Runde #383: Über Kritik

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Klonky
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Klonky »

Clambone hat geschrieben: 8. Aug 2022, 14:28
Klonky hat geschrieben: 8. Aug 2022, 13:59 In dem Podcast von Robert hofmann und David Hain über Filme wird das häufiger angesprochen: Was ist ein Kunstwerk (Film) und was ist einfach nur noch "Content" zum konsumieren.
Oha, diese Betrachtungsweise stößt mir bitter auf. Eine Diskussion darüber oben etwas überhaupt als Kunst zu betrachten sei finde ich häufig einfach nur überheblich. Wenn wir das Beispiel Layla als Schlager nehmen können wir z.b. sagen:
Was will es: Musik zum partymachen sein. Es soll mitgegrölt werden können und Feiernden Menschen als Grundlage dienen Sie in ihrer feierwut zu unterstützen.
Gelungen..
Daneben packen wir Mal den offiziell als Alternative vorgeschlagenen von Heinz Strunk getexteten Song "Breit in 100 Sekunden".
Viel zu komplex im Aufbau, Text zu kompliziert und nicht ansatzweise so eingängig.
Misslungen...
Wie geht es mir wenn ich Layla höre? Finde ich die Werte die hier besungen werden sollten reproduziert werden und ist die gesellschaftliche Diskussion die darum entbrennt nicht vielleicht "wertvoller" als das Lied selbst? Das kann (und sollte) in einer Kritik genauso verhandelt werden und so kann man trotzdem mit dem Resultat "aus meiner Perspektive Schund" abschließen. Aber bereits im Vorhinein zu sagen das eine sei Kunst und das andere nicht ist mir zu einfach und elitär und führt auch zu nichts. Das lässt sich so auf jeden Netflix Film übertragen. Entweder etwas weckt das eigene Interesse und man möchte es Konsumieren oder sich damit beschäftigen oder man lässt es halt links liegen. Das hat aber mehr mit Interesse als mit dem Werk an sich zu tun.
Bringen wir doch mal ein Beispiel aus der Spiele Branche: Ist Overwatch ein Kunstwerk und sollte es kritisiert werden? Ja absolut. Ist Overwatch 2 ein Kunstwerk? Dort fangen die ersten schon an, sich zu streiten - Overwatch 2 wirkt wie ein Overwatch 1.2 - Mehr vom Gleichen.
Oder Mandalorien vs Book of Boba Fett - Mandalorien ist wirklich eine schöne Serie. The Book of Boba Fett wirkte mehr wie "wir brauchen dringend Content um die Disney Plus Plattform zu füllen, nehmt einfach das Set von Mandalorien und füllt es mit bisschen Content".

Ich würde sogar soweit gehen, und sagen, In solchen Open World Spielen sieht man, wenn der Copy Paste Knopf gedrückt wurde. Siehe AC. Ist es Kunst, wenn ein Engineer bei Ubisoft einfach nur noch Copy Paste Missions in das Produkt gibt?
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Felidae
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Felidae »

Clambone hat geschrieben: 8. Aug 2022, 13:50 1.
Was wollten die Erschaffer*innen mit dem Kunstwerk erreichen und ist ihnen das aus der Perspektive des Kritikers/der Kritikerin gelungen (oder wurde die vermeintliche Intention vllt sogar übertroffen). Wo liegen die Punkte die hier die Meinung verargumentieren. Da gibt es dann kein richtig und kein Falsch sondern nur eine gut argumentierte Meinung oder eine lose Behauptung.
Das wäre sozusagen der objektive Teil einer Kritik
Absoluter Einspruch - ich komme nicht umhin, in Vertretung von Jochen das "Der Autor ist tot"-Argument samt DEM Paradebeispiel dafür anzubringen: Nach Deinem Kriterium wäre "Arsen und Spitzenhäubchen" ein ganz furchtbares Theaterstück/ein furchtbarer Film. Da das Werk absolut nicht das geschafft hat, was der Autor wollte: Eine Tragödie zu sein.

Es ist aber eine fantastische Komödie geworden. Und wurde und wird als DAS gefeiert. Scheiß drauf, was der:die Urheber:in erreichen wollte. Es zählt nur das Ergebnis.
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lolaldanee
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von lolaldanee »

Allgemeine Beobachtung:
Nicht jedes Spiel kann auf jede Art besprochen werden. Was soll ich denn zu Bubble Bobble, Frogger oder Candy Crush zum Spiel als solches großartig interessantes sagen, das über das Gameplay und vlt. Monetanisierung hinausgeht? Da will ich halt wissen, ob die Levels gut balanciert sind, und wie es mit Umfang und der Abwechslung ausschaut, das Frauenbild in Bubble Bobble interessiert mich jetzt eher nicht :D

Dass ein Civilisation da mehr hergibt, alleine aufgrund des Szenariors, ist ja klar. Aber halt auch nur aufgrund des Szenarios. Nimm das Szenario von Civ weg, und lass nur noch die reinen Spieleffekte übrig, dann kannst du auch da das Frauenbild nicht mehr besprechen, obwohl es spielerisch im Prinzip das genau gleiche Spiel wäre. (Es sei auch des Gunnars "von den weisen alten Männer erfundener Feminismus" als das ultimative Beispiel ludonarrativer Dissonanz an dieser Stelle erwähnt)


Die perfekte Spielekritik wurde im übrigens bereits exemplarisch abgeliefert:
Es sind die Podcasts von Stay Forever zu Die Siedler und Colonization

Eine wunderbar ausgewogene Besprechung wie die Spiele funktionieren, was daran gut ist und was schlecht, ABER AUCH was die Spiele auszusagen haben. Etwa die Darstellung des Kolonialismus und das weglassen der Sklaven in Colonization, oder dass man in Siedler eigentlich im Kern einen sich durch alle Resourcen fressenden Militärmoloch kontrolliert, der auf reine Vernichtung ausgelegt ist, ganz im Widerspruch zum Szenario.

Die passenden Themen am passenden Spiel verständlich besprechen, DAS ist die Kunst der Kritik :)
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Terranigma
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Terranigma »

Felidae hat geschrieben: 8. Aug 2022, 15:59Absoluter Einspruch - ich komme nicht umhin, in Vertretung von Jochen das "Der Autor ist tot"-Argument samt DEM Paradebeispiel dafür anzubringen: [...] Und wurde und wird als DAS gefeiert. Scheiß drauf, was der:die Urheber:in erreichen wollte. Es zählt nur das Ergebnis.
Da einmal eingehakt. "Der Autor ist tot" ist kein Argument - dies würde immerhin eine These voraussetzen - sondern nur eine Methode, die man einen Text liest. Und wenn es innerhalb der Literaturwissenschaft eines gibt, dann eine Vielzahl an Methoden und Herangehensweisen (approach), ausgehend von denen man sich einen Text nähern und zu unterschiedlichsten Ergebnissen kommt. Die existieren aber nebeneinander. Nun mag man die Herangehensweise natürlich im Allgemeinen oder in Bezug auf bestimmte Texte für uninteressant halten, aber sie ist legitim und manch einer mag sie interessant finden. Bei bestimmten Spielen finde ich's durchaus nachzuvollziehen, welche Gedanken sich der Autor machte, ob er eine Aussage treffen wollte, o.Ä. - Beispielsweise ist Terranigma so'n Spiel, wo ich mir jedes alter Interview durchlese, das ich zu greifen bekomme.

