Runde #388: Ein Feuerwerk und eine Ente

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Yano
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Re: Runde #388: Ein Feuerwerk und eine Ente

Beitrag von Yano »

Indii hat geschrieben: 11. Sep 2022, 19:38
Yano hat geschrieben: 11. Sep 2022, 16:47
mrcb hat geschrieben: 11. Sep 2022, 13:30 Ich kann das Thema Crunch irgendwie nicht (mehr) richtig hören...
Was sollen alle Pflegekräfte in Heimen, um nur mal ein Beispiel zu nennen, sagen?!
Da ist zwei Wochen 15 Stunden arbeiten, ein (!) Tag frei, dann wieder von vorne... inkl. Schicht...
Muss gestehen das ich mich bei ähnlichen Gedanken immer mal wieder erwische wenn ein aktuelles Crunch Thema aufkommt.
Hängt sicher damit zusammen das ich selbst betroffener dieses Berufs bin.
Da kommen unweigerlich Gedanken das die wahrscheinlich das 5fache verdienen und deutlich weniger Bandscheibenvorfälle und Leistenbrüche davon tragen.
Vom Gesellschaftlichen nutzen ganz zu schweigen.
Und hinterher kommt direkt das schlechte Gewissen für diesen Vergleich...
Sorry, wenn die Frage ein bisschen naiv ist: Aber gibt es gegen sowas nicht Regelungen?
Leider wurde meine ausführlichere Antwort verschluckt deswegen nun in Kürze.

Die Regeln bestehen auf dem Papier, sind in der Praxis aber kaum existent.
MAV's und Heimaufsichten kommen kaum über verbale Ermahnungen hinaus.
Der Pflegenotstand kommt nicht von ungefähr.
Es gibt mehr als genug ausgebildetee Fachkräfte, diese haben aber massenweise der Branche den Rücken gekehrt weil die Arbeitsbelastung unaushaltbar ist.
Es gibt keine starke authentische Lobby, und ein großteil des verblieben Personals ist zu ausgebrannt um Konsequent die Stimme zu erheben.
Stasya
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Re: Runde #388: Ein Feuerwerk und eine Ente

Beitrag von Stasya »

Wenn es am Ende um Menschenleben geht, kann es noch so viele Gesetze und Regelungen geben. Wenn Not im Personal ist, muss jede:r ran. Bei meiner Mutter im mobilen Dienst fahren im Zweifelsfall sogar die Chef:innen und Bürokräfte mit, obwohl die schon vor Jahren aus gesundheitlichen Gründen an den Schreibtisch umgeschult haben...

Aber kann man die Diskussion nicht auch von der anderen Seite sehen?
Wenn wir Crunsh schon in der UNTERHLATUNGSBRANCHE dulden und "fördern", ihn also normal und gesellschaftsfähig halten, wird im sozialen Umfeld erst Recht nichts angegangen, denn, andere weniger wichtige Branchen machen es doch auch (teils sogar freiwillig)?
Ich finde anhaltende Mehrarbeit in allen Bereichen falsch.
Erst Freitag wieder mit einem Kollegen (30J) diskutiert, der aus freien Stücken 10h am Tag arbeitet und seine Pausen kürzt. Warum? Für unwichtige Dinge (nichts hier ist lebenswichtig, alles kann auf den nächsten Tag warten) und weil er, laut eigener Aussage, zu Hause auch nichts zu tun hat und sich lieber die Kohle für die Überstunden abholt.

Der gleiche Kollege schimpft übrigens gerne über Verschiebungen und ist auch uneinsichtig, wenn er dafür eben verbuggte Spiele kriegt 🤷
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Voigt
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Re: Runde #388: Ein Feuerwerk und eine Ente

Beitrag von Voigt »

Ich mein ich (29J) mache ja auch manchma 9h Tage, statt die regulären 7h36min. Da aber nich um Chef zu gefallen, sondern weil mich Arbeit ernsthaft interessiert und ich Lösung für ein Problem finden möchte. Klar geht das meist auch am Tag drauf, aber bin gerade schön drin.

Wir haben aber auch Zeiterfassung mit flexibler Arbeitszeit, daher nach jetzt fast einem Jahr bin ich bei insgesamt 8 Überstunden. Der Rest wurde dann auch immer wieder abgebaut.
Ich merke halt auch, wenn ich mal 4 Tage am Stück Überstunden mache, bin ich am fünften Tag eh schon sehr unproduktiv und manchma auch in der letzten Überstunde an den vorigen Tagen.
Also sobald es irgendwie gehäuft wird, nimmt Effizienz rapide ab.
Mauswanderer
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Re: Runde #388: Ein Feuerwerk und eine Ente

Beitrag von Mauswanderer »

