Runde #383: Über Kritik

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Felidae
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Felidae »

TimF hat geschrieben: 12. Aug 2022, 20:54 Moin,
habe den Cast heute beim Autofahren gehört und muss was loswerden.
Mit einem Artikel wie Dom ihn beschreibt, zum Release eines Spiels welches ich mir noch selbst erschließen möchte, würdet ihr mir quasi die Möglichkeit nehmen selbst auf solche Themen zu kommen. Ihr würdet steuern auf was ich während meiner Spielerfahrung achte. Wahrscheinlich unterbewusst...
Solche Artikel gehören NACH dem "Eigengenuss" gelesen. Meines Erachtens ist ein Spieletest der ohne Spoiler - oder nur mechanische Spoiler hat - gar nicht nach der Methode Dom machbar.
Ich würde solche Dinge gern lesen, aber würde mich ziemlich beschweren wenn ich z.B. zu Witcher 4 einen Artikel als Test/Kritik bekommen würde der mich dann während des Spielens unterbewusst die ganze Zeit auf das Frauenbild im Spiel achten lässt. Viel sinnvoller wäre doch ich lese sowas hinterher und kann eventuell stolz sein dass mir das auch so aufgefallen ist oder halt nicht...
Du MUSST diese Kritik ja nicht lesen, bevor Du das Spiel gespielt hast? Filmkritiken bewahre ich mir auch solange auf, bis ich den Film gesehen habe.
imanzuel
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von imanzuel »

Andre Peschke hat geschrieben: 12. Aug 2022, 20:05 Er hat ihn ja auch nur als Beispiel für den Inhalt angeführt. Also im Sinne von: "Genau so, nur als Haupttest".
Naja, Dom wurde gefragt nach einer Kritik die seinem Stil entspricht. Verlinkt hat er eben keine Kritik. ;)
Felidae hat geschrieben: 12. Aug 2022, 21:34 Du MUSST diese Kritik ja nicht lesen, bevor Du das Spiel gespielt hast?
Topbewerter Kommentar unter den Rogue Legacy 2 Test bei der GameStar: "Ich pack das Spiel mal auf meine Steam-Wishlist. Danke für den Tipp!"

Das soll wie genau gehen wenn man erst spielt, und dann die Bewertungen liest? ;)

Ja, mir ist schon klar worauf du hinauswillst. Ich lese und höre gerne Meinungen von Spielen nachdem ich durch bin. Man soll sich da aber keine Illusionen hergeben, für viele sind Tests nun mal Kaufberatungen. Sich auf einen Punkt festbeißen, sei es im Witcher 4 Beispiel beim Frauenbild, das wird viele vom Kauf nicht abhalten, völlig egal wie beschissen das Frauenbild in dem Spiel auch sein mag. Doms verlinkter Artikel ist da auch maximal schlecht gewählt, Heretic hat ja schon Beispiele genannt. Da wird ja noch nicht mal die Plattform des Spiels erwähnt, ich mein WTF das sind Standardinfos. Keine Angaben zum Genre, Technik, abgesehen vom Nemesis-System (mit einer Beschreibung, die wenn man den Vorgänger nicht kennt maximal wage bleibt) wird da auch nichts vom Gameplay erwähnt. Ist das Third Person? First Person? Vogel-Perspektive? Da erfährt man nichts davon. In der Form müssen ja Tests davon ausgehen das die Leser bescheid wissen. Selbst beim größten Hypespiel ist doch sowas nicht klar. Oder kann hier jeder genau sagen wie sich das Gameplay von Cyberpunk 2077 vor Release anfühlt? Wenn überhaupt würde das nur bei einem Fifa oder CoD funktionieren. Selbst Shadow of War hatte so viele Gameplay-Änderungen, zu sagen "ist ja das selbe wie beim Vorgänger" funktioniert da nicht.

Ganz ehrlich, wenn man so einen Test aufzieht der mir klar ins Gesicht sagt, "wenn ich Basic-Infos(!) zu dem Spiel haben möchte, gehe woanders hin, die findest du nicht hier", dann ist meine einzige Reaktion darauf "alles klar, Servus, du siehst mich nie wieder!".