Ist nur eine Tangente, aber ich finde die Frage interessant, ob "Der Autor ist tot" identisch wäre zu "Der Autor ist irrelevant." Allein die Kenntnis, dass ein Videospiel von Menschen - d.h. von Subjekten - erschaffen wurde, und so die Gestaltung der Welt, das Design der Objekte, die Anordnung der Dinge im Raum, die Dialogzeilen, etc. das kreative Werk von Subjekten sind, hat einen Einfluss auf mein Empfinden der Welt. Es verleiht ihnen eine Wertigkeit. Ich empfinde dies in erster Linie im gedachten Gegensatz, denn prozedural generierte Welten - wo die Welt das Produkt eines Algorithmus, nicht das Werk eines Menschen ist - fühlen sich in meinem Erleben zumeist kalt an; der Algorithmus in Minecraft mag visuell schöne Wälder generieren, aber einen so generierten Wald zu durchqueren fühlt sich anders als, als einen Wald zu durchqueren, der von Menschenhand erschaffen wurde. Eben weil ich über das Werk quasi in einen Dialog zum Autor treten kann. Prozedural generierter Content hat aber keinen Autor; da schaue ich quasi nur auf die kalte Fassade, hinter der nichts ist. In meinem Erleben zählt daher nicht nur das Ergebnis, sondern die Kenntnis, dass das Ergebnis von einem Subjekt geschaffen wurde und ich in dem Werk daher auch die Hand eines Autoren sehe, das empfinde ich als wichtig.

So oder so: ich sehe keinen Anlass, da ein Entweder-Oder drauß zu machen. Post-Strukturalistische Herangehensweisen können interessant sein, andere ebenso.
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bluttrinker13
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von bluttrinker13 »

Ich fand das ein sehr gelungenes Metagespräch. Vor allem der "Dissens" gab hier die Würze, bravo.

Kluger Satz von Andre den ich mir merke, dass "die Begriffe vergleichsweise eng definiert werden, wenn sie [die Leute] mit der aktuellen Situation zufrieden sind". Passt prima zu sonstigen Theorien von mir und auch zu Nachgeforscht Folgen mit Helge, Stichwort kognitiver Aufwand. Ambiguitätstoleranz ist eher selten und kostet, da muss es sich lohnen oder schon Druck da sein.

Warum eigentlich keine Kolumnen mehr, Jochen? Mir haben die immer sehr gefallen.
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Felidae
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Felidae »

Terranigma hat geschrieben: 8. Aug 2022, 16:36

Da einmal eingehakt. "Der Autor ist tot" ist kein Argument - dies würde immerhin eine These voraussetzen - sondern nur eine Methode, die man einen Text liest. Und wenn es innerhalb der Literaturwissenschaft eines gibt, dann eine Vielzahl an Methoden und Herangehensweisen (approach), ausgehend von denen man sich einen Text nähern und zu unterschiedlichsten Ergebnissen kommt. Die existieren aber nebeneinander. Nun mag man die Herangehensweise natürlich im Allgemeinen oder in Bezug auf bestimmte Texte für uninteressant halten, aber sie ist legitim und manch einer mag sie interessant finden. Bei bestimmten Spielen finde ich's durchaus nachzuvollziehen, welche Gedanken sich der Autor machte, ob er eine Aussage treffen wollte, o.Ä. - Beispielsweise ist Terranigma so'n Spiel, wo ich mir jedes alter Interview durchlese, das ich zu greifen bekomme.

[..]

So oder so: ich sehe keinen Anlass, da ein Entweder-Oder drauß zu machen. Post-Strukturalistische Herangehensweisen können interessant sein, andere ebenso.
Da der Zitierte das aber als universelle erste Regel für Kritik angegeben hat, musste ich universell widersprechen. :)

Natürlich kann es interessant sein, zu wissen, was ein:e Autor:in für eine Intention hatte. Aber letztlich ist es doch völlig unerheblich - sonst müsste nämlich jede:r Konsument:in sich vor dem Konsum ja überhaupt erstmal einlesen, was ihm das Werk laut Urheber:in sagen soll.

J. K. Rowling hat übrigens keine Parabel aufs Dritte Reich geschrieben - und Tolkien rein gar nix über den Kalten Krieg. ;)
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Terranigma
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Terranigma »

Felidae hat geschrieben: 8. Aug 2022, 16:56Natürlich kann es interessant sein, zu wissen, was ein:e Autor:in für eine Intention hatte. Aber letztlich ist es doch völlig unerheblich - sonst müsste nämlich jede:r Konsument:in sich vor dem Konsum ja überhaupt erstmal einlesen, was ihm das Werk laut Urheber:in sagen soll.
Inwiefern unerheblich? Ob es eine Bedeutung hat oder nicht, das ist ja eine subjektive Wertung. Es wird nicht wenige Menschen da draußen geben, die z.B. Literaturkritik grundsätzlich für unerheblich im Sinne von "ohne nennenswerte Bedeutung" halten, einfach in dem schlichten Sinne, dass es für ihr Leben in der Tat keinerlei Relevanz und Mehrwert, und somit keine Bedeutung hat. Ich gebe auch zu: seit ich mein Studium beendet habe, hat sich in mir kein Bedürfnis geweckt, in meiner Freizeit eine Literaturkritik zu lesen. Ob etwas erheblich ist oder nicht, hängt vom Interesse ab. Persönlich mag ich es durchaus über das Werk mit einen Autor in einen "Dialog" zu treten, und da drängt sich mir u.a. auch die Frage auf, welche Gedanken, Intentionen, etc. mein Gesprächspartner hinter dem Werk wohl hatte. Will nur sagen: "Der Autor ist tot" ist ja eine völlig legitime Herangehensweise, aber eben auch nur eine. Allerlei Fragen, die man an ein Werk stellen kann, wird man damit nicht zu packen bekommen, z.B. jene nach der Person des Autors im Werk. Aber falls man diese Fragen grundsätzlich uninteressant findet, so kann man sie auch übergehen.

