Civilization und Nationalismus

Alles, was nicht in ein anderes Forum gehört: Hier rein
Forumsregeln
Datenschutzerklärung: https://www.gamespodcast.de/datenschutzerklaerung/
Impressum: https://www.gamespodcast.de/impressum/

Forenregeln und zukünftige Weltverfassung
ART 1: Behandle andere Nutzer mit Respekt.
ART 2: Do NOT piss off the Podcasters

Lies bitte weitere Hinweise hier: viewtopic.php?f=4&t=2789
JayTheKay
Beiträge: 433
Registriert: 26. Feb 2016, 21:17

Re: Civilization und Nationalismus

Beitrag von JayTheKay »

Ich verstehe den Inhalt des Eingangsposts, kann aber nicht nachvollziehen wo das Problem liegt.
Was ist denn schlecht daran, dass CIV Völker/Nationen anbietet, und man damit gegen andere Nationen spielt? Dass damit der Nationalismus des Spielers gefördert wird halte ich für absurd.
Den Spielinhalt "Volk gegen Volk" gibts ja außerdem in vielen Strategiespielen. Man kann den Inhalt des Eingangsposts fast genauso z.B. auch auf Age of Empires oder Total War anwenden.
Benutzeravatar
Vinter
Foul Tarnished
Beiträge: 5061
Registriert: 25. Jan 2016, 02:50

Re: Civilization und Nationalismus

Beitrag von Vinter »

Nein, denn Total War behandelt tatsächliche historische Ereignisse. Und es stellt die Konstellationen der Mächte im Kontext ihrer Zeit dar. Was es nicht tut, ist, die Nation als quasi Naturgesetz rückwärts in die Zeit zu projizieren. In Total War spielst du mit dem römischen Reich, nicht mit der Nation Italien. Du spielst die Germanen, nicht Deutschland.

Civilization hingegen stellt die Geschichte der Menschheit als immerwährenden Konflikt unveränderlicher Nationen dar und legitimiert damit - wenn auch natürlich unfreiwillig - Nationalismus und Nation als selbstverständliche (und einzige) Kategorie für das menschliche Zusammenleben. Und dann sind wir ganz schnell bei Dingen wie unveränderlichen Kulturen und schützenswerten Völkern, die wir von anderen Kulturen und Völkern deterministisch abgrenzen könnten. Und dann lässt sich genauso schnell davor warnen, dass diese Völker und Kulturen in Gefahr schweben würden, durch Eroberung - oder Vermischung - unwiederbringlich vernichtet zu werden. Denn am Ende des Konflikts steht in Civilization entweder Assimilation in eine "fremde" Kultur oder gleich die vollständige Vernichtung.

Und nein, genausowenig wie Battlefield jemanden zum Amokläufer macht, macht Civilization jemanden zum Nationalisten. Es wird auch niemand zum Nationalisten, weil er zur EM eine Deutschlandflagge zuviel gesehen hat. Trotzdem sollte man sensibel mit solchen Themen umgehen und sich ihrer bewusst sein, um sie ggf. wiedererkennen zu können. Und deswegen sind Nationalflaggen eben ein sensibles Thema, auch zur EM. Nicht, weil man damit sofort krankhaften Nationalismus signalisiert, sondern weil man so dazu beiträgt eine Normalität zu schaffen, in der es irgendwann niemand mehr in Frage stellt, warum ein Bernd Höcke bei Günther Jauch die Nationalflagge rausholt und über den Sessel hängt.
Spieleankündigungen und - updates 2024

Alle Spiele
Alle Streams
JimRaynor
Beiträge: 31
Registriert: 7. Jun 2016, 03:17

Re: Civilization und Nationalismus

Beitrag von JimRaynor »

Vinter hat geschrieben:Und deswegen sind Nationalflaggen eben ein sensibles Thema, auch zur EM. Nicht, weil man damit sofort krankhaften Nationalismus signalisiert, sondern weil man so dazu beiträgt eine Normalität zu schaffen, in der es irgendwann niemand mehr in Frage stellt, warum ein Bernd Höcke bei Günther Jauch die Nationalflagge rausholt und über den Sessel hängt.
Ja Nationalflaggen sind ein ähnliches Thema. Die Diskussion bei jeder WM oder EM, ob Fahnen einen zum Nazi machen, gibt es so meines Wissens nur in Deutschland, da wir wohl die Nation sind, die das schwierigste Verhältnis zur eigenen Nation hat aus historischen Gründen. Man kann hinter der Nationalfahne seinen in Rassismus übergehenden Nationalismus verstecken, nur der "Deutschlandfan" der mit Flagge die 1. Strophe bei der Hymne singt oder den Hitlergruß zeigt, ist schlicht ein Nazi, egal ob ein Länderspiel ist oder nicht. Die Fahne hat ihn nicht zum Nazi gemacht, er missbraucht sie für seinen Rassismus. Ich habe lange Nationalismus und Rassismus mehr oder weniger gleichgesetzt, weil sie häufig gemeinsam kommen, hier gibt es aber auch ziemliche Ausnahmen.

