Runde #383: Über Kritik

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Felidae
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Felidae »

Terranigma hat geschrieben: 13. Aug 2022, 13:18
Felidae hat geschrieben: 13. Aug 2022, 13:03Eine Kritik darf hassen. Von einem Test hingegen erwarte ich, dass er mir positive wie negative Aspekte nennt. Und das ist das, was ja auch hier viele von einem Test erwarten - nur ist das dann eben keine Kritik.
Ich denke, wir meinen beide dasselbe. Ich verstehe deinen Punkt auch. Persönlich gesagt: wäre ich in einer alternativen Realität selbst Journalist, ich würde mich selbst als "Kritiker" und nicht "Tester", und meine Texte auch als "Kritik" und nicht "Test" bezeichnen. Eben aus den von dir genannten Gründen, weil im deutschen Sprachgebrauch dem Begriff des Tests wohl ein gewisses Maß an distanzierter Sachlichkeit zugeschrieben wird, die mir persönlich aber nicht wünschenswert erscheint, wenn ich darüber berichte, wie meine Erfahrung mit einem Werk war. Da kommt man nicht aus seiner Haut, die eigene Erfahrung und daraus resultierende Wertung ist notwendigerweise die eigene. Nun sollte man das reflektiert und transparent tun, d.h. sich selbst kennen und z.B. wissen, dass einen eine Nichtigkeit zwar sehr ärgern mag - und die Spielerfahrung erheblich trübte - dies aber für das Gros der Menschen wohl nur eine Banalität ist. Denn immerhin schreibt man ja, damit es andere lesen.

Der Begriff des "Tests" wird wohl nicht so schnell aus der Welt verschwinden, dafür ist er im deutschsprachigen Raum zu etabliert. Ich mag mir aber vorstellen, dass neue Magazine, Projekte, o.Ä. auf diesen Begriff verzichten und ich persönlich würde es auch tun. Ich finde den "Kritik"-Begriff praktisch schon deshalb besser, weil es weiter, undefinierter und damit quasi für alles offen ist. Irgendwie kann man jedwede Besprechung einer Sache als Kritik begreifen, und das jederzeit schützend vor sich halten. Ich würde es tun. :D
Auch hier - kaum Widerspruch. :)
Außer, dass ich natürlich auch Deinen Rant lesen wollen würde, ohne Abschwächung. Als Kritiker wärst Du ja eine bekannte Größe, bei der ich im Lauf der Zeit schon einschätzen kann, wie ich den für mich zu bewerten habe. Auch früher bei der Gamestar wusste ich, "Wenn der Siegismund ein Spiel in den höchsten Tönen lobt, fass ichs lieber nicht an - wohingegen es dann, wenn ers runtermacht, interessant sein könnte".
Deshalb fände ich ehrliche Rants über Unerheblichkeiten durchaus sinnvoll - solang Du Deine Kritikerarbeit in sich konsistent machst. :)
Voigt
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Voigt »

Felidae hat geschrieben: 13. Aug 2022, 13:23 Im großen und ganzen kein Widerspruch. :)
Ist das ein Novum? ^^
Zumindest in meiner Erinnerung war sonst bei meinen Beiträgen entweder Widerspruch, oder keine Reaktion, aber vielleicht trübt auch das Gedächtnis, ich werde ja alt.
Felidae hat geschrieben: 13. Aug 2022, 13:23 aber damals, in dem genannten Thread, war eine Position, Kritik DÜRFE nicht unfair sein. Das ist schon ein zentraler Unterschied - ob ich zu Dir sage, "Ich finds beschissen, dass Du ein Böhse-Onkelz-Shirt trägst" oder "Du DARFST kein Böhse Onkelz-Shirt tragen".
Zum einen, Leute sind Idioten. :D
Ansonsten, was glaube gemeint aber nicht richtig ausgedrückt wurde mit "dürfen", ist dass es die Definition/Unterscheidung von Test untergräbt, und damit das Wort als Bedeutungstrenner seinen Wert verliert

Unsere Regeln, sei es in der Messtechnik wenn ich sage Bauteil ist nach ISO 2670 allgemein toleriert oder spezifische klassifiziernede Wörter, sind ja primär dafür da, dass man Kommunikation verkürzen kann. Daher in der Messtechnik muss ich nicht an jedes Maß eine Toleranz dranschreiben, oder bei Texten muss ich nicht immer erstmal schreiben welche Art von Text das sein wird.