Soll jeder wie er's will. :D
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Peninsula »

Terranigma hat geschrieben: 8. Aug 2022, 17:09
Persönlich mag ich es durchaus über das Werk mit einen Autor in einen "Dialog" zu treten, und da drängt sich mir u.a. auch die Frage auf, welche Gedanken, Intentionen, etc. mein Gesprächspartner hinter dem Werk wohl hatte. Will nur sagen: "Der Autor ist tot" ist ja eine völlig legitime Herangehensweise, aber eben auch nur eine. Allerlei Fragen, die man an ein Werk stellen kann, wird man damit nicht zu packen bekommen, z.B. jene nach der Person des Autors im Werk. Aber falls man diese Fragen grundsätzlich uninteressant findet, so kann man sie auch übergehen.
Juhu, eine "Der Autor ist tot"-Diskussion! :D
Ich würde dir entgegnen, dass du eben nicht mit einem Autor in einen "Dialog" trittst, sondern dir einen "Dialog" vorstellst. Und dazu kommt, dass du dir deinen Gesprächspartner auch nur auf Basis dessen vorstellst, was dir an Informationen über ihn vorliegt (die übrigens auch nicht unbedingt zutreffen müssen).
Dass du dir so etwas erlauben kannst, ist aus meiner Sicht ein wunderbarer Beleg für die These, dass der Autor tot ist. Der Autor muss nämlich gar nicht gewollt haben, dass du mit ihm in einen Dialog trittst. Du hast einfach das Werk, ggf. Informationen zum Autor und zum Entstehungskontext und machst mit diesen Informationen, was du willst. Der Tod des Autors bedeutet ja nicht, dass es ihn nicht gibt, sondern dass er nicht die Deutungshoheit über sein Werk hat (in diesem Sinne ist er bspw. "irrelevant").
Zuletzt geändert von Peninsula am 8. Aug 2022, 17:40, insgesamt 2-mal geändert.
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Felidae
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Felidae »

Terranigma hat geschrieben: 8. Aug 2022, 17:09

Inwiefern unerheblich? Ob es eine Bedeutung hat oder nicht, das ist ja eine subjektive Wertung. Es wird nicht wenige Menschen da draußen geben, die z.B. Literaturkritik grundsätzlich für unerheblich im Sinne von "ohne nennenswerte Bedeutung" halten, einfach in dem schlichten Sinne, dass es für ihr Leben in der Tat keinerlei Relevanz und Mehrwert, und somit keine Bedeutung hat. Ich gebe auch zu: seit ich mein Studium beendet habe, hat sich in mir kein Bedürfnis geweckt, in meiner Freizeit eine Literaturkritik zu lesen. Ob etwas erheblich ist oder nicht, hängt vom Interesse ab. Persönlich mag ich es durchaus über das Werk mit einen Autor in einen "Dialog" zu treten, und da drängt sich mir u.a. auch die Frage auf, welche Gedanken, Intentionen, etc. mein Gesprächspartner hinter dem Werk wohl hatte. Will nur sagen: "Der Autor ist tot" ist ja eine völlig legitime Herangehensweise, aber eben auch nur eine. Allerlei Fragen, die man an ein Werk stellen kann, wird man damit nicht zu packen bekommen, z.B. jene nach der Person des Autors im Werk. Aber falls man diese Fragen grundsätzlich uninteressant findet, so kann man sie auch übergehen.

Soll jeder wie er's will. :D
"Unerheblich" im Sinne von "für die Bewertung unerheblich". Dass Hintergründe durchaus interessant sein können, bestreite ich ja gar nicht.

Nochmal zu "Arsen und Spitzenhäubchen": Was bringt mir eine Kritik, die streng nach der Absicht des Autoren bewertet und dann logischerweise zu dem Schluss kommen muss, dass das ein ganz furchtbares Stück ist und der Autor alles falsch gemacht hat, was er nur falsch machen konnte? Statt mir zu sagen, dass ich zwei höchst vergnügliche Stunden mit rabenschwarzem Humor und einigen der schlagfertigsten Dialoge überhaupt vor mir habe? Die Kritik müsste eine der besten Szenen des Stücks/Films vernichtend auseinandernehmen - statt zu jubilieren, wie genial es ist, dass ein Theaterkritiker sich derart enagiert über die Unlogik in Theaterstücken aufregt, dass er exakt dieser "Unlogik" selbst zum Opfer fällt, da er gar nicht mitkriegt, was um ihn rum passiert. Da das ganze eben in einem Theaterstück passiert, ist diese Szene absolut genial. Unter Berücksichtigung der Autorenintention hingegen wäre sie grottenschlechter Schwachsinn.

Deshalb: Dass der Autor der felsenfesten Überzeugung war, eine Tragödie geschrieben zu haben, ist allenfalls als skurriler fun fact von Bedeutung. Aber in keinster Weise für die eigentliche Kritik relevant.

(Um sicherzugehen, dass wir nicht an einander vorbeireden: Ich red von der Art "Kritik", die man im Feuilleton der Tageszeitung findet. Nicht von der im Podcast ebenfalls erwähnten geisteswissenschaftlichen Kulturkritik.)
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Ironic Maiden
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Ironic Maiden »

Terranigma hat geschrieben: 8. Aug 2022, 16:36
Felidae hat geschrieben: 8. Aug 2022, 15:59Absoluter Einspruch - ich komme nicht umhin, in Vertretung von Jochen das "Der Autor ist tot"-Argument samt DEM Paradebeispiel dafür anzubringen: [...] Und wurde und wird als DAS gefeiert. Scheiß drauf, was der:die Urheber:in erreichen wollte. Es zählt nur das Ergebnis.
Da einmal eingehakt. "Der Autor ist tot" ist kein Argument - dies würde immerhin eine These voraussetzen - sondern nur eine Methode, die man einen Text liest. Und wenn es innerhalb der Literaturwissenschaft eines gibt, dann eine Vielzahl an Methoden und Herangehensweisen (approach), ausgehend von denen man sich einen Text nähern und zu unterschiedlichsten Ergebnissen kommt. Die existieren aber nebeneinander. Nun mag man die Herangehensweise natürlich im Allgemeinen oder in Bezug auf bestimmte Texte für uninteressant halten, aber sie ist legitim und manch einer mag sie interessant finden. Bei bestimmten Spielen finde ich's durchaus nachzuvollziehen, welche Gedanken sich der Autor machte, ob er eine Aussage treffen wollte, o.Ä. - Beispielsweise ist Terranigma so'n Spiel, wo ich mir jedes alter Interview durchlese, das ich zu greifen bekomme.

Ist nur eine Tangente, aber ich finde die Frage interessant, ob "Der Autor ist tot" identisch wäre zu "Der Autor ist irrelevant." Allein die Kenntnis, dass ein Videospiel von Menschen - d.h. von Subjekten - erschaffen wurde, und so die Gestaltung der Welt, das Design der Objekte, die Anordnung der Dinge im Raum, die Dialogzeilen, etc. das kreative Werk von Subjekten sind, hat einen Einfluss auf mein Empfinden der Welt. Es verleiht ihnen eine Wertigkeit. Ich empfinde dies in erster Linie im gedachten Gegensatz, denn prozedural generierte Welten - wo die Welt das Produkt eines Algorithmus, nicht das Werk eines Menschen ist - fühlen sich in meinem Erleben zumeist kalt an; der Algorithmus in Minecraft mag visuell schöne Wälder generieren, aber einen so generierten Wald zu durchqueren fühlt sich anders als, als einen Wald zu durchqueren, der von Menschenhand erschaffen wurde. Eben weil ich über das Werk quasi in einen Dialog zum Autor treten kann. Prozedural generierter Content hat aber keinen Autor; da schaue ich quasi nur auf die kalte Fassade, hinter der nichts ist. In meinem Erleben zählt daher nicht nur das Ergebnis, sondern die Kenntnis, dass das Ergebnis von einem Subjekt geschaffen wurde und ich in dem Werk daher auch die Hand eines Autoren sehe, das empfinde ich als wichtig.