Stasya hat geschrieben: 12. Sep 2022, 09:03
Aber kann man die Diskussion nicht auch von der anderen Seite sehen?
Wenn wir Crunsh schon in der UNTERHLATUNGSBRANCHE dulden und "fördern", ihn also normal und gesellschaftsfähig halten, wird im sozialen Umfeld erst Recht nichts angegangen, denn, andere weniger wichtige Branchen machen es doch auch (teils sogar freiwillig)?
Ich finde anhaltende Mehrarbeit in allen Bereichen falsch.
Erst Freitag wieder mit einem Kollegen (30J) diskutiert, der aus freien Stücken 10h am Tag arbeitet und seine Pausen kürzt. Warum? Für unwichtige Dinge (nichts hier ist lebenswichtig, alles kann auf den nächsten Tag warten) und weil er, laut eigener Aussage, zu Hause auch nichts zu tun hat und sich lieber die Kohle für die Überstunden abholt.
Ich weiß nicht, ob man da so ein "Ranking" hinterlegen kann. Die Gründe für anhaltenden Crunch sind ja in der Regel ähnlich (zu wenig Personal, schlechtes Projektmanagement, extreme Umweltfaktoren), auch wenn sich natürlich die persönlichen Ziele der Mitarbeiter (Menschen helfen vs. Produkt fertigstellen) stark unterscheiden. Langanhaltender, vermeidbarer Crunch ist nie okay, auch nicht beim Rettungssanitäter, aber eine Pandemie hätte vermutlich auch in einem gesunden Gesundheitssystem zu so etwas wie "Crunch" geführt. Auf der anderen Seite kann es sicherlich auch beim Spieleentwickler unvorhersehbare Situationen geben, die mal eine extrem arbeitsintensive Woche erfordern. Auch ordentlich geplante Puffer können nicht alles ausgleichen und "wirtschaftliches Überleben" kann auch eine valide Motivation sein. Das muss man dann IMHO nicht verteufeln, das Feld zwischen "sklavisch an die Stechuhr halten" und "gesundheitsgefährdende/familienzerrütende/sozialverkümmernde Überarbeitung" ist ziemlich weit und zu einem gewissen Grade ist die Grenze zwischen "ok" und "nicht ok" dabei individuell.
Die Frage ist ja oft, wo überhaupt der "Crunch" beginnt. Ich kenne deinen Kollegen natürlich nicht und erst recht nicht seine Arbeitsergebnisse, aber es gibt sicher auch Menschen, die bei einigermaßen flexibler Arbeitszeit ihre Arbeit auch einfach "strecken" oder Stunden ansparen/den Mehrverdienst nutzen wollen, zumal wenn sie keinen besonderen Grund sehen, früh daheim zu sein. Als Wochenendpendler arbeite ich Mo-Do auch meistens deutlich über "Soll", um dafür dann öfter mal einen Tag früher heimzufahren. Wenn wirklich keinerlei expliziter oder wahrgenommener Druck durch den Arbeitgebern vorhanden ist, tue ich mich schwer, das mit Crunch zu vergleichen.
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Felidae
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Re: Runde #388: Ein Feuerwerk und eine Ente

Beitrag von Felidae »

Mauswanderer hat geschrieben: 12. Sep 2022, 10:03Auf der anderen Seite kann es sicherlich auch beim Spieleentwickler unvorhersehbare Situationen geben, die mal eine extrem arbeitsintensive Woche erfordern.
Den Satz hab ich exemplarisch zitiert - denn um sowas geht es bei der ganzen Geschichte doch nicht. Genausowenig wie um "an vier Tagen länger arbeiten, um am fünften frei zu haben". Von "Crunch" spricht man meines Wissens doch erst dann, wenn über Wochen oder Monate hinweg die Regelarbeitszeit konsequent massiv überschritten wird und auch keinerlei Zeitausgleich stattfindet. Sprich: Mindestens mehrere Wochen hintereinander 60 - 70 Stundenwochen. Jochen hat im Podcast ja das Beispiel genannt: Anfang August merken, dass mit dem bisherigen Arbeitspensum der Release Anfang Dezember (!) nicht machbar ist. Und deshalb dann vier Monate lang gecruncht wird. Das ist in keinster Weise gleichzusetzen mit "Ende der Woche muss das fertig sein, bis dahin müssen wir echt ranklotzen".
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Re: Runde #388: Ein Feuerwerk und eine Ente

Beitrag von Mauswanderer »