Ich kann ja entweder schreiben "Opinion Piece:" und dann mein Text, und nur mit dem Wort sollte klar sein was folgen wird. Oder ich schreibe "Test:", muss dann aber im Eingang schreiben, "folgender Test beruht auf den subjektiven Wertungen des Autors, und es kann durchaus vorkommen dass entweder positive oder negative Eigenschaften des beschrieben Produktes garnicht benannt werden, da diese in den Augen des Autors keine hinreichend große Relevanz haben."

Kann man auch so machen, ist aber halt aufwendig, daher nutzt man ja kurze Begriffe wie "Opinion" um dieses ganze geschwurbel mit nur einem Wort fest zu machen.

Für einige ist "Test" halt auch so ein Wort, wo die objektive Kriterien in der Bewertung erwarten, und daher "darf" man nicht davon abweichen, weil man damit die Klassifizierung "Test" entwertet, genauso wie es andersrum wäre, wenn man in einem Opinion Piece, garkeine eigene Meinung einfließen lässt und nur objektiv versucht dranzugehen.

Natürlich ist nichts "verboten", aber in den Augen der Threadleute ist es halt eine Aufweichung eines Begriffs, die möglicherweise in Zukunft es allen Leuten aufwendiger macht zu sagen, welche Art von Text erwartet werden kann.

Halt wie wenn bei Aber Warum? weniger obskure Spiele eher lang als viele kleine Sonderlinge die sonst keine Chance auf eine Folge haben gesammelt in einer Folge abgehandelt werden. :D
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Felidae
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Felidae »

Den objektiven Anspruch an "Test" hab ich oben ja selbst erhoben. Deshalb streite ich ja so vehement für die unterschiedlichen Begriffe "Test" und "Kritik". :)
Rigolax
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Rigolax »

Felidae hat geschrieben: 13. Aug 2022, 11:17Edit: Ich weiß, Du stehst drauf, praktisch jeden Begriff grundsätzlich zu hinterfragen. Aber für eine Diskussion hier wäre es doch eher hilfreich, Begriffe einfach so zu nehmen wie sie landauf landab genutzt werden: Autos und Waschmaschinen werden getestet, Bücher und Filme kritisiert.
Na ja, ich hinterfrage eigentlich nur gerne imho, wenn ein Begriff oder sonst irgendwas als definitiv gesetzt angesehen wird, weil ich das nicht einsehen mag oft. Bin halt Relativist und Anti-Realist und Ikonoklast. Oder so. Aber wayne, nach gefühlt 200 Interaktionen mit dir im Forum meine ich auch schon so ungefähr zu wissen, was dir wichtig ist. Passt schon. ;)

Aber ja schon, Waschmaschinen testet man, Filme kritisiert man. Aber Spiele sind eben noch etwas besonderes durch die stärker technische Komponente und dem notwendigen Selbsterschliesen durchs Spielen, also sind Spiele imho schon was anderes als Filme, Bücher, Musik. Wobei Musik ist auch ein gutes Beispiel, könnte man ja technisiert gut analysieren, besser als Filme oder Bücher, also wie die Noten aufeinander aufbauen und so. Bei einem Gedicht könnte man aber auch stumpf das Reimschema analysieren, ob da geschlampt wurde (bzw. besser neutral gesagt: von einer Regel abgewichen). Bei einem Film, ob die Schnittfolge sauber ist (Anschlussfehler). Also ich will sagen, das ist alles auch Handwerk. Journalismus ist auch viel Handwerk eigentlich.
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Smutje187
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Smutje187 »