So oder so: ich sehe keinen Anlass, da ein Entweder-Oder drauß zu machen. Post-Strukturalistische Herangehensweisen können interessant sein, andere ebenso.
Gott sei Dank sagt das mal jemand! So sehr ich Jochen in vielen Dingen zustimme, ich muss immer mit den Augen rollen, wenn "der Autor ist tot" vor allem hier im Forum von anderen Usern als Totschlagargument verwendet wird. Es ist eine Herangehensweise, die ich persönlich auch in sehr vielen Fällen für praktisch und förderlich für den Erkenntnisgewinn halte, aber viele Leute hier scheinen diese Aussage auf einer Ebene mit Schwerkraft, Gravitation oder "die Erde ist rund" zu halten, und das ist sie einfach nicht. Wenn das für einzelne die bevorzugte Herangehensweise ist, dann prima und gut für sie und ich höre ihren Ausführungen gerne zu, aber man kann das nicht legitim als Argument verwenden, um jegliche andere Sicht als illegitim zu verunglimpfen. Ok, man kann es, aber das zeugt von einem mMn laienhaften und naivern Verständnis von Literaturwissenschaft.
In Wirklichkeit bin ich Janna und podcaste hier ab und zu. Und in echt bin ich auch nicht so grün und flauschig wie auf dem Profilbild. Man kann mich auch auf Bluesky finden.
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Felidae
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Felidae »

Ironic Maiden hat geschrieben: 8. Aug 2022, 17:35
Gott sei Dank sagt das mal jemand! So sehr ich Jochen in vielen Dingen zustimme, ich muss immer mit den Augen rollen, wenn "der Autor ist tot" vor allem hier im Forum von anderen Usern als Totschlagargument verwendet wird. Es ist eine Herangehensweise, die ich persönlich auch in sehr vielen Fällen für praktisch und förderlich für den Erkenntnisgewinn halte, aber viele Leute hier scheinen diese Aussage auf einer Ebene mit Schwerkraft, Gravitation oder "die Erde ist rund" zu halten, und das ist sie einfach nicht. Wenn das für einzelne die bevorzugte Herangehensweise ist, dann prima und gut für sie und ich höre ihren Ausführungen gerne zu, aber man kann das nicht legitim als Argument verwenden, um jegliche andere Sicht als illegitim zu verunglimpfen. Ok, man kann es, aber das zeugt von einem mMn laienhaften und naivern Verständnis von Literaturwissenschaft.
Aber sind "Arsen und Spitzenhäubchen" und - in abgeschwächter Version - "Harry Potter" und "Herr der Ringe" nicht die besten Belege dafür, dass Autor:innen im Zweifel das eigene Werk nicht verstehen?

Um mal von den Spitzenhäubchen wegzukommen: Ich glaube Rowling ja tatsächlich, dass sie nix über das Dritte Reich schreiben wollte. Nichtsdestotrotz hat sie es zweifellos getan. Allerspätestens der siebte Band lässt da keinen Zweifel mehr zu - wir haben die Machtübernahme, Rassengesetze, Gleichschaltung, Ariernachweis samt entsprechenden offiziellen Überprüfungen etc. SA- und SS-artige Einheiten treten ab Band vier auf, die Blut-Ideologie taucht in Band zwei zum ersten Mal auf. Die Zauberer sind natürlich eine "Herrenrasse", der alle anderen zu dienen haben (oder ermordet gehören) - und Voldemort selbst ist Anführer dieser Ideologie, der aber den eigenen Ansprüchen nicht genügt. (Voldemort ist ja sosehr "Reinblüter" wie Hitler ein großgewachsener blonder Arier war.)

Ich glaube Rowling, dass ihr das alles un(ter)bewusst reingerutscht ist. Tu ich tatsächlich. Aber ihre Aussage, "Ich habe keine Analogie zum Dritten Reich geschrieben" ist schlicht falsch. Doch, genau das hat sie.
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Ironic Maiden
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Ironic Maiden »

Felidae hat geschrieben: 8. Aug 2022, 17:49
Ironic Maiden hat geschrieben: 8. Aug 2022, 17:35
Gott sei Dank sagt das mal jemand! So sehr ich Jochen in vielen Dingen zustimme, ich muss immer mit den Augen rollen, wenn "der Autor ist tot" vor allem hier im Forum von anderen Usern als Totschlagargument verwendet wird. Es ist eine Herangehensweise, die ich persönlich auch in sehr vielen Fällen für praktisch und förderlich für den Erkenntnisgewinn halte, aber viele Leute hier scheinen diese Aussage auf einer Ebene mit Schwerkraft, Gravitation oder "die Erde ist rund" zu halten, und das ist sie einfach nicht. Wenn das für einzelne die bevorzugte Herangehensweise ist, dann prima und gut für sie und ich höre ihren Ausführungen gerne zu, aber man kann das nicht legitim als Argument verwenden, um jegliche andere Sicht als illegitim zu verunglimpfen. Ok, man kann es, aber das zeugt von einem mMn laienhaften und naivern Verständnis von Literaturwissenschaft.
Aber sind "Arsen und Spitzenhäubchen" und - in abgeschwächter Version - "Harry Potter" und "Herr der Ringe" nicht die besten Belege dafür, dass Autor:innen im Zweifel das eigene Werk nicht verstehen?

Um mal von den Spitzenhäubchen wegzukommen: Ich glaube Rowling ja tatsächlich, dass sie nix über das Dritte Reich schreiben wollte. Nichtsdestotrotz hat sie es zweifellos getan. Allerspätestens der siebte Band lässt da keinen Zweifel mehr zu - wir haben die Machtübernahme, Rassengesetze, Gleichschaltung, Ariernachweis samt entsprechenden offiziellen Überprüfungen etc. SA- und SS-artige Einheiten treten ab Band vier auf, die Blut-Ideologie taucht in Band zwei zum ersten Mal auf. Die Zauberer sind natürlich eine "Herrenrasse", der alle anderen zu dienen haben (oder ermordet gehören) - und Voldemort selbst ist Anführer dieser Ideologie, der aber den eigenen Ansprüchen nicht genügt. (Voldemort ist ja sosehr "Reinblüter" wie Hitler ein großgewachsener blonder Arier war.)

Ich glaube Rowling, dass ihr das alles un(ter)bewusst reingerutscht ist. Tu ich tatsächlich. Aber ihre Aussage, "Ich habe keine Analogie zum Dritten Reich geschrieben" ist schlicht falsch. Doch, genau das hat sie.
Der Ausgangspunkt war aber keine Diskussion über Harry Potter sondern das hier:
Felidae hat geschrieben: 8. Aug 2022, 15:59
Clambone hat geschrieben: 8. Aug 2022, 13:50 1.
Was wollten die Erschaffer*innen mit dem Kunstwerk erreichen und ist ihnen das aus der Perspektive des Kritikers/der Kritikerin gelungen (oder wurde die vermeintliche Intention vllt sogar übertroffen). Wo liegen die Punkte die hier die Meinung verargumentieren. Da gibt es dann kein richtig und kein Falsch sondern nur eine gut argumentierte Meinung oder eine lose Behauptung.
Das wäre sozusagen der objektive Teil einer Kritik
Absoluter Einspruch - ich komme nicht umhin, in Vertretung von Jochen das "Der Autor ist tot"-Argument samt DEM Paradebeispiel dafür anzubringen: Nach Deinem Kriterium wäre "Arsen und Spitzenhäubchen" ein ganz furchtbares Theaterstück/ein furchtbarer Film. Da das Werk absolut nicht das geschafft hat, was der Autor wollte: Eine Tragödie zu sein.