Felidae hat geschrieben: 12. Sep 2022, 12:43
Mauswanderer hat geschrieben: 12. Sep 2022, 10:03Auf der anderen Seite kann es sicherlich auch beim Spieleentwickler unvorhersehbare Situationen geben, die mal eine extrem arbeitsintensive Woche erfordern.
Den Satz hab ich exemplarisch zitiert - denn um sowas geht es bei der ganzen Geschichte doch nicht. Genausowenig wie um "an vier Tagen länger arbeiten, um am fünften frei zu haben". Von "Crunch" spricht man meines Wissens doch erst dann, wenn über Wochen oder Monate hinweg die Regelarbeitszeit konsequent massiv überschritten wird und auch keinerlei Zeitausgleich stattfindet. Sprich: Mindestens mehrere Wochen hintereinander 60 - 70 Stundenwochen. Jochen hat im Podcast ja das Beispiel genannt: Anfang August merken, dass mit dem bisherigen Arbeitspensum der Release Anfang Dezember (!) nicht machbar ist. Und deshalb dann vier Monate lang gecruncht wird. Das ist in keinster Weise gleichzusetzen mit "Ende der Woche muss das fertig sein, bis dahin müssen wir echt ranklotzen".
Eben diese Unterscheidung schien mir nicht so klar zu sein. Ich schrieb daher ja auch
Langanhaltender, vermeidbarer Crunch ist nie okay
Im Podcast wurde ja als These eingeworfen, kurze (ich glaube, die Rede war von drei Tagen oder so?) Sprintphasen seien kein Problem, dem wurde aber sofort vehement widersprochen. Und so kategorisch kann ich da eben nicht mitgehen, denn wie du schreibst: Das ist nicht automatisch Crunch.
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MrWayne
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Re: Runde #388: Ein Feuerwerk und eine Ente

Beitrag von MrWayne »

Ich frage mich wie Jochen eigentlich darauf kommt das es den Leuten in Amerika so viel schlechter geht als in Europa. Das Lohnniveau in den Staaten ist sehr vergleichbar mit Deutschland, im Mittel (Median) verdienen Amerikaner etwa 42.000$ pro Jahr (Stand 2019), Deutsche hingegen verdienen nur etwa 31.000$(Stand 2018), arbeiten dafür allerdings etwa 25-30% weniger als Amerikaner.

Dazu kommt das Deutschland eines der reichsten Länder in Europa ist. Süd- und Osteuropäer, für die die Preiserhöhung ja genauso gilt, sind finanziell wesentlich ärmer dran als der durchschnittliche US-Amerikaner.

Der hohe Dollar Kurs und die starke Konkurrenz auf dem US-Markt sind, wie Sebastian und Andre sagten, die weit aus bessere Erklärung warum die Preise bei uns steigen und in den USA nicht.
Voigt
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Re: Runde #388: Ein Feuerwerk und eine Ente

Beitrag von Voigt »

Die jungen Amerikaner beklagen sich ja immer stärker, glaube auch weil die mehr Kontakt übers Internet mit Europa und anderne Ländern haben, und Jochen folgt da deren Aussagen. Ich weiß jetzt nicht wie genau die Aussagen wirklich stimmen im Vergleich, auschließen würde ich es aber nicht, dass es in USA wirklich immer schlechter geht.

Was ich mitbekommen habe sind die extremem Mietpreise. Klar im ländlichen und meist damit auch republikanischen sind Preise noch voll in Ordnung, aber die meisten Amerikaner leben halt in den Millionenstädten, wenn ich mir https://en.wikipedia.org/wiki/Metropoli ... tical_area anschaue sind von den ca. 350 Millionen Einwohner insgesamt schon 100 Millionen die in den Top13 Metropolregionen, also bis San Fransico leben.
175 Millionen sind dann bis Platz 44 Richmond, was aber immernoch selbst 1.3 Millionen Einwohner hat.
Diese Millionenstädte sind halt meist ziemlich teuer, so wie es München, Hamburg, Frankfurt und so auch bei uns sind.

https://de.statista.com/statistik/daten ... eutschland

Bei uns hingegen gibt es nur 4 Millionenstädte und sinkt dann auch schnell ab. Klar sind Bremen, Dresden und Nürnberg jetzt auch nicht total günstig, aber geht vergleichsweise schon. Bis Nürnberg sind vielleicht so 15 Millionen Einwohner was 19% sind, während die 100 Millionen bis SanFran schon 29% waren.

Daher vielmehr Leute in USA leben in teuren Städten wo die in Richmond schon 1500 USD Miete zahlen und in den richtigen Megastädten nochmal einiges mehr als das, da geht es eher bei 2000 USD los. Daher auch mit dem höheren US Einkommen, bleibt alleine nach Miete schon nicht soo viel übrig, und wenn di dann noch so extrem viel für Krankenversicherung und zusätzlich Co-Pay zurücklegen müssen wird es schon ziemlich düster.
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Jochen Gebauer
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Re: Runde #388: Ein Feuerwerk und eine Ente

Beitrag von Jochen Gebauer »

MrWayne hat geschrieben: 12. Sep 2022, 17:11Ich frage mich wie Jochen eigentlich darauf kommt das es den Leuten in Amerika so viel schlechter geht als in Europa
Nun, indem ich mich in den letzten 20 Jahren ein bisschen näher mit der Thematik beschäftigt habe als mit den Durchschnittsverdiensten ;)

Zum Beispiel:

- Mehr als 30% der Amerikaner unter 65 haben keine Krankenversicherung. Von den übrigen ca. 65% haben viele nur eine rudimentäre Absicherung und müssen im Versicherungsfall (Krankenhausaufenthalt o.ä.) oft einen beträchtlichen Teil der Kosten selbst tragen
- Rund 10% der Beschäftigten haben gar keine "sick days", mehr als ein Viertel haben 1-5 Tage pro Jahr. Länger krank? Nicht bezahlt oder Rauswurf
- Rund 10% der Beschäftigen haben keinen Urlaub. Der Durchschnittsurlaub liegt bei 10 Tagen pro Jahr. Die USA sind das einzige westliche Industrieland, das Beschäftigten keinen gesetzlichen Urlaub gewährt
- Das Studium an einem Community College (2 Jahre, keine "echte" Uni) kostet im Schnitt 13.000$ pro Jahr. An einer normalen Uni zwischen 20.000$ und 40.000$ pro Jahr
- ca 55% der Studenten müssen sich mit zurückzuzahlenden Studentenkrediten das Studium finanzieren. Die starten im Mittel mit Schulden von 30.000$ bis 40.000$ ins Berufsleben

Soll ich weiter machen? :mrgreen:
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Jochen Gebauer
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Re: Runde #388: Ein Feuerwerk und eine Ente

Beitrag von Jochen Gebauer »

Voigt hat geschrieben: 12. Sep 2022, 17:32Was ich mitbekommen habe sind die extremem Mietpreise. Klar im ländlichen und meist damit auch republikanischen sind Preise noch voll in Ordnung
Schnipp:

https://www.theguardian.com/society/202 ... e-data-map
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Re: Runde #388: Ein Feuerwerk und eine Ente

Beitrag von Rigolax »

Die Frage ist doch zu pauschal: wer sind denn "die Leute". Es gibt Leute, die profitieren von dem System in den USA und es gibt die, die tun es nicht, und die, die sehr davon profitieren, fahren damit womöglich besser, als sie es in Deutschland würden, und die, die die weniger davon profitieren, vermutlich sogar die Mehrheit, fährt schlechter. Es ist halt keine soziale Marktwirtschaft. American Dream, und so. Aber sooo viel besser ist es in Deutschland absehbar viiielleicht imho auch nicht.
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Re: Runde #388: Ein Feuerwerk und eine Ente

Beitrag von Voigt »

@Jochen Danke für die noch paar mehr Daten, und ja gibt halt noch einige Flecken die "affordable" sind aber großteil lebt halt in den teuren Städten und deren Vororte. Die Counties im Mittleren Westen sind ja fast komplett leer, aber so im Bible Belt sind da auch noch einige Leute, aber dann halt auch teifste Republikaner, wo viele auch dann einfach nicht leben wollen (und genau daher ja auch die Mietpreise wieder niedriger sind ^^)

Aber ja hatte ich damals in der Schule schon so mitbekommen, USA war das gelobte Land von viel Einkommen und wenig Steuern, wo man dadurch viel Geld scheffeln kann, solange man halt ein geerbtes Haus hat und nie krank wird. :D
Wenn das nicht existiert zerfressen die Ausgaben schnell jegliches tolles Geld was man da verdienen kann, und das wurde über die Zeit immer nur schlimmer.
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Re: Runde #388: Ein Feuerwerk und eine Ente

Beitrag von Smutje187 »

Deutschland: ~10 gesetzliche Feiertage, 20 Tage Jahresurlaub gesetzlich vorgeschrieben, meist 30, also 40 Tage frei pro Jahr.
USA: 10 Tage Urlaub oder so?

Keine weiteren Fragen :D und junge Amerikaner wissen das natürlich (Internet, Studium im Ausland) und fühlen sich dann natürlich veräppelt, weil der Verlust von Aufstiegschancen auch noch mal härter als in Deutschland ist, wenn man fest mit steigenden Gehältern rechnet, um mal seinen Kredit abzubezahlen.

Und niedrigere Mieten im nirgendwo sind ja schön aber irrelevant wenn’s da keine Jobs gibt - so wie in Deutschland wo Montags die Handwerkerkolonne nach Westen und Freitag zurück in den Osten rollt. Zu hohe Mieten in München oder Hamburg? Zieh doch nach Sachsen! Äh ja :)
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MrWayne
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Re: Runde #388: Ein Feuerwerk und eine Ente

Beitrag von MrWayne »

Jochen Gebauer hat geschrieben: 12. Sep 2022, 17:37 Nun, indem ich mich in den letzten 20 Jahren ein bisschen näher mit der Thematik beschäftigt habe als mit den Durchschnittsverdiensten ;)

Zum Beispiel:

- Mehr als 30% der Amerikaner unter 65 haben keine Krankenversicherung. Von den übrigen ca. 65% haben viele nur eine rudimentäre Absicherung und müssen im Versicherungsfall (Krankenhausaufenthalt o.ä.) oft einen beträchtlichen Teil der Kosten selbst tragen
- Rund 10% der Beschäftigten haben gar keine "sick days", mehr als ein Viertel haben 1-5 Tage pro Jahr. Länger krank? Nicht bezahlt oder Rauswurf
- Rund 10% der Beschäftigen haben keinen Urlaub. Der Durchschnittsurlaub liegt bei 10 Tagen pro Jahr. Die USA sind das einzige westliche Industrieland, das Beschäftigten keinen gesetzlichen Urlaub gewährt
- Das Studium an einem Community College (2 Jahre, keine "echte" Uni) kostet im Schnitt 13.000$ pro Jahr. An einer normalen Uni zwischen 20.000$ und 40.000$ pro Jahr
- ca 55% der Studenten müssen sich mit zurückzuzahlenden Studentenkrediten das Studium finanzieren. Die starten im Mittel mit Schulden von 30.000$ bis 40.000$ ins Berufsleben

Soll ich weiter machen? :mrgreen:
Ich bin noch nicht so ein alter Hase wie du Jochen aber ich beschäftige mich auch gerne mit Ökonomie ;)

Die Punkte die du nennst sind nicht falsch, sagen aber trotzdem nicht viel darüber aus ob Amerikaner sich nun eine Playstation leisten können oder nicht.

Der Punkt mit den Schulden stimmt, nur verdienen eben die meisten nach Ende des Studiums genug um die Schulden gut abzahlen zu können. Die Schulden eines durchschnittlichen Haushalts sind zumindest in Deutschland und den USA sehr vergleichbar.

Das die Arbeitnehmerrechte in den Staaten viel schwächer sind als bei uns, dass weiß ich auch. Nur sagt das eben nichts über die Vergütung der Arbeit aus, die ist sehr vergleichbar mit den Stundenlöhnen bei uns. Der niedrige föderale Mindestlohn sagt ebenfalls nichts über Kaufkraft des Amerikanischen Durschnittsverdieners aus, und die interessieren uns doch gerade. Jemand mit niedrigen Einkommen kauft sich sowieso keine PS5, so zynisch das auch klingt.

Allgemein müsste es sich auch auf die Hardware Adaptionsrate niederschlagen wenn sich die Leute eine Konsole nicht leisten können aber wenn man sich die Verkaufszahlen der letzten zehn Jahren ansieht, sieht man das Europa neue Hardware meist langsamer adaptiert als Amerika was eben ein Indiz dafür ist das Europäer meist warten bis der Preis der Hardware sinkt.

Edit: Ich möchte hier gar nicht das amerikanische System verteidigen, Ich wohne auch 10mal lieber in Deutschland :D , aber manchmal sieht man vor lauter negativen Sachen, die man aus Amerika mitbekommt, nicht das es den Durchschnitt dort nicht so schlecht geht.
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Jochen Gebauer
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Re: Runde #388: Ein Feuerwerk und eine Ente

Beitrag von Jochen Gebauer »

Rigolax hat geschrieben: 12. Sep 2022, 17:47Die Frage ist doch zu pauschal: wer sind denn "die Leute". Es gibt Leute, die profitieren von dem System in den USA und es gibt die, die tun es nicht, und die, die sehr davon profitieren, fahren damit womöglich besser, als sie es in Deutschland würden, und die, die die weniger davon profitieren, vermutlich sogar die Mehrheit, fährt schlechter. Es ist halt keine soziale Marktwirtschaft. American Dream, und so. Aber sooo viel besser ist es in Deutschland absehbar viiielleicht imho auch nicht.
Da müsste schon einiges zustande kommen. Stell' dir einfach vor, du hast ab morgen nur noch 10 Tage Urlaub, kannst drei Tage im Jahr krank sein, deine Krankenversicherung zahlt die nötigen Medikamente nur zu einem Drittel und du musst für deine Kinder 200.000€ (pro Kind) ansparen, damit sie auf die Uni können, um wenigstens die Chance auf ein wenig Wohlstand zu bekommen. Oh, und wenn du zur Miete wohnst, kann dich dein Vermieter jeden Monat ohne Gründe vor die Tür setzen.