Zum Thema, dass die Kaufberatung an Relevanz verliert, da die Preise durch Angebote, Abos etc. weiter sinken möchte ich einwerfen, dass durch das gesteigerte Angebot nicht mehr der Preis die bestimmende Komponente ist, sondern Zeit - und wenn ich als Gelegenheitsspieler am Wochenende oder Feierabend 2-3h Zeit habe, möchte ich die nicht mit mieser Story oder unausgegorener Spielmechanik verbringen - ein Kurator (oder Tester), der dann die 90% Assetswaps und Copycats von den 10% ansprechenden Spielen trennen kann, übt dann ja auch eine rein „mechanische“ Tätigkeit aus.

Fiel mir wieder letztens auf, als Netflix anfing, die Busse mit Werbung für Gray Man zu pflastern während der Leinwandliebe-Podcast dann eher zurückhaltend war, was die Qualität des Films anging :D
Alexandre
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Alexandre »

lolaldanee hat geschrieben: 10. Aug 2022, 10:19 Also ich habe Dom in einer Analogie ja so verstanden:
Dom arbeitet in einer Eisdiele, und möchte gerne den Kunden die Zitroneneis bestellt haben und erwarten Zitronenkuchen geben. Er ist sich sicher, die Kunden wollen eigentlich Zitronenkuchen, wissen es aber nur nicht, sie müssten ihn einfach nur mal probieren, anstatt immer das Eis zu kaufen. Kuchen ist schließlich viel besser als Zitroneneis, denn Dom liebt Zitronenkuchen, konnte mit Eis aber einfach noch nie was anfangen. Zitrone ist außerdem ja schließlich beides!

Ich fürchte ja, die Kunden einer Eisdiele wollen echt lieber selbst mittelprächtiges Eis essen, und wenn er ihnen den leckersten Zitronenkuchen der Welt gibt. Leute die nicht das bekommen was sie bestellt haben, sind meist nicht so glücklich :ugly:
Interessante Analogie. Aus meiner Sicht ist es leider so, dass Dom öfters nicht mal Zitronenkuchen anbietet, sondern einen Zucchinikuchen (und ich mag keine Zucchini). Die Jagged Alliance 2 Folge war so ein Fall. Der Cast war für mich ungenießbar (in der Kuchenanalogie) bzw. Zeitverschwendung. Das ist natürlich keine Kritik an Dom, sondern rein mein Problem, aber ich hätte lieber gesehen, was z.B. Sebastian gebacken hätte.
Das war alles kein Grund für mich auf die Barrikaden zu gehen. Niemand hatte mir versprochen, dass hier mein Geschmack getroffen wird. Keep going!

Aber in Runde 383 macht Dom nun Lobby für mehr Zucchinikuchen. :o
Zuerst war mir gar nicht klar warum. Er berichtet von Vorgesetzten die das regelmäßig ablehnen, von Nachrichten in denen er dafür "gescholten" wird und beklagt allgemein die fehlende Nachfrage.

Mir wird nur gerade eines klar: Dom kann anscheinend gut Zucchinikuchen backen. Dom verdient Geld mit backen.
Kann es sein, dass Dom einfach nur gerne hätte, dass der Markt für Zucchinikuchen größer wird?

Mindestens zweimal war hier sinngemäß zu lesen, dass das Behandeln von Sklaverei in Anno ja sinnvoll/wichtig wäre, aber nicht die oberste Priorität.
Da fragte ich mich jedes Mal: Wieso ist das wichtig?