Ich war 9 Monate in Kanada, die auch ein relativ großes Nationalbewusstsein hatten und man häufig die kanadische Fahne in Gärten oder sonstwo gesehen hat - nicht ganz auf US-Niveau, eher ein Level dahinter. Trotzdem waren die Kanadier ein extremst weltoffenes Volk, das zwar ein starkes Nationalgefühl hatte, dies aber nicht zur Überhöhung oder Abgrenzung genutzt hat, es war lediglich ein neutrales Identitätsmerkmal. Als Deutscher war ich dort automatisch immer sofort beliebt und hoch angesehen, was vielleicht auch etwas damit zu tun hat, dass sehr viele Kanadier deutsche Vorfahren haben. Im direkten Vergleich hatte ich bei Gesprächen oder Kurzaufenthalten in den USA viel eher das Gefühl, das dort deutlich häufiger mit dem Nationalismus auch ein Überlegenheitsgefühl gegenüber anderen verbunden war und man die USA und sich selbst als Amerikaner allen anderen überlegen fühlte.

Oder auch gerade aktuell in Schottland die SNP (Scottish National Party), die ja das "National" im Namen trägt und sich auch sehr stark für die Unabhängigkeit Schottlands einsetzt und die sich selbst als Nationalisten sehen. Aber obwohl sie Nationalisten sind, sind sie ebenfalls sehr weltoffen und machen nach dem Brexit-Votum sehr deutlich, dass sie weiterhin zu Europa gehören wollen und dort im Gegensatz zu England die Einwandererdebatte bei weitem keinen so großen Stellenwert hat. Sie wollen zwar "ihr Land", aber trotzdem Teil einer offenen Gesellschaft sein, in der selbstverständlich auch Ausländer gerne gesehen sind.

Man kann Fahnen, genau wie Religion, für Ideologien missbrauchen oder sie können neutral verwendet werden. Ich muss dabei immer an die South Park-Folge denken, bei der es keine Religionen mehr gab und sich die Leute dann wegen anderem nonsense die Köpfe eingeschlagen haben. Also selbst wenn es keine Religionen und keinen Nationalismus geben würde, hätte man etwas anderes wegen dem man übereinander herfallen und sich von anderen abgrenzen könnte.

Und zu Höcke muss man nicht viel sagen, selbst wenn in Deutschland wie in den USA vor jedem Haus eine Fahne wehen würde, wäre er von seiner ganzen Ideologie und seinen Aussagen immer noch ein extrem völkischer sowie fremdenfeindlicher und damit Nationalist im negativsten Sinne, der dem Kaiserreich nachtrauert und völlig verqueren Rassetheorien anhängt, die von den Nazis auf die Spitze getrieben wurden. Kurzum nationalistischer Rassist.
JayTheKay
Beiträge: 433
Registriert: 26. Feb 2016, 21:17

Re: Civilization und Nationalismus

Beitrag von JayTheKay »

Vinter hat geschrieben:Nein, denn Total War behandelt tatsächliche historische Ereignisse. Und es stellt die Konstellationen der Mächte im Kontext ihrer Zeit dar. Was es nicht tut, ist, die Nation als quasi Naturgesetz rückwärts in die Zeit zu projizieren. In Total War spielst du mit dem römischen Reich, nicht mit der Nation Italien. Du spielst die Germanen, nicht Deutschland.
Ok vielleicht bin ich schwer von Begriff, aber ich sehe praktisch keinen Unterschied zwischen "Ich spiele das römische Reich" und "ich spiele Italien".
Ich will mich aber nicht an Total War aufhängen, es gibt ja noch viele weitere Beispiele, wie gesagt Age of Empires, mir fällt auch z.B. Empire Earth ein, hab ich gerne gespielt damals. Alles was ich sagen wollte ist, dass das kein CIV-exklusives Feature ist.
Vinter hat geschrieben: Civilization hingegen stellt die Geschichte der Menschheit als immerwährenden Konflikt unveränderlicher Nationen dar und legitimiert damit - wenn auch natürlich unfreiwillig - Nationalismus und Nation als selbstverständliche (und einzige) Kategorie für das menschliche Zusammenleben. Und dann sind wir ganz schnell bei Dingen wie unveränderlichen Kulturen und schützenswerten Völkern, die wir von anderen Kulturen und Völkern deterministisch abgrenzen könnten. Und dann lässt sich genauso schnell davor warnen, dass diese Völker und Kulturen in Gefahr schweben würden, durch Eroberung - oder Vermischung - unwiederbringlich vernichtet zu werden. Denn am Ende des Konflikts steht in Civilization entweder Assimilation in eine "fremde" Kultur oder gleich die vollständige Vernichtung.
Also ich muss schonmal wiedersprechen, dass die Zivilisationen unveränderlich sind. Der Name der Zivilisation ist festgelegt und ein unterschiedlicher Startbonus, aber z.B. Religion und Politik sind völlig frei wählbar. Ich finde es wird ziemlich wenig festgelegt, wie eine Zivilisation auszusehen hat oder welche Werte sie vertritt. Und natürlich orientiert sich CIV an der Realität: Die aktuelle Welt ist nunmal enstanden und besteht aus genau diesem Kampf der Zivilisationen. Ich finde das aber völlig in Ordnung, weil es ein bekanntes und intuitiv verständliches Konzept ist.
Und ich finde die Aussage, dass damit etwas bestimmtes propagiert wird nach wie vor nicht einsichtig. Es sagt ja auch niemand, dass z.B. ein Tony Hawk's Pro Skater propagiert, dass Skateboards das überlegene Fortbewegungsmittel sind.
Benutzeravatar
Vinter
Foul Tarnished
Beiträge: 5061
Registriert: 25. Jan 2016, 02:50

