Runde #383: Über Kritik

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Irgendwer Anders
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Irgendwer Anders »

Ingoknito hat geschrieben: 7. Aug 2022, 12:06
Irgendwer Anders hat geschrieben: 7. Aug 2022, 10:34
Ingoknito hat geschrieben: 7. Aug 2022, 03:12 Negativ ist mir aufgefallen dass "Wahrheit" als Grundvoraussetzung gesehen wurde, dann aber damit argumentiert wurde dass die Leser ja den Produkttest von der "Spielekritik" haben wollen, ja was denn nun?
Das widerspricht sich doch nicht? Man gibt seine Einschätzung zum Produkt wahrheitsgemäß wieder.

Es widerspricht sich dann nicht, wenn man selber den Produktest als bestes und geeignetes Mittel hält, aber es ging bei diesem Punkt darum was der Leser will. Das ist dann Service-Journalismus.
Der Produktest besitzt kein objektives Werturteil. Beispielsweise kann man zwar die Größe oder Spielzeit eines Spiels benennen und mit anderen Spielen vergleichen. Aber daraus lässt sich noch kein Werturteil ableiten. Mehr Spielzeit kann sich beispielsweise auch negativ auswirken.
Aber was haben denn die Wahl des Mittels oder die Wünsche der Leserschaft damit zu tun, ob ein Autor wahrheitsgemäß schreibt? Auch in einer Betrachtung des Frauenbilds in The Witcher 4 könnte man lügen, dass sich die Balken biegen. Wenn einer Rezensentin umgekehrt während ihres Produkttests der Umfang eines Spiels negativ auffällt und sie das dann im Test auch so erwähnt, anstatt das Spiel für seinen Umfang zu loben, weil große Umfänge aktuell in Mode sind, dann hat sie doch wahrheitsgemäß geschrieben (man kann es auch ehrlich nennen). Dass andere Rezensenten oder die Leserschaft den Umfang anders bewerten können, spielt da doch keine Rolle.
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Chiller
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Chiller »

Ich finde es doch bemerkenswert, mit welch beharrlicher Borniertheit Andre und Jochen in dem Podcast an dem anachronistischen Format des Produkttests festhalten. Diese Art der Spielekritik mag in den 90ern sinnvoll gewesen sein, aber spätestens seitdem das Internet seinen Siegeszug antrat hat der Spielejournalist, was die Expertise angeht, dem Durchschnittsgamer nichts mehr voraus. Die Arroganz, das dennoch zu glauben, steht euch nicht gut zu Gesicht. Jede*r, der oder die interessiert genug ist, sich eine Spielbesprechung anzuschauen, möchte vielmehr die eigene Ansicht mit der des Autors vergleichen, als eine Kaufberatung zu bekommen. Dieser Service war in den 90ern notwendig, inzwischen ist der das nicht mehr. Doms Versuche, den Spielejournalismus endlich mal über die 2010er Jahre hinaus zu befördern und in den Spielebesprechungen tatsächlich einen Mehrwert zu bieten, finde ich sehr begrüßenswert. Eine "Analyse", wie im neuesten Rollenspiel die einzelnen Systeme ineinandergreifen braucht nun wirklich niemand mehr. Aber eine gesellschaftspolitische Einordnung der im Spiel verhandelten Themen ist dagegen viel sinnvoller. Insgesamt bin ich sehr enttäuscht von der Rückwärtsgewandtheit von Andre und Jochen, was dieses Thema angeht.
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Smutje187
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Smutje187 »

