Wird Rassismus verharmlost?

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Voigt
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Re: Wird Rassismus verharmlost?

Beitrag von Voigt »

Denke da ist halt die Frage ob es eine Wertung im Wort Rassismus gibt. Daher ob Stereotypisierung zu Rassimus zusammen auf einer Skala liegen, oder ob es grundlegenden Unterschied gibt.
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Felidae
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Re: Wird Rassismus verharmlost?

Beitrag von Felidae »

Voigt hat geschrieben: 12. Okt 2022, 11:46 Denke da ist halt die Frage ob es eine Wertung im Wort Rassismus gibt. Daher ob Stereotypisierung zu Rassimus zusammen auf einer Skala liegen, oder ob es grundlegenden Unterschied gibt.
Genau darum geht es Rince (und mir) doch die ganze Zeit: Wenn Du einen karikierten Stereotyp nutzt, der sich auf die Herkunft bezieht, dann ist das eben eine rassistische Darstellung, ohne wenn und aber. Und deshalb trifft auch Rince' Analogie mit dem Antisemitismus zu. Ob Du eine antisemitische Karikatur zeichnest, jüdische Gräber verwüstest oder jüdische Menschen in die Gaskammern steckst, ist beileibe nicht das selbe in der Wirkung. Aber ALLES eint der antisemitische Background.

Was die Darstellungen angeht, ist es übrigens völlig unerheblich, ob der Urheber das beabsichtigt hat oder nicht. Entscheidend ist nur die Wirkung. Karikaturist:innen fallen häufiger dadurch auf, bei ihrer (berechtigten) Kritik am Staat Israel auf antisemitische Darstellungen zurückzugreifen - sei es das berühmtberüchtigte Brunnenvergiftermotiv oder schlicht die Angewohnheit, jüdische Menschen grundsätzlich mit einer größeren Nase als andere Menschen auszustatten. Diese Zeichner:innen weisen in der Regel den Antisemitismus-Vorwurf weit von sich. Ihre Zeichnungen erfüllen den Tatbestand dennoch.

edit: Deshalb empfiehlt es sich aber, sprachlich genau zu sein. Eine rassistische Verhaltensweise, Darstellung, Ausdrucksweise ist erstmal genau das: Eine Verhaltensweise, Darstellung, Ausdrucksweise. Daraus kann man in der Tat nicht pauschal ableiten, dass der Mensch, der sich so verhalten hat, auch ein Rassist im Sinne von "böser Mensch" ist. Viele Dinge sind durch Sozialisierung nunmal angelernt, ohne, dass man das selbst merkt. Aber grade deshalb ist es ja so wichtig, rassistische Darstellungen in den Medien als solche zu benennen. Damit mensch es bemerkt und dazulernen kann. Und das lässt sich auf die anderen -ismen übertragen - Sexismus, Antisemitismus etc.
Voigt
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Re: Wird Rassismus verharmlost?

Beitrag von Voigt »

Also würde meine Analogie doch dahingehend zutreffend, dass ein Täter der ein Friedhof verwüstet aufgrund anti-religiöser Motive, auch anti-semitisch handelt, wenn auf dem Friedhof Juden beerdigt sind und der Täter davon wusste und die Gräber nicht ausnahm.

Die Anpassung von Rinces Analogie war nebenbei auch nich unbedingt ein Konterargument, sondern mehr eine Schärfung der Darstellung, denke ich zumindest.

Edit: Daher ja, denke die sprachliche Präzesion ist wichtig. Ob man etwa sagt, die stereotypische Fraktionsdarstellung bedient unter anderem auch rassistische Motive. Oder man sagt, die Fraktionsdaratellung (implizit in ihrer Gesamtheit) ist rassistsch.
MaxDetroit
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Re: Wird Rassismus verharmlost?