Re: Civilization und Nationalismus

Beitrag von Vinter »

JayTheKay hat geschrieben: Ok vielleicht bin ich schwer von Begriff, aber ich sehe praktisch keinen Unterschied zwischen "Ich spiele das römische Reich" und "ich spiele Italien".
Es spielt eine Rolle, wenn man sich vor Augen hält, dass der moderne Nationalstaat Italien eine relativ neue Erfindung ist (1861). Das römische Reich hingegen wurde 395 in West- und Ostrom (Byzanz) geteilt, die beide einige hundert Jahre später untergingen. Auch Deutschland war vor 1871 mitnichten eine Nation, sondern ein zersplitterter Staatenbund. Das, was wir also heute als "Deutschland" kennen hat sich hier in Europa über Jahrtausende entwickelt durch den Einfluss unzähliger unterschiedlicher Menschen verschiedenster Herkunft. Im Narrativ von (rechtsextremen) Nationalisten hingegen ist Deutschland eine Selbstverständlichkeit, die es in genau dieser Form zu bewahren gibt, mit einer unverändlichen, homogenen Kultur, Sprache, Volk usw. Bzw. andersherum: Wenn wir nicht Menschen anderer Herkunft fernhalten, dann zerstört dass unsere "natürliche" deutsche Kultur, Sprache, Volk.

Nur: Das stimmt gar nicht. Deutschland ist weder selbstverständlich, noch immer dagewesen, noch verfügt es über eine soziale, kulturelle oder sonstige Homogenität. Auch ist Nationalität kein messbares Naturgesetz, das Menschen verbindet oder unterscheidet, sondern etwas völlig willkürliches. Civilization jedoch stellt die Nationen genau so dar: Als von Alters her zusammengehörige Verbindungen von Menschen, die mit anderen Menschen, die ebenfalls exklusiv untereinander verbunden sind, konkurrieren. Diese ganzen Ideen finden sich z.B. auch im sogenannten Ethnopluralismus wieder.

Extreme Nationalisten ignorieren also die Tatsache, dass Deutschland aus einem Schmelztiegel unterschiedlichster Menschen entstand, sondern tut so, als wäre Deutsch sein ein Naturgesetz und etwas, von dem man eindeutig festlegen kann, ob man dazugehört oder nicht. Und sie betrachten Menschen unterschiedlicher Herkunft, als deutlich voneinander abgegrenzt an - und an dieser Stelle stände zumindest die Frage, ob "Herkunft" überhaupt ein geeignetes Kriterium zur Klassifizierung eines Menschen wäre. Und dann sind wir ruckzuck beim Rassismus. Und genau dieses (stark vereinfachte) Weltbild verfolgt im Gewissen Sinne eben auch Civilization - wenn auch aus verständlichen Gründen. Ob man jetzt Religion oder Politik ändern kann, spielt da erstmal eine untergeordnete Rolle, denn eines bleibt bestehten: In Civilization gibt "die Deutschen" und "die Deutschen" werden niemals "die Russen" oder "die Japaner" sein und ihre Gruppierungen bleiben durch die Zeit unveränderlich voneinander getrennt. Und so kommt man über die Definition einer Nation zur Definition eines Volkes und zieht diesen ganzen Rattenschwanz an Ekeligkeiten mit sich, den man so kennt.
Spieleankündigungen und - updates 2024

Alle Spiele
Alle Streams
JimRaynor
Beiträge: 31
Registriert: 7. Jun 2016, 03:17

Re: Civilization und Nationalismus

Beitrag von JimRaynor »

Vinter hat geschrieben:
JayTheKay hat geschrieben: In Civilization gibt "die Deutschen" und "die Deutschen" werden niemals "die Russen" oder "die Japaner" sein und ihre Gruppierungen bleiben durch die Zeit unveränderlich voneinander getrennt. Und so kommt man über die Definition einer Nation zur Definition eines Volkes und zieht diesen ganzen Rattenschwanz an Ekeligkeiten mit sich, den man so kennt.
Dann wäre es aber selbst nationalistisch, wenn die Fraktionen Takatukaland und sonstige Fantasienamen hätten. Diese Definition würde auch jedes Spiel einschließen, dass auf Fraktionen basiert, unabhängig ob sie nach echten oder fiktiven Fraktionen benannt sind, weil jedes Spiel auf abgrenzbaren Fraktionen und einer in der Regel sehr einfachen Freund/Feind bzw. Schwarz/Weiß-Zeichnung basiert. Nebenbei folgt auch fast jeder Film diesem Prinzip.