Es ist interessant. Aber als Gesprächsthema auf Partys führt man damit wohl schnell Selbstgespräche. Alles legitim, aber man sollte sich nicht nachher aufregen, dass man dauernd Selbstgespräche führt, weil ja mit den Anderen wohl irgendwas nicht stimmt.
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Felidae
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Felidae »

Rigolax hat geschrieben: 13. Aug 2022, 14:26
Aber ja schon, Waschmaschinen testet man, Filme kritisiert man. Aber Spiele sind eben noch etwas besonderes durch die stärker technische Komponente und dem notwendigen Selbsterschliesen durchs Spielen, also sind Spiele imho schon was anderes als Filme, Bücher, Musik. Wobei Musik ist auch ein gutes Beispiel, könnte man ja technisiert gut analysieren, besser als Filme oder Bücher, also wie die Noten aufeinander aufbauen und so. Bei einem Gedicht könnte man aber auch stumpf das Reimschema analysieren, ob da geschlampt wurde (bzw. besser neutral gesagt: von einer Regel abgewichen). Bei einem Film, ob die Schnittfolge sauber ist (Anschlussfehler). Also ich will sagen, das ist alles auch Handwerk. Journalismus ist auch viel Handwerk eigentlich.
Der springende Punkt in meinen Augen ist: Das handwerkliche kann in eine Kritik reinkommen, muss aber nicht. Terranigma hat es oben ja schon sehr schön geschrieben: Der Wechsel von Test zu Kritik gibt vor allem Autor:innen viel mehr Freiheit. Wenn es Dir wichtig ist, in Deiner Kritik auch all die schnöden technischen Details unterzubringen - mach ruhig. Aber wenn sie Dir schnuppe sind und Du andere Dinge für wesentlich relevanter hältst, hättest Du dazu eben, anders als derzeit, ebenfalls die Möglichkeit. Und je nachdem, worauf Du Deine Kritik aufbaust, werden einzelne "technische" Disziplinen eh wieder drin auftauchen, aber eben unter anderem Gesichtspunkt. Spielmechanik zB. Angenommen, Dom hätte eine entsprechende Kritik zu "Anno 1800" geschrieben - da wäre die Spielmechanik höchstwahrscheinlich ebenfalls erklärt worden. Aber eben um zu verdeutlichen, warum sein Kritikpunkt "fehlende Sklaverei" relevant ist.

Wenn Du eine Kritik zu "XIII" schreibst, wirst Du gar nicht umhin kommen, einen Großteil Deiner Kritik mit Grafik und Sound zu füllen - wie sollst Du sonst der Ästhetik des Dings gerecht werden?

Die Kritik anstelle des Tests würde auch ein Extrembreispiel wie "Das Frauenbild in Witcher4" erlauben, ja - von dem Dom ja selbst gesagt hat, dass es ein Extrembeispiel ist, so wie auch die Brücke. Vor allem würde sie aber etwas ganz anderes erlauben - nämlich jedem Spiel individuell gerecht zu werden, so wie der:die Kritiker:in es für sinnvoll hält. Wahrscheinlich würden die allermeisten Kritiken sich nicht mal großartig von bisherigen Tests unterscheiden - außer, dass sich Schwerpunkte verschieben würden.
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Felidae
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Felidae »

Alexandre hat geschrieben: 13. Aug 2022, 16:08 Mindestens zweimal war hier sinngemäß zu lesen, dass das Behandeln von Sklaverei in Anno ja sinnvoll/wichtig wäre, aber nicht die oberste Priorität.
Da fragte ich mich jedes Mal: Wieso ist das wichtig?
Das wurde hier im Forum wirklich mehr als einmal diskutiert. Wenn wir das Fass hier aufmachen, kommen wir absolut vom Thema weg und der Thread ist in spätestens drei Seiten geschlossen...

Aber da Du das mit "Thema auf Parties" vergleichst: Das ist nunmal der Unterschied zwischen Entertainment und Journalismus.
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Terranigma
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Terranigma »