Chiller hat geschrieben: 7. Aug 2022, 15:55 Diese Art der Spielekritik mag in den 90ern sinnvoll gewesen sein, aber spätestens seitdem das Internet seinen Siegeszug antrat hat der Spielejournalist, was die Expertise angeht, dem Durchschnittsgamer nichts mehr voraus. Die Arroganz, das dennoch zu glauben, steht euch nicht gut zu Gesicht. Jede*r, der oder die interessiert genug ist, sich eine Spielbesprechung anzuschauen, möchte vielmehr die eigene Ansicht mit der des Autors vergleichen, als eine Kaufberatung zu bekommen. Dieser Service war in den 90ern notwendig, inzwischen ist der das nicht mehr. Doms Versuche, den Spielejournalismus endlich mal über die 2010er Jahre hinaus zu befördern und in den Spielebesprechungen tatsächlich einen Mehrwert zu bieten, finde ich sehr begrüßenswert. Eine "Analyse", wie im neuesten Rollenspiel die einzelnen Systeme ineinandergreifen braucht nun wirklich niemand mehr. Aber eine gesellschaftspolitische Einordnung der im Spiel verhandelten Themen ist dagegen viel sinnvoller. Insgesamt bin ich sehr enttäuscht von der Rückwärtsgewandtheit von Andre und Jochen, was dieses Thema angeht.
Wie ich bereits weiter oben schrieb: Dafür hätte ich gerne mal objektive Belege, denn wenn es eine beträchtliche Nachfrage nach solchen Themen gäbe, warum kriegt Wasted dann nicht mal die 350 Unterstützer zusammen, um einen extra Podcast mit Dom zu finanzieren? Ich bin ja voll beim Thema, dass Analysen das Medium weiterbringen, aber dieses „entweder oder“ ist bisher eine reine Behauptung und bleibt eine Machbarkeit oder Nachhaltigkeit schuldig.

Und ganz im Gegensatz dazu macht ja The Pod vor, dass eine Mischung sehr wohl funktioniert, denn um es mal ganz platt zu sagen, aus meiner Sicht finanzieren die „klassischen“ Formate bei The Pod die „ausgefallenen“ Formate und Experimente mit (zum Beispiel in dem sie als Werbung für das Abo fungieren) und wer das ignoriert ist zumindest unredlich.
imanzuel
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von imanzuel »

Chiller hat geschrieben: 7. Aug 2022, 15:55 Diese Art der Spielekritik mag in den 90ern sinnvoll gewesen sein, aber spätestens seitdem das Internet seinen Siegeszug antrat hat der Spielejournalist, was die Expertise angeht, dem Durchschnittsgamer nichts mehr voraus.
Ich verstehe den Satz ehrlich gesagt nicht (bzw. deine Aussage dahinter). Was hat das mit dem Internet zu tun? Warum sollten "Durchschnittsgamer" (was ist das?) auf dem selben Niveau wie Spielejournalisten sein?
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2022: 1. Elden Ring 10/10 2. HFW 7/10 3. DL2 6/10
Ingoknito
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Ingoknito »

Irgendwer Anders hat geschrieben: 7. Aug 2022, 15:36
Ingoknito hat geschrieben: 7. Aug 2022, 12:06
Irgendwer Anders hat geschrieben: 7. Aug 2022, 10:34
Das widerspricht sich doch nicht? Man gibt seine Einschätzung zum Produkt wahrheitsgemäß wieder.

Es widerspricht sich dann nicht, wenn man selber den Produktest als bestes und geeignetes Mittel hält, aber es ging bei diesem Punkt darum was der Leser will. Das ist dann Service-Journalismus.
Der Produktest besitzt kein objektives Werturteil. Beispielsweise kann man zwar die Größe oder Spielzeit eines Spiels benennen und mit anderen Spielen vergleichen. Aber daraus lässt sich noch kein Werturteil ableiten. Mehr Spielzeit kann sich beispielsweise auch negativ auswirken.
Aber was haben denn die Wahl des Mittels oder die Wünsche der Leserschaft damit zu tun, ob ein Autor wahrheitsgemäß schreibt? Auch in einer Betrachtung des Frauenbilds in The Witcher 4 könnte man lügen, dass sich die Balken biegen. Wenn einer Rezensentin umgekehrt während ihres Produkttests der Umfang eines Spiels negativ auffällt und sie das dann im Test auch so erwähnt, anstatt das Spiel für seinen Umfang zu loben, weil große Umfänge aktuell in Mode sind, dann hat sie doch wahrheitsgemäß geschrieben (man kann es auch ehrlich nennen). Dass andere Rezensenten oder die Leserschaft den Umfang anders bewerten können, spielt da doch keine Rolle.
es geht darum, dass der Autor das schreibt was er denkt und nicht das was der Leser lesen will.
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Felidae
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Felidae »

Da ich jetzt mitten im Podcast stecke, doch schon zwei Grundsatzanmerkungen:

1.) I <3 Dom.