(just 4 fun, die GameStar soll genau das doch bitte einmal durchziehen. Dieses Spektakel würde ich mir echt mal geben wollen, ich würde da direkt in der erster Reihe mit Popcorn vorne sitzen und die Show einfach genießen :D )
Notiz für mich
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Ingoknito
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Ingoknito »

Warum will denn der klassische Spieletest unbedingt "Kritik" genannt werden? mit der Literaturkritik und Filmkritik haben sie weniger gemeinsam als mit dem von Dom verlinkten Artikel
eXodus
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von eXodus »

Vielleicht wird Kaufberatung auch langsam aber sicher obsolet, weil sich die Vermarktung von Spielen verändert?
Über GamePass etc kann ja jeder auf eine gigantische Bibliothek an Games zugreifen, durch Sales kosten manche Games nur noch ein Butterbrot (sprichwörtlich). Insofern können sich ja mit fortschreitender Zeit mehr Leute leisten, einfach zu zocken und danach eine "Kritik" zu genießen, statt vor eine "Kaufberatung" zu konsumieren.
Wicky
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Wicky »

imanzuel hat geschrieben: 12. Aug 2022, 16:36
Dom Schott hat geschrieben: 12. Aug 2022, 12:48 Klar, hier, ein Beispiel: https://www.polygon.com/2017/10/24/1652 ... nslavement
"OPINION"

:ugly:
Tada, schöner hatte man wirklich nicht illustrieren können, was verkehrt läuft in Sachen "was ist eine Kritik" in der Spielepresse. Danke.

Was manche sich hier wünschen sind Produkttests zur Kaufberatung von Spieletestern. Das ist völlig okay. Unter dem Label Kritik sollte aber auch so etwas wie der verlinkte Artikel fallen. War tatsächlich das gehaltvollste was ich in der Länge über das Game gelesen habe. (Weshalb sich auch die Teilnahme an der Diskussion schon gelohnt hat!)
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Andre Peschke
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Andre Peschke »

imanzuel hat geschrieben: 12. Aug 2022, 23:04
Andre Peschke hat geschrieben: 12. Aug 2022, 20:05 Er hat ihn ja auch nur als Beispiel für den Inhalt angeführt. Also im Sinne von: "Genau so, nur als Haupttest".
Naja, Dom wurde gefragt nach einer Kritik die seinem Stil entspricht. Verlinkt hat er eben keine Kritik. ;)
Aus seiner Sicht schon. Sie steht nur in der falschen Rubrik. Das war ja sein Argument, dass die Texte, die er sich als Kritik vorstellt, nicht in der Review-Sektion erscheinen können.

Andre
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Felidae
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Felidae »

Ich glaube in der Tat, dass wir hier nicht wirklich weiterkommen, wenn die Begriffe "Test" und "Kritik" weiterhin munter als Synonym genutzt werden. Ein Test ist eben grade KEINE Kritik und eine Kritik eben grade KEIN Test. Doms Anliegen ist, dass Kritiken öfter mal klassische Tests ersetzen sollten. Und ja, das bedeutet, dass Magazin XY tatsächlich Spiel YZ nicht im gewohnten Stil testet. Sondern eine Kritik dazu veröffentlicht, die über die stumpfen Fragen "wie funktioniert die Mechanik?", "wie technisch rund läuft das Spiel?" etc. rausgeht, sie vermutlich sogar ignoriert.

Bzw - was ja auch eine Möglichkeit wäre - den genau umgekehrten Weg wie bisher geht: Im eigentlichen Text die Kritik, in kleinen Sonderkästen dann Hinweise zu Technik, Mechanik etc. (Bislang wird es ja eher so gehandhabt, dass der Test eben Mechanik, Technik und Spielbeschreibung abdeckt - und alles, was in einer eigentlichen Kritik auftauchen würde, in Extrakästen verbannt.)