Felidae hat geschrieben: 13. Aug 2022, 16:17Wenn Du eine Kritik zu "XIII" schreibst, wirst Du gar nicht umhin kommen, einen Großteil Deiner Kritik mit Grafik und Sound zu füllen - wie sollst Du sonst der Ästhetik des Dings gerecht werden?
Wenn wir nun allerdings die "Kritik" mit Verweis auf die Aufwertung der Subjektivität und Freiheits des Kritikers, die Schwerpunkte zu legen wie's beliebt, so kommt man in der Konsequenz allerdings auch gut umher, über die Ästhetik von XIII zu sprechen. Zum Beispiel, wenn man an dieser kein Interesse hat, weil sie für's Spielerlebnis nicht allzu relevant war. Hänge mich da an deiner Formulierung bzgl. "gerecht werden auf" denn dies scheint mir im Widerspruch zu der von dir zuvor betonten Freiheit des Kritikers zu stehen. Dieser steht schließlich in keinerlei Verantwortung dem Spiel gerecht zu werden, sondern seiner eigenen Erfahrung. Und dafür mag die Ästhetik sehr relevant sein, oder auch nicht.
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Felidae »

Terranigma hat geschrieben: 13. Aug 2022, 16:38
Felidae hat geschrieben: 13. Aug 2022, 16:17Wenn Du eine Kritik zu "XIII" schreibst, wirst Du gar nicht umhin kommen, einen Großteil Deiner Kritik mit Grafik und Sound zu füllen - wie sollst Du sonst der Ästhetik des Dings gerecht werden?
Wenn wir nun allerdings die "Kritik" mit Verweis auf die Aufwertung der Subjektivität und Freiheits des Kritikers, die Schwerpunkte zu legen wie's beliebt, so kommt man in der Konsequenz allerdings auch gut umher, über die Ästhetik von XIII zu sprechen. Zum Beispiel, wenn man an dieser kein Interesse hat, weil sie für's Spielerlebnis nicht allzu relevant war. Hänge mich da an deiner Formulierung bzgl. "gerecht werden auf" denn dies scheint mir im Widerspruch zu der von dir zuvor betonten Freiheit des Kritikers zu stehen. Dieser steht schließlich in keinerlei Verantwortung dem Spiel gerecht zu werden, sondern seiner eigenen Erfahrung. Und dafür mag die Ästhetik sehr relevant sein, oder auch nicht.
Deshalb der Zusatz, "so wie der:die Kritiker:in es für sinnvoll hält". :) Und wenn ein:e Kritiker:in "XIII" rezensiert, ohne auf die Ästhetik einzugehen, braucht er:sie dafür schon verdammt gute Gründe. Die zu vermitteln ist dann eben wieder Aufgabe der Kritik.

Aber ja, es gibt auch schlechte Kritiken, die voll an dem kritisierten Werk vorbeigehen. Klar. Auch Kritiker:innen machen Fehler. :)
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Terranigma »

Felidae hat geschrieben: 13. Aug 2022, 16:41Deshalb der Zusatz, "so wie der:die Kritiker:in es für sinnvoll hält". :) Und wenn ein:e Kritiker:in "XIII" rezensiert, ohne auf die Ästhetik einzugehen, braucht er:sie dafür schon verdammt gute Gründe. [...]
Ehrliche Frage: Warum benötigt er verdammt gute Gründe?

Ich weiß, dass XIII vor allem über seine Ästhetik rezipiert wurde, aber ich mag mir vorstellen - habe es damals nie gespielt - dass ich beim Spielen ggf. die Erfahrung mache, dass mir die Ästhetik schlichtweg nichts gibt und andere Aspekte meine Erfahrung weitaus mehr prägten. Und diese würde ich entsprechend dann auch in meiner Kritik maßgeblich behandeln, nicht die Ästhetik. Auf die Ästhetik nicht einzugehen wäre kein Fehler, weil dies ja impliziert, dass es eben doch einen objektiven Maßstab gäbe, wie das Spiel korrekt zu kritisieren sei; aber das widerspricht doch deinem ersten Satz bzgl. dass die Sinnhaftigkeit dem Kritiker obliegt. Entweder ist die subjektive Erfahrung des Kritikers der Maßstab, dann sind aber die Kategorien vonwegen fehlerhafter - bzw. korrekter - Kritik nicht angemessen, weil jeder Kritiker subjektiv gute Gründe hat das zu tun, was er eben tut. Sofern man dem Kritiker nicht Unredlichkeit unterstellt, entspricht die Schwerpunktsetzung seiner Kritik dem, was er eben für sinnvoll hält. Das wäre dann zu akzeptieren, auch wenn man selbst andere Schwerpunkte gesetzt hätte.