Und wäre dann HoI nicht das viel schlimmere Beispiel, weil man dort konkrete Szenario 2. Weltkrieg als Deutscher gewinnen kann (welches ziemlich üble Folgen gehabt hätte) statt ein völlig abstraktes Spiel wie Civ?
Benutzeravatar
tobias
Beiträge: 241
Registriert: 9. Dez 2015, 11:40

Re: Civilization und Nationalismus

Beitrag von tobias »

JayTheKay hat geschrieben:Ich verstehe den Inhalt des Eingangsposts, kann aber nicht nachvollziehen wo das Problem liegt.
Das Problem ist das Civilization in seiner grundlegenden Spielmechanik nationalistisch ist.
JayTheKay hat geschrieben:Was ist denn schlecht daran, dass CIV Völker/Nationen anbietet, und man damit gegen andere Nationen spielt?
Das Problem ist das die Idee der Nation ahistorisch Rückprojeziert wird und zudem die gemeinsame Existenz von Nationen primär als sozialdarwinistisches Nullsummenspiel dargestellt wird.
JayTheKay hat geschrieben:Dass damit der Nationalismus des Spielers gefördert wird halte ich für absurd.
In dem Sinne das man danach durch die Gegend marodiert und dumm-nationalistische Sprüche von sich gibt oder rechtsradikale Straftaten begeht wohl nicht. Sehr wohl ist es aber nicht absurd anzunehmen das gerade junge Spieler das Erlebnis des Spiels tatsächlich als Wissensbestand über Geschichte und das Zusammenleben von Völkern übernehmen.
JayTheKay hat geschrieben:Den Spielinhalt "Volk gegen Volk" gibts ja außerdem in vielen Strategiespielen. Man kann den Inhalt des Eingangsposts fast genauso z.B. auch auf Age of Empires oder Total War anwenden.
Was nicht belegt das es unproblematisch ist.
JimRaynor hat geschrieben:Nebenbei folgt auch fast jeder Film diesem Prinzip.
Davon abgesehen das ich das sehr bezweifle macht es auch das nicht besser.
Benutzeravatar
tobias
Beiträge: 241
Registriert: 9. Dez 2015, 11:40

Re: Civilization und Nationalismus

Beitrag von tobias »

Rossy hat geschrieben:
tobias hat geschrieben:Im Gegensatz zu Civilization wollen diese aber nicht den Eindruck erwecken die bisherige menschliche Entwicklung als gesamtmenschliche Errungenschaft zu feiern. Genau so inszeniert sich Civilization aber oft, wobei es an sich aber ein Simulator materialistisch-nationalistischer Fantasien von Geschichte ist.
Das seh ich anders. Das große Brettspielvorbild ist im Prinzip genau dasselbe, nur räumlich und zeitlich ein bisschen eingeschränkter.
Was ändert das an der Analyse von Civilization wie ich sie gemacht habe?
Rossy hat geschrieben:Und gerade das sich andere Gewänder extrem einfach überstülpen lassen sagt mir eher, dass die Zivilisationsthematik und das Gameplay nicht sonderlich stark miteinander verknüpft sind.
Es bleiben sehr wohl immer Völker, Nationen oder Zivilisationen man spielt. Egal mit welchem Mod oder Nebenzweig der Reihe. Natürlich schwächt sich das Problem deutlich ab, wenn es nicht auf die reale Geschichte bezogen ist, sondern auf irgendeine Fantasie. Ändert aber auch nichts an dem grundlegenden Problem im normalen Hauptspiel.
JimRaynor
Beiträge: 31
Registriert: 7. Jun 2016, 03:17

Re: Civilization und Nationalismus

Beitrag von JimRaynor »

tobias hat geschrieben:
JimRaynor hat geschrieben:Nebenbei folgt auch fast jeder Film diesem Prinzip.
Davon abgesehen das ich das sehr bezweifle macht es auch das nicht besser.
Während des Kalten Krieges gab es eine ganze Filmära in Hollywood, die sich nur mit "gutem Westen" gegen "bösen Kommunismus" befasst hat und die Filmindustrie nach dessen Ende erstmal in eine Sinnkrise gestürzt hat, weil der natürliche Bösewicht weggefallen ist. Wobei das jetzt nicht unbedingt eine versöhnliche herangehensweise an den Konflikt war und er mit Sicherheit bei vielen Menschen eine zumindest unterbewusste Abneigung gegen den Kommunismus geschürt hat. Von daher würde ich dir bei diesem Beispiel zustimmen.

Ansonsten kenne ich fast nur Filme, bei der es klar definierte Gute und Böse gibt, vielschichtige Filme, die Graustufen enthalten sind eher selten. Ab und an gibt es auch noch das Antihelden-Konzept, viel mehr Kategorien fallen mir spontan jetzt nicht ein. Davon abgesehen kann es auch manchmal entspannend sein, einen klaren Feind zu haben und mitfiebern zu können und nicht mit "grau" mitdenken zu müssen.
Benutzeravatar
tobias
Beiträge: 241
Registriert: 9. Dez 2015, 11:40

Re: Civilization und Nationalismus

Beitrag von tobias »

BlackSun84 hat geschrieben:In der Geschichte haben schon immer die Großen der Reiche/"Nationen" das Geschick ihres Landes bestimmt, das ist heute nicht anders. Wer denkt, dass z.B. Frau Merkel zum Wohle aller Deutschen handelt, ist sehr naiv in politischen Dinge. Die Mehrheit der "Normalbürger" war für die Mächtigen schon immer nur Mittel zum Zweck, Schafe, die man lenken konnte, wie man meinte und seien wir ehrlich, so anders ist das heute nicht, man beachte nur etwas kritischer die heutige Medienlandschaft. Am Ende spielt man eben genau so einen egoistischen Führer einer Nation.
Davon abgesehen das die moderne Geschichtswissenschaft die auf einzelne Führungspersönlichkeiten reduzierte Geschichtsschreibung inzwischen erfolgreich demontiert hat hat dein Post praktisch nichts mit mir den dort angeführten Punkten zu tun.