In den USA lebt es sich als Teil der oberen 5-10% prächtig. Aber alles darunter ist im Vergleich zu Deutschland - auch wenn hier die Entwicklung ebenfalls stramm nach unten zeigt - eine ziemliche Katastrophe.
MrWayne hat geschrieben: 12. Sep 2022, 18:49Der Punkt mit den Schulden stimmt, nur verdienen eben die meisten nach Ende des Studiums genug um die Schulden gut abzahlen zu können.
Nein, das tun sie eben nicht mehr. Und auch schon länger nicht. Die Reallöhne in den USA stagnieren im Grunde seit den 70ern (https://www.weforum.org/agenda/2019/04/ ... one-chart/) - parallel haben sich die Uni-Kosten aber teils verzigfacht. Alleine von 2006 bis 2022 hat sich die Gesamtsumme der ausstehenden Student Loans mehr als verdreifacht (https://www.statista.com/chart/24477/ou ... ent-loans/).
Das die Arbeitnehmerrechte in den Staaten viel schwächer sind als bei uns, dass weiß ich auch. Nur sagt das eben nichts über die Vergütung der Arbeit aus, die ist sehr vergleichbar mit den Stundenlöhnen bei uns
Bloß sagen Stundenlöhne alleine halt nicht sonderlich viel, wenn man sie nicht in den Kontext der allgemeinen Lebensverhältnisse stellt. Wenn ich in den USA genau so viel verdiene wie in Deutschland, aber hunderttausende für die Bildung meiner Kinder zurücklegen muss, ändert sich meine Kaufkraft erheblich. Wenn ich drei Monate keinen Lohn kriege, weil ich krank bin, ebenfalls. Oder wenn ich jeden Monate hunderte Dollar für Medikamente ausgeben muss, weil mich die Arbeit in einem Job mit 5 Tagen Jahresurlaub chronisch krank gemacht hat. Oder oder oder.
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Re: Runde #388: Ein Feuerwerk und eine Ente

Beitrag von Smutje187 »

„Only 3% of the respondents define their financial situation as bad, but 4 in 10 couldn’t afford to buy a new pair of shoes today.

83% claimed they have 3–6 months of savings, yet 60% couldn’t afford an unexpected $400 expense.“

(https://resumelab.com/career-advice/recession-fears)

:-(
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MrWayne
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Re: Runde #388: Ein Feuerwerk und eine Ente

Beitrag von MrWayne »

Jochen Gebauer hat geschrieben: 12. Sep 2022, 19:10
Nein, das tun sie eben nicht mehr. Und auch schon länger nicht. Die Reallöhne in den USA stagnieren im Grunde seit den 70ern (https://www.weforum.org/agenda/2019/04/ ... one-chart/) - parallel haben sich die Uni-Kosten aber teils verzigfacht. Alleine von 2006 bis 2022 hat sich die Gesamtsumme der ausstehenden Student Loans mehr als verdreifacht (https://www.statista.com/chart/24477/ou ... ent-loans/).
Also ich lese aus dem Artikel etwas anderes heraus. Ende der 70er Jahres gab es einen starken Einbruch der Reallöhne in Amerika aber seit Mitte der 90er gibt es ein sehr stetiges Wachstum und 2019 wurde anscheinend der höchsten je gemessene Wert in der Geschichte der USA erreicht, dass widerspricht ja genau deiner These.
Befänden wir uns im Jahr 1978 würd ich bei deiner These mitgehen.
Bloß sagen Stundenlöhne alleine halt nicht sonderlich viel, wenn man sie nicht in den Kontext der allgemeinen Lebensverhältnisse stellt. Wenn ich in den USA genau so viel verdiene wie in Deutschland, aber hunderttausende für die Bildung meiner Kinder zurücklegen muss, ändert sich meine Kaufkraft erheblich. Wenn ich drei Monate keinen Lohn kriege, weil ich krank bin, ebenfalls. Oder wenn ich jeden Monate hunderte Dollar für Medikamente ausgeben muss, weil mich die Arbeit in einem Job mit 5 Tagen Jahresurlaub chronisch krank gemacht hat. Oder oder oder.
Du hast recht, der Stundenlohn an sich sagt wenig darüber aus was die Leute damit tatsächlich konsumieren, nur gibt es keine Anzeichen das Amerikaner in den letzten Jahren tatsächlich weniger Unterhaltungselektronik konsumieren, zumindest kenne ich keine Daten die das suggerieren.
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derFuchsi
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Re: Runde #388: Ein Feuerwerk und eine Ente

Beitrag von derFuchsi »

Nur kurze Gedankenblitze beim hören gerade, bin noch nicht durch mit der Folge aber bevor ichs vergesse.
Habe gehört wie Jochen vehement gegen Crunch eingetreten ist als Sebastian ankam mit "Naja eine Woche..." aber im gleichen Atemzug hörte ich von ihm paraphrasiert "aber eine realistische(!) Lösung habe ich auch nicht weil gewisse Umstände zwingen einen oft dazu".
Mal blöd gefragt weil ich da beim vehementen Widerspruch an Sebastian etwas stutzig wurde ("NEIN! Kann man NICHT!"), was ist denn der Unterschied zwischen "Überstunden machen" und Crunch? Der Begriff wird mir langsam zu inflationär benutzt. Nebenbei habe ich den außerhalb der Spielebranche noch nie gehört.

Und noch kurz zum Thema CO2 Fußabdruck, ob man solche Veranstaltung wie Messen noch abhalten sollte und Emissionshandel und persönlicher CO2 Fußabdruck.
Unwillkürlich stellte sich bei mir im Hinterkopf der Vergleich mit diesem chinesischen Punktesystem für Bürger ein. Wie wärs mit einem ähnlichen System mit Klimapunkten für Bürger? Wird bestimmt ein riesen Erfolg...

