Tungdil1981 hat geschrieben: ↑27. Aug 2022, 17:11Es müssen halt sinnvolle, gute Geschichten sein. Erwähnungen nur der Erwähnung wegen bringen niemanden etwas.
Und wer entscheidet anhand welcher Kriterien, warum es nun erwähnt wurde? Und inwiefern macht es eine gute Geschichte schlechter, wenn es einem doch egal ist?
Rigolax hat geschrieben: ↑27. Aug 2022, 15:09Würde man hier nicht zumindest sagen, dass dies eine Abweichung von der "Norm" ist, etwas "besonderes"? Das bedingt imho nicht zwingend gesellschaftlich nachteilige Behandlung, aber eine
Andersartigkeit, die in einem Story-Kontext auch Aufmerksamkeit erregen würde oder sogar sollte?
Das kommt doch völlig darauf an, welche Rolle der andersartige Charakter in der Handlung hat und worum es sonst geht. Ist doch gerade der Punkt hier. LGBT+ ist nicht in jeder Sekunde im Leben eines LGBT+-Menschen ein dermaßen alles überschattendes und vorherrschendes Merkmal, dass es in einer Geschichte automatisch darum gehen oder es näher thematisiert werden muss. (Zumal sie dann eh aus ihren Löchern gekrochen kommen und meckern, dass zuviel über LGBT+ vorkam und das Thema interessiert sie doch gar nicht, aber man hat natürlich nichts gegen Schwule, solange sie die Fresse halten.
)
Wenn da ein schwuler Kollege des Protagonisten im Büro ist, der eindeutig als Nebencharakter angelegt ist, der außer ein paar narrativen Funktionen für die Handlung nicht wichtig ist, dann würde man zwar an kleinen, alltäglichen Dingen erkennen, dass er schwul ist, aber es bestünde im Kontext der Geschichte keinerlei Not, sein Coming Out und dass sein Vater ihn verstoßen hat und was einem sonst noch so an "schwulem Drama" einfallen mag zum Thema zu machen.
Dazu dann die Frage: macht es die Geschichte jetzt wirklich schlechter, dass ein homosexueller Kollege erkennbar ist? Selbst wenn darüber nicht weiter gesprochen wird und man ihn nicht weiter kennen lernt, erfüllt das zum einen schon mal den Zweck, dass man das Setting näher an die gesellschaftliche Realität angepasst hat, so das denn in diesem Werk gewünscht ist, zum anderen hat es ohne weiteres Zutun durchaus erzählerische Auswirkungen, denn ohne es sagen zu müssen versteht das Publikum, dass es sich um ein ausreichend tolerantes Arbeitsumfeld handelt, dass der Schwule sich nicht verstecken und seine Sexualität auch kein Problem dort darstellt oder sonstwie für Aufsehen sorgt, und letztlich kann das Publikum daran, wie der Protagonist mit dem Schwulen umgeht, Rückschlüsse auf seine Einstellung zu diesem Thema ziehen. (Was nebenbei auch interessant sein kann, wenn der Protagonist nicht begeistert davon ist, wenn man das vorsichtig umsetzt, ohne dass es narrativ oder gesellschaftlich problematisch wird.)
Aber wenn man sich dann lieber daran stört, dass er überhaupt da ist, obwohl es für die Handlung unwichtig ist, fallen einem solche Nuancen evtl. nicht auf. Nur wenn wir uns an der Realität orientieren und eine einigermaßen inklusive — sagt man das im Deutschen so? Inkludierende etwa? — Medienlandschaft schaffen und erhalten wollen, muss man sich dann fragen, ob man denn, wenn man einen schwulen Kollegen hat, den deshalb auch näher kennen lernen und mehr über seine Familie, seine Homosexualität und was damit zusammenhängt hören muss oder, wenn das nicht passiert, die Berechtigung seiner Existenz anzweifeln muss, weil sie für einen ja gar nicht relevant zu sein scheint. Sonst ist das Leben ja auch eine recht mies erzählte Story.
Dazu passt imho die Frage: Würde man als Elternteil nicht lieber ein Kind zeugen, dass sich leicht in die gesellschaftlichen Gefüge einordnen kann und nicht "zwischen den Stühlen" steht? So würden doch auch fast alle Eltern grundsätzlich vorziehen, ein nicht-behindertes Kind zeugen zu können, wenn sie dies bei der Empfängnis determinieren könnten, selbst nur bei leichten Behinderungen, weil Behinderungen doch grundsätzlich mit einem gewissen Leidensdruck einhergehen;
Inwiefern passt die Frage zu diesem Thema? Ich finde den Vergleich von Homosexualität mit einer Krankheit oder Behinderung nicht sinnvoll. Ich verstehe, dass das nicht beleidigend gemeint sein muss, sondern lehne den Vergleich in diesem Zusammenhang ab, weil er schief ist. Erstens ist die Frage schon deshalb irrelevant, weil eine Möglichkeit, Homosexualität des Kindes vor der Zeugung auszuschließen, genauso wenig existiert wie die, geplant ein nicht-behindertes Kind zu zeugen. (Zu zeugen betone ich. Über Abtreibung muss hier nicht auch noch diskutiert werden.