Es ist aber eine fantastische Komödie geworden. Und wurde und wird als DAS gefeiert. Scheiß drauf, was der:die Urheber:in erreichen wollte. Es zählt nur das Ergebnis.
Ich kann bei einer Kritik zu einem Kunstwerk selbstverständlich die Intention des Autors einbeziehen, insbesondere, wenn der Autor eine konkrete Absicht verfolgt hat. (Ein Beispiel wäre z.B. "Animal Farm". Orwell wollte eine Satire auf Totalitarismus schreiben und dann ist es in einer Kritik völlig ok, das einzubeziehen. Ich muss es nicht, aber ich kann und ich darf es.) Dass das nicht immer die beste und häufig sogar eine überflüssige Herangehensweise ist, steht außer Frage. Aber pauschal mit "der Autor ist tot" zu kommen und dann ein paar Beispiele für Werke, wo das ein sinnvolles Herangehen ist, zu geben, reicht in diesem Fall einfach nicht aus. Eben weil Kunst auch vielfältig ist und von allen möglichen Seiten betrachtet werden kann.
In Wirklichkeit bin ich Janna und podcaste hier ab und zu. Und in echt bin ich auch nicht so grün und flauschig wie auf dem Profilbild. Man kann mich auch auf Bluesky finden.
Peninsula
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Peninsula »

Ironic Maiden hat geschrieben: 8. Aug 2022, 17:35 Gott sei Dank sagt das mal jemand! So sehr ich Jochen in vielen Dingen zustimme, ich muss immer mit den Augen rollen, wenn "der Autor ist tot" vor allem hier im Forum von anderen Usern als Totschlagargument verwendet wird. Es ist eine Herangehensweise, die ich persönlich auch in sehr vielen Fällen für praktisch und förderlich für den Erkenntnisgewinn halte, aber viele Leute hier scheinen diese Aussage auf einer Ebene mit Schwerkraft, Gravitation oder "die Erde ist rund" zu halten, und das ist sie einfach nicht. Wenn das für einzelne die bevorzugte Herangehensweise ist, dann prima und gut für sie und ich höre ihren Ausführungen gerne zu, aber man kann das nicht legitim als Argument verwenden, um jegliche andere Sicht als illegitim zu verunglimpfen. Ok, man kann es, aber das zeugt von einem mMn laienhaften und naivern Verständnis von Literaturwissenschaft.
Ist angekommen, dass dir der "Tod des Autors" nicht zusagt ;) , aber du beschreibst da meinem Verständnis nach ein ziemliches Zerrbild des Ansatzes. Für mich heißt der Tod des Autors erstmal "nur", dass der Autor als oberste Instanz mit absoluter Kontrolle über sein Werk abgelehnt wird. D.h. man hat einen Text nicht deswegen "richtig" verstanden, weil man genau das darin sieht, was der Autor "will", sondern der Text ist der Text und man kann darin lesen, was man darin lesen kann.
Ich sehe keinerlei Probleme dabei, trotzdem Aussagen des Autors zu seiner Intention miteinzubeziehen, wenn man sich mit einem Werk auseinandersetzt. Diese sind aber eben nicht "Die eine Wahrheit". Zumal es mit Sicherheit genügend Beispiele zu widersprüchlichen Aussagen von Autoren über ihre Intention geben wird.
Rigolax
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Rigolax »

Felidae hat geschrieben: 8. Aug 2022, 17:49 Um mal von den Spitzenhäubchen wegzukommen: Ich glaube Rowling ja tatsächlich, dass sie nix über das Dritte Reich schreiben wollte. Nichtsdestotrotz hat sie es zweifellos getan. Allerspätestens der siebte Band lässt da keinen Zweifel mehr zu - wir haben die Machtübernahme, Rassengesetze, Gleichschaltung, Ariernachweis samt entsprechenden offiziellen Überprüfungen etc. SA- und SS-artige Einheiten treten ab Band vier auf, die Blut-Ideologie taucht in Band zwei zum ersten Mal auf. Die Zauberer sind natürlich eine "Herrenrasse", der alle anderen zu dienen haben (oder ermordet gehören) - und Voldemort selbst ist Anführer dieser Ideologie, der aber den eigenen Ansprüchen nicht genügt. (Voldemort ist ja sosehr "Reinblüter" wie Hitler ein großgewachsener blonder Arier war.)

Ich glaube Rowling, dass ihr das alles un(ter)bewusst reingerutscht ist. Tu ich tatsächlich. Aber ihre Aussage, "Ich habe keine Analogie zum Dritten Reich geschrieben" ist schlicht falsch. Doch, genau das hat sie.
Es ist allerdings ja auch nur eine Interpretation, dass diese Analogie zum "Dritten Reich" besteht. Eine ziemlich naheliegende Interpretation, aber als solche keinem Wahrheitsbeweis zugänglich bzw. lässt sich die Behauptung "Harry Potter ab spätestens Band sieben ist eine Analogie zum 'Dritten Reich'" nicht falsifizieren und ist damit nicht im engeren Sinne wissenschaftlich bzw. kann nicht objektiv gelten; wohl aber intersubjektiv gelten, wenn es hinreichend Rezipienten überwältigend die Analogie-Deutung annehmen würden, dann "gilt" es dann eben aus kultureller Sicht so irgendwann und dann könnte sich JKR auch mit Händen und Füßen dagegen wehren wollen und es würde nichts ändern.