2.) Und Jochen und André, Ihr werdet in diesem Thread ja zum Teil hart angegriffen für Eure "altmodische Denkweise". Ich geh jetzt mal nen anderen Weg: Ich finde es einfach großartig, dass Ihr Euch diesen jungen wilden Revoluzzer ins Boot geholt habt. Denn damit beweist Ihr besser als mit allen denkbaren Aussagen, dass Ihr für neue Ideen und Richtungen aufgeschlossen seid. Danke dafür. <3
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Paul_Klee_1
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Paul_Klee_1 »

Guter Podcast, meine Sicht auf den Konflikt Produkttest vs. Feuilletonbeitrag:

Ein Test bzw. eine Kritik sollte sich gut lesen und sich aus der Sicht des Kritikers ernsthaft mit dem Spiel befassen. Ein kühler Produkttest, welcher nur die Bewertungen tabellarisch, gelisteter Testkategorien in Sätzen ausformuliert wäre langweilig und zu pseudoobjektiv.

Mich nerven aber Spielekritiken, welche a) von einem Tester verfasst wurden, welcher seine unrealistischen Erwartungen in einem Game nicht wieder findet - 'Die Story und Charakterausarbeitung in diesem arcadigen Actiongame waren schlecht.' - oder b) ein Game als künstlerische Meisterleistung abfeiern, aber elementare Designschwächen nur anstreifen (z.B. eine miese Steuerung in einem Geschicklichkeitsspiel).

Ansonsten, eine Kritik ist auch immer eine Kaufempfehlung/-warnung. Was bringt mir das Produkt wenn ich es mir zulegen/ansehe, könnte es mir gefallen? Das ist ja die Ausgangsfrage der meisten LeserInnen von Kritiken.
Zuletzt geändert von Paul_Klee_1 am 7. Aug 2022, 17:17, insgesamt 1-mal geändert.
Voigt
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Voigt »

Wobei man auch weg von Kaufempfehlung und stattdessen zu Konsumempfehlung gehen könnte.
Seit Gamepass werde viele Spiele ja garnicht per se mehr gekauft, sondern nurnoch als Teil eines Abos konsumiert.

Wenn es ja eh um Semantikdiskussionen ging, könnte man zumindest das festhalten.
GoodLord
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von GoodLord »

Chiller hat geschrieben: 7. Aug 2022, 15:55 Diese Art der Spielekritik mag in den 90ern sinnvoll gewesen sein, aber spätestens seitdem das Internet seinen Siegeszug antrat hat der Spielejournalist, was die Expertise angeht, dem Durchschnittsgamer nichts mehr voraus. Die Arroganz, das dennoch zu glauben, steht euch nicht gut zu Gesicht. Jede*r, der oder die interessiert genug ist, sich eine Spielbesprechung anzuschauen, möchte vielmehr die eigene Ansicht mit der des Autors vergleichen, als eine Kaufberatung zu bekommen.
Wen klassifizierts du als durchschnittsgamer?

Wie Smutje187 schon gesagt hat würden mich da mal Zahlen dazu interessieren, aber ich wie ich zuvor schon geschrieben habe trifft deine Behauptung auf mich definitiv nicht zu.

Ehrlich gesagt finde ich da deinen Beitrag wesentlich aroganter.
GoodLord
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von GoodLord »

Paul_Klee_1 hat geschrieben: 7. Aug 2022, 16:33 Ein Test bzw. eine Kritik sollte sich gut lesen und sich aus der Sicht des Kritikers ernsthaft mit dem Spiel befassen. Ein kühler Produkttest, welcher nur die Bewertungen tabellarisch, gelisteter Testkategorien in Sätzen ausformuliert wäre langweilig und zu pseudoobjektiv.
Nicht, dass du das behauptet hast, aber: War das denn jemals in irgendeinem Magazin üblich?
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Heretic
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Heretic »