) Das heißt, was einem denn lieber wäre, ist wurscht, da man es sich nicht aussuchen kann. Und an der Stelle frage ich mich halt auch ... was hat das überhaupt mit dem Thema zu tun?
Zum Zweiten ist Homosexualität im Gegensatz zu Behinderungen oder Krankheiten nicht inhärent einschränkend. Sämtliche Nachteile, die ein Kind und späterer Erwachsene deshalb haben könnte, sind künstlich und kommen von außen. Der einzige tatsächliche Unterschied besteht darin, dass Homosexuelle keinen biologischen Nachwuchs haben werden, falls sie sich alleine auf ihren Geschlechtstrieb verlassen, aber auch das muss kein Problem sein und wenn, dann eines, für das bereits Lösungen gefunden wurden. Von daher wäre meine Antwort auf
Würde man als Elternteil nicht lieber ein Kind zeugen, dass sich leicht in die gesellschaftlichen Gefüge einordnen kann und nicht "zwischen den Stühlen" steht?
Nein, ich würde lieber eine Gesellschaft schaffen, in deren Gefüge Homosexuelle und andere "Anormale" sich genauso leicht einordnen können wie jeder andere auch und nicht "zwischen den Stühlen" stehen. Zum Beispiel, indem durch entsprechende Berücksichtung in den Medien das Bewusstsein für die und Toleranz ihrer Existenz gesteigert wird, bis wir eben nicht mehr automatisch denken, der Schwule da ist nur im Spiel, damit ein Schwuler drin ist, sondern der Schwule ist im Spiel, weil es Schwule gibt bzw. bis wir uns gar nichts mehr dazu denken.
Und wenn die Argumentation jetzt zum Dritten in die Richtung gehen soll, ob es denn nicht besser wäre, die Existenz von LGBT+ von vorneherein zu verhindern, dann wäre das Problem gelöst, dann wünsche ich viel Glück und schlage vor, die Diskussion über etwaige ethische oder moralische Bedenken zu vertagen, bis Du die Hetero-Brut-Garantie-Pille erfunden hast. Danach kann man ja schauen, ob man gleich noch was für die Hautfarbe und so entwickeln kann.
In dem Sinne ist Homosexualität auch eine Normabweichung:
Die Norm ist, dass einige geborene Kinder nicht heterosexuell sind und einige geborene Kinder nicht in allen Belangen eindeutig einem von zwei Geschlechtern angehören.
Es findet keine direkte Fortpflanzung statt und die Menschheit würde (ohne Sci-Fi-Errungenschaften) aussterben, wenn alle homosexuell wären.
Ernsthaft? "Wenn". Problem gelöst. Mal davon abgesehen, dass homosexuelle Menschen durchaus Kinder ohne Sci-Fi zeugen können. Verstehe auch nicht, was dieses falsche und konstruierte Dilemma, das letztlich nur irrationale Panikmache ist, hier überhaupt zu suchen hat.
Wenn es Dir nur darum ging zu rechtfertigen, weshalb man Hetero als Standard ansehen darf, klar, ist doch an sich auch kein Problem und muss auch gar nicht geändert werden. Ist ohne weiteres Wissen die wahrscheinlichste Annahme. Es wäre einfach nur schön, wenn sich die Leute bewusster wären, dass sie dieses "Vorurteil" pauschal treffen, anstatt sich jedesmal angegriffen zu fühlen, wenn es sich als falsch erweist, bzw. es nicht als Störung oder Agenda empfinden, wenn ein Charakter entsprechend der statistischen Realität einfach mal LGBT+ ist, ohne dass das eine Rechtfertigung braucht.
Man könnte sich auch Gedanken darüber machen, wie sich LGBT+-Personen, die im Alltag eh schon mit Vorurteilen, Diskriminierung und Bedrohungen fertig werden müssen, fühlen, wenn die Leute immer wieder sagen, schon allein die bloße Erwähnung von LGBT+ in der Fiktion störe sie. Wenn jemand eh schon verunsichert ist und dazu tendiert, seine Identität im Alltag zu verstecken, wird sich nicht freier und sicherer fühlen, einfach er selbst zu sein, wenn er mitkriegt, wie sein Umfeld die Nase darüber rümpft, dass schon wieder ein fiktiver Charakter irgendwo einfach so nicht hetero war. Ich sag's jetzt mal knallhart: dass jemand in der Realität nichts gegen LGBT+ hat, der bei jedem Schwulen im TV mit den Augen rollt und anfängt zu analysieren, ob's den jetzt wirklich gebraucht hätte, wird zu glauben nicht jedem leicht fallen, zumal in solchen Diskussionen anhand der gelieferten Argumente oft genug durchscheint, ob sich jemand über das Thema tatsächlich aus reiner Sorge um die narrative Qualität ereifert.