Ganz konkretes Beispiel: André hat damals das erste Watch Dogs für die Gamestar getestet. Da war ein kleiner Extrakasten dabei zum Thema "wie stellt Watch Dogs Menschenhandel dar". Sowas könnte man eben genau umgekehrt machen - der eigentliche Text kritisiert das Spiel dahingehend, wie es mit Politik, Gesellschaft, der Nachbildung realer Schrecken umgeht. Und in nem Extrakasten wird kurz die Spielmechanik erklärt. Grade Ubisoft-Titel wären prädestiniert für diese Herangehensweise mit ihrer Beteuerung, keine Politik machen zu wollen, es aber ständig tun.
Wicky
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Wicky »

Felidae hat geschrieben: 13. Aug 2022, 09:46 Bzw - was ja auch eine Möglichkeit wäre - den genau umgekehrten Weg wie bisher geht: Im eigentlichen Text die Kritik, in kleinen Sonderkästen dann Hinweise zu Technik, Mechanik etc.
Kann ich mir für die Fachpresse als einen guten Kompromiss vorstellen. Nice!
MaxDetroit
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von MaxDetroit »

Um mal meinen Senf dazu abzugeben: Wenn ein Spiel neu rauskommt das mich intressiert, dann bin ich jemand der sich meist nur das Fazit von den Tests durchliest und die Wertung anschaut.

Und ja, das reicht mir als Kaufberatung. Am Ende will ich nur wissen: Daumen hoch oder runter? Besonders wenn ich den Tester schon einschätzen kann, wie er oder sie so tickt (was Games angeht).

Wenn dann Redakteure sieben Seiten lange Tests schreiben, die dann keiner liest und man sich darüber beschwert, das die eben keiner liest: Sorry, da bin ich auch der Meinung solche Produkttests braucht heute wirklich keiner mehr.

Meine Meinung: Es reicht echt nur eine Seite mit einem kurzen Fazit.
Diese Fragen müssen für mich eigentlich nur kurz, spoilerfrei, ohne viel Geschwafel beantwortet werden:
  • Macht das Spiel Spass?
  • Sieht das Spiel gut aus? (Grafik, Artstyle)
  • Spieldauer, Umfang?
  • Genre, vergleichbare Spiele
  • Schwierigkeit bzw. Schwierigkeitsgrade? (Für
  • Anfänger geeignet, was für Experten, etc.)
  • Wie sind die Controls? (Gamepad, Maus/Keyboard)
  • Hat das Spiel Bugs, Abstürze, technische Probleme?
  • Wie ist die Performance? (FPS, Ruckler)
  • Monetarisierung? (Hat das Spiel Mikrotransaktionen oder sonst einen Unfug?)
  • Braucht man Vorwissen? (Z.B. sollte man den Vorgänger gespielt haben)
Den Rest kann man sich getrost sparen, hier finde ich das Viertelstunde Format für eine Kaufberatung auch genau richtig. Länger sollte das nicht dauern. Aber das sind teils noch Sachen für die ich immer noch gerne einen Produkttest von einem vertrauenswürdigen, kritischen unabhängigen Spieletester haben möchte.

Danach können aber gerne noch eine oder mehrere Analysen erfolgen, die ich mir nach dem Genuss des Spiels durchlesen oder anhören kann. Das kann man dann auch Kritik oder Review nennen. Das darf dann auch unter einem gewissen Gesichtspunkt oder Fokus geschehen (z.B. Historie, versteckte Ideologien, Gamedesign-Analyse, welche Spiele, Filme, Bücher dienten als Vorlage / Inspiration, Analyse der Story / Dialoge, usw. usw.). Und das dann gerne bitte voll mit Spoiler. So was sollte dann auf keinen Fall spoilerfrei gehalten werden, da das komplett den Sinn einer solchen Analyse kaputt machen würde. Auf der anderen Seite haben in einem Test, wie oben beschrieben, Spoiler absolut nichts verloren.

Also kurz gesagt, ich will beides, aber getrennt. Kurze knappe Tests/Kaufberatung davor. Lange ausführliche Analysen/Kritiken danach.
Rigolax
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Rigolax »

Felidae hat geschrieben: 13. Aug 2022, 09:46 Ich glaube in der Tat, dass wir hier nicht wirklich weiterkommen, wenn die Begriffe "Test" und "Kritik" weiterhin munter als Synonym genutzt werden. Ein Test ist eben grade KEINE Kritik und eine Kritik eben grade KEIN Test.
Woraus ergibt sich das denn? Welche Autorität für Definitionen hat dies verbindlich und letztgültig beschlossen; liegt dem ein aristotelischer Essentialismus zu Grunde, der den Wesenskern dieser Begriffe zu erschließen weiß; ist dies tradierte Kulturpraxis, die der sozialisiert-sophisticatete Mensch als gültig akzeptieren muss?