Ich erwarte von einem Test hauptsächlich Informationen. Bezüglich des Genres, der Technik, der Thematik, der Spielmechanik, der Steuerung, der Performance auf unterschiedlichen Systemen. Gerne darf auch begründet angemerkt werden, ob der Tester emotional abgeholt wurde oder nicht. Das nehme ich als Zusatzinfo gerne mit, ist mir im Grunde aber egal. Das war's. Alle anderen Formen der Spieleberichterstattung, wie z. B. Interpretationen der Story inklusive Spoilern konsumiere ich gerne, nachdem ich ein Spiel selbst gespielt habe.

Und warum sollte Kaufberatung in Form von Tests heute nicht mehr nötig sein? Weil ich einem hibbeligen Influencer beim Let's Play zuschauen kann? Nee, danke! :D
ElFabio
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von ElFabio »

Die Mischung machts!
Wenn bei The Pod immer nur Feuilleton und Meta-Themen verhandelt würden, wär ich raus. Umgekehrt nur klassische Produkttests wären auch nix.
Ich finde die Waage hält sich hier sehr gut.
Maliko
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Maliko »

Ich bin noch nicht ganz mit dem Cast durch, von daher bewerte ich jetzt erst mal nur das erste Thema welches von Dom kam.

Ich muss ganz ehrlich sagen, dass Dom mich mit seiner Meinung teilweise sehr abgestoßen hat. Vor allem seine Radikalität zu sagen, nur seine Art dürfte als Test erscheinen und kein anderer noch nebenbei stößt mir sehr sauer auf, weil dass für mich einen Eindruck von die eigene Meinung aufzwingen hat. Ja ich finde es interessant auch zu Themen Artikel zu lesen, von denen Dom gesprochen hat, aber in erster Linie will ich wissen, ob das Spiel gut ist, ob das Gameplay hooked und ob die Story ein Meisterwerk oder einfach nur ein Haufen Dampfender Scheiße ist. Da interessieren mich die Themen von Dom einen Scheiß (entschuldigt die harte Wortwahl). Wie Jochen sagte, ich lese die Dinger um zu wissen ob es eine Investition lohnt oder nicht (weil 60 - 70 Euro nun mal ein ziemlicher Haufen Geld ist). Würde ich stattdessen eine "Kritik" wie Dom sie schreiben lesen müsste, würde ich den Artikel nach kürzester Zeit wieder zu machen, schauen ob das ne einmalige Sache ist oder häufiger kommt, und wenn zweites würde ich keinerlei Artikel von Dom mehr lesen, weil sie nicht das beinhalten was mich interessiert. Sollten dann noch andere Autoren auf den Zug aufspringen würde ich genau das machen was Dom schnippig mit "sollen sie es doch wo anders lesen" meinte, ich würde dem Magazin den Rücken kehren und meine Infos wo anders her holen.

Würde dies allerdings zusätzlich zu einem normalen Test erscheinen, vielleicht sogar erst etwas später, so das der Leser die Möglichkeit hat, das Spiel vorher selbst zu spielen, dann kann das einen sehr sehr großen Mehrwert bieten. Als alleiniger Test kann ich aber nur sagen, Danke aber nein Danke.
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Jochen Gebauer
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Jochen Gebauer »

