Civilization und Nationalismus

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derFuchsi
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Re: Civilization und Nationalismus

Beitrag von derFuchsi »

Yometheus hat geschrieben:
derFuchsi hat geschrieben:im Civilization Sonderheft der Gamestar gibt es einen schönen Artikel über Realismus in Spielen und speziell natürlich Civilization. (Vielleicht gibts den auch online, k.A. aber dann vermutlich als Plus-Artikel.)
Gerade nochmal geschaut und nix bei GS-Plus zu gefunden. Kannst du mal bitte in 2 Sätzen zusammenfassen, was sie zu Realismus in Civilization meinen? Gibt‘s da einen Bezug zu "Zivilisationen -> Nationen?" ? :)
Der Autor ist übrigens Writing Bull und der Artikel erstreckt sich über 4 Seiten.

SPIEL VERSUS WIRKLICHKEIT - WIE REALISTISCH IST CIVILIZATION?
Das PDF oder Auszüge davon zur Verfügung zu stellen ist vermutlich rechtlich schwierig also versuche ich es mal selbst zu beschreiben.

Im Grunde geht es allgemein über Realismus vs Spielspaß, also warum man da Abstriche machen muss zugunsten von Spielspaß. Dass z.B. alleine der Maßstab schon nicht realistisch machbar ist.

Ein echter Herrscher hätte niemals diese Macht wie im Spiel und könnte das auch garnicht. Schließlich spielt man einen "Superbürokrat" der alles im Reich regelt bis hin zur Familienplanung ob die Bürger Nachwuchs haben sollen oder nicht.

Ein wenig kritischen Text gibt es auch, geht aber lange nicht so weit wie der oben verlinkte Artikel.
Zitat: "Selbst im Staatssozialismus des Ostblocks hatten die Bürger mehr individuelle Freiheiten als in Civilization"

"die Idee, dass Staaten dadurch entstehen, dass sich Nationen bilden, ist erst eine Erfindung der Moderne. Im europäischen
Mittelalter zum Beispiel war persönliche Vasallentreue die Grundlage für politische Zusammenschlüsse.
Ein König stellte seinen Fürsten Land zur Verfügung und diese ihm im Gegenzug Truppen im Falle eines Krieges.
Viel mehr Staat war da nicht."

Ein wenig tiefer werden einzelne Aspekte in Kästen erläutert.
Dass Herrschen in Wirklichkeit doch wesentlich komplizierter ist als im Spiel dargestellt, muss man sich normalerweise mit Parlamenten, Verfassungsgerichten, Lobbyvereinen, den Medien etc. auseinandersetzen. Dazu kommen noch internationale Instanzen und der Kapitalmarkt die alles nur noch komplizierter machen.

Dann wird noch erwähnt dass in Civilization und anderen Spielen das Volk gerne durch vegetative Vermehrung wächst.
Bei Nahrungsmittelüberschuss bilden sich also quasi mehr Ableger wie bei Zimmerpflanzen. :)

Forscher wissen bereits vorher was sie erforschen wollen anstatt von ihrer Arbeit überrascht zu werden.

Solche Dinge halt.

Dann noch eine Erwähnung von Max Webers Begriff der protestantischen Arbeitsethik
"Seine These: Wirtschaftsgeist und Arbeitseinstellung im modernen Kapitalismus seien stark durch die Werte des Protestantismus geprägt. Tugendhafte Menschen disziplinieren sich, leben nicht in den Tag hinein, sondern mühen sich – das ist eine Moral, die uns mittlerweile in Fleisch und Blut übergegangen ist. So sehr, dass uns solche Spiele besondere Freude bereiten, in denen wir arbeiten dürfen."
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Yometheus
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Re: Civilization und Nationalismus

Beitrag von Yometheus »

derFuchsi hat geschrieben:SPIEL VERSUS WIRKLICHKEIT - WIE REALISTISCH IST CIVILIZATION?

Im Grunde geht es allgemein über Realismus vs Spielspaß, also warum man da Abstriche machen muss zugunsten von Spielspaß. Dass z.B. alleine der Maßstab schon nicht realistisch machbar ist.

Ein echter Herrscher hätte niemals diese Macht wie im Spiel und könnte das auch garnicht. Schließlich spielt man einen "Superbürokrat" der alles im Reich regelt bis hin zur Familienplanung ob die Bürger Nachwuchs haben sollen oder nicht.

...

Forscher wissen bereits vorher was sie erforschen wollen anstatt von ihrer Arbeit überrascht zu werden.

Solche Dinge halt.
Danke für die ausführliche Beschreibung des Artikels. :)

Wenn ich das alles mal zusammenfasse, ist es aber eher eine "seichte" Kritik, die teilweise in Bereiche vordringt, die ich für komplett belanglos halte. Wenn Civilization eine Simulation sein soll, dann doch in fast allen Bezügen auf einer sehr abstrakten Ebene: Hexfelder, Rundenanzahl, arbiträre Werte für Bevölkerung, Steuern, Rohstoffmengen usw . Hier sind die Wurzeln des Brettspiels sehr deutlich zu erkennen und erheben den Spieler tatsächlich in die Position eines "Superbürokraten", der sein Volk mit einer tatsächlich unglaublichen Präzision verwalten kann. Der Vergleich zu den Zimmerpflanzen passt da sehr gut :lol:

In Endless Legend ist dieser Ansatz ähnlich, da kann ich auch alles in meinem Hexfeld-Reich verwalten. Aber wie gesagt, hier würde ich auch gar nicht erst auf die Idee kommen, dies als realistisch darzustellen. Anders verhält es sich meiner Meinung nach mit rundenbasierten Spielen wie Total War Shogun 2: Da bist du zwar auch ein absolutistischer Herrscher, kannst aber deine Regler nicht mit solch einer Feinheit wie in Civ oder Endless Legend einstellen, sondern z.B. nur die Steuern auf "hoch" oder "niedrig" stellen. Das Optimum liegt fast immer dazwischen, da die Steuern mit anderen Vor- und Nachteilen gekoppelt sind, was dir das Spiel aber nicht bis ins Detail vorrechnet. Der genaue Blick auf die Spielmechaniken wird so verwehrt, was ein realistischeres Spielgefühl aufkommen lässt - aber auch immer etwas im Dunkeln lässt, inwiefern die Spielmechaniken wirklich gut ineinandergreifen.
Bei Shogun 2 hast du außerdem keine Hexfelder, sondern einen durchgehenden Terrainteppich, der die Ländereien darstellt auf dem sich deine Armeen lang bewegen. Stadtgründungen gibt es auch nicht, nur Stadtausbau. Was auch dem Szenario geschuldet ist, dass ich in einem historischen Szenario paar Jahre am Drücker bin, aber eben nicht über Tausende Jahre ganze Reiche aufbaue.

Mich verwundet also der Ansatz Civ in dieser Hinsicht auf Realismus zu überprüfen schon etwas und das Ergebnis haut mich somit nicht von den Socken. Viel interessanter hätte ich da den Ansatz gefunden, was uns dieses Spiel implizit vorsetzt und dies auf die Realität abzuklopfen, also z.B. die Siegbedingungen oder wie, welche Zivilisationen dargestellt werden.
Rhetorik-Tipp: Diskussionen gewinnt man leichter, indem man ruhig und sachlich bleibt und eine Pistole vor sich auf den Tisch legt.
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