Also na ja, bringt imho nicht so viel, zu insistieren, was Begriff A oder B bedeutet oder keineswegs bedeutet, wenn man nicht gleichzeitig normativ argumentiert, warum das so sein sollte. So würde ich etwa sagen, jeder Test ist eine Kritik, aber nicht jede Kritik ein Test. "Testen" suggeriert gewisse intersubjektivierte oder gar objektivierte Kriterien/Normen bei einer Bewertung, "Kritik" dagegen eine Form von Bewertung oder auch nur Einordnung auf Basis nicht näher genannter Eindrücke/Sentiments/Erwägungen. Ein "Test" ist eine Spezial-/Unterform der "Kritik" meiner Ansicht nach.
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Felidae
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Felidae »

Rigolax hat geschrieben: 13. Aug 2022, 10:38 Woraus ergibt sich das denn? Welche Autorität für Definitionen hat dies verbindlich und letztgültig beschlossen; liegt dem ein aristotelischer Essentialismus zu Grunde, der den Wesenskern dieser Begriffe zu erschließen weiß; ist dies tradierte Kulturpraxis, die der sozialisiert-sophisticatete Mensch als gültig akzeptieren muss?
ich würde sagen - aus der gebräuchlichen Nutzung. Ganz simpel: Die FAZ würde im Feuilleton vermutlich nie das Wort "Buchtest" verwenden - und eine Stiftung sich nicht "Warenkritik" nennen. Beides aus guten Gründen. Und genauso hat es gute Gründe, dass Spielemagazine den Begriff "Test" gewählt haben und nach wie vor nutzen - denn das ist es, was sie machen: Sie testen stumpf ein Produkt. Wohingegen zu "Kritik" in der Regel ein Mindestmaß an Interpretation gehört.

Edit: Ich weiß, Du stehst drauf, praktisch jeden Begriff grundsätzlich zu hinterfragen. Aber für eine Diskussion hier wäre es doch eher hilfreich, Begriffe einfach so zu nehmen wie sie landauf landab genutzt werden: Autos und Waschmaschinen werden getestet, Bücher und Filme kritisiert.

Edit2: Ich hab jetzt auch mal beim Duden nachgeschaut. Sowohl für "Test" als auch "Kritik" werden einige Synonyme genannt. Aber nicht "Test" für "Kritik" und nicht "Kritik" für "Test".
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Terranigma
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Terranigma »

Ich bin ja'n Freund von semantischen Diskussionen, und so. Aber sofern die Diskussion - das war teilweise durchaus im Podcast auch mein Eindruck - sich nicht um die Frage nach dem Ding an sich dreht, sondern um die Benennung des Dings (Review, Kritik, Test, Besprechung, Analyse, o.Ä.) so erscheint's mir doch recht mühselig. Denn wie man das Ding nennt, sagt erstmal nichts über es aus; nur eben über die sprachlichen Konventionen. Im anglophonen Raum scheint mir der Begriff "Review" weitaus geläufiger zu sein als "Test", und "Review" wiederum wird dort auch für Filme und Romane genutzt.

Dass man im Deutschen nun weiterhin gemeinhin "Test" sagt, würde ich daher nicht überbewerten. Mir scheint dies ein sprachliches Relikt aus jener Zeit zu sein, als Spieletests sich tatsächlich noch im Sinne einer Testung u.a. mit technischen Aspekten - Performance, Stabilität, etc. - beschäftigt haben. Insbesondere zu den Anfangszeiten des Videospieljournalismus war die Frage wohl auch relevant, weil die technischen Standards nicht gegeben waren.