Beitrag von MaxDetroit »

Felidae hat geschrieben: 12. Okt 2022, 12:02
Voigt hat geschrieben: 12. Okt 2022, 11:46 Denke da ist halt die Frage ob es eine Wertung im Wort Rassismus gibt. Daher ob Stereotypisierung zu Rassimus zusammen auf einer Skala liegen, oder ob es grundlegenden Unterschied gibt.
edit: Deshalb empfiehlt es sich aber, sprachlich genau zu sein. Eine rassistische Verhaltensweise, Darstellung, Ausdrucksweise ist erstmal genau das: Eine Verhaltensweise, Darstellung, Ausdrucksweise. Daraus kann man in der Tat nicht pauschal ableiten, dass der Mensch, der sich so verhalten hat, auch ein Rassist im Sinne von "böser Mensch" ist.
Danke. Volle Zustimmung! Ich finde aber das es gerade eine sehr extreme null Toleranz Haltung zu Rassisumus in der Gesellschaft gibt, bei der die kleinste rassistische Äußerung jemanden gleich zur Persona non Grata macht. Anstatt zu sagen: "Hey, das war jetzt leicht rassistisch." Und der andere sagt: "Ups, Sorry, Entschuldigung, gar nicht gemerkt. Danke für den Hinweis. Ich korrigiere das bzw. ändere meine Verhaltensweise." Und danach sollte ja auch erstmal gut sein. Stattdessen wird überreagiert und Leute direkt gefeuert, entlassen, eben direkt zur Persona Non Grata gemacht, selbst wenn sie sich entschuldigen und Besserung geloben - trotzdem wird weitergehackt. Das gleiche gilt ja für Antisemitismus. Beim kleinsten Anzeichen wird direkt ein Skandal gemacht. Dieser nüchterne, gelassene Umgang mit den Wörtchen ist halt das was mir gerade abgeht, nichts anders.
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Felidae
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Re: Wird Rassismus verharmlost?

Beitrag von Felidae »

MaxDetroit hat geschrieben: 12. Okt 2022, 12:27 Danke. Volle Zustimmung! Ich finde aber das es gerade eine sehr extreme null Toleranz Haltung zu Rassisumus in der Gesellschaft gibt, bei der die kleinste rassistische Äußerung jemanden gleich zur Persona non Grata macht. Anstatt zu sagen: "Hey, das war jetzt leicht rassistisch." Und der andere sagt: "Ups, Sorry, Entschuldigung, gar nicht gemerkt. Danke für den Hinweis. Ich korrigiere das bzw. ändere meine Verhaltensweise." Und danach sollte ja auch erstmal gut sein. Stattdessen wird überreagiert und Leute direkt gefeuert, entlassen, eben direkt zur Persona Non Grata gemacht, selbst wenn sie sich entschuldigen und Besserung geloben - trotzdem wird weitergehackt. Das gleiche gilt ja für Antisemitismus. Beim kleinsten Anzeichen wird direkt ein Skandal gemacht. Dieser nüchterne, gelassene Umgang mit den Wörtchen ist halt das was mir gerade abgeht, nichts anders.
Und umgekehrt gibt es genügend Menschen, die, wenn man sie drauf hinweist, dass sie etwas rassistisches/antisemitisches/sexistisches/homophobes gesagt/gemacht haben, eben überhaupt nicht verstehen, dass man eine Aussage/Handlung benennt, sondern sich sofort persönlich angegriffen fühlen. Oder, noch extremer, sich persönlich angegriffen fühlen, wenn man etwas als rassistisch bezeichnet, was sie mögen. Siehe die unselige Karl May-Debatte. "Gelassenheit" würde ALLEN gut tun.

Edit: Oder anderes Beispiel. Wenn Du Menschen ganz freundlich darauf hinweist, dass man "Jedem das seine" aus Gründen nicht mehr sagen sollte, reagieren die wenigsten mit "Oh, das wusste ich nicht, danke für den Hinweis". Sondern die meisten reagieren mit "Bin ich jetzt ein Nazi oder was?????". Ja. Gelassenheit wäre schön.
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Re: Wird Rassismus verharmlost?

Beitrag von Voigt »

Glaube ist auch wieder das Ding. Jemanden zu sagen er solle etwas nichtmehr machen ist eine Aufforderung.
Ihm bloß zu fragen, ob er die Hintergründe von dem Spruch kennt, und falls nicht kurz zu informieren, sodass Person selber Entscheidung treffen kann wie er in Zukunft die Wendung verwendet oder nicht, kommt halt anders an.

Daher sprachliche Präzesion ist gut, nochmals bekräftigt :)
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Felidae
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Re: Wird Rassismus verharmlost?

Beitrag von Felidae »

Voigt hat geschrieben: 12. Okt 2022, 13:33 Glaube ist auch wieder das Ding. Jemanden zu sagen er solle etwas nichtmehr machen ist eine Aufforderung.
Ihm bloß zu fragen, ob er die Hintergründe von dem Spruch kennt, und falls nicht kurz zu informieren, sodass Person selber Entscheidung treffen kann wie er in Zukunft die Wendung verwendet oder nicht, kommt halt anders an.