Habe den Eindruck, du musst dich da nun schon entscheiden. Entweder ist der Kritiker selbst Maßstab seiner Kritik, aber dann muss er sich selbst und nicht dem Werk gerecht werden. Oder eben nicht. :D
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Rigolax »

Felidae hat geschrieben: 13. Aug 2022, 16:17
Rigolax hat geschrieben: 13. Aug 2022, 14:26
Der springende Punkt in meinen Augen ist: Das handwerkliche kann in eine Kritik reinkommen, muss aber nicht. [...]
Ja stimmt, ich wollte nur begründen, warum Spiele dann doch imho anders in der Regel gehandhabt wurden und ggf. auch noch werden (ggf. sogar werden sollten) als andere Kulturgüter. Das Medium an sich hat aber grundsätzlich genauso viel künstlerisches Potential wie Filme, Bücher, Musik, davon unabhängig. So etwas wie Digital Foundry macht ja btw literally Tests im technischen Sinne und die sind auch cool so.
Wenn Du eine Kritik zu "XIII" schreibst, wirst Du gar nicht umhin kommen, einen Großteil Deiner Kritik mit Grafik und Sound zu füllen - wie sollst Du sonst der Ästhetik des Dings gerecht werden?
Also XIII gefällt mir als Beispiel, habe ich meine Onlineidentität doch einem Bot des Spiels geklaut. Zufälle gibt's.
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Felidae »

Terranigma hat geschrieben: 13. Aug 2022, 16:52
Felidae hat geschrieben: 13. Aug 2022, 16:41Deshalb der Zusatz, "so wie der:die Kritiker:in es für sinnvoll hält". :) Und wenn ein:e Kritiker:in "XIII" rezensiert, ohne auf die Ästhetik einzugehen, braucht er:sie dafür schon verdammt gute Gründe. [...]
Ehrliche Frage: Warum benötigt er verdammt gute Gründe?

Ich weiß, dass XIII vor allem über seine Ästhetik rezipiert wurde, aber ich mag mir vorstellen - habe es damals nie gespielt - dass ich beim Spielen ggf. die Erfahrung mache, dass mir die Ästhetik schlichtweg nichts gibt und andere Aspekte meine Erfahrung weitaus mehr prägten. Und diese würde ich entsprechend dann auch in meiner Kritik maßgeblich behandeln, nicht die Ästhetik. Auf die Ästhetik nicht einzugehen wäre kein Fehler, weil dies ja impliziert, dass es eben doch einen objektiven Maßstab gäbe, wie das Spiel korrekt zu kritisieren sei; aber das widerspricht doch deinem ersten Satz bzgl. dass die Sinnhaftigkeit dem Kritiker obliegt. Entweder ist die subjektive Erfahrung des Kritikers der Maßstab, dann sind aber die Kategorien vonwegen fehlerhafter - bzw. korrekter - Kritik nicht angemessen, weil jeder Kritiker subjektiv gute Gründe hat das zu tun, was er eben tut.

Habe den Eindruck, du musst dich da nun schon entscheiden. Entweder ist der Kritiker selbst Maßstab seiner Kritik, aber dann muss er sich selbst und nicht dem Werk gerecht werden. Oder eben nicht. :D
ist er:sie. :) Aber natürlich ist er:sie nicht gegen Kritik gefeit, wie weiter oben ja auch schon geschrieben wurde. Von eine:r Kritiker:in, die "XIII" bespricht, ohne in der Kritik darauf einzugehen, dass dieses Spiel eine Comic-Versoftung darstellt und mit Comic-Elementen (Grafikstil, bebilderten Soundeffekten) genau das auch zum Ausdruck bringen will, würde ich sehr gern dann wissen wollen, warum das für ihn:sie keinerlei Rolle spielt.