Scheint mir daher nur eine Diskussion um Begriffe, denn ausgehend von der Konvention - dass man im Deutschen eher zumeist "Test" sagt, nicht etwa "Rezension" oder "Besprechung" - wird man keine Aussage über das Ding an sich treffen können. In anderen Ländern verfolgt man dieselbe Praxis, nennt diese aber eben anders. Praktisch, theoretisch, physikalisch, ethisch - whatever! - spricht schließlich nichts dagegen, eine Kritik so-oder-so für sich zu definieren und sie so-oder-so zu verfassen. Wenn man als Journalist etwas tut, das man selbst für relevant erachtet und dies auch ein Publikum findet, na, dann soll man's eben tun. Welches Etikett man nun darauf schreibt ist doch einerlei.
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Felidae »

Ich finde die Unterscheidung deshalb wichtig, weil dem Wort "Test" - nach meinem Verständnis - der Duft von "Objektivität, einheitliche Kriterien, Vergleichbarkeit" etc. anhaftet. All das, womit sich Spielemagazine ja auch seit schon geraumer Zeit rumschlagen (und was Jochen ja auch schon mehrfach erzählt hat - sein Problem, AC4 eine viel zu hohe Note geben zu müssen, weil die Gamestar den wesentlich schlechteren Vorgänger schon sehr hoch bewertet hat).
Kritiker:innen haben diese Probleme in der Regel nicht in dem Ausmaß. Da wird zwar auch gestritten - aber in der Regel eher inhaltlich und nur auf das eine rezensierte Werk bezogen. Ausnahmen gibt es garantiert - aber die Diskussion "Warum kriegt das neue Rolling Stone-Album viereinhalb Sterne und die neue Red Hot Chili Peppers nur vier???" sind da doch eher die Seltenheit.

Was bislang in der Diskussion übrigens hier überhaupt keine Rolle gespielt hat: Es dürfte auch für das Selbstverständnis der schreibenden Person einen Unterschied machen. "Kritiker:innen" dürften sehr viel selbstbewusster an die Sache rangehen, weil Kritik immer auch subjektiv ist. Wohingegen dem "Test" eben die Objektivität anhängt - und damit viel eher vor allem Checkpoints abgearbeitet werden ohne persönliche Note. Da spielt dann auch wieder das berühmte "wir" statt "ich" eine Rolle - "objektiver Redaktionskonsens" statt "individuelle Meinung". Es ist schwer vorstellbar, dass ein Reich-Ranicki sich in einer Buchrezension mit einem "wir" hinter der FAZ versteckt hätte. :)

Je mehr ich drüber nachdenke, umso mehr bin ich davon überzeugt, dass Doms "Kritik"-Ansatz noch einen ganzen Rattenschwanz an Konsequenzen nach sich zieht.
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Terranigma
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Terranigma »

Felidae hat geschrieben: 13. Aug 2022, 12:40 Ich finde die Unterscheidung deshalb wichtig, weil dem Wort "Test" - nach meinem Verständnis - der Duft von "Objektivität, einheitliche Kriterien, Vergleichbarkeit" etc. anhaftet.
Sehe ich ebenso, und ich denke die Begriffswahl sowie das Selbstverständnis der Akteure ging da quasi Hand in Hand. Aber von diesem Verständnis haben sich doch mittlerweile auch in Deutschland weite Teile des Journalismus verabschiedet, d.h. selbst bei der Gamestar tritt der Autor zumeist erkennbar in den Forderung, und auch hier im Podcast erhebt man nicht den Anspruch auf Objektivität. Ob nun also einer der Podcaster davon spricht, dass sie ein Spiel testen, besprechen, kritisieren, bewerten, o.Ä. scheint mir dann doch nur ein Label zu sein; wenn man sich die Praxis dessen anschaut, was tatsächlich getan wird, so hat sich ja ein Wandel im Spielejournalismus vollzogen und das Mantra der Objektivität, welches ggf. ein Jörg Langer zu seinen Hochzeiten noch vor sich trug, scheint man mir im Allgemeinen nicht mehr zu teilen.
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Voigt
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Voigt »

Ich denke es macht halt einen Unterschied wieviel "Wertung" man einem Begriff zuweist. Ob es für eine Person einen Unterschied macht wenn er Kritik oder Test, bzw. Kritiker oder Tester sagt, oder ob er die verschiedenen Begriffe jetzt garnicht groß unterschiedlich wertet.