Daher sprachliche Präzesion ist gut, nochmals bekräftigt :)
Nur um das weiterzuspinnen: Wenn ich ihn frage, ob er den Hintergrund kennt, könnte er sich oberlehrerhaft behandelt vorkommen. Wieviel Wattebäuschchen brauchts denn noch? Der Hinweis, dass man etwas nicht mehr sagen SOLLTE, lässt ja wohl genug Spielraum für die eigene Entscheidung.

Abgesehen davon - wenn er den Hintergrund nicht kennt und ich ihn dann informiere, dürfte die Reaktion trotzdem dieselbe sein. In der Regel sind das nämlich die Menschen, die sich eh dauernd beklagen, dass man "ja gar nix mehr sagen darf - und dann verbieten wir am besten auch Brot, haben Nazis ja auch gegessen". Andere verstehen schlicht, warum der Satz ein Tabu ist - und bedanken sich für den Hinweis. Auch, wenn ich nicht erst gefragt habe, ob sie den Hintergrund kennen.
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Re: Wird Rassismus verharmlost?

Beitrag von Voigt »

Die Wattebauschigkeit ist halt eh in meiner Natur, also so würde ich wahrscheinlich ganz natürlich reagieren. Warum auch nich, schadet in dem Moment ja nich.
MaxDetroit
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Re: Wird Rassismus verharmlost?

Beitrag von MaxDetroit »

"Jedem das seine" ist natürlich auch ein Diskussionspunkt, wo ich dezent drauf hinweisen würde das der Begriff problematisch ist, da er während des Zweiten Weltkrieges von den Nationalsozialisten als Motto am Eingangstor des Konzentrationslagers Buchenwald verwendet wurde. Fertig.
Ein "das sollte man nicht mehr sagen" ohne Kontext würde ich auch als unnötig provokant empfinden.

PS: Im Englischen wird ja "to each is own" auch überhaupt nicht problematisch aufgefasst.
Zuletzt geändert von MaxDetroit am 12. Okt 2022, 14:25, insgesamt 1-mal geändert.
Rigolax
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Re: Wird Rassismus verharmlost?

Beitrag von Rigolax »

Felidae hat geschrieben: 12. Okt 2022, 13:48 Nur um das weiterzuspinnen: Wenn ich ihn frage, ob er den Hintergrund kennt, könnte er sich oberlehrerhaft behandelt vorkommen. Wieviel Wattebäuschchen brauchts denn noch? Der Hinweis, dass man etwas nicht mehr sagen SOLLTE, lässt ja wohl genug Spielraum für die eigene Entscheidung.

Abgesehen davon - wenn er den Hintergrund nicht kennt und ich ihn dann informiere, dürfte die Reaktion trotzdem dieselbe sein. In der Regel sind das nämlich die Menschen, die sich eh dauernd beklagen, dass man "ja gar nix mehr sagen darf - und dann verbieten wir am besten auch Brot, haben Nazis ja auch gegessen". Andere verstehen schlicht, warum der Satz ein Tabu ist - und bedanken sich für den Hinweis. Auch, wenn ich nicht erst gefragt habe, ob sie den Hintergrund kennen.
Das ist ja wieder dieser, dein Präskriptivismus basierend auf einem, deinem (moralischen) Realismus. Warum ist es denn geboten zu "verstehen", dass dieser Satz tabu ist? Für dich ist es schlicht eine Tatsache, dass es so ist -- nicht, dass es so sein sollte, nein, dass es einfach so ist.

Ich verstehe, diese Redewendung hat diese Geschichte, diesen Missbrauch, aber "suum cuique" ist wesentlich älter und warum sollte denn nun diese, deine, Assoziation zwingend dominieren? Du übst moralische Gewalt aus und schreibst vor, wie andere zu denken haben, aber argumentierst nicht einmal normativ wieso, und wenn du es tust, dann läuft es auf moralisierende, pseudopsychologische Annahmen über "Trigger" hinaus. Das hatten wir ja auch bei dieser Push-Nachricht in Bezug auf Battlefield, "totaler Krieg", und hat sich dort die Aufregung gelohnt?: viewtopic.php?f=2&t=7481 oder die Diskussion um die kurios verwendete Kraken-Weltkugel-Symbolik in Sniper Elite 5: viewtopic.php?f=2&t=8731 Du nimmst dir ständig raus, dass deine Wahrnehmung der Welt absolute Gültigkeit besitzt, aber warum glaubst du, dir das anmaßen zu dürfen?
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Heretic
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Re: Wird Rassismus verharmlost?