Nebenbei, die Messeveranstalter schreiben den Besuchern doch nicht vor wie sie zur Messe kommen sollen? Können theoretisch auch alle mit dem Rad und Segelboot kommen. Das der Messe anzulasten halte ich für zumindest diskussionswürdig.
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Rhaegar
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Re: Runde #388: Ein Feuerwerk und eine Ente

Beitrag von Rhaegar »

derFuchsi hat geschrieben: 15. Sep 2022, 10:17 Nebenbei, die Messeveranstalter schreiben den Besuchern doch nicht vor wie sie zur Messe kommen sollen? Können theoretisch auch alle mit dem Rad und Segelboot kommen. Das der Messe anzulasten halte ich für zumindest diskussionswürdig.
Anzulasten finde ich hier das falsche Wort, aber die Besucher spielen hier eben eine sehr bedeutende Rolle. Bei uns im Unternehmen gehört zur Klimabilanz z.B. natürlich auch die Anfahrt der Mitarbeiter ins Büro und auch bei Veranstaltungen die Anreise der Teilnehmer. Jetzt hat die Gamescom meines Wissens nach die Veranstaltung nicht als gänzlich klimaneutral vermarktet, das muss man fairerweise auch dazu sagen.

Mein Arbeitgeber arbeitet im Übrigen auch mit Climate Partner zusammen, ich fand die Zusammenarbeit hier nicht so kritisch wie gerade in der Öffentlichkeit berichtet. Uns hat die Zusammenarbeit schon sehr dabei geholfen, auch erstmal einen Überblick über unsere Gesamtbilanz als Unternehmen zu bekommen und nicht nur über den Weg der reinen Kompensation zu gehen, sondern eben auch tatsächliche Einsparungen vorzunehmen. Ob es dafür einen solchen teuren Zertifizierungspartner braucht und man nicht direkt ein entsprechendes Projekt fördern könnte, da mag man unterschiedlicher Einschätzung sein. Ich kann aber schon verstehen, dass viele Unternehmen am Ende des Prozesses ein entsprechendes Zertifikat vorweisen können möchten.
maverick21
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Re: Runde #388: Ein Feuerwerk und eine Ente

Beitrag von maverick21 »

Jochen Gebauer hat geschrieben: 11. Sep 2022, 15:09 [...]
Hi Jochen,

vielleicht liest du das hier ja noch.

Ich möchte nochmal auf den Punkt sinnvolle Möglichkeiten zur Investition in den Klimaschutz eingehen.

Wie ich an anderer Stelle geschrieben habe, sollte man diese projektbezogenen CO2-Kompensationen (wie jetzt auch bei der GC) definitiv kritisch betrachten, vor allem, weil viele Unternehmen das als reine PR nutzen, um sich klimabewusst darzustellen, ohne ihr eigenes (klimaschädliches) Verhalten ändern zu müssen. Insbesondere bei den Aufforstungsprojekten sollte man sehr vorsichtig sein, da es bei denen sehr einfach ist Unfug zu betreiben, bspw.:

- die lokale Bevölkerung wird zwangsweise umgesiedelt und verliert ihre Heimat
- Baumbestände werden extra gerodet, um dann wieder neue Bäume anzupflanzen, was extrem zynisch ist
- die Projekte werden nicht vollumfänglich geplant und betreut, bspw. was den nachhaltigen Erhalt der Bäume angeht, oft werden die Bäume einfach gepflanzt und das wars. Außerdem muss man bedenken, dass es ja auch 10+ Jahre nach der Pflanzung dauert, bis die Bäume größere Mengen CO2 binden können
- die Gelder werden aufgrund der schlechten Kontrolle veruntreut

Gleichzeitig würde ich solche Projekte aber auch nicht per se in Frage stellen, da gibt es definitiv auch viele sinnvolle und gut umgesetzte Projekte, bspw. in den Bereichen Bau von EE-Anlagen oder auch Verbesserung der Energieeffizienz.

Grundsätzlich kann diese Form der projektbezogenen Kompensation aber nicht die endgültige Lösung sein, die muss sein, dass die gesamten Wertschöpfungsketten auf klimaverträgliche Technologien umgestellt werden. In der Übergangsphase und in Bereichen, in denen das noch nicht möglich ist, kann eine sinnvoll umgesetzte Kompensation IMO aber schon Sinn machen. Als Privatperson kann man sich bei Interesse ja auch bestimmte Projekte individuell aussuchen, die einem seriös erscheinen, bspw. auch im regionalen Umfeld, dann ist man nicht auf die Auswahl der Kompensations-Dienstleister angewiesen.