Ein ähnliches Ding wurde ja auch in der Folge kurz angesprochen, dass es ein Gatekeeping zum Begriff Journalist gibt, und Jochen meinte er hätte lieber wenn mehr journaliststische Tätigen auch als Journalismus genannt werden, anscheinend weil er Journalismus einfach als etwas höheres bewertet.

Genauso der umgedrehte Fall von Influencer, da wird abgestritten ein Influencer zu sein, weil Influencer als was negatives gesehen wird, der seinen Einfluss an Unternehmen mittels Native Advertisment/Sponsoring oder ähnliches verkauft, und sich dabei nicht an die Ethischen Standards eines Journalisten hält. Daher sagen die Podcaster ja, die sehen sich als Journalisten und nicht als Influencer. Auch wenn ich sachlich betrachtet sagen würde, sind beides und wahrscheinlich sogar etwas mehr Influencer statt Journalist. Aber ich bewerte halt die zwei Sachen nich groß unterschiedlich, ich nutze den Begriff der die Tätigkeit möglichst exakt umschreibt und ob ich das gut ode schlimm finde, kann ich ja mit weiteren Adjektiven ausschmücken.

Daher zurück zum Anfang, mir erscheint es Dom möchte dass seine Artikel Teil "der Kritik" sind, weil er das höher wertet als "nur Feuilleton". Möglicherweise weil in den Magazinen auch wirklich die Kritik so das Centerpiece deren Schaffens ist, deren Hauptthemen eines Monats und der Rest ist nur nebensächlich. Ich persönlich würde da halt sagen, mach Feuilleton wichtiger und zentraler, statt das eigene Schaffen in das Feld der Kritik reinzuschieben.

Aber das ist nur persönlich Meinung, im Endeffekt isses mir ziemlich unwichtig wie ihr das händelt, habe nur beschrieben wie ich es selbst machen würde wollen.

Edit: Oder vielleicht noch von einer anderen Richtung. Lieber eine WASD größer besser aufziehen, so wie es ThePod ja teils mit ihren eigenen Projekt geschafft hat, statt die GameStar zu einer WASD zu machen und hoffen dass das Publikum der GameStar dann einfach folgt. Leser sind nicht total blinde Schafe die nur dem "richtigen Zeug" folgen, solange es den besser klingenden oder bekannten Namen hat.
Und ja ich habe schon verstanden, dass nicht der Wunsch war eine GameStar komplett zur WASD zu wandeln, sondern mehr WASD artige Artikel in der GameStar zu haben, bloß halt Teils auch prominent als Titelstory wie es sonst nur Tests sind.
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Felidae
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Felidae »

Terranigma hat geschrieben: 13. Aug 2022, 12:51
Felidae hat geschrieben: 13. Aug 2022, 12:40 Ich finde die Unterscheidung deshalb wichtig, weil dem Wort "Test" - nach meinem Verständnis - der Duft von "Objektivität, einheitliche Kriterien, Vergleichbarkeit" etc. anhaftet.
Sehe ich ebenso, und ich denke die Begriffswahl sowie das Selbstverständnis der Akteure ging da quasi Hand in Hand. Aber von diesem Verständnis haben sich doch mittlerweile auch in Deutschland weite Teile des Journalismus verabschiedet, d.h. selbst bei der Gamestar tritt der Autor zumeist erkennbar in den Forderung, und auch hier im Podcast erhebt man nicht den Anspruch auf Objektivität. Ob nun also einer der Podcaster davon spricht, dass sie ein Spiel testen, besprechen, kritisieren, bewerten, o.Ä. scheint mir dann doch nur ein Label zu sein; wenn man sich die Praxis dessen anschaut, was tatsächlich getan wird, so hat sich ja ein Wandel im Spielejournalismus vollzogen und das Mantra der Objektivität, welches ggf. ein Jörg Langer zu seinen Hochzeiten noch vor sich trug, scheint man mir im Allgemeinen nicht mehr zu teilen.
Falls wir aneinander vorbeigeredet haben - mir gings um hier im Forum. Hier, habe ich den Eindruck, werden die beiden Begriffe munter vermischt und als Synonyme verwendet.