Ähnlich hinterfragenswert wäre eine Max Payne (1)-Kritik, die mit keinem Wort auf "Film noir" eingeht.

Ich habe hier im Thread nirgends geschrieben, dass Kritik nicht widersprochen werden darf, sie nicht hinterfragt werden darf. NATÜRLICH muss sie das. So kommen im Zweifel spannende Kulturdiskussionen ja erst zustande.

Vielleicht habe ich mich missverständlich ausgedrückt in dem Punkt. Deshalb nochmal ganz explizit: Ein:e Kritiker:in darf ein Werk unter jedem denkbaren Blickpunkt besprechen, Schwerpunkte setzen, wie er:sie will, Aspekte betonen oder weglassen, wie er:sie will. Aber kann natürlich dafür wiederum kritisiert werden. (Wogegen Dom mit Sicherheit auch überhaupt nichts hat - solange diese Kritik an ihm nicht in Verbindung mit Beleidigungen und/oder Morddrohungen kommt...)
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Leonard Zelig
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Leonard Zelig »

XIII war Ende 2003 übrigens Titelcover der allerersten GEE (Seite 36):
https://www.geemag.de/iframe_heftarchiv ... r-2003.pdf

Dort wird auch ausführlich auf die Comic-Ästhetik eingegangen. Spielekritiken haben sich in den letzten 20 Jahren weiterentwickelt, aber kann man meiner Meinung nach immer noch sehr gut lesen.
"The whole problem with the world is that fools and fanatics are always so certain of themselves, but wiser people so full of doubts."

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Otis
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Otis »

Der Artikel ist nett, aber als Kritik des Spiels fragwürdig, weil er das Spiel an sich nahezu komplett ausklammert und sich nur auf die Präsentation und die Umsetzung des Comics konzentriert. Kann man machen, Kritik also nur eines Aspekts eines Spiels. Das kann natürlich interessant sein, aber der Text könnte fast identisch auch eine auf dem Comic basierende Trickserie behandeln. Muss man dann selber wissen, ob einem das als Videspielkritik reicht. Zudem ist er eher faktenorientiert und enthält wenig Bewertung oder Analyse.

Ich weiß, dass auf den Artikel nicht als Paradebeispiel von Kritik hingewiesen wurde, wollte die Gelegenheit nur ergreifen zu erläutern, welche Art von Texten als Kritik nicht taugen, meiner Meinung nach. Wenn man wie hier z.B. eine Kritik über das Spiel als Adaption des Comics verfasst, so das denn das Vorhaben war, müsste man das fundierter behandeln. (Und ich denke immer noch, dass dazu auch das eigentliche Spiel einbezogen werden müsste, nicht nur die Grafik oder der Stil usw.)
Wolfgang
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Wolfgang »

Wolfgang hat geschrieben: 11. Aug 2022, 21:31 Beinhaltet das was The Pod in ihren 2h Podcasts macht, nicht schon feuillletonistische Kritik?
Runde #384 JFK Reloaded ... Reloaded

q.e.d.
Feuilleton.
Kein Produkttest.

Habe größtenteils keine Idee, was das für ein Game sein soll. Aber eine sehr interessante Diskussion.
Dephira
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Dephira »

Ich war früher aus vielen verschiedenen Gründen ein extrem eifriger Leser der Gamestar und hab auch sehr grosse Stücke auf die Meinung der Tester gehalten. In der heutigen Welt kann ich das überhaupt nicht mehr nachvollziehen. Inmitten von Youtube, Twitch, Metacritic, User reviews, etc. sehe ich persönlich(!) nicht den Hauch eines Grundes warum ich eine Stiftung Warentest-mäßige Untersuchung eines Spiels von einem Spieleredakteur lesen sollte. Wenn ich eine Kaufberatung zu einem Spiel möchte, dann schaue ich mir 10 Minuten eines Let's Plays an und bekomme einen weitaus plastischeren Eindruck des Spiels als es jede Featurliste vermitteln könnte.

