen. In so einem, zugegebener Maßen sehr speziellen und im Fall von Verlagen veröffentlichten Werken seltenen, aber nicht völlig undenkbaren, Prozess hat sich der/die Autor/in ausschließlich auf seine Intuition verlassen, aber nicht viel Hirnschmalz rein gesteckt. Und ja, ich würde sagen, dass in jeden guten uns lesenswerten Text reichlich Hirnschmalz des/der Autors/in geflossen ist. Zumal bei einer gewissen Länge des Textes und der Schreibdauer es schwierig wird, alles Vorhergehende zu behalten, was ja für eine kohärente Geschichte nicht schlecht wäre.

Aber vielleicht hast du das ja gar nicht so eng gefasst gemeint, sondern nur als Teil des Entstehungsprozesses. Dann bin ich ganz bei dir. Ich zitiere mich mal selber, um nicht wieder alles zu schreiben müssen:
SirGaiwan&TheGreenT hat geschrieben: 13. Mai 2022, 11:50 Natürlich entsteht nicht jede Geschichte vorher vollständig am Reißbrett, so war das auch nicht gemeint. Nicht umsonst kann das Schreiben an sich ein kreativer Prozess sein und nicht nur die handwerkliche Ausführung irgendwelcher Storyüberlegungen. Und da gibt es ganz viele verschiedene Herangehensweisen bei Autoren/innen. Ich kenne welche, die erarbeiten sich alle Inhalte stichpunktartig zuerst minutiös mit dem Lektor und schreiben die Sachen erst dann herunter, wenn es abgesegnet ist. Andere fangen vor einem weißen Blatt Papier, bzw. leeren Monitor an und lassen sich treiben. Wieder andere stürzen sich in ellenlange Recherchen und dann gibt es welche, die bauen sich ein grobes Gerüst, damit sie wissen wo es hingehen soll und lassen dann das Meiste beim Schreiben passieren. Natürlich gibt es noch allerlei andere Vorgehensweisen, Abstufungen und Mischformen in allen Varianten. Manche Autoren/innen verwenden auch je nach Text unterschiedliche Arbeitsweisen.

Und natürlich kann man auch beim Schreiben oder Überarbeiten merken, dass etwas so nicht passt, wie man es sich vorher überlegt hat. Oder man hat situativ bessere Einfälle. Aber mit dem Schreiben ist eine Geschichte ja noch nicht fertig und man gibt am Ende nicht die Kontrolle ab. Auch ein Stephen King wird sich seinen Text nochmals durchgelesen haben und entschieden haben, dass es so besser ist, als die ursprüngliche Idee. Und wahrscheinlich wird er an diesem Einfall im Nachhinein auch noch gefeilt haben. Geschichten zu schreiben, vor allen Dingen umfangreiche, ist ein langwieriger und denkintensiver Prozess mit vielen Wiederholungen und voller Entscheidungen eines/einer Autors/in. Auch jene, die sich beim Schreiben treiben lassen, schauen sich ihren Text mehrmals genau an, ändern Dinge und passen an.
Otis hat geschrieben: 13. Mai 2022, 18:18 Nur dass wir hier auf dem gleichen Gleis stehen: ich rede von einzelnen Entscheidungen bezüglich des Fort- oder Ausgangs einer Geschichte. Ich verstehe nicht, warum es ein Alarmsignal o.ä. sein soll, wenn ein Autor eine eindeutige Entwicklung sieht, wie seine Geschichte oder ein Aspekt derer weitergehen sollte, und das auch so kommuniziert, dass er das beim Schreiben so empfunden hat.
Was das anbelangt, reden wir vermutlich aneinander vorbei. :lol:
Ich meine nicht den Fall, dass Autoren/innen konkrete Entscheidungen für den Verlauf der Geschichte treffen. Das müssen sie ja zwangsläufig. Und warum sie sich für diese oder jene Entwicklung entschieden haben, werden sie oftmals auch ganz genau nennen können. Aber in so einem Zusammenhang habe ich das "nur so und nicht anders", meine ich, auch noch nicht gehört und gelesen. Da gibt es dann meisten Erklärungen dazu.

Mit der Überhöhung meine ich den Fall, wenn Autoren/innen versuchen weis zu machen, dass sie gar keine Wahl hatten, dass die Geschichte ihnen beim Schreiben den Verlauf diktiert hat, oder gar in die Richtung eines "die Geschichte war schon immer da, sie musste nur runter geschrieben werden". Wo versucht wird zu sagen, dass das "nur so und nicht anders" nicht wissentlichen und willentlich in der Hand des/der Autors/in lag. Und das ist ein Fall, wo mich der/die Autor/in entweder für dumm verkauft oder sein eigenes Tun nicht durchblickt. Da schrillen bei mir die Alarmglocken. Und es ist auch meines Erachtens kein Zufall, dass man solche Äußerungen ab einer gewissen Güte des/der Autors/in nicht mehr aufgetischt bekommt.

Ich hoffe, es ist jetzt ein wenig klarer.
Otis
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Re: Feierabendbier: Jochens liebste Spiele-Stories

Beitrag von Otis »

SirGaiwan&TheGreenT hat geschrieben: 13. Mai 2022, 20:30Ich habe das so verstanden, dass sich der/die Autor/in beim Schreiben von der Geschichte treiben lässt und das ist es.
Nee, ich schrieb ja "manchmal", zumal was Du beschreibst für mich fast schon das Gegenteil von "die Geschichte musste ich so schreiben" bedeuten würde. Damit eine Autorin durch die Geschichte eine Art Zwang verspürt, wie dieses oder jenes sich entwickeln sollte, muss sie sich doch viel damit auseinander gesetzt und darüber nachgedacht haben, und sich eben nicht treiben lassen.
Mit der Überhöhung meine ich den Fall, wenn Autoren/innen versuchen weis zu machen, dass sie gar keine Wahl hatten, dass die Geschichte ihnen beim Schreiben den Verlauf diktiert hat, oder gar in die Richtung eines "die Geschichte war schon immer da, sie musste nur runter geschrieben werden". Wo versucht wird zu sagen, dass das "nur so und nicht anders" nicht wissentlichen und willentlich in der Hand des/der Autors/in lag. Und das ist ein Fall, wo mich der/die Autor/in entweder für dumm verkauft oder sein eigenes Tun nicht durchblickt.
Naja, aber jetzt mal ehrlich, es werden ja wohl die wenigsten Autoren damit sagen wollen, dass ihnen irgendein Waldgeist die Geschichte eingeflüstert hat o.ä., sondern eben eher im übertragenen Sinne ihren kreativen Schaffensprozess damit beschreiben. Und ich kann mir schon vorstellen, dass ein Autor eine Geschichte z.B., schon lange unbewusst mit sich herum tragen und in sich arbeiten lassen kann, dass sie ihm dann, wenn er sich einfach mal daran setzt, sie zu aufzuschreiben, wie die Tinte aus dem Fülle aufs Papier läuft. Oder er schreibt mit einer gewissen Intention und merkt dann immer mehr, dass seine ursprüngliche Idee nicht mehr funktioniert oder etwas anderes besser passt. Und dann sagt er halt, "die Geschichte hat dies und das verlangt", auch wenn es letztlich natürlich er selber war, der das so zusammen geschrieben hat.

Andererseits, klar, kann ich auch nicht ausschließen, dass manch ein Autor das einfach nur als hohle Phgrase vor sich her faserlt.
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