Maliko hat geschrieben: 7. Aug 2022, 18:13Ich muss ganz ehrlich sagen, dass Dom mich mit seiner Meinung teilweise sehr abgestoßen hat. Vor allem seine Radikalität zu sagen, nur seine Art dürfte als Test erscheinen und kein anderer noch nebenbei stößt mir sehr sauer auf, weil dass für mich einen Eindruck von die eigene Meinung aufzwingen hat
Naja, das war ja ein Wolkengebilde, das Dom da gebaut hat. Ein Gedankenspiel. Hier passieren wird das nicht. Und bei Magazinen wie der GameStar sehr wahrscheinlich auch nicht. Aber sich das vorzustellen und es - je nach Perspektive - extrem glorreich oder extrem scheiße zu finden, das kann man doch mal machen. Dom macht ja auch weiterhin noch die eher klassischen Besprechungen bei uns. Also kein Grund zur Sorge ;)
Chiller hat geschrieben: 7. Aug 2022, 15:55Ich finde es doch bemerkenswert, mit welch beharrlicher Borniertheit Andre und Jochen in dem Podcast an dem anachronistischen Format des Produkttests festhalten. Diese Art der Spielekritik mag in den 90ern sinnvoll gewesen sein, aber spätestens seitdem das Internet seinen Siegeszug antrat hat der Spielejournalist, was die Expertise angeht, dem Durchschnittsgamer nichts mehr voraus. Die Arroganz, das dennoch zu glauben, steht euch nicht gut zu Gesicht. Jede*r, der oder die interessiert genug ist, sich eine Spielbesprechung anzuschauen, möchte vielmehr die eigene Ansicht mit der des Autors vergleichen, als eine Kaufberatung zu bekommen
Dass das falsch ist, siehst du schon an den Reaktionen hier im Thread. Beileibe nicht "jede*r" will das. Wenn etwas arrogant ist, dann die Einbildung, man könne von sich oder seiner Bubble auf eine Allgemeinheit schließen. Noch dazu, wenn man keinerlei empirischen Belege für die eigene Theorie besitzt.

Ich jedenfalls wäre nie so überheblich, zu glauben, ich wüsste was "jede*r" will. Das weiß ich nämlich nicht. Aber ich kann anhand der mir vorliegenden empirischen Daten (Forenbeiträge, E-Mails, persönliche Gespräche mit Hörern, Abrufzahlen von Folgen usw.) feststellen, dass es sowohl den Wunsch nach dem einen als auch den Wunsch nach dem anderen gibt. Und genau das bilden wir seit Anfang dieses Projektes mit Spielbesprechungen ab, die eben nicht der klassische Produkttest sind, wie du fächlicherweise behauptest.

Edit: Im Übrigen erscheint mir auch deine These, dass ein Spielejournalist keinen Expertisevorsprung mehr habe, unhaltbar. Jemand, der sich jeden Tag acht oder mehr Stunden mit Spielen beschäftigt, wird immer einen Vorsprung besitzen. Er wird mehr Spiele spielen können. Sich tiefer in Themen einlesen. Zeit zum Recherchieren haben. Und so weiter. Der Vorsprung ist sicherlich kleiner geworden, aber ihn komplett zu negieren, geht an der Realität vorbei.
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Paul_Klee_1
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Paul_Klee_1 »

GoodLord hat geschrieben: 7. Aug 2022, 17:46
Paul_Klee_1 hat geschrieben: 7. Aug 2022, 16:33 Ein Test bzw. eine Kritik sollte sich gut lesen und sich aus der Sicht des Kritikers ernsthaft mit dem Spiel befassen. Ein kühler Produkttest, welcher nur die Bewertungen tabellarisch, gelisteter Testkategorien in Sätzen ausformuliert wäre langweilig und zu pseudoobjektiv.
Nicht, dass du das behauptet hast, aber: War das denn jemals in irgendeinem Magazin üblich?
Nein so trocken sicher nicht, das habe ich absichtlich übertrieben formuliert. Bei der Bezeichnung "Produkttest" oder "Kaufhilfe" schwingt oft das Klischee des literarisch vertrockneten Pro-Kontratests technischer Geräte mit.
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Jochen Gebauer
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Jochen Gebauer »

Heretic hat geschrieben: 7. Aug 2022, 17:50Und warum sollte Kaufberatung in Form von Tests heute nicht mehr nötig sein? Weil ich einem hibbeligen Influencer beim Let's Play zuschauen kann? Nee, danke!
Man könnte sogar behaupten, sie sei noch viel, viel relevanter geworden als vor 20, 30 Jahren. Und zwar in allen Bereichen. Zum einen, weil die Zahl der Produkte enorm zugenommen hat - als ich meinen ersten Fernseher kaufte, standen beim Fachhändler vielleicht zehn Modelle rum, heute gibt's bei Amazon was, 50? 100? Noch mehr? Zum anderen, weil meistens gegensätzliche Informationen vorliegen. Soll ich jetzt den Nutzerbewertungen glauben? Oder dem Test von Magazin A, das scheiße sagt. Oder dem von Influencer B, der super sagt? Oder dem Kumpel, der sagt, glaub bloß nicht Magazin A, das ist doch eh gekauft?