Eine aktuelle politische Diskussion will ich hier nicht aufmachen.
BlackSun84 hat geschrieben:Echt schade, dass man sich am Ende alleine durchsetzen muss in Civ, aber damit kann man sich wohl nicht auf einem starken Verbündeten ausruhen.
Man kann zur Erstellung einer Partie ein Team erstellen. So geht es dann. Ändert aber nichts an dem geschilderten Problem, sondern zeigt eher gerade das Kooperation ja eigentlich möglich wäre mit den Mitteln des Spiels.
Benutzeravatar
Vinter
Foul Tarnished
Beiträge: 5061
Registriert: 25. Jan 2016, 02:50

Re: Civilization und Nationalismus

Beitrag von Vinter »

JimRaynor hat geschrieben: Dann wäre es aber selbst nationalistisch, wenn die Fraktionen Takatukaland und sonstige Fantasienamen hätten. Diese Definition würde auch jedes Spiel einschließen, dass auf Fraktionen basiert, unabhängig ob sie nach echten oder fiktiven Fraktionen benannt sind, weil jedes Spiel auf abgrenzbaren Fraktionen und einer in der Regel sehr einfachen Freund/Feind bzw. Schwarz/Weiß-Zeichnung basiert. Nebenbei folgt auch fast jeder Film diesem Prinzip.

Und wäre dann HoI nicht das viel schlimmere Beispiel, weil man dort konkrete Szenario 2. Weltkrieg als Deutscher gewinnen kann (welches ziemlich üble Folgen gehabt hätte) statt ein völlig abstraktes Spiel wie Civ?
Die historischen Begriffe machen es natürlich einfacher. Trotzdem lassen sich politische Ideen auch in beliebigen Settings transportieren. Tolkien bekam für den Herrn der Ringe Rassismusvorwürfe, um mal ein Beispiel zu nennen.

Eine Bewertung wie stark nationalistisch speziell Civ nun ist, ist meiner Meinung nach erstmal zweitrangig. Allein, dass es nationalistische Elemente gibt, ist ja schon mal eine Erkenntnis. Ebenfalls ist zweitrangig, ob auch andere Titel solche Züge haben: Das ist ja kein exklusives Vorrecht von Civ.

Ich sehe aber z.B. Strategietitel als weniger nationalistisch an, die mich eine historische Fraktion im historischen Kontext spielen lassen. Denn das Problem ist ja nicht, dass ich eine wohldefinierte historische Fraktion spiele, sondern die ahistorische Rückprojektion einer Nation als Keimzelle der Menschheit.

Und noch etwas finde ich weniger problematisch: Wenn man die Kontrolle über Armeen übernimmt, und sei es die Wehrmacht. Denn hier hast du wieder a) den historischen Kontext und b) ist eine Armee per Definition abgegrenzt einer Fraktion zugehörig und abgegrenzt von anderen Armeen. Aber gerade das zeigt Civ ja nicht, sondern es simuliert explizit Nationen als untrennbare Einheit seit Anbeginn der Zeit.
Spieleankündigungen und - updates 2024

Alle Spiele
Alle Streams
Benutzeravatar
tobias
Beiträge: 241
Registriert: 9. Dez 2015, 11:40

Re: Civilization und Nationalismus

Beitrag von tobias »

JimRaynor hat geschrieben:Ansonsten kenne ich fast nur Filme, bei der es klar definierte Gute und Böse gibt, vielschichtige Filme, die Graustufen enthalten sind eher selten.
Vielleicht liegt das auch an dem Auszug der Filme die du schaust?

Zumal das auch nichts an der von mir vorgebrachten Kritik an Civilization ändert.

Die Existenz von Problem Y macht Problem X nicht weniger real oder problematisch.
JayTheKay
Beiträge: 433
Registriert: 26. Feb 2016, 21:17

Re: Civilization und Nationalismus

Beitrag von JayTheKay »

