Mir hat das Hören und Grübeln in den Hörpausen den ersten Arbeitstag nach dem Urlaub sehr erleichtert, danke dafür erstmal
In vielen Punkten hat mir @Terranigma schon die Worte vorweggenommen und das deutlich kompetenter, als ich es wohl könnte.
Zusätzlich würde ich vielleicht noch eine Art "immersive Repräsentation" (mal frei unwissenschaftlich benannt) in den Ring schmeißen. Mir persönlich geht diese Fähigkeit in Videospielen völlig abhanden, es scheint aber sehr viele zu geben, die wirklich "sich selbst" oder ein klar definiertes Alterego spielen wollen, wie in einem Pen'n'Paper.
Für mich sind Charaktere aus Editoren meist mehr oder weniger seelenlose, hübsche Hüllen, die ich halt steuere. Und wie in allen Spielen, wo ich eine kleinere oder größere Wahl habe, verkommen sie am Ende doch alle zu den weichherzigen Gutmenschen, mit einem Faible für unterdrückte Minderheiten... und hinter verschlossenen Türen testen sie dann alle möglichen Romanzen aus. Hust.
Apropos Repräsentation, Polyamorie gibt es fast nirgendwo als akzeptierte Option
Ne, aber im Ernst. Meistens sind mir halbwegs vordefinierte Protagonist:innen lieber, denn für gewöhnlich erlebe ich persönlich Spiele wie einen Film oder ein Buch: Ich schaue der Person über die Schulter, erlebe ihre Geschichte nach, aber das bin nicht Ich.
Wenn ich mir selber einen baue, ist es häufig ein androgyner Kerl, je nach Editor auch eine androgyne Frau oder wenn ich eine sehr "weibliche Phase" habe, dann auch mal eine etwas körperbetontere Frau, komischerweise meistens mit etwas dunklerer Haut, obwohl ich selbst vor einer weißen Wand verschwinden würde. Keine Ahnung.
Warum ich das so komisch formuliere? Weil ich zwar einen biologisch weiblichen Körper habe, mich aber damit nur sehr bedingt identifizieren kann. Sprich, ich gehöre zu diesen "nicht binären" Menschen
und deren Repräsentanz geht in den Spielen... gegen Null? (Wobei es bei manchen Spielen keine Rolle spielt/schwer definierbar ist). Bücher hab ich 2-3, auf Englisch, aber immerhin. Am ehesten kann ich noch mit transgender Charakteren mitfühlen, aber die werden oft nur auf ihre dramatische Coming Out-Story reduziert und wie schlimm doch alles ist und wie gemein vor allem die Eltern und das konservative Umfeld. Hier kann man übrigens fast alle queeren Geschichten einfügen, leider. Warum immer Drama, warum keine rosarote Story?
Thema Repräsentanz ganz allgemein mal:
Mir fällt da immer als erstes das Beispiel der schwarzen Schauspielerin Grace Dell "Nichelle" Nichols als Lieutenant Uhura (die, wie ich gerade gelesen habe, am letzten Sonntag von uns gegangen ist, RIP) in Star Trek bzw Raumschiff Enterprise, die ihre Rolle eigentlich an den Nagel hängen wollte, dann aber überzeugt wurde, zu bleiben. Warum? Weil sie für viele Kinder das erste sichtbare "Abbild" war. Eine schwarze Frau, die in ihrer, wenn auch kleinen, Rolle als durchaus kompetent und "einfach da" war, im Sinne von "selbstverständlich". (Ich bin mal Abends in einem Rabbit Hole zu dem Thema versunken
da waren ganz süße Geschichten dabei von kleinen, dunkelhäutigen Mädchen aus der Zeit.)
Natürlich muss das bisherige Bild des weißen, muskulösen Dudes Anfang/Mitte 20 nicht verschwinden oder zur Seltenheit werden, es muss auch nicht jede Hauptrolle divers sein. Aber es wäre halt schön, wenn es mehr NPCs, Nebenfiguren und Begleiter gäbe, die divers sind und sich nicht dadurch definieren, sondern... halt einfach da und präsent.
Ich würde auch gerne mal eine wirklich "typisch" weibliche Hauptfigur spielen. Die sich nicht wie ein Mann verhalten muss, sondern durch Empathie überzeugt. Sie darf auch gerne wohlgeformt sein, auch wenn mich diese spindeldürren Barbies mit den Monsterhupen immer sehr abschrecken. Mal im Ernst, stehen da wirklich so viele drauf? Ich vergesse beim Anblick vieler weiblicher Spielfiguren, dass ich ja auch auf Frauen steh...
Oder einen 08/15 Typen mit leichtem Bierbauch, der auch mal weinen darf und Krisen durchlebt.
Natürlich will ich Eskapismus am Feierabend, keine Frage, aber bei einer guten Geschichte darf der Cast für mich auch gerne Unperfekt sein und das abbilden, was ich in der Realität ständig um mich hab.
Ahhhhh, halt Stopp, da hätte ich fast was vergessen
Passt für mich perfekt ins Thema Repräsentation: Ich freue mir immer einen Ast ab und hab ein ganz warmes Gefühl im Bauch, wenn beispielsweise Herr Stange in seiner Begrüßung nicht nur Männer und Frauen anspricht, sondern eben auch uns "Enbys". Das erwarte ich selbstverständlich nicht immer und überall, aber wenn ich dann mal genannt, ergo in gewisser Weise repräsentiert werde, ist das ganz toll und lässt mich mich weniger außen vor fühlen, ohne zu wissen, dass ich das Gefühl im Alltag sonst habe.