Wenn ich heute privat spielen würde statt beruflich, ich wäre mir sehr sicher, dass ich auf Kaufberatung viel Wert legen würde. Nicht ausschließlich, nein. Es gäbe garantiert Spiele, die kaufte ich mir unbesehen (wahrscheinlich mit allen Addons und Patches in der GOTY-Variante) und würde nach dem Spielen meine Meinung abgleichen wollen. Aber der ganze Rest, der interessant aussieht, aber von dem ich mir nicht sicher bin, ob der gut ist? Da wäre ich für eine Kaufberatung echt sehr dankbar.

Aktuelles Beispiel: Hab heute mal in Hard West 2 reingespielt. XCOM im Wilden Westen mit Monstern? Das klingt interessant. Und in interessante Spiele wenigstens mal reinzuspielen, ist Teil meines Jobs. Wäre ich aber privat unterwegs, ich hätte erstmal mehrere Tests quergelesen, um zu erfahren, ob Dinge, die mir bei so einem Spiel wichtig wären (zum Beispiel wie gut die Story ist), gut umgesetzt sind.
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Tengri Lethos
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Tengri Lethos »

Chiller hat geschrieben: 7. Aug 2022, 15:55 Ich finde es doch bemerkenswert, mit welch beharrlicher Borniertheit Andre und Jochen in dem Podcast an dem anachronistischen Format des Produkttests festhalten. Diese Art der Spielekritik mag in den 90ern sinnvoll gewesen sein, aber spätestens seitdem das Internet seinen Siegeszug antrat hat der Spielejournalist, was die Expertise angeht, dem Durchschnittsgamer nichts mehr voraus. Die Arroganz, das dennoch zu glauben, steht euch nicht gut zu Gesicht. Jede*r, der oder die interessiert genug ist, sich eine Spielbesprechung anzuschauen, möchte vielmehr die eigene Ansicht mit der des Autors vergleichen, als eine Kaufberatung zu bekommen. Dieser Service war in den 90ern notwendig, inzwischen ist der das nicht mehr. Doms Versuche, den Spielejournalismus endlich mal über die 2010er Jahre hinaus zu befördern und in den Spielebesprechungen tatsächlich einen Mehrwert zu bieten, finde ich sehr begrüßenswert. Eine "Analyse", wie im neuesten Rollenspiel die einzelnen Systeme ineinandergreifen braucht nun wirklich niemand mehr. Aber eine gesellschaftspolitische Einordnung der im Spiel verhandelten Themen ist dagegen viel sinnvoller. Insgesamt bin ich sehr enttäuscht von der Rückwärtsgewandtheit von Andre und Jochen, was dieses Thema angeht.
Hmm...grundsätzlich beim Argumentieren: Sobald Du Absolutwerte wie "Immer", "Jede*r", "alle", "Nie"... gebrauchst, brauch die "Gegenseite" nur ein Argument dagegen finden und schon stehst Du schwächer da. Sag doch einfach "Ich vermute, die meisten..."

Und warum kann es nicht beides geben? Eine Analyse wie Rollenspielsystem ineinander greifen (Klassiker: Waffen selber kaufen oder findet man eh IMMER besseren Kram und kann das Shop System deshalb völlig ignorieren) und eine gesellschaftspolitische Einordnung? Ich seh da kein "Entweder...oder".
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Klonky »