Aber wir kommen hier ja wieder auf das Problem der Intentionalität: Ich kann durchaus verstehen, dass etwa auch bei der Verfilmung von Harry Potter die Goblins in der Bank oftmals als antisemitische Karikaturen verstanden werden, aber ich bin nicht davon überzeugt, dass antisemitische Karikaturen (bewusst) dort "zitiert" werden und ich halte davon unabhängig die Darstellung nicht für objektiv antisemitisch, weil das eine Interpretation erfordert bzw. nicht falsifizierbar ist, ob die Darstellung wirklich antisemitisch ist (nur weil es gewisse Parallelen zu antisemitischen Tropes gibt, würde ich nicht so weit gehen, dass es automatisch selbst antisemitisch ist). Schwieriger wird es schon, wenn es ersichtlich politisch aufgeladen ist wie bei dem Skandal um die "documenta" und ob die Darstellungen dort objektiv antisemitisch sind; "Jud Süß" wäre dagegen ja etwa wohl auch ein Werk der Kunst (ich habe einen ideologisch wertfreien Kunstbegriff, etwa ist auch "Birth of a Nation" in dem Sinne ein Kunst-/Machwerk m.E.), aber man kann nicht ernsthaft anzweifeln, dass solch ein Vorbehaltsfilm antisemitisch ist: ich kann mir keine legitime Kritik vorstellen, die "Jud Süß" derart dekontextualisiert und den Antisemitismus plausibel weg argumentiert, aber wenn der Tod des Autors generell greift und man akzeptiert, dass Interpretationen nicht falsifizierbar sind, müsste selbst das "legitim" eigentlich möglich sein?
Terranigma hat geschrieben: 8. Aug 2022, 16:36 Ist nur eine Tangente, aber ich finde die Frage interessant, ob "Der Autor ist tot" identisch wäre zu "Der Autor ist irrelevant." Allein die Kenntnis, dass ein Videospiel von Menschen - d.h. von Subjekten - erschaffen wurde, und so die Gestaltung der Welt, das Design der Objekte, die Anordnung der Dinge im Raum, die Dialogzeilen, etc. das kreative Werk von Subjekten sind, hat einen Einfluss auf mein Empfinden der Welt. Es verleiht ihnen eine Wertigkeit. Ich empfinde dies in erster Linie im gedachten Gegensatz, denn prozedural generierte Welten - wo die Welt das Produkt eines Algorithmus, nicht das Werk eines Menschen ist - fühlen sich in meinem Erleben zumeist kalt an; der Algorithmus in Minecraft mag visuell schöne Wälder generieren, aber einen so generierten Wald zu durchqueren fühlt sich anders als, als einen Wald zu durchqueren, der von Menschenhand erschaffen wurde. Eben weil ich über das Werk quasi in einen Dialog zum Autor treten kann. Prozedural generierter Content hat aber keinen Autor; da schaue ich quasi nur auf die kalte Fassade, hinter der nichts ist. In meinem Erleben zählt daher nicht nur das Ergebnis, sondern die Kenntnis, dass das Ergebnis von einem Subjekt geschaffen wurde und ich in dem Werk daher auch die Hand eines Autoren sehe, das empfinde ich als wichtig.
Also diesbezüglich, dachte ich mir irgendwann letztens, wenn Superreiche sich in den Weltraum verabschieden und auf uns herabblicken ( :ugly: ), was denn eigentlich der Gewinn ist, sich in solch eine Position zu begeben, wenn man denselben Ausblick mit VR 1:1 perfekt simulieren könnte (zukünftig); wenn es rein um das visuelle Erlebnis geht, was im Endeffekt ja dann gleich wäre. Analog: Wenn der Algorithmen-Wald im Spiel nicht mehr zu unterscheiden ist vom menschlich/händisch geschaffenen Wald, was gewinne ich eigentlich dabei? Oder ist ein Schmuckstück per se mehr wert, wenn es per Hand geschaffen wurde statt industriell massenweise produziert, obwohl es quasi genau gleich aussieht/sich anfühlt (Man in the High Castle, der Roman, hat diese Authentizitätsfrage etwa ziemlich gut zum Thema IIRC). "Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit" weitergedacht, oder so. Also es geht imho in den Bereich des dann doch nur noch subjektiven Wertes. -- Aber ich stimme dabei sogar zu, ich muss auch sagen, der technische Fortschritt macht mir ein wenig Angst, ich denke, damit könnte die menschliche Existenz doch (noch) scheinbar sinnloser werden bzw. es schwerer werden, sich einen Sinn zu schaffen (Absurdismus, yay), wenn etwa KIs bald genauso gut Gemälde malen und Romane schreiben werden wie Menschen, eine gewisse Entwertung von Kunst allgemein sehe ich damit durchaus verbunden.
Zuletzt geändert von Rigolax am 8. Aug 2022, 18:30, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Felidae »

Ironic Maiden hat geschrieben: 8. Aug 2022, 18:01 Der Ausgangspunkt war aber keine Diskussion über Harry Potter sondern das hier:
Felidae hat geschrieben: 8. Aug 2022, 15:59
Clambone hat geschrieben: 8. Aug 2022, 13:50 1.
Was wollten die Erschaffer*innen mit dem Kunstwerk erreichen und ist ihnen das aus der Perspektive des Kritikers/der Kritikerin gelungen (oder wurde die vermeintliche Intention vllt sogar übertroffen). Wo liegen die Punkte die hier die Meinung verargumentieren. Da gibt es dann kein richtig und kein Falsch sondern nur eine gut argumentierte Meinung oder eine lose Behauptung.
Das wäre sozusagen der objektive Teil einer Kritik
Absoluter Einspruch - ich komme nicht umhin, in Vertretung von Jochen das "Der Autor ist tot"-Argument samt DEM Paradebeispiel dafür anzubringen: Nach Deinem Kriterium wäre "Arsen und Spitzenhäubchen" ein ganz furchtbares Theaterstück/ein furchtbarer Film. Da das Werk absolut nicht das geschafft hat, was der Autor wollte: Eine Tragödie zu sein.

Es ist aber eine fantastische Komödie geworden. Und wurde und wird als DAS gefeiert. Scheiß drauf, was der:die Urheber:in erreichen wollte. Es zählt nur das Ergebnis.
Ich kann bei einer Kritik zu einem Kunstwerk selbstverständlich die Intention des Autors einbeziehen, insbesondere, wenn der Autor eine konkrete Absicht verfolgt hat. (Ein Beispiel wäre z.B. "Animal Farm". Orwell wollte eine Satire auf Totalitarismus schreiben und dann ist es in einer Kritik völlig ok, das einzubeziehen. Ich muss es nicht, aber ich kann und ich darf es.) Dass das nicht immer die beste und häufig sogar eine überflüssige Herangehensweise ist, steht außer Frage. Aber pauschal mit "der Autor ist tot" zu kommen und dann ein paar Beispiele für Werke, wo das ein sinnvolles Herangehen ist, zu geben, reicht in diesem Fall einfach nicht aus. Eben weil Kunst auch vielfältig ist und von allen möglichen Seiten betrachtet werden kann.
Okay, dann aber nochmal zur kompletten Einordnung: Diese meine Aussage war eben die Antwort auf die Behauptung, Kritik müsse ein Kunstwerk anhand dessen beurteilen, was der:die Autor:in damit bezweckt habe. Darauf dann eben die Antwort, "Dann wäre 'Arsen und Spitzenhäubchen' aus Kritikersicht ein schlechtest Theaterstück/ein grottenschlechter Film, der an jeder Ecke scheitert". Wie hier im Forum schon mehrfach festgestellt wurde: Das Problem an absoluten Aussagen ist, dass es reicht, ein Gegenbeispiel zu finden, um sie zu widerlegen. In diesem Fall heißt das Gegenbeispiel eben "Arsen und Spitzenhäubchen". :)

Damit sage ich ja auch gar nicht, dass Kritik nicht die Intention des Autoren thematisieren und sich auch daran ausrichten kann. Ich hab wirklich nur dieser absoluten Aussage "Die Absicht des Autoren ist das, woran das Werk gemessen werden muss" widersprochen.

