Für den Glücksspielstaatsvertrag ist das aber gar nicht relevant und die juristischen Gegebenheiten sehen nicht vor das es eine „finanzielle Gewinnchance“ geben muss. Jedenfalls nicht in der Form wie du es wahrscheinlich meinst.Rigolax hat geschrieben: ↑17. Sep 2022, 01:18Na ja, wenn man von "Wettbewerbsverzerrung" redet, muss man imho schon schauen, dass die herangezogenen Aktivitäten überhaupt hinreichend vergleichbar sind, sonst wird es etwas fragwürdig und ggf. unfair, gerade wenn wir uns auf juristisches Terrain begeben, es gilt ja grundsätzlich die Berufsfreiheit und das schließt auch derartige "Machenschaften" erst einmal mit ein.
Es scheint so einleuchtend zu sein und es wird im Podcast teils auch als anscheinend gegeben angesehen, dass der Gesetzgeber einen Glücksspielbegriff aus dem letzten Jahrtausend habe. Aber ich schrieb schon mehrfach -- und es wird mir nicht widersprochen --, dass die finanzielle Gewinnchance viel ändert und -- kontraintuitiv -- besondere, eigene Gefahren mit sich bringt: viewtopic.php?f=2&t=8942&p=225856#p225856 Meiner Ansicht nach wird hier eine Art Kategorienfehler begangen.Numfuddle hat geschrieben: ↑17. Sep 2022, 00:55 Im Gegenteil finde ich das es einer der gelungensten und perfidesten rhetorischen Kniffe der Branche war eine Abgrenzung zum Glücksspiel zu etablieren. „Man kann bei Videospielen ja nichts gewinnen was sich in Geld zurück tauschen lässt“ ist halt ein juristischer Winkelzug aber nicht mehr.
Die Definition aus §3 Absatz 1 des GlüStv spricht nicht von Geld sondern von „Gewinn“, das ergibt auch Sinn weil ja auch Sachgewinne die durch z.B. eine Lotterie verlost werden unter Glücksspiel fallen.
„ Ein Glücksspiel liegt vor, wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt.“
Das Problem dabei ist auch nicht die Definition dessen was als Glückspiel anzusehen ist sondern wie man „Gewinn“ definiert. Aktuelle Rechtslage definiert einen Gewinn als „Vermögenswerte Leistung“ also als etwas das Geldwert hat oder das man in Geld umwandeln kann (z.B. durch Weiterverkauf). Wenn ich das richtig verstehe ist das auch mehr oder weniger rückwärts über das Steuerrecht so, weil es bei Gewinnen natürlich innerster Linie um zu versteuernde (oder im Falle von Glücksspielen eben nicht zu versteuernde) Einnahmen geht.
Deshalb weisen die Hersteller ja so verbissen darauf hin, dass der Inhalt von Lootboxen keinen Wert hat und deshalb ist der Weiterverkauf von in Game Items auch ausgeschlossen. Die Spielehersteller müssen da aber schon einige Verrenkungen eingehen um das zu erreichen. Zum Beispiel darf ein Gegenstand dann auch nicht direkt über In-Game Währungen kaufbar sein (denn dann könnte man ihm einen Geldwert zuordnen) und vieles mehr.
Dröselt man das Thema von den Zielen her auf die sich der Glücksspiel-Staatsvertrag gestellt hat gibt es auch keine wirklichen Gründe warum Lootboxen oder andere Glücksspielmechaniken eben nicht als Glückspiel zu zählen wären.