Jochen Gebauer hat geschrieben: 7. Aug 2022, 18:21 Edit: Im Übrigen erscheint mir auch deine These, dass ein Spielejournalist keinen Expertisevorsprung mehr habe, unhaltbar. Jemand, der sich jeden Tag acht oder mehr Stunden mit Spielen beschäftigt, wird immer einen Vorsprung besitzen. Er wird mehr Spiele spielen können. Sich tiefer in Themen einlesen. Zeit zum Recherchieren haben. Und so weiter. Der Vorsprung ist sicherlich kleiner geworden, aber ihn komplett zu negieren, geht an der Realität vorbei.
Und was ist mit Streamern und Content Creator, die sich nicht als "Kritiker" assoziieren?
Siehe Content Creator, die 8-10 Stunden am Tag das eine Spiel spielen. Diese sind, alleine was die Erfahrung angeht, in ihrem Genre "jedem" Kritiker/in weit voraus. Alleine was die Stunden Gametime angeht. Wie du selbst sagst, "Einlesen, recherchieren etc." kostet Zeit, die ein Content Creator einfach ins "Spielen" investiert. Wir sehen auf Twitch und Youtube Bollwerke in ihrem Genre. Ich würde das Feedback zu einem FPS Spiel von Shroud jedem Spielekritiker/in vorziehen. Und Shroud ist einfach ein Content Creator, der kein Kritiker ist - Er hat nicht den Maßstab, den Ihr anlegen würdet (Das Fundament).
GoodLord
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von GoodLord »

Klonky hat geschrieben: 7. Aug 2022, 19:40
Jochen Gebauer hat geschrieben: 7. Aug 2022, 18:21 Edit: Im Übrigen erscheint mir auch deine These, dass ein Spielejournalist keinen Expertisevorsprung mehr habe, unhaltbar. Jemand, der sich jeden Tag acht oder mehr Stunden mit Spielen beschäftigt, wird immer einen Vorsprung besitzen. Er wird mehr Spiele spielen können. Sich tiefer in Themen einlesen. Zeit zum Recherchieren haben. Und so weiter. Der Vorsprung ist sicherlich kleiner geworden, aber ihn komplett zu negieren, geht an der Realität vorbei.
Und was ist mit Streamern und Content Creator, die sich nicht als "Kritiker" assoziieren?
Siehe Content Creator, die 8-10 Stunden am Tag das eine Spiel spielen. Diese sind, alleine was die Erfahrung angeht, in ihrem Genre "jedem" Kritiker/in weit voraus. Alleine was die Stunden Gametime angeht. Wie du selbst sagst, "Einlesen, recherchieren etc." kostet Zeit, die ein Content Creator einfach ins "Spielen" investiert. Wir sehen auf Twitch und Youtube Bollwerke in ihrem Genre. Ich würde das Feedback zu einem FPS Spiel von Shroud jedem Spielekritiker/in vorziehen. Und Shroud ist einfach ein Content Creator, der kein Kritiker ist - Er hat nicht den Maßstab, den Ihr anlegen würdet (Das Fundament).
Es ging vermutlich um die Folgende Behauptung:
Chiller hat geschrieben: 7. Aug 2022, 15:55 , aber spätestens seitdem das Internet seinen Siegeszug antrat hat der Spielejournalist, was die Expertise angeht, dem Durchschnittsgamer nichts mehr voraus. Die Arroganz, das dennoch zu glauben, steht euch nicht gut zu Gesicht.
Also in Relation zum wie auch immer definierten Durchschnittsgamer. Nicht im Vergleich zu Content Creatoren.
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Jochen Gebauer
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Re: Runde #383: Über Kritik

Beitrag von Jochen Gebauer »

Klonky hat geschrieben: 7. Aug 2022, 19:40Und was ist mit Streamern und Content Creator, die sich nicht als "Kritiker" assoziieren?
Das ist wieder eine andere Baustelle. Es ging ja explizit um Spielejournalisten vs. "Durchschnittsgamer".

Aber da du es ansprichst: Ich denke, da reden wir über unterschiedliche Formen der Expertise. Ein Spielejournalist ist im Idealfall vergleichsweise breit aufgestellt, kennt also mehrere Genres ganz gut, guckt immer über den Tellerrand, bleibt up to date in den wichtigsten Entwicklungen.

Ein Streamer hingegen ist oft sehr spitz aufgestellt, hat in seinem Spiel/seinem Genre dafür ein sehr tiefes Wissen. Beides hat imho die gleiche Daseinsberechtigung.
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