Denn sonst sind wir wieder bei dem auch im Podcast genannten Punkt: Ausgehend davon, dass wir von der Feuilleton-Kritik sprechen, was bringt mir eine Kritik, die "Arsen und Spitzenhäubchen" als inkompetente Tragödie verreisst (weil der Autor meinte, eine Tragödie geschrieben zu haben) - statt mir den Film als hochintelligente Komödie anzupreisen?

Es ist sicher hochspannend, eine Elfenbeinturmkritik zu lesen, auf welche Arten "Spitzenhäubchen" daran scheitert, eine Tragödie zu sein. Das würde ich wahnsinnig gern lesen, merke ich grade beim Schreiben. Aber es sagt mir absolut nicht, ob ich das Stück/den Film anschauen sollte oder nicht.
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von WhiteNoise »

Es ist absurd, André und Jochen hier Borniertheit vorzuwerfen, nur weil sie nicht auf Doms ziemlich extreme Position einschwenken. Die Fans eines solchen geisteswissenschaftlichen Ansatzes sollen sich einfach mal die Frage stellen, welchen Nutzen Leser denn aus einem solchen Artikel ziehen würden. Der klassische Produkttest (ich nenne ihn jetzt einfach mal so, auch wenn der Begriff nicht perfekt ist) beantwortet eine Frage (welches Spiel soll ich kaufen? bzw. soll ich Spiel x kaufen?), eine Abhandlung über eine komische Brücke in einem Spiel oder das Frauenbild in Spiel x mag vielleicht intellektuell stimulierend sein, befriedigt aber kein unmittelbares Bedürfnis. Daher ist es auch nicht überraschend, dass die Bereitschaft, für diese Dienstleistung Geld auf den Tisch zu legen, offenbar nicht allzu ausgeprägt ist, wie das Beispiel von Wasted zeigt.

Ich sehe auch nicht, warum ein Produkttest im Jahr des Herrn 2022 obsolet sein soll, weil es ja genug kostenlose Alternativen gibt, aber eine geisteswissenschaftliche Analyse nicht. Warum sollte ich Doms Analyse lauschen, wenn es bestimmt auf Twitter genug Leute gibt, die mir mit Freuden etwas über Sklaverei in Anno oder die Pornografie in Cyberpunk oder ähnliche Sachen erzählen? Hier hat ein Spielejournalist meiner Meinung nach noch weniger Vorteil gegenüber „normalen“ Spielern als bei Produkttests. Da sehe ich zwar schon, dass Spielejournalisten nicht bei jedem Thema so in die Tiefe gehen können, wie es manche Fans tun, sie haben aber einen breiten Überblick über die Branche, der sich dennoch lohnen kann.

Für mich ist der Produkttest jedenfalls das bessere Format, weil es die Fragen beantwortet, die ich habe. Ich halte den geisteswissenschaftlichen Ansatz auch nicht für auf irgendeine Art innovativ. Die Gamestar hat schon vor zehn Jahren mit solchen Inhalten angefangen (von mir irgendwann „x in Spielen“ getauft, weil es gerne mal um Dinge wie „Religion in Spielen“, „Romanzen in Spielen“ und ähnliche Dinge ging) und auch wenn das erstmal erfrischend war, wurde es dann doch sehr schnell generisch und langweilig. Ich glaube, dass diese Formate für manche Autoren sehr schön zu schreiben sind, weil sie persönlicher und näher an der geisteswissenschaftlichen Arbeit sind als normale Tests. Und vermutlich schadet es auch nicht, dass diese Artikel weniger Arbeit sind als umfangreiche Tests und weniger Erfahrung mit Spielen brauchen.

Ich war jedenfalls eindeutig Team André und Jochen und kann nur sagen, dass ich inzwischen null Interesse mehr an diesem geisteswissenschaftlichen Ansatz habe. Es ist nicht das, was ich wissen will, es bringt mich nicht voran und ich würde keinen Cent in ein Projekt stecken, das sich primär damit beschäftigt. Ich finde, es gibt schon zu viele Stimmen da draußen, die diesen Ansatz fahren, und ihre Gedanken sind auch sehr gleichförmig, vermutlich weil die Spielebranche doch klein ist und jeder jeden kennt. Ich würde zum Beispiel wetten, dass ich, wenn Dom einen Artikel zum Frauenbild in „The Witcher“ schreiben würde, schon vorher sagen könnte, was da drin stehen wird. Das macht diese Art von Content nicht interessanter.

Natürlich heißt das nicht, dass es diese Ansätze nicht geben dürfte, wir sind ja ein freies Land und jeder kann den Content machen, den er möchte. Man sollte aber nicht erwarten, dass man für solche Inhalte auch Geld bekommt. Bei Dom kommt da teilweise ein wirklich unangenehmes Anspruchsdenken heraus, zusammen mit einer Überzeugung, wahnsinnig interessante Gedanken zu haben, auf die die Spielewelt gewartet hat, und einem (scheinbaren?) Unverständnis, warum nicht alle seine Arbeit super geil finden. Da würde ich mir etwas Selbstreflektion und – ironischerweise – die Berücksichtigung von mehr Perspektiven wünschen.
Zuletzt geändert von WhiteNoise am 8. Aug 2022, 20:09, insgesamt 2-mal geändert.
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Felidae
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Felidae »

Rigolax hat geschrieben: 8. Aug 2022, 18:28
Es ist allerdings ja auch nur eine Interpretation, dass diese Analogie zum "Dritten Reich" besteht. Eine ziemlich naheliegende Interpretation, aber als solche keinem Wahrheitsbeweis zugänglich bzw. lässt sich die Behauptung "Harry Potter ab spätestens Band sieben ist eine Analogie zum 'Dritten Reich'" nicht falsifizieren und ist damit nicht im engeren Sinne wissenschaftlich bzw. kann nicht objektiv gelten; wohl aber intersubjektiv gelten, wenn es hinreichend Rezipienten überwältigend die Analogie-Deutung annehmen würden, dann "gilt" es dann eben aus kultureller Sicht so irgendwann und dann könnte sich JKR auch mit Händen und Füßen dagegen wehren wollen und es würde nichts ändern.
Natürlich ist es eine Interpretation. Der Punkt ist ja nur: Eine, die sich an zig Stellen im Quelltext belegen (und meines Wissens nicht widerlegen) lässt. Und somit ist sie als Interpretation stichhaltig. Dafür ist auch völlig unerheblich, ob das eine Mehrheitsmeinung ist oder nicht - entscheidend ist wirklich nur, dass der Quelltext diese Interpretation voll und ganz stützt. So, wie auch "Der Herr der Ringe" als Allegorie auf den Kalten Krieg stichhaltig belegt werden kann (Bedrohung im Osten, gegen die sich die freien westlichen Länder zusammenschließen müssen).