Beitrag von Heretic »

Rigolax hat geschrieben: 12. Okt 2022, 14:23 Ich verstehe, diese Redewendung hat diese Geschichte, diesen Missbrauch, aber "suum cuique" ist wesentlich älter und warum sollte denn nun diese, deine, Assoziation zwingend dominieren?
Naja, das Hakenkreuz ist auch ein uraltes Symbol. Man assoziiert es aber hauptsächlich mit dem Dritten Reich. Oder aktuell eben mit Rechtsextremismus im allgemeinen, und das weltweit. Das mag bei "Jedem das Seine" jetzt nicht so ausgeprägt offensichtlich und in allen Köpfen präsent sein, aber zumindest in Deutschland sollte man die Zweckentfremdung seitens der Nazis eigentlich kennen.
Rigolax
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Re: Wird Rassismus verharmlost?

Beitrag von Rigolax »

Heretic hat geschrieben: 12. Okt 2022, 15:01 Naja, das Hakenkreuz ist auch ein uraltes Symbol. Man assoziiert es aber hauptsächlich mit dem Dritten Reich. Oder aktuell eben Rechtsextremismus im allgemeinen, und das weltweit. Das mag bei "Jedem das Seine" jetzt nicht so ausgeprägt offensichtlich und in allen Köpfen präsent sein, aber zumindest in Deutschland sollte man das eigentlich wissen.
Ich verstehe es ja bei "Arbeit macht frei", aber nicht unbedingt bei "Jedem das Seine". Okay, der historische Hintergrund sollte bekannt sein, das ist das eine, aber wieso muss "Jedem das Seine" Tabu sein?

Es ist schlicht (auch) nur Willkür, wo die Grenze gesetzt wird. Aber statt das persönlich so zu sehen, für sich, und andere zu überzeugen zu versuchen, wird die eigene Meinung zum Fakt, zur Tatsache aufgewertet und damit vor Widerrede vermeintlich immunisiert.
PrinzEisenerz
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Re: Wird Rassismus verharmlost?

Beitrag von PrinzEisenerz »

Heretic hat geschrieben: 12. Okt 2022, 15:01
Rigolax hat geschrieben: 12. Okt 2022, 14:23 Ich verstehe, diese Redewendung hat diese Geschichte, diesen Missbrauch, aber "suum cuique" ist wesentlich älter und warum sollte denn nun diese, deine, Assoziation zwingend dominieren?
Naja, das Hakenkreuz ist auch ein uraltes Symbol. Man assoziiert es aber hauptsächlich mit dem Dritten Reich. Oder aktuell eben mit Rechtsextremismus im allgemeinen, und das weltweit. Das mag bei "Jedem das Seine" jetzt nicht so ausgeprägt offensichtlich und in allen Köpfen präsent sein, aber zumindest in Deutschland sollte man die Zweckentfremdung seitens der Nazis eigentlich kennen.
Ich lese das tatsächlich hier heute zum ersten Mal. :?
Rigolax
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Re: Wird Rassismus verharmlost?

Beitrag von Rigolax »

PrinzEisenerz hat geschrieben: 12. Okt 2022, 15:19
Heretic hat geschrieben: 12. Okt 2022, 15:01
Rigolax hat geschrieben: 12. Okt 2022, 14:23 Ich verstehe, diese Redewendung hat diese Geschichte, diesen Missbrauch, aber "suum cuique" ist wesentlich älter und warum sollte denn nun diese, deine, Assoziation zwingend dominieren?
Naja, das Hakenkreuz ist auch ein uraltes Symbol. Man assoziiert es aber hauptsächlich mit dem Dritten Reich. Oder aktuell eben mit Rechtsextremismus im allgemeinen, und das weltweit. Das mag bei "Jedem das Seine" jetzt nicht so ausgeprägt offensichtlich und in allen Köpfen präsent sein, aber zumindest in Deutschland sollte man die Zweckentfremdung seitens der Nazis eigentlich kennen.
Ich lese das tatsächlich hier heute zum ersten Mal. :?
Mach dir nichts draus. Kannst ja mal drauf achten, wo überall bzw. wer "Drittes Reich" nicht distanziert, ohne Anführungszeichen, verwendet, obwohl das ein astreiner Nazi-Propagandabegriff ist. ;)
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Re: Wird Rassismus verharmlost?