tobias hat geschrieben: Es spielt eine Rolle, wenn man sich vor Augen hält, dass der moderne Nationalstaat Italien eine relativ neue Erfindung ist (1861). [...]
Ich verstehe immernoch nicht das Problem. In CIV kann man Zivilisationen spielen, keine Nationalstaten nach der Definition des 19. Jahrhunderts. Ich finde du konzentrierst dich hier zu sehr auf den Begriff "Nation". Wie ich in meinem vorigen Post schon erwähnt habe, sind die Zivilisationen in CIV überhaupt nicht fest definiert, sondern können sich in jeder Partie neu und anders entwickeln. Zivilisationen wandeln sich innerhalb einer Partie auch, genauso wie in echt, durch Wissenschaft, Politik etc.
Wenn man sich die Liste der Zivilisationen und ihrer Anführer mal anschaut, stellt man übrigens schnell fest, dass CIV nur teilweise die Namen von modernen Nationen verwendet, teilweise aber auch die Namen von Zivilisationen, die nie als Nation im Sinne des 19. Jahrhunderts existiert haben (Hunnen, Maya etc).
Vinter hat geschrieben:Das Problem ist das Civilization in seiner grundlegenden Spielmechanik nationalistisch ist.
Man spielt in CIV eine Zivilisation und man spielt gegen andere Zivilisationen. Da jetzt Nationalismus hinein zu interpretieren kann man machen, muss man aber nicht. Ich finde es völlig übertrieben.
tobias hat geschrieben:Das Problem ist das die Idee der Nation ahistorisch Rückprojeziert wird und zudem die gemeinsame Existenz von Nationen primär als sozialdarwinistisches Nullsummenspiel dargestellt wird.
Ja, die Zivilisationen in CIV sind nur an die Realität angelehnt. Ich finde es seltsam, von "ahistorisch" zu sprechen, da das komplette Spiel in einer alternativen Zeitlinie auf einer alternativen Weltkarte spielt. CIV ist kein historisches Spiel und will auch keines sein. Einen Sozialdarwinismus kann ich bei besten Willen nicht erkennen, aber vielleicht seh ich das ja auch falsch.
tobias hat geschrieben:In dem Sinne das man danach durch die Gegend marodiert und dumm-nationalistische Sprüche von sich gibt oder rechtsradikale Straftaten begeht wohl nicht. Sehr wohl ist es aber nicht absurd anzunehmen das gerade junge Spieler das Erlebnis des Spiels tatsächlich als Wissensbestand über Geschichte und das Zusammenleben von Völkern übernehmen.
Zu einem Teil beschreibt das Spiel ja auch gut wie die heutige Welt entstanden ist. Ja, es werden nicht alle Facetten beleuchtet, wie verschiedene Kulturen sich in der echten Welt entwickelt haben, aber das wäre wohl für ein Spiel zu komplex.
Benutzeravatar
Vinter
Foul Tarnished
Beiträge: 5061
Registriert: 25. Jan 2016, 02:50

Re: Civilization und Nationalismus

Beitrag von Vinter »

Das hat ja nichts mit "übertrieben" zu tun. In diesem Thread wurde das bislang ja auch gar nicht groß gewertet und eingeordnet. Es wurde ja sogar eher mehrmals explizit gesagt, dass das nicht kritisch ist. Es geht ja schlicht um die FESTSTELLUNG, dass Civ nationalistische Elemente enthält. Und das steht eigentlich außer Frage.
Spieleankündigungen und - updates 2024

Alle Spiele
Alle Streams
Benutzeravatar
tobias
Beiträge: 241
Registriert: 9. Dez 2015, 11:40

Re: Civilization und Nationalismus

Beitrag von tobias »

JimRaynor hat geschrieben:Ich halte das auch nicht für sonderlich bedenklich, sondern schlicht größtenteils dem Spieledesign geschuldet bzw. etwas überinterpretiert.
Warum hältst du es für nicht bedenklich? Und was genau soll überinterpretiert sein? Was soll das überhaupt heißen?

Ich bestreite doch überhaupt nicht, dass die Spielmechanik im Verbindung mit dem Thema das Problem ist. Nur ist es dadurch nicht weniger ein Problem.
JimRaynor hat geschrieben:Im Spiel werden Dinge vereinfacht oder in bestimmte Kategorien gespresst, um das Spiel zugänglicher und überhaupt erst sinnvoll spielbar zu machen. Insbesondere sorgen erst bestimmte Mechaniken dafür, dass ein Spiel Spaß machen kann.
Natürlich vereinfachen Spiele und das, bis auf einige Simulationen, sogar enorm. Nur wird hier auf eine ganz bestimmte Art und Weise vereinfacht, welche danach ziemlich bedenkliche Schlüsse zulässt.
JimRaynor hat geschrieben:Wie Andre und Jochen auch mal bei HoI thematisiert haben, wird man durch HoI spielen auch nicht zum Nazi, wenn man das 3. Reich spielt. Auf der reinen spielmechanischen Ebene betrachtet hat das 3. Reich in WW2 Strategiespielen historisch bedingt schlicht die angenehmste Lernkurve mit größter Herausforderung gegen Ende, weil es am Anfang am einfachsten ist und gegen Ende immer schwieriger und komplizierter wird.
Aus das ist ein logischer Fehlschluss. Was andere Spiele für Probleme haben oder auch nicht ändert an diesem hier besprochenen Problem von Civilization nichts. Wenn ich die Zeit finde kann ich gern auch eine ähnliche Analyse zu anderen Spielen machen. Mein erster Instinkt wäre das zumindest einige Titel von Paradox partiell besser wegkommen würden. Wenn es so weit sein sollte wirst du meinen Text dazu in einem neuen Thread finden.
JimRaynor
Beiträge: 31
Registriert: 7. Jun 2016, 03:17

Re: Civilization und Nationalismus

Beitrag von JimRaynor »