Dass Interpretation niemals "richtig" oder gar "die Wahrheit" ist, darüber müssen wir nicht diskutieren. Sie ist aber ein geeignetes Mittel, um die Unwahrheit ("Ich hab keine Parabel aufs Dritte Reich geschrieben") als solche zu entlarven: "Mag sein, dass Du das nicht schreiben wolltest - geschrieben hast Du es aber."
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Clambone »

Oha, das wurde extremer aufgefasst als ich es gemeint hatte... Mir ging es eher darum dass man Dingen eine Vergleichbarkeit innerhalb des eigenen Kosmos zugestehen sollte, also nicht Jazz mit Punk oder den FPS mit Journey.
Wenn ich in meiner Arbeit ein Tanzstück betrachte werde ich nicht den fehlenden Text Feedbacken sondern schaue mir an was versucht wird und ob das mit den gewählten Mitteln erreicht wird. Das ist natürlich in erster Linie interessant wenn man Zugang zum Autor hat, aber mir gefällt die Idee das auch die Autor*innen eines Werks etwas mit der Kritik anfangen können. Daher Punkt 1. Für alles andere ist Punkt 2 da. Vermutlich nimmt das in einer Kritik einen längeren und die neutral lesenden einen Interessanten Part ein, das sei unbenommen. Ich verstehe auch das ein Werk immer für sich spricht. Dennoch macht es meiner Meinung nach Sinn nach " Im Westen nichts neues" nicht zu sagen "war überhaupt nicht lustig, 0 von 10"
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Terranigma »

Rigolax hat geschrieben: 8. Aug 2022, 18:28Also diesbezüglich, dachte ich mir irgendwann letztens, wenn Superreiche sich in den Weltraum verabschieden und auf uns herabblicken ( :ugly: ), was denn eigentlich der Gewinn ist, sich in solch eine Position zu begeben, wenn man denselben Ausblick mit VR 1:1 perfekt simulieren könnte (zukünftig); wenn es rein um das visuelle Erlebnis geht, was im Endeffekt ja dann gleich wäre. Analog: Wenn der Algorithmen-Wald im Spiel nicht mehr zu unterscheiden ist vom menschlich/händisch geschaffenen Wald, was gewinne ich eigentlich dabei? Oder ist ein Schmuckstück per se mehr wert, wenn es per Hand geschaffen wurde statt industriell massenweise produziert, obwohl es quasi genau gleich aussieht/sich anfühlt (Man in the High Castle, der Roman, hat diese Authentizitätsfrage etwa ziemlich gut zum Thema IIRC).
Das ist so der Themenkomplex, der mir in den Sinn kam. Wie gesagt: Mir ist bewusst, dass die Aussage "Der Autor ist tot" von Barthes nicht notwendigerweise zu verstehen ist als "Der Autor ist irrelevant" oder "Es gibt keinen Autor." Er selbst hat sich ja seinerseits vor allem gegen die bis dahin übliche Praxis gewandt, dass der Sinn eines Textes in der Suche nach der Autoren-Intention liegt und eine andere Herangehensweise an Texte entwickelt, die ich auch für gewinnbringend erachte. Damalige und heutige Schüler*innen - oder auch Lehrkräfte, die dies aufgrund von Abiturvorgaben leider so praktizieren müssen - haben selbst erfahren, dass die Frage "Was will der Autor uns damit sagen?" oftmals nicht die intellektuell spannendste aller Fragen ist. Mir kam bzgl. Barthes nur in den Sinn, dass die Aussage "Der Autor ist tot" eben voraussetzt, dass es (a) einen Autor gab und dass dieser (b) auch mal gelebt hat - d.h. der Autor ist insofern nicht gänzlich irrelevant.

Finde deine Gedankenexperimente in der Hinsicht durchaus spannend, denn persönlich würde ich definitiv sagen, dass mein Erleben des Blickens auf die Erde in VR - selbst gegeben, dass es 1:1 perfekt simuliert ist - ein gänzlich anderes wäre, als der tatsächliche Blick auf die Erde. Das visuelle Erlebnis mag identisch sein, aber dies ist ja nur ein Teil des Erlebnis. Etwa die Kenntnis, dass das, was man sieht, die eigene Heimat ist; die Kenntnis um all das, was auf diesem Planeten passierte, etc. pp. Der Blick auf eine perfekt simulierte Erde wäre eben der Blick auf eine perfekt simulierte Erde, nicht aber auf die Erde. ... So mein jetztiger Eindruck. Anekdote: Ich unterrichte dieses Schuljahr erstmalig Praktische Philosophie (fachfremd) und eines der Themenfelder ist "Realität und Virtualität (in Medien)" und ich werde deine Fragen wohl mal im Unterricht aufgreifen, und schauen was passiert.
Felidae hat geschrieben: 8. Aug 2022, 18:28Aber es sagt mir absolut nicht, ob ich das Stück/den Film anschauen sollte oder nicht.
In dem Kontext verstehe ich's auch, und gehe damit. Die Frage, was Entwickler im Eingedenk ihrer Möglichkeiten, Budget, etc. tun wollten ist nicht maßgeblich relevant für die tatsächliche Spielerfahrung, die ich am Ende habe. Wenn man z.B. weiß, dass ein Titel ein Erstlingswerk ist, unter schweren Bedingungen oder mit wenig Budget entstand, mag es einen Einfluss haben, dass man sich etwa denkt "Im Eingedenk der Umstände ist es ganz solide ...". Aber mehr auch nicht. Ging mir tatsächlich nur ohneBeachtung des Kontextes um die Aussage, dass es egal sei, was der Autor denkt. Womöglich deshalb, weil der Post-Strukturalismus so oft im Podcast erwähnt wird und ich jedes Mal die Hand heben und "Aber! Aber!" rufen will. :D
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Felidae »

Clambone hat geschrieben: 8. Aug 2022, 18:52 Oha, das wurde extremer aufgefasst als ich es gemeint hatte... Mir ging es eher darum dass man Dingen eine Vergleichbarkeit innerhalb des eigenen Kosmos zugestehen sollte, also nicht Jazz mit Punk oder den FPS mit Journey.
Wenn ich in meiner Arbeit ein Tanzstück betrachte werde ich nicht den fehlenden Text Feedbacken sondern schaue mir an was versucht wird und ob das mit den gewählten Mitteln erreicht wird. Das ist natürlich in erster Linie interessant wenn man Zugang zum Autor hat, aber mir gefällt die Idee das auch die Autor*innen eines Werks etwas mit der Kritik anfangen können. Daher Punkt 1. Für alles andere ist Punkt 2 da. Vermutlich nimmt das in einer Kritik einen längeren und die neutral lesenden einen Interessanten Part ein, das sei unbenommen. Ich verstehe auch das ein Werk immer für sich spricht. Dennoch macht es meiner Meinung nach Sinn nach " Im Westen nichts neues" nicht zu sagen "war überhaupt nicht lustig, 0 von 10"
Okay, jetzt versteh ich glaub besser, was Du meinst. Mein Einwand wäre nur, dass dafür doch völlig unerheblich ist, was Remarque oder Milestone Dir sagen wollten - das Buch/der Film selbst sagt Dir doch überdeutlich, was er ist.

Um mal den wunderbaren Torsten Sträter hier unterzubringen: "Schindlers Liste - schlechtester Motorradfilm aller Zeiten!". :)
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