Beitrag von Master_Studie_Anne »

@Rigolax: nun ist ja auch Felidae nicht die einzige Person auf der Welt, die das so sieht. Sprache ist nun einmal nicht nur Sprache, sondern transportiert einfach sehr viel mehr, als nur Wörter. Natürlich ist es schwer, einen Konsens in der Sprachverwendung zu finden, aber ich finde deine Reaktion spiegelt deutlich wieder, wie viel Sensibilität und Empathie ich mir manchmal wünschen würde. Der Ausdruck: "ABC sollte man nicht mehr sagen, weil XYZ." ist doch schon im Konjunktiv und dann ist es doch einfach eine Einladung, einmal kurz zu googeln und dann beispielsweise hier zu landen https://www.bpb.de/themen/parteien/spra ... -ns-erbes/ und sich dann eine Meinung zu bilden. Fehlt mir persönlich etwas, wenn ich Ausdruck ABC nicht mehr verwende? Kann ich mit meiner Sprache dafür sorgen, dass sich andere Menschen wohl(er) fühlen?
Hier einfach (wiederholt) auf einem Forenmitglied herumzuhacken, finde ich nicht schön. Gerade, wenn sich literally ein paar Posts darüber darüber unterhalten wurde, wie Menschen eigentlich darauf reagieren sollten, wenn andere Menschen Ihnen etwas zum Sprachgebrauch mitteilen wollen. Nichts daran ist ein persönlicher Angriff á la "Du bist ein schlechter Mensch, weil du gerade (unwissend) ABC gesagt hast.", sondern eine Einladung sich zu informieren (oder es halt auch zu lassen). Was du daraus machst, sind imho ad-hominem Argumente gegen ein Forenmitglied.
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Felidae
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Re: Wird Rassismus verharmlost?

Beitrag von Felidae »

Rigolax hat geschrieben: 12. Okt 2022, 14:23
Felidae hat geschrieben: 12. Okt 2022, 13:48 Nur um das weiterzuspinnen: Wenn ich ihn frage, ob er den Hintergrund kennt, könnte er sich oberlehrerhaft behandelt vorkommen. Wieviel Wattebäuschchen brauchts denn noch? Der Hinweis, dass man etwas nicht mehr sagen SOLLTE, lässt ja wohl genug Spielraum für die eigene Entscheidung.

Abgesehen davon - wenn er den Hintergrund nicht kennt und ich ihn dann informiere, dürfte die Reaktion trotzdem dieselbe sein. In der Regel sind das nämlich die Menschen, die sich eh dauernd beklagen, dass man "ja gar nix mehr sagen darf - und dann verbieten wir am besten auch Brot, haben Nazis ja auch gegessen". Andere verstehen schlicht, warum der Satz ein Tabu ist - und bedanken sich für den Hinweis. Auch, wenn ich nicht erst gefragt habe, ob sie den Hintergrund kennen.
Das ist ja wieder dieser, dein Präskriptivismus basierend auf einem, deinem (moralischen) Realismus. Warum ist es denn geboten zu "verstehen", dass dieser Satz tabu ist? Für dich ist es schlicht eine Tatsache, dass es so ist -- nicht, dass es so sein sollte, nein, dass es einfach so ist.

Ich verstehe, diese Redewendung hat diese Geschichte, diesen Missbrauch, aber "suum cuique" ist wesentlich älter und warum sollte denn nun diese, deine, Assoziation zwingend dominieren? Du übst moralische Gewalt aus und schreibst vor, wie andere zu denken haben, aber argumentierst nicht einmal normativ wieso, und wenn du es tust, dann läuft es auf moralisierende, pseudopsychologische Annahmen über "Trigger" hinaus. Das hatten wir ja auch bei dieser Push-Nachricht in Bezug auf Battlefield, "totaler Krieg", und hat sich dort die Aufregung gelohnt?: viewtopic.php?f=2&t=7481 oder die Diskussion um die kurios verwendete Kraken-Weltkugel-Symbolik in Sniper Elite 5: viewtopic.php?f=2&t=8731 Du nimmst dir ständig raus, dass deine Wahrnehmung der Welt absolute Gültigkeit besitzt, aber warum glaubst du, dir das anmaßen zu dürfen?
ich sehe keinerlei Sinn darin, darüber zu diskutieren, ob der Anstand es gebietet, auf einen Satz zu verzichten, der über den Toren eines KZ stand und dessen Bedeutung da absolut eindeutig war. Tut mir leid, über das Stöckchen spring ich nicht.