„ Ziele des Staatsvertrages sind gleichrangig
1. das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen,
2. durch ein begrenztes, eine geeignete Alternative zum nicht erlaubten Glücksspiel darstellendes Glücksspielangebot den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken sowie der Entwicklung und Ausbreitung von unerlaubten Glücksspielen in Schwarzmärkten entgegenzuwirken,
3.den Jugend- und den Spielerschutz zu gewährleisten,
4.sicherzustellen, dass Glücksspiele ordnungsgemäß durchgeführt, die Spieler vor betrügerischen Machenschaften geschützt, die mit Glücksspielen verbundene Folge- und Begleitkriminalität abgewehrt werden, und
5. Gefahren für die Integrität des sportlichen Wettbewerbs beim Veranstalten und Vermitteln von Sportwetten vorzubeugen“
Aktuell fallen Glückspiel-ähnliche Mechaniken in Spielen nicht unter die Ziele, deshalb gibt es z.B. keine Pflicht zum Jugendschutz oder Schutz vor betrügerischen Machenschaften“. Dem entgegen steht aber ein nicht unerhebliches finanzielles Interesse der Publisher ihren Kunden möglichst viel Geld aus der Tasche zu ziehen.
Ich sehe da nach wie vor keinen Kategorienfehler. Die meisten Gacha, Free2Play und P2W Mechaniken unterscheiden sich nur unerheblich von „echtem“ Glücksspiel bis auf die - juristisch noch nicht endgültig geklärte Frage - ob die so erhaltenen Inhalte als „Gewinn“ im Sinne des deutschen Rechts zu werten sind.
Die Ziele des Staatsvertrages und des Glücksspielrechts allgemein sind es Schaden von der Bevölkerung abzuhalten und die negativen Auswirkungen von unreguliertem Glückspiel so weit es geht zu minimieren. (Und natürlich um das Steuerrecht) Unter diesem Gesichtspunkten müssten Gewinnspiel-ähnliche Mechaniken in Spielen meiner Ansicht nach selbstverständlich dem „echten“ Glückspiel gleich gestellt und gleich behandelt werden.
Letztendlich fehlt mir von deiner Seite auch der Beleg dafür das eine „finanzielle Gewinnchance“ daran materiell etwas ändert. Glaubst du jeder der sog. Wale oder Delphine ist ein gelangweilter Investment-Banker der nach dem dritten Ferrari nicht mehr weiß wo er mit seinem Geld hin soll und deshalb einmal Diablo Immortal leerkauft?
Das Internet ist voll mit den Erfahrungsberichten von Leuten die sich für das eine oder andere Free to Play Spiel teilweise bis über beide Ohren verschuldet haben, bis hin zur Aufnahme von Krediten oder dem Ausreizen von Dispo-Krediten oder Kreditkartenlimits. Kinder und Jugendliche die die Kreditkarten ihrer Eltern entwendet haben um damit Ultimate-Team Booster Packs zu kaufen, Leute die teilweise Beziehungen, Jobs und Sozialleben drangeben um in irgendeinem Gacha-Spiel seltene Items zu grinden.
und ja wenn ein Jugendlicher die Kreditkarte seiner Eltern entwendet oder die Ersparnisse von Oma auf den Kopf haut ist das auch „Beschaffungskriminalität“
Ein „echter“ Glücksspielabhängiger ist da im Vergleich sogar besser gestellt weil ihm schon rein rechtlich eine ganze Reihe von Möglichkeiten offen stehen die ein Lootbox-Mechaniken Opfer eben nicht hat (ist ja kein Glückspiel) zum Beispiel kann er gesperrt werden oder sich sperren lassen, er kann davon ausgehen dass die Glücksspiele nicht in betrügerischer Absicht arbeiten. Der Betreiber benötigt eine Glückspiellizenz und ist juristisch für Verstöße haftbar etc.
Für mich bleibt das auch nach wie vor eine staatlich sanktionierte Verzerrung des Wettbewerbs, weil die Free to Play Anbieter selbstverständlich Glücksspiele betreiben sich halt bisher erfolgreich hinter dem „gibt keinen Vermögenswert“ Winkelzug verstecken können aber völlig unreguliert arbeiten können und sich um Dinge wie Spielerschutz und Jugendschutz nicht kümmern müssen.
edit: Der „Einsatz“ pro Spiel muss übrigens auch nicht besonders hoch sein, damit es als Einsatz im Sinne eines Glücksspiels gilt, Je nach Urteil reichen Centbeträge bzw. Geringe Eurobezräge als Einsatz aus