Vinter hat geschrieben: Eine Bewertung wie stark nationalistisch speziell Civ nun ist, ist meiner Meinung nach erstmal zweitrangig. Allein, dass es nationalistische Elemente gibt, ist ja schon mal eine Erkenntnis. Ebenfalls ist zweitrangig, ob auch andere Titel solche Züge haben: Das ist ja kein exklusives Vorrecht von Civ.
tobias hat geschrieben: Zumal das auch nichts an der von mir vorgebrachten Kritik an Civilization ändert. Die Existenz von Problem Y macht Problem X nicht weniger real oder problematisch.
Aber die Erkenntnis, das ein Nation-Building-Spiel im weitesten Sinne nationalistische Elemente hat ist in etwa so bahnbrechend wie die Erkenntnis, dass man in Shootern schießt oder in Rennspielen mit Fahrzeugen Rennen fährt. Es ist eine völlig neutrale Spielmechanik, Nation-Building-Spiele verursachen Nationalismus in dem Maße wie Shooter Gewaltätigkeit verursachen oder Rennspiele Amokfahrten in Innenstädten. Es mag vielleicht für bestimmte anfällige Gruppen eine gewisse Beeinflussung in den jeweiligen Beispielen geben, die würde ich aber stark zweitrangig sehen. Ich habe nach GTA zumindest noch nie den Drang verspürt Joggergruppen zu überfahren. Ansonsten geht es immer um den Kontext, wie eine Mechanik verwendet wird. Und bei Civ braucht man schon sehr viel Fantasie, um darin eine nationalistische Propaganda zu sehen, weil sie viel zu abstrakt gehalten ist. Da halte ich jeden Shooter für eine offensichtlichere Enthemmungsmaschine oder jedes Länderspiel gefährlicher.

Ich wüsste auch nicht, dass Civ eine historisch korrektes Spiel sein möchte, Civ stellt historische Geschichte in etwa so akkurat da, wie ein Medal of Honor oder ein Inglorious Bastards den 2. Weltkrieg. Bei Filmen wird historische oder sachliche Korrektheit aus dramaturgischen Gründen geopfert, in Spielen aus spielmechanischen Gründen für den Spielspaß. Die wenigsten Spieler können absolut realistische Rennspiele spielen und kein Spieler würde einen Shooter spielen, bei der man nach jeder Kugel erstmal einer OP zugucken muss und dann 1 Stunde Rehaübungen machen darf, bevor man weiterspielen kann. Und ich glaube auch nicht, dass jemand wegen Shooters der Meinung ist, dass Schussverletzungen heilen, wenn man 5 Sekunden in einer Ecke kauert oder ein Medipack einsammelt. Genau so vereinfacht Civ sehr stark eine korrekte historische Nation- oder Zivilisationsentwicklung. Sicher könnte man es realistischer darstellen, nur wäre es dann ein völlig anderes Spiel für eine völlig andere Zielgruppe.

Davon abgesehen hast du bei Spielen auch schlicht die KI-Problematik, die die Möglichkeiten des Computers sehr stark begrenzt ein tatsächlich reales Spielererlebnis bieten zu können.
tobias hat geschrieben:
JimRaynor hat geschrieben:Ansonsten kenne ich fast nur Filme, bei der es klar definierte Gute und Böse gibt, vielschichtige Filme, die Graustufen enthalten sind eher selten.
Vielleicht liegt das auch an dem Auszug der Filme die du schaust?
Ich schaue sehr viele Filme und bevorzugt Indie-Filme oder B-Filme, weil ich das Hollywood-Muster recht langweilig finde und mit modernen (Action)Filmen, die sich mehr auf CGI konzentrieren als auf klassische Filmtugenden, wenig anfangen kann. Daher erlaube ich mir das Urteil, dass der überwiegende Teil der Filme sehr klaren und einfachen Mustern folgt, aus denen insbesondere der Mainstream nur sehr selten ausbricht und folglich alternative Muster nur sehr bedingt massentauglich sind.
Benutzeravatar
tobias
Beiträge: 241
Registriert: 9. Dez 2015, 11:40

Re: Civilization und Nationalismus

Beitrag von tobias »

JimRaynor hat geschrieben:Ja Nationalflaggen sind ein ähnliches Thema. Die Diskussion bei jeder WM oder EM, ob Fahnen einen zum Nazi machen, gibt es so meines Wissens nur in Deutschland, da wir wohl die Nation sind, die das schwierigste Verhältnis zur eigenen Nation hat aus historischen Gründen. Man kann hinter der Nationalfahne seinen in Rassismus übergehenden Nationalismus verstecken, nur der "Deutschlandfan" der mit Flagge die 1. Strophe bei der Hymne singt oder den Hitlergruß zeigt, ist schlicht ein Nazi, egal ob ein Länderspiel ist oder nicht. Die Fahne hat ihn nicht zum Nazi gemacht, er missbraucht sie für seinen Rassismus. Ich habe lange Nationalismus und Rassismus mehr oder weniger gleichgesetzt, weil sie häufig gemeinsam kommen, hier gibt es aber auch ziemliche Ausnahmen.
Nationalismus und Rassismus sind nicht das Gleiche, aber sie weisen ähnliche kognitive Muster auf und finden sich entsprechend sehr oft aneinander gekuppelt. Bei Kosmopoliten findest du Rassismus sehr selten, bei Nationalisten sehr häufig.