Ich erwarte im übrigen mitnichten, dass man WEISS, dass der Satz dort stand. Nur, dass man nach entsprechender Erklärung von sich aus keinerlei Bedürfnis mehr hat, Sätze zu nutzen, die zu einer bestimmten Zeit für bestimmte Menschen das Todesurteil bedeutet haben. Wenn mein Gegenüber dann drauf besteht, grade erst recht den Satz zu nutzen, dann nehme ich mir halt raus, mein Gegenüber für ein Arschloch zu halten.
MaxDetroit
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Re: Wird Rassismus verharmlost?

Beitrag von MaxDetroit »

Also das Fazit hier: https://www.bpb.de/themen/parteien/spra ... -ns-erbes/
lässt sich auch als ein astreiner Kommentar auf die Diskussion lesen, die wir hier gerade führen ;)

Fazit

Trotz juristischer, journalistischer und akademischer Bemühungen um eine kritische Nutzung von "Jedem das Seine" hat sich bis heute kein öffentlicher Konsens über den Umgang mit der belasteten Wendung etabliert. In der Diskussion über den weiteren Gebrauch stehen sich vielmehr zwei Positionen gegenüber. Für die Gegner ist die Instrumentalisierung als Todesformel das Maß der Dinge, dem sie auch die Jahrtausende alte Bedeutungsgeschichte unterordnen: "das Motto ist verdorben dadurch, dass es das KZ Buchenwald assoziiert."Es sei daher "unmöglich", so Salomon Korn, den Ausdruck zu benutzen, "solange es noch einen einzigen Menschen gebe, der bei der Redewendung an Buchenwald denke".

Befürworter der Weiterverwendung sehen es genau andersherum und ordnen den Missbrauch der zeitübergreifenden Bedeutung unter: "Wer eine Gerechtigkeitsformel, die fast 2500 Jahre alt ist, schon durch die kurzzeitige Pervertierung durch ein Terrorregime als nicht mehr zitierfähig ansieht", argumentiert Dietmar von der Pfordten, "gestattet dessen geistigem Zerstörungswerk fortzuwirken, anstatt offensiv und aufklärend gegen diese Pervertierung vorzugehen."

Für sich genommen wird allerdings keine der beiden Positionen der Sachlage gerecht. Das liegt zum einen daran, dass der Ausdruck sich nicht einfach disqualifizieren lässt, indem man ihn dem rassistischen Radikalwortschatz des "Dritten Reichs" - das heißt Ausdrücken wie "Ariernachweis" oder "Untermensch" - zuordnet. Es liegt zum anderen daran, dass die Sentenz auch nicht jener Kategorie von Ausdrücken angehört, die in den Jahrzehnten nach 1945 eine Art Rehabilitierung erfahren haben - wie etwa "betreuen", das im Umfeld des Konzentrationslagers Theresienstadt "in letzter Konsequenz ein Euphemismus für Morden und Mord" war, nach 1945 aber seinen Blutgeruch rasch verloren hat.

Mit Blick auf die zukünftige Verwendung ist vielmehr ein differenzierender Umgang weiterführend. Legitim ist die Benutzung der lateinischen Form suum cuique, weil es sich dabei um einen in relativ niedriger Frequenz gebrauchten Ausdruck handelt, der seit 1945 praktisch von niemandem mit den NS-Verbrechen assoziiert worden ist. Die Benutzung in der Rechtslehre, in der Geschichtsschreibung über Preußen, in Gerichtssälen oder im Barettabzeichen der Feldjäger kann deshalb nicht in Frage gestellt werden. Nichts einzuwenden ist ebenfalls gegen die deutsche Form in Fällen, in denen es um einen aufklärenden Umgang geht, wie er sich etwa bei Schnog, Olivier oder Broder nachweisen lässt. Eine Tabuisierung wäre hier kontraproduktiv, weil sie die in den Texten geleistete Aufklärung über den Holocaust verhindern würde.