Den Streitpunkt gabs hier auch schon häufiger - beispielsweise bei der 4players-Geschichte damals mit dem deutschen Spiel, das sie abgewatscht haben und der Produzent dann total angepisst war. (Keine Ahnung mehr, wie das Ding hieß.) Da tauchte immer wieder der Vorwurf auf, 4players sei unfair gewesen, weil sie sich nur auf die negativen Aspekte fokussiert haben. Und schon damals entbrannte die Diskussion, dass eine Kritik sehr wohl auf die Art "unfair" sein darf im Gegensatz zu einem Test - sofern sie valide begründet ist. Eine Kritik muss eben nicht pflichtschuldigst erwähnen, dass aber XY gut gelungen ist, wenn sie das Gesamtwerk verreißen will. Eine Kritik darf hassen. Von einem Test hingegen erwarte ich, dass er mir positive wie negative Aspekte nennt. Und das ist das, was ja auch hier viele von einem Test erwarten - nur ist das dann eben keine Kritik.

Bei 4players war natürlich das Problem, dass sie in dem Fall Kritik gemacht haben, es aber "Test" genannt haben. Das Beispiel zeigt insofern meiner Meinung nach, dass es sowohl für die Schreibenden als auch die Lesenden sehr sinnvoll sein dürfte, diese beiden Begriffe zu trennen.

Edit: Die Antwort passt in Teilen durchaus auch zu Voigts Beitrag. :)
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Voigt »

Man kann ja auch eine Kritik als unfair kritisieren, genauso wie eine Kritik unfair sein darf.

Bin eh der Meinung das viel mehr "erlaubt" ist, solange es man bloß kommuniziert. War letztens im TrashTaste Podcast die Diskussion ob ein professioneller bezahlter Reviewer ein Film reviewen darf, wenn er nach der Hälfte abgebrochen hat, oder ob er bis zum Ende schauen muss, bevor er seine Kritik veröffentlicht.

Und genau wie ich es auch in der Messtechnik nochma gelernt habe, man darf ruhig von den (ISO) Regeln abweichen, solange es man kommunziert. Daher klar kann man eine Kritik veröffentlichen wenn man nur die Hälfte vom Film gesehen hat oder nur 1/3 vom Spiel gespielt hat. Solange man es in der Kritik, möglichst am Anfang erwähnt.
Genauso kann man eine "unfaire" Kritik schreiben, wenn man aber nich kommunziert, dass man den Test aus Gründen so aufzieht, kommt es viel schneller zu Kritik an der Kritik.

Ob man den Text Test oder Kritik nennt, wäre zumindest der allererste Hinweis in welche Richtung der Text geht, eine minimale Kommunikation in die Richtung. Aber besser als dieses Minimum wäre eine klare Aussage am Anfang und keine Unterscheidung mit nur einem Wort. Mit einer klaren Aussage kann man es trotzdem Test nennen, weil es ja trotzdem dann klar gemacht wird, um was es geht.
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Felidae »

Dom Schott hat geschrieben: 12. Aug 2022, 13:42
[Nur zitiert, um eine Markierung zu bekommen]
Dom - wie wäre denn für Dich folgendes Modell:

Die Gamestar veröffentlicht die von Dir skizzierte Kritik als Hauptartikel zu "Witcher4" und schreibt da dann auch ihre Zahl drunter (weil man die ja braucht), die aber nur durch diesen Hauptartikel begründet wird. Und dahinter kommt ein kürzerer Artikel, der schnörkellos und kompakt all das "technische" beschreibt - also Performance, Grafik/Sound, Mechaniken, Steuerung. Und dieser Text bekommt aber keine Zahl - sondern maximal ein persönliches Fazit der schreibenden Person.