Ich würde aber eine andere Art der Kompensation empfehlen, die ich aus diversen Gründen sinnvoller finde als die oben beschriebenen projektbezogene CO2-Kompensation. Nämlich den Aufkauf mit anschließender Stilllegung von "echten" CO2-Zertifikaten beim europäischen Emissionshandel (EU-ETS).

Theoretisch kann man sich auch als Privatperson für den Handel mit CO2-Zertifikaten am ETS registrieren, aber das ist aufwendig und als einzelne Person nicht sonderlich sinnvoll. Auch hier gibt es "Dienstleister", über die das gesammelt laufen kann. Diese Dienstleister sind im Handelsregister des ETS eingeschrieben und kaufen mit den Spenden der Mitglieder CO2-Zertifikate direkt an den Strombörsen ein, die dann anschließend stillgelegt werden (entweder sofortige Löschung oder endgültige Einlagerung). Dadurch sinkt die maximal verfügbare Anzahl an Zertifikaten am Markt, die den CO2-emmitierenden Unternehmen zum Kauf zur Verfügung stehen. Lange Zeit (bzw. immer noch) waren/ sind viel zu viele Zertifikate am Markt, u.a. wegen der Lobby-Arbeit der Wirtschaft bei der Einführung des Systems, wodurch die Preise pro Tonne CO2 auf einem sehr niedrigen Niveau waren (von 2012-18 zwischen 4-9€, aktuell liegt der Preis bei ca. 70€) und dadurch keine steuernde Wirkung haben konnten.

Durch die Stilllegung von Zertifikaten kann ein Beitrag geleistet werden, dass die CO2-Preise weiter steigen, so dass die Unternehmen immer größere Anreize bzw. größeren Druck haben in klimaneutrale und/ oder effizientere Technologien zu investieren. Im Gegensatz zu den projektbezogenen Zertifikaten hat dieses Verfahren den großen Vorteil, dass dadurch die emissionsintensiven Unternehmen in den Industrie-Staaten der EU direkt davon betroffen sind und das Problem nicht in andere (Entwicklungs-) Länder verlagert wird, ohne dass sich hier etwas ändert.

In der EU sind energieintensive Industrien (bspw. der Energiewirtschaft) zur Teilnahme am ETS verpflichtet, dies umfasst aktuell ca. 40% aller Treibhausgas-Emissionen in Europa (vor dem EU-Ausstieg von GB waren es 45%). Dieser Anteil muss erhöht werden und es müssen ähnliche, verpflichtende Strukturen global geschaffen und miteinander verknüpft werden, dann können sich die Unternehmen auch nicht mehr mithilfe projektbezogener Zertifikate reinwaschen. In den USA (und nahezu allen anderen Teilen der Welt abseits der EU) gibt es meines Wissens keine verpflichtenden, sondern nur freiwillige Systeme, die in der Regel auf die projektbezogenen Kompensationsverfahren setzen, welche wie gesagt sehr einfach missbraucht werden können und wenig bis keine Anreize zu einer Verhaltensänderung geben. Das ist ein großer Unterschied zwischen den USA und Europa. Auch das EU-ETS ist bei weitem (noch) nicht perfekt, aber aus meiner Sicht ein potentiell sehr mächtiges Werkzeug zur CO2-Reduzierung, da man hier direkte (politische) Möglichkeiten zur Steuerung hat.


Ein Anbieter für die Stilllegung von CO2-Zertifikaten ist bspw. der ehrenamtliche Verein compensators.org, welcher von Wissenschaftlern des Potsdam Institut für Klimafolgenforschung gegründet wurde und betreut wird. Der scheint mir auf den ersten Blick seriös zu sein. Aus dem veröffentlichten Finanzbericht für 2021 geht bspw. hervor, dass nahezu alle Spenden auch tatsächlich der Sache zu Gute kommen. 98,7% aller Aufwendungen gingen in den Aufkauf von ETS-Zertifikaten. Das Volumen zum Aufkauf ist (leider) noch vergleichsweise gering (ca. 280k € bedeutet einen Aufkauf von ca. 5.300 t CO2 bei einem Durchschnittspreis von 52,50€ in 2021). Aber je mehr Zertifikate auf diese Weise dem Markt entzogen werden, umso besser. Gleichzeitig muss natürlich auf politischer Ebene das System nachgeschärft werden, bspw. höhere Degressionsraten bei der Anzahl jährlich ausgegebener bzw. versteigerter Zertifikate, um den Druck auf die Unternehmen zu erhöhen, und einiges mehr. Aber auch als Privatperson kann hier einen (kleinen) Beitrag leisten.

Grundsätzlich halte ich das Werkzeug der Zertifikats-Stilllegung als Privatperson für sinnvoll und (langfristig) wirksam, was aber natürlich nicht heißt, dass sinnvoll umgesetzte Klimaschutzprojekte keinen Sinn machen, unabhängig davon, ob sie über Kompensations-Gelder oder andere Methoden finanziert werden. Das kann sich beides ergänzen.
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