Zwar höre ich sehr gerne verschiedene Spielepodcasts wie auch Auf Ein Bier, aber ehrlicherweise könnte mich der Aspekt eines "klassisch deutschen" Spielreviews hier nicht weniger interessieren. Wenn ich die Podcaster mag bzw. ihre Denkanstösse interessant finde, höre ich mir wirklich jede Folge gerne an - ganz egal ob ich das Spiel völlig uninteressant finde, mit der Kaufentscheidung noch hadere, oder es bereits gekauft habe. Von daher bin ich ein großer Fan der Art des Spielejournalismus, wie er z.B. von der WASD oder von Dom verkörpert wird.
turbomaexx
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von turbomaexx »

Nachdem ich den Cast endlich gehört und den Thread hier gelesen habe, kommt mir eine an anderer Stellen schon genannte Idee wieder in den Sinn: die Empfehlung inklusive kurzer Beschreibung eines Spiels an den Anfang einer Folge oder eines Textes stellen und ab dann Spoiler zu erlauben. So könnte Dom als einen von zwei oder drei großen Punkten eben solche im allgemeinen Interesse mutmaßlich eher spitzen Gedanken und Beobachtungen ansetzen. Niemand müsste sich fühlen, als wäre was weggenommen worden und es könnte endlich mal frei über ein Spiel und seine Facetten geredet werden, ohne alle fünf Minuten ein "das muss ich jetzt nicht spoilern, das geht auch so" erwähnen zu müssen. Da mich persönlich aufgrund von beschränkter Zeit sowieso nur wenige Spiele und deren Cast zum selbst spielen interessieren, könnte so hier auch mal ein größeres Fass am Ende vom Spiel aufgemacht werden.
Und an die Begriffsdiskussion hier: mit dem Namen "Besprechung" wurde hier bei The Pod doch ein ganz guter Begriff geprägt, der weder "Test" noch "Kritik" ist 😉
Zur Folge selbst: es drehte sich meiner Meinung nach die Diskussion zu sehr um den Begriff ohne dass Dom klar gemacht hat, was er uns jetzt eigentlich anbieten wollte bzw ich hab's halt irgendwie in dem Moment nicht so recht verstanden 😅 mittlerweile ist es mir klarer, aber in der Folge war das mehr ein hin und her, bei dem manchmal unklar war, was eigentlich gemeint ist (verkürzt und überspitzt dargestellt 😉). Trotzdem eine interessante Diskussion!
Tripster
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Tripster »

Dem stimme ich beispielweise nicht zu. Für mich gibt es jetzt schon zu viele Spoiler. Vor allem zu viele Unnötige. Ich möchte nicht über Twists und Enden von Spielen informiert haben, bevor ich sie gespielt habe. Und häufig sind die Spoiler auch nicht wirklich bereichernd für die Diskussion, sondern sind rein deskriptiv.

Daher bin ich für klare Trennung zwischen Normalen- und Spoilerteil. Gerne kann allerdings mehr und häufiger vom Spoilerteil Gebrauch gemacht werden.
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Heretic
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Heretic »

Dephira hat geschrieben: 14. Aug 2022, 23:11 Wenn ich eine Kaufberatung zu einem Spiel möchte, dann schaue ich mir 10 Minuten eines Let's Plays an und bekomme einen weitaus plastischeren Eindruck des Spiels als es jede Featurliste vermitteln könnte.
Kann man natürlich so machen, wenn man ein bestimmtes Spiel schon auf dem Radar hat. Ich lese die Printausgabe der Gamestar aber hauptsächlich, um zu schauen, was es aktuell an Spielen so gibt und was demnächst erscheinen soll. Ist natürlich keine komplette Marktübersicht, reicht mir aber grundsätzlich aus. Ich möchte nicht täglich zig Quellen im Internet nach Neuerscheinungen durchstöbern.
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