Also das, was Dir im Podcast vorgeschlagen wurde, aber mit vertauschter Wertigkeit. Wär das für Dich denn eine akzeptable Variante?
Zuletzt geändert von Felidae am 13. Aug 2022, 13:29, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Terranigma »

Felidae hat geschrieben: 13. Aug 2022, 13:03Eine Kritik darf hassen. Von einem Test hingegen erwarte ich, dass er mir positive wie negative Aspekte nennt. Und das ist das, was ja auch hier viele von einem Test erwarten - nur ist das dann eben keine Kritik.
Ich denke, wir meinen beide dasselbe. Ich verstehe deinen Punkt auch. Persönlich gesagt: wäre ich in einer alternativen Realität selbst Journalist, ich würde mich selbst als "Kritiker" und nicht "Tester", und meine Texte auch als "Kritik" und nicht "Test" bezeichnen. Eben aus den von dir genannten Gründen, weil im deutschen Sprachgebrauch dem Begriff des Tests wohl ein gewisses Maß an distanzierter Sachlichkeit zugeschrieben wird, die mir persönlich aber nicht wünschenswert erscheint, wenn ich darüber berichte, wie meine Erfahrung mit einem Werk war. Da kommt man nicht aus seiner Haut, die eigene Erfahrung und daraus resultierende Wertung ist notwendigerweise die eigene. Nun sollte man das reflektiert und transparent tun, d.h. sich selbst kennen und z.B. wissen, dass einen eine Nichtigkeit zwar sehr ärgern mag - und die Spielerfahrung erheblich trübte - dies aber für das Gros der Menschen wohl nur eine Banalität ist. Denn immerhin schreibt man ja, damit es andere lesen.

Der Begriff des "Tests" wird wohl nicht so schnell aus der Welt verschwinden, dafür ist er im deutschsprachigen Raum zu etabliert. Ich mag mir aber vorstellen, dass neue Magazine, Projekte, o.Ä. auf diesen Begriff verzichten und ich persönlich würde es auch tun. Ich finde den "Kritik"-Begriff praktisch schon deshalb besser, weil es weiter, undefinierter und damit quasi für alles offen ist. Irgendwie kann man jedwede Besprechung einer Sache als Kritik begreifen, und das jederzeit schützend vor sich halten. Ich würde es tun. :D
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Felidae »

Voigt hat geschrieben: 13. Aug 2022, 13:13 Man kann ja auch eine Kritik als unfair kritisieren, genauso wie eine Kritik unfair sein darf.

Bin eh der Meinung das viel mehr "erlaubt" ist, solange es man bloß kommuniziert. War letztens im TrashTaste Podcast die Diskussion ob ein professioneller bezahlter Reviewer ein Film reviewen darf, wenn er nach der Hälfte abgebrochen hat, oder ob er bis zum Ende schauen muss, bevor er seine Kritik veröffentlicht.

Und genau wie ich es auch in der Messtechnik nochma gelernt habe, man darf ruhig von den (ISO) Regeln abweichen, solange es man kommunziert. Daher klar kann man eine Kritik veröffentlichen wenn man nur die Hälfte vom Film gesehen hat oder nur 1/3 vom Spiel gespielt hat. Solange man es in der Kritik, möglichst am Anfang erwähnt.
Genauso kann man eine "unfaire" Kritik schreiben, wenn man aber nich kommunziert, dass man den Test aus Gründen so aufzieht, kommt es viel schneller zu Kritik an der Kritik.

Ob man den Text Test oder Kritik nennt, wäre zumindest der allererste Hinweis in welche Richtung der Text geht, eine minimale Kommunikation in die Richtung. Aber besser als dieses Minimum wäre eine klare Aussage am Anfang und keine Unterscheidung mit nur einem Wort. Mit einer klaren Aussage kann man es trotzdem Test nennen, weil es ja trotzdem dann klar gemacht wird, um was es geht.
Im großen und ganzen kein Widerspruch. :)

Und es macht nichts mehr Spaß, als stundenlang Kritiker:innen als unkompetente Vollidioten zu beschimpfen, weil sie keinerlei Ahnung haben und (zB im Fall von Konzertkritiken) ja wohl an dem Abend in einer völlig anderen Halle in einer völlig anderen Stadt auf einem völlig anderen Kontinent waren als man selbst. :) Das gehört natürlich zum Spiel dazu. Und man kann Kritik auch als "unfair" bezeichnen - aber damals, in dem genannten Thread, war eine Position, Kritik DÜRFE nicht unfair sein. Das ist schon ein zentraler Unterschied - ob ich zu Dir sage, "Ich finds beschissen, dass Du ein Böhse-Onkelz-Shirt trägst" oder "Du DARFST kein Böhse Onkelz-Shirt tragen".
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