Eine Nationalflagge an sich ist ein gefärbtes Stück Stoff an einer Befestigung. Die tut überhaupt nichts. Es geht immer darum was für eine Bedeutung man der Flagge zuweist. Das Problem ist aber nun das nationalen Symbolen nun auch immer eine gewisse nationalistische Eigenlogik zuteil ist. Freilich kann man diese durch Mäßigung und Verstand im Zaun halten, aber ich habe weniger das Gefühl das dies der Fall ist bei Sportmassenveranstaltungen. So kommt es dann ja tatsächlich auch regelmäßig zu rassistischen und sexistischen Übergriffen. Auch wenn das medial freilich nicht so hochgekocht wird wie wenn die Täter eine dunklere Hautfarbe haben.
Benutzeravatar
Vinter
Foul Tarnished
Beiträge: 5061
Registriert: 25. Jan 2016, 02:50

Re: Civilization und Nationalismus

Beitrag von Vinter »

JimRaynor hat geschrieben: Ich wüsste auch nicht, dass Civ eine historisch korrektes Spiel sein möchte, Civ stellt historische Geschichte in etwa so akkurat da, wie ein Medal of Honor oder ein Inglorious Bastards den 2. Weltkrieg.
Aber das hab ich doch nun drei mal geschrieben: Das Problem IST doch gerade die ahistorische Darstellung.
Spieleankündigungen und - updates 2024

Alle Spiele
Alle Streams
Benutzeravatar
tobias
Beiträge: 241
Registriert: 9. Dez 2015, 11:40

Re: Civilization und Nationalismus

Beitrag von tobias »

JimRaynor hat geschrieben:Ich war 9 Monate in Kanada, die auch ein relativ großes Nationalbewusstsein hatten und man häufig die kanadische Fahne in Gärten oder sonstwo gesehen hat - nicht ganz auf US-Niveau, eher ein Level dahinter. Trotzdem waren die Kanadier ein extremst weltoffenes Volk, das zwar ein starkes Nationalgefühl hatte, dies aber nicht zur Überhöhung oder Abgrenzung genutzt hat, es war lediglich ein neutrales Identitätsmerkmal. Als Deutscher war ich dort automatisch immer sofort beliebt und hoch angesehen, was vielleicht auch etwas damit zu tun hat, dass sehr viele Kanadier deutsche Vorfahren haben. Im direkten Vergleich hatte ich bei Gesprächen oder Kurzaufenthalten in den USA viel eher das Gefühl, das dort deutlich häufiger mit dem Nationalismus auch ein Überlegenheitsgefühl gegenüber anderen verbunden war und man die USA und sich selbst als Amerikaner allen anderen überlegen fühlte.
Zuerst ist zwischen Nationalismus und Patriotismus ein Unterschied. Zudem kennen Nationalstaaten verschiedene Legitimationen. Die USA und Kanada sehen sich gemeinhin als Nation aufgrund einer gemeinsamen Willensbekundung, nicht aufgrund einer gemeinsamen Abstammung oder Kultur. Letzere beiden Fälle sind weit explosiver und in Europa bis heute weit verbreitet.

Aber auch in den USA und Kanada richtet Nationalismus seinen Schaden an. Man denke etwa an die Vertreibung und Internierung der ursprünglichen Bewohner Nordamerikas. Oder an der Welle von Fremdenhass die neuen Einwanderergruppen in den USA immer wieder entgegen schlägt, wo Nationalismus und Rassismus sich wie so häufig miteinander verbinden. Und auch in Kanada gibt es durchaus den, wenngleich friedlichen, Konflikt zwischen den anglo- und den frankophonen.

Hat aber auch alles wenig mit den von mir dargestellten Problemen von Civilization zu tun.
JimRaynor
Beiträge: 31
Registriert: 7. Jun 2016, 03:17

Re: Civilization und Nationalismus

Beitrag von JimRaynor »

tobias hat geschrieben: Nationalismus und Rassismus sind nicht das Gleiche, aber sie weisen ähnliche kognitive Muster auf und finden sich entsprechend sehr oft aneinander gekuppelt. Bei Kosmopoliten findest du Rassismus sehr selten, bei Nationalisten sehr häufig.

Eine Nationalflagge an sich ist ein gefärbtes Stück Stoff an einer Befestigung. Die tut überhaupt nichts. Es geht immer darum was für eine Bedeutung man der Flagge zuweist. Das Problem ist aber nun das nationalen Symbolen nun auch immer eine gewisse nationalistische Eigenlogik zuteil ist. Freilich kann man diese durch Mäßigung und Verstand im Zaun halten, aber ich habe weniger das Gefühl das dies der Fall ist bei Sportmassenveranstaltungen. So kommt es dann ja tatsächlich auch regelmäßig zu rassistischen und sexistischen Übergriffen. Auch wenn das medial freilich nicht so hochgekocht wird wie wenn die Täter eine dunklere Hautfarbe haben.
Ja, da stimme ich absolut zu. Nur beim Sport stelle ich mir immer die Frage, was Ursache und Wirkung ist bzw. wo das eigentliche Problem liegt. Bei Länderspielen wird ja gerne darauf abgestellt, dass es während und nach dem Spiel eine besondere Art des Nationalismus gibt, die auch zur negativen Abgrenzung zur "Gegnernation" führt mit regelmäßigen Beleidigungen der anderen Nation wenn man verliert oder Heruntermachen der anderen Nation, wenn man gewinnt. Nur den gleichen Effekt sieht man auch bei normalen Clubspielen, wo es überhaupt nicht um Nationen geht, sondern die Abgrenzung rein über den Club stattfindet. Und gerade bei Derbys im Fußball gibt es regelmäßig die meisten Zwischenfälle und die größte Zerstörungsorgie im Anschluss an das Spiel. Bei bestimmten Ostderbys, die als Hochrisikospiel gelten, werden 1.700 Fans von 1.600 Polizisten begleitet.

Daher ist die Frage, auf die ich auch keine Antwort weiß, ob hier die Quelle für das Verhalten vorliegt oder lediglich das Ventil.
Antworten