Anders verhält es sich beim apologetischen oder ahistorisch profanen Gebrauch. Hardos Deutung der Buchenwalder Torinschrift ist inakzeptabel, weil sie den KZ-Terror nachträglich legitimiert. Zutiefst fragwürdig ist ebenfalls die unreflektierte Handhabung in der Unterhaltungsindustrie oder der Werbebranche. Sie ist es zum einen, weil sie die Gefühle der Opfer verletzt, und zum anderen, weil sie eine der großen gesellschaftspolitischen Leistungen der Bundesrepublik untergräbt: die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit. Dieses Projekt, das im Selbstverständnis der Deutschen mittlerweile eine zentrale Position einnimmt, wird nur dann seine Wahrhaftigkeit bewahren, wenn nicht allein Einvernehmen über die selbstkritische Auseinandersetzung mit dem rassistischen Wertesystem und den Verbrechen des "Dritten Reichs" besteht, sondern es ebenso zu einer Konsensbildung über den angemessenen Umgang mit der lexikalischen Hinterlassenschaft der NS-Diktatur kommt.

Dass in dieser Hinsicht weiterhin beträchtliche Defizite bestehen, lässt sich nicht nur anhand von "Jedem das Seine", sondern bei einer Vielzahl von Wörtern und Wendungen beobachten. Auch der Umgang mit einem Wort wie zum Beispiel "Entartung" gestaltet sich bis heute ausgesprochen heterogen. Während Günter Grass, nachdem er im Frühjahr 2007 die Reaktionen der Presse auf seine frühere SS-Mitgliedschaft als eine "Entartung" des deutschen Journalismus bezeichnete hatte, von den Medien genötigt wurde, die Verwendung des Ausdrucks öffentlich zu widerrufen, hat bislang kein Rezensent den Gebrauch desselben Wortes in Helmut Schmidts Bilanz "Außer Dienst" (2008) beanstandet.

Wie wenig es den Deutschen bislang gelungen ist, einen Konsens über den angemessenen Umgang mit dem Lexikon des Nationalsozialismus herzustellen, wurde an jenem eingangs bereits erwähnten Eklat über Eva Hermans Äußerungen in der Fernseh-Talkshow auf geradezu exemplarische Weise deutlich. Statt sich in einem sachbezogenen Diskurs über den problematischen Gebrauch belasteter Ausdrücke zu verständigen, kulminierte der Disput im Rauswurf einer Teilnehmerin. Um die Behebung derartiger Defizite geht es beim Umgang mit der sprachlichen Hinterlassenschaft der NS-Diktatur. Denn die Glaubwürdigkeit der Aufarbeitung des Nationalsozialismus insgesamt wird nicht zuletzt auch an dem Maß an diskursiver Zivilität gemessen, das in Deutschland seit 1945 wieder hergestellt werden konnte.
Zuletzt geändert von MaxDetroit am 12. Okt 2022, 16:34, insgesamt 3-mal geändert.
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Heretic
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Re: Wird Rassismus verharmlost?

Beitrag von Heretic »

Rigolax hat geschrieben: 12. Okt 2022, 15:27 Mach dir nichts draus. Kannst ja mal drauf achten, wo überall bzw. wer "Drittes Reich" nicht distanziert, ohne Anführungszeichen, verwendet, obwohl das ein astreiner Nazi-Propagandabegriff ist. ;)
Echt jetzt? :lol:
Master_Studie_Anne
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Re: Wird Rassismus verharmlost?

Beitrag von Master_Studie_Anne »

Und genau das meine ich. Anstatt hier einzelne Menschen anzugehen und persönlichen Moralismus vorzuwerfen, kann man auch einfach mal kurz atmen, etwas lesen und herausfinden, dass es eben kompliziert ist und da differenzierte Meinungen und Verhaltensweisen angebracht sind. Und letztendlich auch einfach das, was Felidae gesagt hat: es ist eine individuelle Entscheidung, wenn man trotz historischer Belastung bestimmte Dinge sagt, dann macht man es sich vielleicht auch einfach sehr leicht und bleibt bei gewissen Fällen auch einfach ignorant.
Rigolax
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Re: Wird Rassismus verharmlost?

Beitrag von Rigolax »

Felidae hat geschrieben: 12. Okt 2022, 15:53 ich sehe keinerlei Sinn darin, darüber zu diskutieren, ob der Anstand es gebietet, auf einen Satz zu verzichten, der über den Toren eines KZ stand und dessen Bedeutung da absolut eindeutig war. Tut mir leid, über das Stöckchen spring ich nicht.
Und wenn über den Toren gestanden hätte "Lirum, larum Löffelstiel", wäre dann nun diese Phrase tabu?
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